Trevellian und das U-Boot: Kriminalroman (eBook)
240 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7288-7 (ISBN)
2. Kapitel
In Amandas rehbraunen Augen lag ein begeistertes Leuchten, während sie sich in dem schummerig beleuchteten Saal umsah.
»Dass du mich ausgerechnet ins Birdland ausführen würdest, damit habe ich wirklich nicht gerechnet!«, rief sie gegen den Lärm an, der in dem kleinen Konzertsaal herrschte. Jazzmusik schallte aus den Lautsprechern. Die Gäste waren in angeregte Gespräche vertieft.
Ich schenkte meiner Begleiterin ein verschmitztes Lächeln. »Anscheinend hast du deine Vorliebe für Jazz noch nicht verloren, Amanda. Das freut mich.«
Meine Begleiterin sah umwerfend aus. Das dunkelgrüne, dezent ausgeschnittene Kleid schmiegte sich wohlgefällig um ihre weiblichen Rundungen, ohne diese allzu deutlich hervorzuheben. Das brünette Haar flutete locker über ihre bloßen Schultern.
Auch ich hatte mich für diesen Abend in Schale geschmissen. Ich konnte mich schon nicht mehr erinnern, wann ich den Smoking das letzte Mal getragen hatte. Ich befürchtete, dass der Anlass eine Beerdigung gewesen war. Ein Grund mehr, den edlen Zwirn mal wieder zu einer erfreulicheren Gelegenheit anzuziehen.
»Einige Dinge ändern sich eben nie, Jesseas.« Amanda lächelte um Verzeihung heischend. »Jesse meinte ich natürlich.«
Ich geleitete sie zu einem runden Tisch im Hintergrund des Saals. Das Birdland am nördlichen Ende des Broadways war recht gut besucht. Die auf dem Programm stehende Band würde in etwa einer Stunde auftreten. Die vorderen Sitzplätze waren daher bereits alle belegt. Doch im hinteren Bereich waren noch einige Tische frei, von denen wir nun einen enterten.
»Wer spielt denn heute Abend?«, wollte Amanda wissen, nachdem wir uns gesetzt hatten.
»Eine europäische Jazz-Kombo«, erwiderte ich. »Die Frau singt in ein Jazzgewand gekleidete Roma- und Sintilieder.«
»Zigeunermusik, also. Das klingt vielversprechend.«
Nachdem ich Amanda gefragt hatte, was sie zu essen und zu trinken wünschte, bestellte ich bei der Kellnerin Bier und zwei Sandwiches. »Die Speisekarte hier ist nicht unbedingt etwas für Gourmets«, sagte ich etwas verlegen, nachdem die Bedienung gegangen war.
Amanda zuckte mit den Schultern. »Dafür bekommt das Ohr hier einiges geboten. So etwas weiß ich weitaus mehr zu schätzen, als ein raffiniertes Menü.«
Ich atmete übertrieben erleichtert durch. »Gewisse Angewohnheiten hast du offenbar noch nicht abgelegt.«
Amandas Gesicht zeigte einen leicht melancholischen Ausdruck, als sie mich nun über den Tisch hinweg ansah. »Es hat sich viel getan in den Jahren, in denen wir uns aus den Augen verloren haben«, sagte sie nicht eben fröhlich.
Ich nickte verstehend. »Rückschläge und Misserfolg gehören zum Leben nun einmal dazu, Amanda. Hauptsache man verliert sein Ziel nicht aus den Augen.«
Sie lächelte gelöst. »Und dein alleiniges Ziel ist die Verbrechensbekämpfung – habe ich recht?«
»Deines doch auch«, entgegnete ich.
Amanda blickte auf ihre Finger hinab. »Ich wünschte nur, die Gesetze würden es uns nicht so schwer machen, Verbrecher zu entlarven und hinter Gittern zu bringen.«
Ich langte über den Tisch und umfasste ihre Hände. »In unserem Beruf darf man es sich nicht einfach machen, Amanda. Bevor man einen Menschen ins Gefängnis sperrt, muss man sich hundertprozentig sicher sein, dass er diese Strafe auch wirklich verdient hat.«
Ich zog meine Hände zurück und lehnte mich zurück. »Das ist zugegeben manchmal ziemlich mühsam.«
Amanda lächelte dünn. »Du redest wie Eva Talbot, mein Mentor. Sie hat mich während meines Studiums unterstützt und mir später die Stelle in New Jersey verschafft.« Sie seufzte. »Ohne ihr gutes Zureden hätte ich das Studium der Rechtswissenschaften vielleicht sogar irgendwann abgebrochen.«
Ich sah Amanda prüfend ins Gesicht. So niedergeschlagen und nachdenklich hatte ich sie noch nie erlebt. »Die Sache mit Jacob Rude scheint dich ziemlich mitzunehmen.«
Amanda sah zur Bühne hinüber, wo letzte Vorbereitungen für den bevorstehenden Auftritt getroffen wurden. »Ohne die Unterstützung von Claus Poem wäre Rude irgendwann eingeknickt und hätte gestanden«, sagte sie. »Stattdessen mussten wir ihn laufen lassen.«
»Wenn tatsächlich Rude und nicht Laura Lane in dem Taucheranzug gesteckt hat, werden wir es irgendwann auch beweisen können«, erwiderte ich. »Einige Dinge brauchen eben seine Zeit. Auch ein Claus Poem wird nicht verhindern können, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt.«
Amanda lächelte müde. »Wie geht es Laura denn jetzt? Es wäre vielleicht besser gewesen, sie ins Frauengefängnis auf Rikers Island zu überstellen, anstatt sie noch länger in eine Zelle im Keller des FBI-Headquarters zu sperren.«
»Eine Psychologin kümmert sich um sie«, erwiderte ich. »Außerdem wird sie von unseren Vernehmungsspezialisten Irwin Hunter und Dirk Baker verhört werden. Laura Lane ist bei uns gut aufgehoben, Amanda.«
»Hältst du sie denn wirklich für schuldig, Jesse?«
Tief atmete ich durch. »Eigentlich hatte ich gehofft, wir würden berufliche Themen ausklammern und uns über unsere gemeinsame Zeit in Harpers Village unterhalten.«
»Entschuldige«, sagte Amanda. »Ich fürchte, ich bin für dich heute keine gute Gesellschafterin.«
Ich winkte ab. »Wenn es dir hilft, reden wir eben über Berufliches. Ich habe kein Problem damit.«
Ich beugte mich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Abgesehen davon, dass Laura Lane von einem Zeugen belastet wird, erscheint es uns momentan gar nicht mehr so abwegig, dass sie diesen anstrengenden Tauchgang zum U-Boot tatsächlich unternommen haben könnte.«
Amanda zog die Augenbrauen zusammen. »Wäre eine Drogenabhängige einer solchen körperlichen Belastung denn überhaupt gewachsen?«
Die Kellnerin kam, stellte die Biere und die Sandwiches vor uns ab und widmete sich anschließend einem anderen Gast.
»Mrs. Lane besitzt einen Taucherschein«, erklärte ich. »Und die Ärztin, die sie untersuchte, attestierte ihr eine den Umständen entsprechend gute körperliche Konstitution.«
Amanda schüttelte den Kopf. »Was sagt sie zu den Anschuldigungen?«
»Sie streitet alles vehement ab und beruft sich darauf, dass sie in der Nacht unter Drogen stand. Das kann aber nicht eindeutig nachgewiesen werden, weil sie sich bei unserer Ankunft eine frische Dosis Kokain geschnupft hatte. Ob sie vor dieser Dosis schon high gewesen ist, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Sie scheint auch noch nicht allzu lange drogenabhängig zu sein.«
Amanda schüttelte resigniert den Kopf. »In meinen Augen ist Laura nur ein Opfer. Und jetzt wird sie von den Drahtziehern der Kokainlieferung auch noch als Sündenbock benutzt.«
»Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben«, entgegnete ich. »Wir müssen abwarten, welche Erkenntnisse uns die weiteren Ermittlungen liefer werden. Momentan sieht es jedenfalls so aus, dass es Laura Lane war, die von Jim Ronsteed im Manhattan Beach Park vergangene Nacht gefilmt wurde.«
Ich drehte mich zur Bühne um. Applaus war aufgebrandet, denn die Musiker waren hinter einem Vorhang hervorgekommen und begaben sich zu ihren Instrumenten.
»Laura Lane stammt übrigens aus gutem Hause«, sagte ich abschließend und sah Amanda von der Seite an. »Ihr Vater führt ein kleines Unternehmen, das Sportbekleidung herstellt. Offenbar ist sie durch ihren Freundeskreis an Leute geraten, die sie dazu verführten, Drogen zu nehmen.
So jedenfalls schilderte es mir ihre Mutter, mit der ich ein ziemlich langes Gespräch hatte. Als die Eltern vor einem halben Jahr erfuhren, dass ihre Tochter drogenabhängig ist, entzogen sie ihr die finanzielle Unterstützung. Sie machten eine Therapie zur Bedingung, wenn Laura in den Schoß der Familie zurückkehren wollte.«
»Sieht nicht so aus, als hätte Mrs. Lane sich auf diese Bedingung eingelassen«, bemerkte Amanda.
»Nein. Dass ihre Tochter nun noch tiefer in die Drogenszene abgerutscht ist, anstatt den Motiven ihrer Sucht auf den Grund zu gehen, hat Lauras Mutter entsetzt. Sie war in Tränen aufgelöst, als ich ihr sagte, was ihrer Tochter zur Last gelegt wird.«
In diesem Moment fing die Band zu spielen an. Der Schlagzeuger trommelte mit seinen Besen einen vertrackten Jazzrhythmus, während Klavier und Gitarre langsam mit einstimmten. Schließlich hob die Sängerin mit rauchiger Stimme an, eine Zigeunerweise zum Besten zu geben.
Die Leidenschaft in der Stimme der Sängerin jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Das Arrangement klang mitreißend und interessant. Der Abend versprach, ein musikalischer Genuss zu werden.
Ich warf Amanda einen begeisterten Blick zu. Doch ihre Miene wirkte verschlossen und nachdenklich. Das Leuchten, das mir bei unserer Ankunft im Birdland in ihren Augen aufgefallen war, war erloschen.
Eine halbe Stunde später beugte sich Amanda über den Tisch und berührte meinen Unterarm. Ihr Bier war nur zur Hälfte geleert, und von dem Sandwich hatte sie nur einmal abgebissen.
»Es tut mir schrecklich leid, Jesseas. Aber ich fürchte, ich bin nicht dazu aufgelegt, mich zu amüsieren«, rief sie verhalten.
»Was ist denn mit dir?«, wollte ich wissen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es selbst nicht.«
Ein Blick in ihr Gesicht verriet, dass ich sie nicht würde...
Erscheint lt. Verlag | 12.3.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-7288-9 / 3738972889 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7288-7 / 9783738972887 |
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