Die Dämonenkrieger lachten grausam.
Sie waren schrecklich anzusehen mit ihren rot glühenden Augen, die halb unter den Rändern der schwarzen Helme verschwanden. Ihre menschenähnlichen Körper mit der grünlichen, geschuppten Haut steckten in Bronzepanzern, die mit abscheulichen Bildern versehen waren. An ihren Waffengürteln hingen die abgeschlagenen Köpfe ihrer Feinde.
Mit langen Speeren trieben die Dämonenkrieger ihre menschlichen Gefangenen auf einen hölzernen Steg. Dieser ragte weit in den Ganges hinein, den mächtigen Strom Indiens.
Damals
Die Erde war noch jung.
Brahma, das Erste Bewusstsein und der mächtigste Gott Indiens, hatte seinen Schlaf beendet. Erst durch sein Erwachen begann alles zu existieren. Er atmete aus. Die Welt entstand mit allen Pflanzen und Tieren, mit Menschen, Göttern, Halbgöttern und - Dämonen.
Einen Tag lang blieb Brahma wach. Dieser Tag dauerte allerdings zwei Milliarden Menschenjahre lang. Wenn Brahma wieder einatmete und dann einschlief, würde dies das Ende des aktuellen Weltzeitalters bedeuten.
Doch noch war es nicht so weit.
Noch war die Erde erst vor kurzem bevölkert worden. Die Menschen hatten es bisher nicht geschafft, die Dämonensippen zurückzudrängen. Deshalb lebten die schwarzmagischen Bestien mitten unter den Menschen.
Wehrlos waren die Stadtbewohner des Indus-Tals und die Bauern im Panjab und Gujarat der Willkür ihrer dämonischen Nachbarn ausgesetzt.
Aus purem Spaß an der Grausamkeit überfielen die Dämonenhorden des Schwarzen Rajah einsame Dörfer und kleinere Städte. Die vielen menschlichen Fürsten und Könige Nordindiens waren zu schwach und untereinander zu zerstritten, um sich gegen die Höllenbrut wehren zu können.
Es gab nur eine Ausnahme.
Aber daran dachten die Dämonenkrieger des Schwarzen Rajahs an diesem Tag nicht. Sie hatten eine Handelskarawane überfallen, die auf dem Weg nach Turkmenistan war. Doch statt die Händler sofort bis auf den letzten Mann niederzumachen, wollten die Schwarzblütigen sich einen besonders grausamen Spaß gönnen. Ihnen kam eine teuflische Idee.
Die Gefangenen sollten den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen werden!
Unweit vom Ganga-Dwara entdeckten sie den hölzernen Landungssteg. Hier befand sich das südliche Ende der Schlucht, durch die sich der Ganges in die Ebenen Hindustans ergießt. Die Panzerechsen dieses Landstrichs waren für ihren großen Hunger bekannt…
Die Kauf leute, Kameltreiber und Wächter der Karawane schwitzten vor Angst. Sie waren nackt bis auf ihre Hüfttücher. Die Kriegerdämonen hatten ihnen die Kleider vom Leib gerissen, damit sie den Anblick der ins Fleisch schlagenden Krokodilzähne möglichst unmittelbar genießen konnten.
»Nicht so faul!«, höhnte der Dämonenhauptmann. »Ein kühles Bad im Fluss wird euch in der Mittagshitze gut tun!«
Breitbeinig stand er auf einem kleinen Erdhügel, die Vorderklauen in den Waffengürtel gehakt. Er wollte sich königlich amüsieren beim Anblick der verzweifelten Gefangenen, die ihre Hände rangen und um ihr Leben flehten.
Seine Krieger stachen mit ihren Speerspitzen in die Rücken der Gepeinigten. Durch den Schmerz wurden die Gefangenen vorwärts getrieben. Den Krokodilrachen entgegen!
Die Panzerechsen witterten das Frischfleisch. Aufgeregt schoben sie ihre Leiber im flachen Wasser unterhalb des Stegs übereinander. Ihre langen, mit verknöcherten Hornschilden versehenen Schwänze peitschten die träge Oberfläche des Ganges.
Schon stand der Erste aus der Gruppe von Unglücklichen am vordersten Rand der Holzplanken. Die Krokodile drückten sich hoch, versuchten, nach seinen Fußgelenken zu schnappen. Der Dämonenkrieger hinter ihm wollte mit einem Tritt nachhelfen.
Da jagte plötzlich ein Pfeil in die Brust des Schwarzblütigen!
Es war auf den ersten Blick ein völlig normales Geschoss jener Zeit. Doch am Schaft war ein leichter Stoffstreifen befestigt. Auf diesem waren in Sanskrit [1] heilige Verse aus den Götterepen geschrieben. Dadurch wurde der Pfeil zu einer weißmagischen Waffe.
Und deshalb verging der Dämon auf der Stelle!
Er verwandelte sich in einen schwarzen Haufen toten Fleisches. Dämonenkrieger und Menschen schreckten auf; die einen alarmiert, die anderen hoffnungsvoll.
Da ertönte ein schriller Kriegsschrei aus weiblicher Kehle!
»Bei den Köpfen meiner Feinde!«, knurrte der Dämonenhauptmann. »Das ist Bhima, die Schwertprinzessin von Rhapur! Zu den Waffen, Knechte des Schwarzen Rajah!«
Und nun erblickten sie alle die junge Frau, die auf dem Rücken eines Rappen aus südlicher Richtung heran galoppierte.
Ihr blauschwarzes Haar wehte wie ein Banner im Wind. Ihr Oberkörper steckte in einem engen Lederpanzer, die Beine in langen Schaftstiefeln. Drohend schwang Bhima ihr leicht gekrümmtes Schwert.
Jeder der Dämonenkrieger wusste, warum er sich vor dieser Waffe in Acht nehmen sollte. Sie war aus dem Erz des Berges Meru geschmiedet worden, der Heimstätte aller indischen Götter. Im schwarzen Blut eines Asuras[2] hatte man das frisch geschmiedete Schwert gekühlt. Und Durga, die indische Kriegsgöttin, hatte die Hiebwaffe höchstpersönlich scharf geschliffen.
Wenn ein Dämon von diesem Schwert getroffen wurde, bedeutete das sein sofortiges Ende!
Bhima preschte auf die Dämonenkrieger und deren Gefangene zu. Doch sie war nicht so größenwahnsinnig, es allein mit der ganzen schwarzblütigen Truppe aufnehmen zu wollen.
Hinter ihr folgte eine Abteilung ihrer treuen Lanzenreiter. Es waren ernste Männer, die ihre langen Bärte zum Teil mit Henna rot gefärbt hatten. Ihre Turbane trugen die Farben von Rhapur, gelb und rot. Über ihre grauen Waffenröcke hatten sie Angavastrams gebunden, schärpenartige Oberkörpertücher. Diese Schals zeigten künstlerische Darstellungen des Gottes Shiva. Außer mit Schwertern waren die Männer noch mit langen Reiterlanzen bewaffnet. Hinter deren Eisenspitzen waren sorgsam Stoffstreifen mit heiligen Worten geknotet.
Es gab auch noch eine Unterabteilung von Bogenschützen. Aber die hatte Bhima auf einem Hügelkamm zurückgelassen. Sie deckten die Dämonentruppe mit einem Pfeilregen ein, während die Schwertprinzessin mit den Lanzenkämpf em eine Attacke ritt!
Fünf oder sechs Schwarzblütige waren bereits von den Pfeilen vernichtet worden. Doch das änderte nichts daran, dass die Kriegerdämonen den Angreifern immer noch zahlenmäßig überlegen waren.
Der Dämonenhauptmann hatte sein eigenes Schwert herausgerissen und stellte sich Bhima zum Kampf auf Leben und Tod entgegen.
Das schöne Gesicht der Kriegerprinzessin war hassverzerrt. Sie verabscheute nichts auf der Welt so sehr wie Dämonen. Wenn es nach ihr, Bhima, gegangen wäre, hatten diese Wesen auf der Erde ohnehin keine Daseinsberechtigung. Wenn man sie schon nicht ganz ausrotten konnte, dann sollten sie sich zumindest unter die Erdoberfläche verziehen.
Doch in diesem Moment wurde sie nur von dem Willen beseelt, ihre schwarzblütigen Gegner zu vernichten. Bhima war nahe an den Anführer herangekommen und parierte die wilden Schwerthiebe des Hauptmanns. Ihre Stute bäumte sich wiehernd auf. Die Hufe knallten gegen die Brust des Dämons.
Dieser Angriff machte dem Schwarzblütigen nichts aus. Doch er wandte seine Fratze für einen Moment dem Reittier zu. Er hob abermals seine Hiebwaffe. Vielleicht wollte er jetzt einen Schwerthieb gegen die Stute führen.
Doch dazu kam er nicht.
Als das Reittier wieder mit den Hufen auf der Erde landete, lehnte sich Bhima im Sattel zur Seite. Mit einer fließenden und eleganten Bewegung schlug sie den Kopf des Dämonen von den Schultern!
Die Prinzessin hatte die Deckung des Unheimlichen einfach durchbrochen. Auf ihren Schwertarm konnte sie sich verlassen. Wenn sie ihr weißmagisches Schwert führte, konnte sie es an Kraft ohnehin mit jedem Dämon aufnehmen.
Doch noch war der Kampf nicht entschieden.
Die Dämonenkrieger kämpften wie die Berserker gegen die menschlichen Angreifer. Sie hatten schon zwei von Bhimas Lanzenreitem aus den Satteln geholt und niedergemacht. Die attackierenden Kavalleristen befanden sich nun im Nahkampf auf Leben und Tod mit den Schwarzblütigen. Daher konnte auch die kleine Bogenschützen-Abteilung nicht mehr eingreifen. Zu groß war die Gefahr, die eigenen Männer zu treffen.
Aber nun stürzte sich Bhima höchstpersönlich in die Schlacht!
Nachdem sie den Dämonenhauptmann erledigt hatte, war ihr Schwert bereits feucht von schwarzem Blut. Selbst die abgebrühten Kämpferdämonen bekamen das kalte Grausen, als die Furie sich hoch zu Ross ihren Feinden entgegenwarf. Die Unholde spürten instinktiv die tödliche Gefahr, die für sie von Bhimas göttlichem Schwert ausging.
Bhimas draufgängerischer Wagemut spornte auch ihre eigenen Gefolgsleute zu noch härterem Vorgehen an. Das...