Trevellian im Visier der Triaden-Killer: Kriminalroman (eBook)
250 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7247-4 (ISBN)
1
Erster Tag
Während die beiden Officer das Patrouillenboot der City Police am Anleger festmachten, reckten sie die Hälse und spähten interessiert zu meinem Sportwagen hinüber, den ich, G-man Jesse Trevellian, hinter der hohen Absperrung der Kaianlage geparkt hatte. Zwischen den modernen Einsatzfahrzeugen der Polizei, die dort ebenfalls abgestellt worden waren, wirkte mein Wagen wie ein exotisches Artefakt.
Auch unter den Passanten, die an diesem sonnigen Vormittag auf dem breiten Fußweg neben dem begrünten Flussufer des East River Drive entlang joggten, oder ihren Hund spazieren führten, erregte der Sportwagen, den jeder auf den ersten Blick für einen Oldtimer halten musste, große Aufmerksamkeit. Die in der prallen Sonne matt schimmernde Karbonfaserkarosserie war eine exakte Kopie eines Sportwagen Chassis. Doch die Technik, die sich unter diesem nostalgischen Gehäuse verbarg, war eine andere. Die Leute, die meinen Wagen bewunderten, hätten nicht schlecht gestaunt, wenn sie hätten beobachten können, wie ich mit diesem kleinen Schmuckstück mit Beschleunigungswerten, die an einen F16 Kampfjet heranreichten, davongebraust wäre.
Derartiges lag mir momentan jedoch fern. Ich war mit meinem Freund und Kollegen Milo Tucker nicht nach Yorkville gefahren, um bei diesem schönen Sommerwetter eine Spritztour mit meinem Sportwagen zu unternehmen. Wir waren zur Kaianlage am nördlichen Ende des Carl Schurz Parks gefahren, weil wir hier von einem Hochgeschwindigkeitsboot der City Police abgeholt werden sollten, das uns zu der kleinen unbewohnten Insel Mill Rock übersetzen würde.
Die Sichtverhältnisse an diesem strahlenden Sommertag waren hervorragend, und so konnten Milo und ich die etwa achthundert Fuß lange, bewaldete Insel, die inmitten des unruhigen Flussabschnitts lag, wo der Harlem River in den East River mündete, recht gut erkennen. Wegen der tückischen Felsen und Riffs, die in den vergangenen Jahrhunderten so manchem Schiff zum Verhängnis geworden waren, hatte man dieses Flussgebiet Hells Gate genannt. Die gefährlichen Felsbarrieren knapp unterhalb der Wasseroberfläche waren Anfang des neunzehnten Jahrhunderts jedoch alle geebnet worden, sodass die Schiffe die Flussgabelung inzwischen risikolos passieren konnten.
Mill Rock Island hatte bei der Befriedung dieser gefährlichen Wasserstraße eine große Rolle gespielt. Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurde auf der Insel, die zu dieser Zeit noch aus zwei kleinen, dicht beieinanderliegenden Felsen bestanden hatte, eine Mühle errichtet, der das kleine Eiland seinen Namen zu verdanken hatte. Später dienten die Felsinseln der US Army lange Zeit als Stützpunkt und Testgelände. Das United States Army Corps of Engineers nutzte die Inseln schließlich für Sprengstofftests, mit denen ein Verfahren entwickelt werden sollte, die Felsbarrieren des East Rivers zu beseitigen. Der Lärm der Explosionen war damals weit bis nach Manhattan und Queens hinein zu hören gewesen und hatten für die dortigen Anwohner zum alltäglichen Stadtlärm genauso dazugehört, wie das allgegenwärtige Klappern der Kutschen- und Droschkenräder. Am 10 Oktober 1885 führte das USACE in der Nähe von Mill Rock Island dann die größte geplante Explosion vor der Atombombe durch, als sie den Flood Rock, einen neun Hektar großen Fels, sprengte, der die Schifffahrt auf dem East River bis dato massiv behindert hatte. Der entstandene Abraum wurde anschließend verwendet, um die Lücke zwischen den beiden Felsen von Mill Rock zu schließen, um aus ihnen eine einzige Insel zu formen.
Längst waren alle Gebäude auf dieser geschichtsträchtigen Insel beseitigt worden. Man hatte Mutterboden herbeigeschafft und Bäume gepflanzt. Die Insel bot mit ihrem Baumbestand inmitten dieses betriebsamen Flusses nun einen wunderschönen, naturbelassenen Anblick. Nur selten wurde sie für die Öffentlichkeit freigegeben, um eine kulturelle Veranstaltung darauf stattfinden zu lassen. Mill Rock Island zählte zu den außergewöhnlichsten Besonderheiten von New York und zeigte, dass es durchaus möglich war, ein Stück unberührte Wildnis inmitten einer Weltstadt bestehen zu lassen.
Ich hätte mir gewünscht, dieser erstaunlichen Insel aus einem weit erfreulicheren Anlass einen Besuch abstatten zu können, als es nun leider der Fall war.
Die beiden Police Officer hatten das Boot inzwischen sicher vertäut. Einer von ihnen, ein kleinwüchsiger dunkelhaariger Mann, kam mit einem jovialen Lächeln auf den Lippen auf uns zu.
»Sie müssen Special Agent Trevellian und Special Agent Tucker sein«, sagte er und schüttelte uns die Hand. Dabei deutete er mit einem Kopfnicken zu meinem Sportwagen hinüber. »Es gibt in New York wohl nur einen einzigen G-man, der während eines Einsatzes auf einen so sündhaft teuren Privatwagen zurückgreift.«
»Für gewöhnlich benutze ich während der Einsätze einen Dienstwagen des FBI«, erwiderte ich. »Bei diesem schönen Wetter konnte ich es meinem Wagen jedoch nicht antun, ihn in der Tiefgarage der Federal Plaza einzusperren. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, dass Gefahr im Verzuge ist, als unser Chef uns von dem Leichenfund in der Bucht von Mill Rock Island berichtete. Mein Sportwagen läuft also nicht Gefahr, einen Kratzer oder eine Delle zu bekommen.«
Mit Chef meinte ich den Leiter des New Yorker FBI Field Office, Jonathan D. McKee. Als vor knapp einer Stunde von der Mordkommission der Fund eines ermordeten jungen Mannes gemeldet wurde, der aus New Jersey stammte, hatte Mr. McKee, nachdem er auf gewisse Einzelheiten aufmerksam geworden war, Milo und mich beauftragt, uns der Sache anzunehmen.
Der Officer grinste breit. »Für Sie wird dieser Einsatz wahrscheinlich in der Tat nur zu einer Spazierfahrt werden. Lieutenant Sparzky geht davon aus, dass es bei diesem Mord für das FBI nicht viel zu tun gibt. Er hat nur deshalb eine Meldung an das Field Office durchgegeben, weil es sich bei dem Opfer um einen Burschen aus einem anderen Bundesstaat handelt, und solche Fälle in den Zuständigkeitsbereich des FBI fallen.«
»Was macht Sparzky so sicher, dass wir hier nur unsere Zeit verschwenden, Mr. ...?«, fragte Milo und machte den Officer durch den unvollendet gebliebenen Satz darauf aufmerksam, dass dieser es bisher versäumt hatte, sich uns vorzustellen.
»Fredericson«, sagte der Mann hastig. »Officer Serge Fredericson.« Er deutete zu dem Boot hinüber. »Ich möchte mir nicht anmaßen, Ihrem Urteil vorzugreifen. Am besten machen Sie sich selbst ein Bild. Steigen Sie bitte ein. Die Fahrt wird nicht lange dauern.«
Wir traten auf das Schnellboot zu. Bevor Milo den schmalen Steg enterte, der zum Polizeiboot hinüberführte, nahm er seine Sonnenbrille ab und schob sie in seine Jacketttasche. An Bord angekommen, überquerten wir das Freideck und traten in den Schatten des Steuerhauses, wo der Kapitän gerade geschäftig an den Armaturen neben dem Steuerrad hantierte.
»Kapitän Loew«, stellte sich der Mann einsilbig vor. »Willkommen an Bord.« Kurz legte er die Fingerspitzen an die Kapitänsmütze. »Wir legen sofort wieder ab.«
Ungeduldig sah er zu den beiden Cops hinüber, die den Steg einholten und die Leinen losmachten. Dann startete er den PS-starken Motor und legte vom Kai ab.
Das Boot hinterließ eine breite Spur aus aufgequirltem Wasser, während es sich rasch vom Ufer entfernt.
»Wie kommt es, dass die Identität des Toten so rasch geklärt werden konnte?« fragte ich Fredericson, der zu uns getreten war, während sein Kollege auf dem Deck die Taue aufschoss. »In dem kurzen Bericht war nicht die Rede davon, dass das Opfer Personalien bei sich hatte.«
»Es lag eine Vermisstenanzeige vor, die auf den jungen Mann zutraf.« Fredericson deutete auf einen Laptopcomputer, der neben dem Armaturenbrett auf einem schmalen Tisch stand. »Wir haben vom Boot aus Zugriff auf das NYSIS. Sparzky hatte mir befohlen, in der elektronischen Vermisstenkartei nachzuschauen. Ich hatte den Burschen in nur wenigen Minuten identifiziert. Es waren nämlich nur einige wenige Vermisste registriert gewesen, die so jung, und chinesischer Abstammung waren.«
»Wer hatte die Anzeige aufgegeben?«, erkundigte sich Milo, dessen blondes Haar bei diesem Wetter noch heller anmutete, als es sowieso schon war.
»Die Schwester des Opfers«, antwortete Fredericson. »Sie heißt Li Laidi, ihr Bruder trug den Namen Li Kawai. Er war erst einundzwanzig.«
»Wie lange wurde Li Kawai denn schon vermisst?«, hakte ich nach.
»Die Anzeige wurde vor einer Woche aufgegeben. So lange liegt dieser arme Bursche vermutlich bereits am Ufer von Mill Rock Island. Als wir losfuhren, um Sie abzuholen, hatte der Gerichtsmediziner die Untersuchung der Leiche noch nicht abgeschlossen. Inzwischen wird er den genauen Todeszeitpunkt vielleicht ermittelt haben.«
Milo blickte zu der schon ziemlich nahe gerückten Insel hinüber. Im Hintergrund zeichnete sich die über den East River führende Tribourugh Bridge mit ihren hohen Trägerbögen und dem von ihnen wegführendem Geflecht aus Stahltrossen vor dem sommerlich blauen Himmel ab. »Ist die Familie des Opfers bereits informiert worden?«
Fredericson schüttelte den Kopf. »Diese unschöne Aufgabe steht uns noch bevor.«
Das Schnellboot zog östlich an der Insel vorbei. Mill Rock bestand aus einem schmalen Landstreifen, dem sich im Norden ein größeres Landareal anschloss, dessen...
Erscheint lt. Verlag | 5.3.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-7247-1 / 3738972471 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7247-4 / 9783738972474 |
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