Antimatter Blues (eBook)

Ein Mickey-7-Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30604-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Antimatter Blues -  Edward Ashton
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Die Fortsetzung zu MICKEY 7, verfilmt von Oscar-Preisträger Bong Joon-ho als MICKEY 17 mit Robert Pattinson in der Hauptrolle!
Es ist Sommer auf dem Eisplaneten Niflheim: Die Flechten wachsen, die sechsflügligen Flederwesen zirpen und Mickey Barnes ist, sehr zu seiner Verwunderung, noch am Leben. Stationskommandant Marshall glaubt, die Aliens von Niflheim hätten eine Antimateriebombe, und Mickey allein sei es zu verdanken, dass sie diese noch nicht eingesetzt hätten. Mickey ist nicht länger ein Wegwerfklon, sondern ein ganz normaler Kolonist - kein schlechtes Leben. Doch die Ruhe währt nicht lange: Die Antimaterie, die der Station ihre Energie liefert, geht zur Neige, deswegen will Marshall seine Bombe zurück. Wenn Mickey den Auftrag annimmt, verliert er seine Lebensversicherung. Wenn er sich weigert, stürzt er die Kolonie ins Verderben. Die Aliens wollen sich nicht so einfach von der Bombe trennen. Einmal mehr liegt das Schicksal zweier Spezies in Mickeys Händen - und wenn diesmal etwas schiefgeht, wird es keinen neuen Mickey-Klon geben ...

Die brillante Fortsetzung zu »Mickey 7« - verfilmt als »Mickey 17« von Oscar-Preisträger Bong Joon-ho (»Parasite«) mit Robert Pattinson, Steven Yeun, Naomi Ackie, Toni Collette und Mark Ruffalo!

Edward Ashton arbeitet in der Krebsforschung, unterrichtet mürrische Doktoranden in Quantenphysik, schnitzt gerne und schreibt an seinen Geschichten. Er lebt mit seiner Familie und seinem liebenswert trübseligen Hund in einer Hütte im Wald im Bundesstaat New York. Sein Science-Fiction-Roman »Mickey 7« wurde als »Mickey 17« von Oscargewinner Bong Joon-ho mit Robert Pattinson, Steven Yeun und Mark Ruffalo in den Hauptrollen verfilmt.

1


»Ich bin mir auf dem Gang gerade selbst über den Weg gelaufen.«

Nasha sieht von ihrem Tablet auf. Sie sitzt auf unserem Schreibtischstuhl, hat die Füße auf unser Bett gelegt und trägt nur Unterwäsche und Stiefel. Jede andere Frau sähe in diesem Aufzug lächerlich aus, aber Nasha wirkt darin ziemlich souverän. Sie schiebt sich die Braids aus dem Gesicht und stellt die Füße auf den Boden.

»Schön, dich zu sehen«, sagt sie. »Mach die Tür zu.«

Ich betrete das Zimmer und lasse die Tür hinter mir zufallen. Seitdem Nasha hier eingezogen ist, wirkt meine Koje viel kleiner. Als Erstes hat sie damals ihr Bett neben meins geschoben, sodass wir jetzt fast ein Doppelbett haben, und als Zweites hat sie eine Truhe angeschleppt, die fast den gesamten Rest des Zimmers belegt und in die ich nicht einmal einen Blick werfen darf. Und auch Nasha selbst nimmt irgendwie mehr Raum ein, als man bei ihrer Körpergröße erwarten würde.

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich will mich über nichts von alldem beschweren.

Ich setze mich aufs Bett und nehme ihr das Tablet aus der Hand. Sie wirft mir einen genervten Blick zu, widersetzt sich aber nicht.

»Hast du mir zugehört? Ich hab mich gerade selbst gesehen. In der untersten Etage, in der Nähe des Cyclers. Sieht so aus, als hätte Marshall ein paar neue Exemplare von mir aus dem Tank geholt.«

Nasha seufzt. »Das ist ausgeschlossen, Mickey. Als du damals gekündigt hast, hat Marshall doch alle deine Daten gelöscht, oder?«

»Ja, ich glaube schon. Jedenfalls hat er mir das zugesagt.«

»Und seitdem ist auch niemand mehr aus dem Tank gekommen, oder?«

»Ich glaube nicht. Berto hat mir erzählt, dass zwei Drohnen draufgegangen sind, als sie die Brennelemente aus meiner Blasenbombe zurück in den Reaktor geschoben haben. Und ich glaube nicht, dass sie diese wertvollen Ressourcen geopfert hätten, wenn da noch ein paar Mickeys herumgelegen hätten.«

Nasha lehnt sich zurück und legt die Füße neben mir auf das Bett. »So ist es. Also kannst du dich nicht selbst durch die Korridore geistern sehen – es sei denn, Acht hat sich die letzten zwei Jahre bei den Creepern herumgetrieben und ist jetzt zurückgekommen. Bist du sicher, dass es nicht Harrison war?«

»Harrison? Meinst du Jamie Harrison?«

Nasha lächelt. »Genau der. Er ist doch quasi dein Doppelgänger. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du ihn für dich selbst hältst.«

Jamie Harrison arbeitet in der Abteilung für Ackerbau. Hauptsächlich kümmert er sich um die Kaninchen. Er ist klein und dürr, hat mausbraunes Haar, das ihm in Büscheln vom Kopf absteht, zwinkert andauernd nervös und hat einen mordsmäßigen Überbiss. Er sieht kein bisschen aus wie ich.

Zumindest finde ich, dass er kein bisschen aussieht wie ich.

»Aber ich weiß doch, was ich gesehen habe«, sage ich. »Und das war garantiert ich. Maggie Ling hat ihn Speiche Drei entlanggescheucht, in Richtung der Nabe. Kurz hinter der Krankenstation sind sie an mir vorbeigelaufen. Sie waren ungefähr zwanzig Meter entfernt, und ich habe sie nur einen Augenblick lang gesehen, aber ich weiß doch, wie ich aussehe. Und das war definitiv ich.«

Nashas Lächeln verschwindet. »Zur Nabe? Zusammen mit Maggie?«

Maggie Ling ist die Leiterin der Systemtechnik. Die letzten Male, die sie mich irgendwohin gezerrt hat, war ich jeweils eine Stunde später tot – Strahlenvergiftung.

»Glaubst du mir jetzt?«

Nasha schüttelt den Kopf. »Noch nicht so ganz. Aber nehmen wir mal an, du hast recht, und Marshall hat nach zwei Jahren Mickey Neun aus dem Tank geholt, wie auch immer er das geschafft hat und welche Gründe er dafür auch gehabt haben mag. Warum läuft er dann im Schlepptau von Maggie Ling in der untersten Etage zur Nabe?«

Ich spüre, wie sich meine Miene verdüstert. »Der Reaktor.«

»Ganz genau. Das ist doch am wahrscheinlichsten, oder?«

Um in einem Antimateriereaktor herumzuwerkeln, ist ein Expendable ideal. Wir halten dem Neutronenfluss in seinem Inneren länger stand als jede Drohne, und wenn wir dabei draufgehen, sind wir unvergleichlich leichter zu ersetzen. Man braucht nur den alten Körper in den Cycler zu schieben, den Biodrucker anzuwerfen und ein paar Stunden zu warten.

Aber ich bin kein Expendable mehr. Ich bin im Ruhestand.

Zumindest habe ich das bis heute geglaubt.

»Ist ja auch egal«, sagt Nasha. »Was auch immer da abläuft, im Grunde betrifft es dich nicht, oder?«

Dazu könnte ich jetzt eine Menge sagen. Inwieweit sollte mich das beschäftigen, was einer anderen Verkörperung meiner selbst widerfährt? Bin ich das, der da verstrahlt wird, oder ist das nur irgendein Typ, der genauso aussieht wie ich? Um es mit der Geschichte von Theseus und seinem Schiff zu sagen: Was ist von einem beschädigten Schiffsrumpf zu halten, der auf einer Insel zurückgelassen wird und in Vergessenheit gerät? Aber nachdem ich sekundenlang mit offenem Mund dagesessen habe, überlege ich es mir anders und bringe nur ein einziges Wort hervor:

»Was?«

»Denk doch mal nach«, sagt Nasha. »Was kann denn schlimmstenfalls passieren?«

»Na ja … dass Maggie Ling gerade ein Exemplar von mir in den Reaktorkern schickt?«

»Genau. Da muss also wohl irgendwas erledigt werden, und sie kümmert sich darum. Und wenn sie dazu nicht einen neuen Mickey aus dem Tank gezogen hätte, welche Alternative hätte sie dann gehabt?«

Ich kenne die Antwort. Nasha steht auf, zieht mich an den Händen hoch und gibt mir einen Kuss.

»Das Schlimmste, was passieren kann«, sagt sie, »ist, dass gerade jemand in den Reaktorkern geschickt wurde – und dieser Jemand warst nicht du. Ich weiß ja nicht, wie du das findest, Babe, aber ich komme damit bestens klar.«

Eines steht jedenfalls fest: Das warme Niflheim ist wesentlich angenehmer als das kalte Niflheim. Alles ist grün und feucht, und überall krabbelt und wuselt es herum. Man muss sich jetzt auch nicht mehr in sechs Schichten Thermokleidung einpacken, wenn man rausgeht. Zwar braucht man nach wie vor ein Atemgerät, aber der Sauerstoffpartialdruck ist jetzt fast um zwanzig Prozent höher als bei unserer Landung. Also fühlt man sich bei einem Spaziergang nicht jedes Mal so, als würde man gleich ertrinken. An besonders schönen Tagen kann man sich sogar fast einbilden, wir wären an dem Ort, der uns verheißen wurde, als wir an Bord der Drakkar gegangen sind.

Etwas anderes steht allerdings auch fest: Das warme Niflheim wird nicht ewig warm bleiben. Der Winter steht vor der Tür.

Miko Berrigan und seine Knechte im Department für Physik haben fast den ganzen Sommer lang über den Aufzeichnungen gebrütet, in denen festgehalten ist, was in den dreißig Jahren vor dem Start der Drakkar an der Sonne von Niflheim beobachtet wurde. In diesem Zeitraum hat es drei Wärmeperioden gegeben. Die längste dauerte sieben Jahre, die kürzeste elf Monate. Die vier Winter während dieser Phase dauerten zwischen zwei und neun Jahren. Die Übergänge waren nicht abrupt, aber auch nicht sanft. Vielmehr schwankten die Temperaturen jeweils über einen längeren Zeitraum hinweg und pendelten sich dann an einem Ende der Skala ein. Dem Sommer, den wir zurzeit erleben, ging ein halbes Dutzend Fehlstarts voraus, bevor er wirklich da war.

Die Physiker auf Midgard glaubten, das, was sie da sahen, sei auf Interferenzen mit interstellarem Staub zurückzuführen. Süß, nicht wahr?

Wir haben diesen Sommer gut genutzt. Hieronymus Marshall ist ein kapitales Arschloch, aber dumm ist er nicht, und er will diese Kolonie zum Laufen kriegen. Wir haben Lebensmittelvorräte angelegt, haben die Tierwelt studiert, um zu verstehen, wie die heimischen Arten durch den Winter kommen, haben den Dome ausgebaut, um Platz für die erste Tranche der eingefrorenen Embryonen zu schaffen, haben genetisch veränderte Algen ausgebracht, die die Atmosphäre in etwas verwandeln sollen, das wir atmen können, und so weiter und so fort.

Das Problem hierbei ist: Das alles braucht seine Zeit, und Zeit haben wir nicht mehr viel. All die Vorkehrungen, die uns hier am Leben halten, fressen Unmengen an Energie, und die einzige Energiequelle, die uns im Moment zur Verfügung steht, ist der Antimateriereaktor der Drakkar, der unterhalb der Nabe vor sich hin surrt und nach und nach unsere letzten Brennstoffvorräte verbraucht.

Was mich zurück zu Maggie Ling führt, die gerade eben eine andere Version von mir durch Speiche Drei zur Nabe gescheucht hat. Ohne den Reaktor würden wir gerade so über die Runden kommen, vorausgesetzt, das Wetter bleibt, wie es ist.

Aber genau das ist der Punkt. Das Wetter wird nicht so bleiben, wie es ist.

Seitdem ich als Expendable gekündigt habe, arbeite ich hauptsächlich in Ackerbau. Nicht, weil ich einen grünen Daumen hätte oder so. Ich mache das, weil ich nichts anderes kann. Mir fehlen die Qualifikationen, um mich in den Departments für Physik, Biologie oder Systemtechnik nützlich zu machen. Amundsen, der Chef der Security, ist dicke mit Marshall und außerdem noch immer sauer auf mich, weil ich damals das Bewusstsein verloren habe, als Cat und ich vor zwei Jahren vor der Umzäunung des Dome gegen die Creeper gekämpft haben. Deswegen will er nichts mehr mit mir zu tun haben. Wenn wir die Babys aus dem Tiefkühllager holen, werde ich wohl auch mal eine Zeit lang in einer Kinderkrippe Windeln wechseln, aber dieser Schritt wird im Moment noch hintangestellt. Man will erst noch ein bisschen mehr Gewissheit haben, dass wir sie auch aufziehen...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Reihe/Serie Mickey 7
Mickey 7-Reihe
Mickey 7-Reihe
Übersetzer Felix Mayer
Sprache deutsch
Original-Titel Antimatter Blues
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2024 • Aliens • Andy Weir • bissiger Humor • Der Marsianer • diezukunft.de • eBooks • Eisplanet • Eiswelt • Erstkontakt • Klon • Kolonie • Mark Ruffalo • mickey 7 • Neuerscheinung • Robert Pattinson • Weltraumabenteuer • Weltraum-Abenteuer
ISBN-10 3-641-30604-3 / 3641306043
ISBN-13 978-3-641-30604-5 / 9783641306045
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