Norwegische Märchen (eBook)

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2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3397-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Norwegische Märchen - Peter Christian Asbjørnsen, Jørgen Moe
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»Die besten Märchen, die es gibt.« Jacob Grimm.

Jedes norwegische Kind kennt sie: Die Volksmärchen von Peter Christian Asbjørnsen und Jørgen Moe sind im skandinavischen Westen so populär wie bei uns die Märchen der Brüder Grimm. Anfang der 1830er Jahre machten sich die beiden Freunde daran, die Sagen ihrer Heimat zu sammeln und aufzuzeichnen. 1841 bis 1844 erschienen sie erstmals im Druck und verbreiteten sich rasch im ganzen Land. Die wundersame Welt, die sich hier auftut, ist bevölkert von seltsamen Trollen und Drachen, eifersüchtigen Riesen und missgünstigen Krämern, Sternguckern und dem rauen Nordwind. Dagegen haben sich die Helden in den Geschichten - verkappte Prinzen, verkannte Mägde und arme Müllersburschen - zu behaupten auf ihrer abenteuerlichen Suche nach dem Glück.

Mit einem Nachwort von Roger Willemsen.



Peter Christian Asbjørnsen (1812-1885) war ein norwegischer Naturforscher, Förster und Schriftsteller.

Von Aschenbrödel, welcher die silbernen Enten, die Bettdecke und die goldne Harfe des Trollen stahl


Es war einmal ein armer Mann, der hatte drei Söhne. Als er starb, wollten die beiden ältesten in die Welt reisen, um ihr Glück zu versuchen; aber den jüngsten wollten sie gar nicht mit haben. »Du da«, sagten sie, »taugst zu nichts anderm, als in der Asche zu wühlen, du!« – »So muss ich denn allein gehen«, sagte Aschenbrödel. Die beiden gingen und kamen zu einem Königsschloss; da erhielten sie Dienste, der eine beim Stallmeister und der andre beim Gärtner. Aschenbrödel ging auch fort und nahm einen großen Backtrog mit, das war das Einzige, was die Eltern hinterlassen hatten, wonach aber die andern beiden nichts fragten; der Trog war zwar schwer zu tragen, aber Aschenbrödel wollte ihn doch nicht stehen lassen. Als er eine Zeitlang gewandert war, kam er ebenfalls zu dem Königsschloss, und dort bat er um einen Dienst. Sie antworteten ihm aber, dass sie ihn nicht brauchen könnten; da er indes so flehentlich bat, sollte er zuletzt die Erlaubnis haben, in der Küche zu sein und der Köchin Holz und Wasser zuzutragen. Er war fleißig und flink, und es dauerte nicht lange, so hielten alle viel von ihm; aber die beiden andern waren faul, und darum bekamen sie oft Schläge und wenig Lohn und wurden nun neidisch auf Aschenbrödel, da sie sahen, dass es ihm besser ging.

Dem Königsschloss grade gegenüber, an der andern Seite eines Wassers, wohnte ein Troll, der hatte sieben silberne Enten, die auf dem Wasser schwammen, so dass man sie von dem Schloss aus sehen konnte; die hatte sich der König oft gewünscht, und deshalb sagten die zwei Brüder zu dem Stallmeister: »Wenn unser Bruder wollte, so hat er sich gerühmt, dem König die sieben silbernen Enten verschaffen zu können.« Man kann sich wohl denken, es dauerte nicht lange, so sagte der Stallmeister es dem König. Dieser sagte darauf zu Aschenbrödel: »Deine Brüder sagen, du könntest mir die silbernen Enten verschaffen, und nun verlange ich es von dir.« – »Das habe ich weder gedacht noch gesagt«, antwortete der Bursch. »Du hast es gesagt«, sprach der König, »und darum sollst du sie mir schaffen.« – »Je nun«, sagte der Bursch, »wenn’s denn nicht anders sein kann, so gib mir nur eine Metze Roggen und eine Metze Weizen; dann will ich’s versuchen.« Das bekam er denn auch und schüttete es in den Backtrog, den er von Hause mitgenommen hatte, und damit ruderte er über das Wasser. Als er auf die andre Seite gekommen war, ging er am Ufer auf und ab und streute und streute, und endlich gelang es ihm, die Enten in den Trog zu locken, und nun ruderte er, all was er nur konnte, wieder zurück.

Als er auf die Mitte des Wassers gekommen war, kam der Troll an und ward ihn gewahr. »Bist du mit meinen sieben silbernen Enten davongereist, du?«, fragte er. »Ja–a!«, sagte der Bursch. »Kommst du noch öfter, du?«, fragte der Troll. »Kann wohl sein«, sagte der Bursch. – Als nun Aschenbrödel mit den sieben silbernen Enten zurück zu dem König kam, wurde er noch beliebter im Schloss, und der König selbst sagte, es wäre gut gemacht. Aber darüber wurden seine Brüder noch aufgebrachter und noch neidischer auf ihn und verfielen nun darauf, zum Stallmeister zu sagen, jetzt hätte ihr Bruder sich auch gerühmt, dem König die Bettdecke des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, wenn er bloß wolle; und der Stallmeister war auch diesmal nicht faul, es dem König zu berichten. Der König sagte darauf zu dem Burschen, dass seine Brüder gesagt hätten, er habe sich gerühmt, ihm die Bettdecke des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, und nun solle er es auch oder sonst solle er das Leben verlieren. Aschenbrödel antwortete, das hätte er weder gedacht noch gesagt; da es aber nichts half, bat er um drei Tage Bedenkzeit. Als die nun um waren, ruderte Aschenbrödel wieder hinüber in dem Backtrog und ging am Ufer auf und ab und lauerte. Endlich sah er, dass sie im Berge die Bettdecke heraushängten, um sie auszulüften; und als sie wieder in den Berg zurückgegangen waren, erschnappte Aschenbrödel die Decke und ruderte damit zurück, so schnell er nur konnte. Als er auf die Mitte gekommen war, kam der Troll an und ward ihn gewahr. »Bist du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?«, rief der Troll. »Ja–a!«, sagte der Bursch. »Hast du nun auch meine silberne Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten genommen?«, – »Ja–a!«, sagte der Bursch. »Kommst du noch öfter, du?« – »Kann wohl sein«, sagte der Bursch. Als er nun zurückkam mit der goldnen und silbernen Decke, hielten alle noch mehr von ihm denn zuvor, und er ward Bedienter beim König selbst. Darüber wurden die andern beiden noch mehr erbittert, und um sich zu rächen, sagten sie zum Stallmeister: »Nun hat unser Bruder sich auch gerühmt, dem König die goldne Harfe verschaffen zu können, die der Troll hat und die von der Beschaffenheit ist, dass jeder, wenn er auch noch so traurig ist, froh wird, wenn er darauf spielen hört.« Ja, der Stallmeister, der erzählte es gleich wieder dem König, und dieser sagte zu dem Burschen: »Hast du es gesagt, so sollst du es auch. Kannst du es, so sollst du die Prinzessin und das halbe Reich haben; kannst du es aber nicht, so sollst du das Leben verlieren.« – »Ich habe es weder gedacht noch gesagt«, antwortete der Bursch, »aber es ist wohl kein andrer Rat, ich muss es nur versuchen; doch sechs Tage will ich Bedenkzeit haben.« Ja, die sollte er haben; aber als sie um waren, musste er sich aufmachen. Er nahm nun einen Lattenspieker, einen Birkenpflock und einen Lichtstumpf in der Tasche mit, ruderte wieder über das Wasser und ging dort am Ufer auf und ab und lauerte. Als der Troll herauskam und ihn gewahr ward, fragte er: »Bist du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?« – »Ja–a!«, antwortete der Bursch. »Du bist es, der mir auch meine Decke mit den goldnen und silbernen Rauten genommen hat?«, fragte der Troll. »Ja–a!«, sagte der Bursch. Da ergriff ihn der Troll und nahm ihn mit sich in den Berg. »Nun, meine Tochter«, sagte er, »nun hab ich ihn, der mir meine silbernen Enten und meine Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten gestohlen hat; setz ihn jetzt in den Maststall, dann wollen wir ihn schlachten und unsre Freunde bitten.« Dazu war die Tochter sogleich bereit, und sie setzte ihn in den Maststall, und da blieb er nun acht Tage lang und bekam das beste Essen und Trinken, das er sich wünschen konnte und so viel er nur wollte. »Geh nun hin«, sagte der Troll zu seiner Tochter, als die acht Tage um waren, »und schneide ihn in den kleinen Finger, dann werden wir sehen, ob er schon fett ist.« Die Tochter ging sogleich hin. »Halt mal deinen kleinen Finger her!«, sagte sie; aber Aschenbrödel steckte den Lattenspieker heraus, und in den schnitt sie. »Ach nein, er ist noch hart wie Eisen«, sagte die Trolltochter, als sie wieder zu ihrem Vater kam, »noch können wir ihn nicht schlachten.« Nach acht Tagen ging es wieder ebenso, nur dass Aschenbrödel jetzt den Birkenpflock heraussteckte. »Ein wenig besser ist er«, sagte die Tochter, als sie wieder zu dem Trollen kam, »aber noch war er hart zu kauen, wie Holz.« Acht Tage darnach sagte der Troll wieder, die Tochter solle hingehen und zusehen, ob er jetzt nicht fett genug wäre. »Halt mal deinen kleinen Finger her!«, sagte die Tochter, als sie zum Maststall gekommen war. Nun hielt Aschenbrödel den Lichtstumpf hin. »Jetzt geht’s an«, sagte sie. »Haha!«, sagte der Troll, »so reise ich fort, um Gäste zu bitten; inmittlerweile sollst du ihn schlachten und die eine Hälfte braten und die andre Hälfte kochen.« Als der Troll nun gereist war, fing die Tochter an, ein großes langes Messer zu schleifen. »Sollst du mich damit schlachten?«, fragte der Bursch. »Ja, du«, sagte die Trolltochter. »Aber es ist nicht scharf«, sagte der Bursch, »ich muss es dir nur schleifen, damit du mich desto leichter ums Leben bringen kannst.« Sie gab ihm nun das Messer, und er fing an zu schleifen und zu wetzen. »Lass es mich jetzt an deiner Haarflechte probieren«, sagte der Bursch, »ich glaube, es wird nun gut sein.« Das erlaubte sie ihm denn auch; aber sowie Aschenbrödel die Haarflechte ergriff, bog er ihr den Kopf zurück und schnitt ihr den Hals ab – und kochte dann die eine Hälfte und bratete die andere und trug es auf den Tisch. Darauf zog er die Kleider der Trolldirne an und setzte sich in die ...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2023
Reihe/Serie Die Andere Bibliothek
Die Andere Bibliothek
Übersetzer Friedrich Bresemann
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Märchen / Sagen
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aschenbrödel • Brüder Grimm • Es war einmal • Fabeln • Geschenkbuch • Hans Magnus Enzensberger • Märchen • Norwegen • Prinzessin • Roger Willemsen • Sagen • Trolle • Zaubergeschichten
ISBN-10 3-8412-3397-X / 384123397X
ISBN-13 978-3-8412-3397-4 / 9783841233974
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