Vergiss nie, wie dein Herz am Anfang war (eBook)

Spiegel-Bestseller
Vom Mut, eigene Wege zu gehen | Die bewegende Autobiografie der Rosenheim Cops-Schauspielerin
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01549-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vergiss nie, wie dein Herz am Anfang war -  Marisa Burger
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«Ist das nicht die Stockl?» Ja ... und nein. Denn Marisa Burger ist viel mehr als die Kultrolle der Miriam Stockl aus «Die Rosenheim-Cops». Sie ist Musikerin, Mutter, Sportskanone, Kunstliebhaberin und Stehaufmännchen. Sie macht viel Sport und surft, ist in zweiter Ehe verheiratet, lebt in München, pendelt aber regelmäßig nach Basel zu ihrem Mann. Als Jugendliche liebte sie New Wave und Punk, entfloh dem erzkatholischen Altötting und ihrem eher konservativen Umfeld, entschloss sich gegen den Willen ihrer Familie für eine künstlerische Laufbahn, bekam mit Anfang 20 ihre Tochter, lebte in einer wilden WG. Unzählige Male hatte Marisa Burger die Wahl: Folge ich den gesellschaftlichen Normen oder breche ich aus und tue das, wofür ich brenne, was mich glücklich macht? Sie entschied sich (fast) jedes Mal für ihren Weg. Nicht aus Rebellion, sondern weil sie tief im Inneren spürte, dass es richtig für sie war. Diese Einstellung will sie in ihrem Buch weitergeben und dazu ermutigen, den eigenen Wünschen und Träumen zu folgen.

Marisa Burger (geb 1973), ist eine deutsche Schauspielerin und Sprecherin für Hörbücher. Besonders bekannt ist sie als Stammhauptdarstellerin der Serie «Die Rosenheim-Cops» in der Rolle der Sekretärin Miriam Stockl. Sie lebt in München und Basel.

Marisa Burger (geb 1973), ist eine deutsche Schauspielerin und Sprecherin für Hörbücher. Besonders bekannt ist sie als Stammhauptdarstellerin der Serie «Die Rosenheim-Cops» in der Rolle der Sekretärin Miriam Stockl. Sie lebt in München und Basel.

Von bunten Tagen und schwarzen Madonnen


Here is a plea from my heart to you,

nobody knows you as well as I do.

(Shake the Disease, Depeche Mode, 1985)

Wenn ich die Augen schließe und mich zu meinen Kindheitstagen zurückversetze, dann habe ich diese Zeilen von Depeche Mode im Kopf. Shake the Disease – Schüttle dein Leid ab. Dieser Song, er steht für so viel, für eine ganze Ära, für die Jahre meiner Kindheit und Jugend. Diese Worte bringen auf den Punkt, wie ich damals empfand. Ich fühlte mich in vielen Punkten alleingelassen, vermisste es, anerkannt und gesehen zu werden, wie ich war und nicht, wie andere mich haben wollten. Die Jahre von Kindheit und Pubertät sind bekanntlich prägend. Vieles hätte besser laufen können. Doch irgendwann lernte ich, das Leid abzuschütteln.

Ich bin ein Kind der 80er-Jahre. Meine große Faszination galt damals dem New Wave, der viel mehr ist als nur eine Musikrichtung. Er ist eine Lebenseinstellung und ein Statement. Die Texte und die Sounds dieser Bands spiegelten meine Gefühlswelt wider, sie waren melancholisch, düster, rauschhaft, wütend, magisch, hintergründig. Ihre Songs über Liebe, Einsamkeit und Weltschmerz, ihr Aufbegehren gegen das «Normale» trafen mich im Innersten: Durch sie konnte ich mich spüren und meiner Trauer, Wut und Freude einen Namen geben. Die Musik war wie eine Offenbarung, weil ich erkannte, was in meinem Innersten los war. Und Depeche Mode waren für mich die wichtigsten Helden des New Wave, weil sie all das implizierten. Und sie sind es immer noch.

Meine Heimat ist Altötting in Oberbayern, eine Kleinstadt rund neunzig Kilometer vor den Toren Münchens. Hier wurde ich geboren, hier ging ich in den Kindergarten und zur Schule (besser gesagt, auf mehrere Schulen). Hier bin ich, zusammen mit meinen beiden jüngeren Brüdern, groß geworden.

Altötting ist ein besonderes Pflaster. Denn unsere Stadt zählt zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Als «das Herz Bayerns und eines der Herzen Europas» hat es der frühere Papst Benedikt XVI. einmal beschrieben, was sicherlich als Kompliment gemeint war. Und ziemlich genau, wie es in Altötting zugeht: Die katholische Kirche und die Kirchenhäuser bestimmen sowohl das Stadtbild als auch den Alltag der Menschen.

Und so waren es zum Beispiel die Kirchenglocken und Mariengesänge, von denen ich morgens wach wurde. Wir wohnten am Stadtrand von Altötting an einer wichtigen Pilgerschneise, hier wanderten die Wallfahrer tagein, tagaus in Richtung Ortszentrum. Im Marienmonat Mai kamen die Gläubigen zu Fuß aus München, Regensburg, Passau, aus allen möglichen Himmelsrichtungen direkt an unserem Haus vorbei. An der Spitze der Prozession lief ein Vorbeter mit Megafon und gab den Ton an. «Maria, Mutter Gottes, du bist gebenedeit …» schallte es durch die Gegend und riss mich aus dem Schlaf.

Jedes Jahr pilgern Massen von Gläubigen zur Schwarzen Madonna in die Gnadenkapelle: eine aus Linden- oder Nadelholz geschnitzte, von Rauch und Alter geschwärzte Marienfigur. Dieser zierlichen, sechsundsechzig Zentimeter hohen Figur wird nachgesagt, Schwerkranke geheilt zu haben. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge. Ich konnte damit nicht viel anfangen, auf mich wirkte das Ganze eher skurril. Dennoch übte die Inszenierung rund um die Schwarze Madonna eine gewisse Faszination auf mich aus: Das Leben in Altötting kam mir manchmal vor wie ein einziges großes Theaterstück.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Fast eineinhalb Millionen Besucher kommen auf nur knapp dreizehntausend Altöttingerinnen und Altöttinger! Jahr für Jahr! Was bei uns zur Hochsaison – im Marienmonat Mai und den gesamten Sommer über – los ist, kann man sich kaum vorstellen, wenn man es nicht selbst einmal erlebt hat. Zahlreiche Wallfahrer und Wallfahrerinnen, Pilger und Pilgerinnen in scheinbar endlosen Prozessionen – sie alle treffen sich im Zentrum auf dem großen, wunderschön gestalteten Kapellplatz.

Altötting lebt von der Wallfahrt, und die Madonnenverehrung ist das Geschäftsmodell. Die Maria gibt es als Souvenir an jeder Ecke und in allen erdenkbaren Formen und Varianten zu kaufen, sie ist auf Bilder, Kerzen, Tassen, Kleidungsstücke aufgedruckt, als Statue in diversen Materialien und von klein bis groß erhältlich. Auch die Gastronomie und die Hotels sind fast ausschließlich auf die Pilgermassen ausgerichtet, die per Bahn, Auto, zu Fuß oder in Bussen anreisen. Während die Gnadenkapelle im Zentrum des Ortes eher klein ist, zählt die Basilika St. Anna zu den größten Gotteshäusern Deutschlands, in der tausend Gläubige Platz finden und die zu den Festtagen, wenn der Bischof höchstpersönlich anwesend ist, aus allen Nähten platzt.

Die Kirche prägte unseren Alltag in vielen Lebensbereichen. Katholischer Kindergarten, katholische Jugend, katholische Pfadfinder und Pfadfinderinnen, katholische Schulen. Nicht zu vergessen der Schulchor, der an den Sonn- und Feiertagen in den Gotteshäusern zum Einsatz kam (ich) und die Flut an Messdienerinnen und Messdienern (meine Brüder), die die Gottesdienste begleiteten. Als ich klein war, ging ich im Marienmonat Mai jeden Tag um 19 Uhr mit meiner Oma in die Maiandacht – 31 Tage am Stück!

Die Kirchgänge, die Andachten und alles, was in der Schule im Alltag und rund um die katholischen Feiertage zelebriert wurde, war für mich eine einzige große Pflicht und Bürde. Die Texte aus dem Evangelium, die gelesen, die Predigten, die gehalten wurden – sie hatten für mich wenig mit meinem eigenen Leben zu tun, mit dem, was mich beschäftigte.

Ich war in den Gottesdiensten zwar anwesend, aber nicht mit dem Herzen dabei. Während ich auf der harten Kirchenbank saß, träumte ich mich weg, in andere Welten.

Was blieb, war ein permanent schlechtes Gewissen, weil alle um mich herum scheinbar mit Enthusiasmus bei der Sache waren. Ich fühlte mich unzulänglich und nicht zugehörig und bekam den Eindruck, mit mir würde etwas nicht stimmen.

Als junger Mensch eine Freizeitbeschäftigung außerhalb der Institution Kirche zu finden, war in Altötting nicht leicht. Doch für mich gab es ihn, den einen besonderen Ort, an dem ich im wortwörtlichen Sinn abtauchen und dem katholischen Reglement entfliehen konnte. Dieser Ort war das St. Georgen Freibad in Altötting. Hier fand ich Ruhe und Spaß. Das Freibad war für mich eine Zuflucht ohne die sonst üblichen Einschränkungen und Regeln, die mir vorschrieben, was ich wann zu denken, zu sagen und zu tun hatte. Sobald das Freibad im Frühjahr seine Pforten öffnete und das Wetter mitspielte, verschlug es mich in jeder freien Minute dorthin; wochentags nach den Hausaufgaben und an den Wochenenden sowieso.

Ich bin immer schon gerne geschwommen, ich war eine richtige Wasserratte. Meiner Mutter war es sehr wichtig, dass sie uns von klein auf das Schwimmen beibrachte, weil sie selbst keine gute Schwimmerin war. Da ich unter massivem Heuschnupfen leide, war Wasser mein bevorzugtes Element. Und das ist bis heute so. Überall, wo es feucht ist und dampft, fühle ich mich wohl.

Ich kann das St. Georgen Freibad heute noch riechen. Dieses einzigartige Gemisch von Aromen: Da waren die abgenutzten Holzplanken aus den 70ern, die nach nassem Holz rochen, das Chlor im Becken, dessen Geruch irgendwann nicht mehr aus den Badeanzügen herauszuwaschen war, die Nivea-Sonnencreme, deren süßlicher Duft für mich wichtiger war als ihr Sonnenschutzfaktor, und die verführerische, appetitmachende Pommes-Fahne, die vom Kiosk bis auf die Liegewiese wehte.

Freibad bedeutete für mich Freiheit.

Meine Brüder und ich wurden beim Taschengeld knappgehalten, schließlich waren wir drei Kinder, und das wenige gab zumindest ich immer viel zu schnell aus. Mit dem Ergebnis, dass ich die meiste Zeit knapp bei Kasse und mitunter pleite war. Also musste ich mir etwas einfallen lassen, um mir meine Freibadausflüge leisten zu können. Ich fand schnell heraus, wie ich an etwas Extrageld kommen konnte. In den Umkleideräumen gab es eine Flucht von Spinden. In diese musste man zwei Mark einwerfen, um seine Kleidung einschließen zu können. Ich hatte beobachtet, dass manche Badegäste vergaßen, ihr Geld aus dem Spind herauszuholen, wenn sie das Freibad verließen. Also schlich ich durch die Gänge, um nachzuschauen, wo noch Münzen herumlagen. Mit etwas Glück kam ich auf meinen Beutezügen auf acht Mark oder mehr. Damit war mein Freibadaufenthalt gerettet. Pommes, Cola, Eis, das alles konnte ich mir jetzt leisten. Und für den nächsten Tag hatte ich eventuell auch noch etwas übrig.

Das Altöttinger Freibad mochte ich auch deswegen, weil sich hier alle Kinder aus der Gegend trafen. Immer war etwas los, ein buntes Gemisch aus allen Schichten und Menschen jeglichen Alters. Und ob jemand evangelisch oder katholisch war, spielte hier keine Rolle – hier war nur wichtig, mit wem man im Wasser Ball spielen, Handstand machen oder sich bei Tauchwettbewerben messen konnte.

Seit meiner Jugend war ich nie wieder im Altöttinger Freibad. Doch das unbeschwerte Lebensgefühl, das ich dort hatte, der herrliche Sonnencreme-Chlor-Pommes-nasser-Rasen-Geruch, das Juchzen der Kinder und das laute Platschen, wenn wir vom Betonblock ins Wasser sprangen, haben sich mir ins Gedächtnis geschrieben. Diese Sinneseindrücke überlagern immer wieder die Erinnerungen an das Geläut der...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2023
Co-Autor Olaf Köhne, Peter Käfferlein
Zusatzinfo Mit Abbildungen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Achtsamkeit • Altötting • Autobiografien • Biografie Frau • Biografien • Die Rosenheim-Cops • Ermutigung • Essstörung • female empowerment • Filmbranche • Geschenkbuch für Frauen • Inspiration • inspirierende bücher • Katholizismus • Magersucht • Magersüchtig • Michael Mohr • Miriam Stockl • München • Rebellion • Rosenheimcops • Rosenheim Cops • Schauspielerin • Selbstfindung • Selbstliebe • Starke Frauen • Stockl • Sven Hansen • Unkonventionell • ZDF
ISBN-10 3-644-01549-X / 364401549X
ISBN-13 978-3-644-01549-4 / 9783644015494
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