Wanderung und Rast -  Nikolaus Peterson

Wanderung und Rast (eBook)

Ein Gedicht
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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-949-0 (ISBN)
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Wanderung und Rast von Nikolaus Peterson ist als Elegie zu bezeichnen, die im Umfang, der flüssigen Sprache und den lockeren Reimen an andere bekannte deutsche Dichter erinnert. Durch den Aufbau, ein zärtliches Schildern der Jugend mit immer heftiger werdenden Begierden, das Wechseln der Schauplätze von Oberösterreich nach Wien, das Treffen mit der ungarischen Grafentochter Etelka und die zarten erotischen Bande, die sich vielfältig durch die Handlung ziehen und letztlich in der Auflösung der verzwickten Verhältnisse und Bekanntgabe der wahren Hintergründe enden, wird das Werk zur spannenden Lektüre, die ihrer Entdeckung würdig ist! Die geistreichen Verse geben einen lebhaften und tiefen Einblick in die verschiedenen Gesellschaftsschichten des 19. Jahrhunderts und bestechen trotzdem durch ihre Aktualität: Die Schilderungen der Charaktere und deren Verhaltensweisen, ihrer Gefühle und menschlichen Schwächen von Bescheidenheit bis Hörigkeit, von Eitelkeit über Mut.

Peterson lebte von 1820 - 1900. Er hat mehrere Werke geschaffen. Sein Werk "Wanderung und Rast" ist in Kurrent geschrieben und ist in der Österreichischen Nationalbibliothek deponiert. Klaus Proske ist ein Nachfahre, denn die Tochter Klara ist mit Heinrich Proske verheiratet gewesen.

I. Band

I. Gesang

Im trauten Heim

Von Mitterfelden, einem Dörfchen in

dem Lande ob der Enns, lässt sich nur sagen,

dass seine Bauten mitten in dem Grün

der Wiesen, Felder und Gehölze lagen.

Von jenem Schwang, den sonst in Dorfgeschichten

den Dörflern gerne angedichtet wird,

lässt vorderhand sich leider nichts berichten,

obgleich ansonst die Zeit gar viel gebiert.

Es war ein Dorf, wie Dörfer eben sind,

die sich nur sacht und allgemach entwilden,

wo statt des Pfarrherrn und des Lehmanns – Rind

und Gaul im Grunde die Gemeinde bilden.

Der Bauer schuf in seines Hofes Mitte,

auf welcher er der Rübe Aussicht wies,

gemäß der alten Oberländer-Sitte,

den Schweinen ihr gebührend Paradies.

Die Stallung für fein stattliches Gespann

und für die wohlgepflegten, feisten Kühe

schloss nachbarlich sich an die Wohnung an,

damit der Stallduft jeden Raum durchziehe.

Das Bündelholz, am Fenster auf geschlichtet,

ward von den Hühnern kunterbunt befleckt,

und vorn im Flur dem Haushund angerichtet,

was Kätzchen schamhaft noch mit Tand bedeckt.

Eine räum´ge Stube aber hielt er blank,

ein Kruzifix, von Stümperhand geschnitzt,

ward vom Gesind´, das seinem Herrgott Dank

und Preis zu schulden glaubt, als Hort benützt;

Eingeweihtes, das von Künstlerhand vollführt,

durch seinen Kunstwert schon zur Andacht lud,

vom Bauer selber zum Altar erkürt, –

für das Gesinde war das Mind´re gut.

Zunächst der Maierstube, welcher meist

ein großer Eichentisch als Merkmal dient,

an dem der Hausstand täglich fünfmal speist

und Bäuerin wie Magd ihr Pensum spinnt,

lag das Gemach, worin das Schlafgerüste

des Ehepaars schier klafterhoch getürmt,

und wo den Gast auf gleicherhöhter Triste

die Nacht hindurch ein Wall von Federn schirmt.

Des Hauses Seitenflügel barg da noch

das Stübchen mit der gitterfreien Luke,

in dem die Dirne still zu Bette kroch,

um nach des Tageswerkes schwerem Drucke

sich auszuruh´n. Dort schlief sie ohne Sorgen,

und ließ durch jene Luke nicht allein

den ersten Sonnenblick an jedem Morgen,

sie ließ auch nachts – so manches and´re ein.

Genug, was war, war alles streng nach Brauch,

und selbst nicht Sittliches geschah aus Sitte;

der Satan, Eh´2 und Urahn taten´s auch,

und keiner ließ von dem gewohnten Schritte.

Den Weibern blieb das Schwatzen, Beten, Zanken,

wie auch so manche Arbeit ihnen blieb,

die Männer wieder rauchten, spielten, tranken,

und kurz, – man trieb´s, wie man es allseits trieb.

Natürlich ward auch manche Tugend zur

erklärten Ordnung willig eingefügt,

soferne sie der bäurischen Natur

nicht widersprach und sich ihr angeschmiegt.

Die Leute waren arbeitsam, bescheiden,

froh aufgeweckt und guter Dinge stets,

und sandte Gott zuweilen auch ein Leiden,

so suchten sie die Tröstung des Gebets.

Ein Bruder Witzbold meinte einstmals zwar,

des Dorfes Gründer müsse unbestritten

ein überfrommer Schankwirt, wenn nicht gar

ein Pfaffe, der an Trunkenheit gelitten,

gewesen sein; denn welcher and´re hätte

wohl sonst die Kirche so vertrackt gebaut,

dass man vom Tore der geweihten Stätte

g´radaus dem Kruge in den Rachen schaut?

Drum habe – klügelte der Schalk dann aus –

es nun der Pfarrer selbst auf dem Gewissen,

wenn es so manchen aus dem Gotteshaus´

zu früh ins bess´re Jenseits schon gerissen. –

Was nützen all des Pfarrers gute Lehren,

wenn so den Bauern gleich beim ersten Schritt,

mit welchem sie der Kirch´ den Rücken kehren,

„Gottseibeiuns“ als Wirt entgegentritt?

Doch sei´s, wie´s sei! – Dorf Mitterfelden war

wie jedes and´re Dorf im Oberlande,

und so wie überall hielt man sogar

auf Weg und Steg die Pfützen wohl imstande.

In einem nun war´s lobesam verschieden,

und warb es kühnlich um den Vorderrang;

in seiner Schule konnt´ es Bess´res bieten,

als es dem Streben mancher Stadt gelang.

Natürlich zählte dieser selt´ne Ruf

sein Alter nicht nach Generationen;

die Jungen waren kürzlich noch so dumm

wie jene, die in andern Dörfern wohnen.

Auch lag es wahrlich nicht in dem Verschulden

der Bauern selbst, dass sich die Schule hob;

im Gegenteil, sie wollten es kaum dulden,

und weigerten und sträubten sich darob.

Nun, Volk ist Volk! – Zu seinem Stil muss man

es in der Stadt wie in dem Dorfe zwingen;

auch der Gebildete folgt seinem Wahn´,

kann oft zeitlebens nicht sich ihm entringen.

Genug, dass sich die Bauern endlich fügten,

und mindestens den Kindern es anzieh´n,

wenn ihnen Kraut und Kohl nicht mehr genügten,

wie selbe aus dem eig´nen Mist gedieh´n.

Was sonst dem Dorfe als bemerkenswert

noch eigen war, dass man beim ersten Blicke,

den man der Gegend forschend zugekehrt,

von Haus und Scheunen nur zerstreute Stücke,

mit Busch und Hecken wechselnd wahrgenommen.

Die Kirche hatte, als des Dorfes Kern,

zu Nachbarn Krug und Schulhaus nun bekommen,

und blieb so ganz den andern Höfen fern.

Dadurch jedoch, dass sich der Bauer sein

Gehöft inmitten seiner Gründe baute,

von wo er, einem König gleich, sein klein

gestaltet Reich bewachend überschaute,

erhielt die reizgeschmückte Gegend eben

der Schönheit eigentlichen Vollgehalt;

des Menschen Werk gibt der Natur erst Leben,

und ihrem Zauber erst die Allgewalt.

Die Landschaft bot ein freundlich trautes Bild.

Zunächst besäumten nied´re Hügelwände,

Kulissen gleich, das schmucke Saatgefild´,

das seinen Talgrund ´gen Nordosten dehnte,

wohin dann auch die aufgeschloss´ne Gülle,

sobald sie nur die Fluren erst getränkt,

mit raschen Sprüngen und kristallenhelle

zur eisig frischen Vöckla niederlenkt.

Dem Norden zu, wie im Nordwesten bog

der wald´ge Hausruck seine dunklen Ränder,

den Süden aber und Südost umzog

das seebespülte riesige Geländer:

der Traunsteinfels, von dessen blanker Kruppe

das Licht der Sonne scheidend widerglänzt,

dem Schafberg mit der ausgezweigten Gruppe,

die fernehin den Horizont begrenzt.

Der schönste Ausblick nach den Bergen hin

ließ sich von jenem Hügel aus genießen,

dess´ wald´gen First dem Dorfe Schutz verlieh´n,

wenn raue Stürme aus dem Norden bliesen.

An seinem Fuße stand, das Bild belebend,

die Kirche und des Pfarrherrn wohnlich Haus;

sie lugten, kaum die Bäume überstrebend,

aus deren Kronen wie zum Gruß heraus.

Der Garten, der des Pfarrers Hof umschloss,

verlief sich tief und schien fast ohne Ende,

da er nach rückwärts, jeder Schranke los,

sich bis zum Höhenrand des Hügels dehnte.

Allabendlich schritt dann der Pfarrer gerne

bis zu des Giebels waldbesäumten Rand,

wo durch die Bilder alle, nah´ wie ferne,

sich Aug´ und Herz so recht gesättigt fand.

Es war die Bank, die er dort eingepfahlt,

sein Lieblingsplatz in jenen Weihestunden,

in welchen er den edleren Gehalt

vergang´nen Lebens schwelgend nachempfunden.

Er lebte dort meist in Erinnerungen,

und horchte immer, immer wieder fort

den Seelentönen, die – einst schrill erklungen –

nun längst geeint zu friedlichem Akkord.

Wenn manch geheimes Wehe sich als Gast

zumal in seinem Herzen eingefunden,

wenn der Vernunft, von Zweifelsdrang erfasst,

das leuchtend leitende Gestirn entschwunden,

wenn Geist, Gemüt zu kränkeln je begonnen,

dort fand er Fassung wieder, Ruhe, Kraft;

Natur bot ihm aus ihrem reinen Brunnen

den Heiltrunk stets ´gen Weh und Leidenschaft.

Den würd´gen Priester, dessen Stirne schon

von silberbleichem Haar´ umrahmt gewesen,

auf dessen Antlitz ernste Male von

erprobtem echten Adelssinn zu lesen,

sah man auch heute vor des Tages Neigen

mit einem Freunde, der zu Gaste war,

hinan zu seinem Lieblingsplatze steigen,

zu dem geheimen, offenen Altar.

„Hier, alter Freund, – weiß Gott, hier meine Hand!“

rief der Major, von Dankgefühl erheitert.

„Vollkommen, sagt Ihr, sei Gemüt, Verstand,

vollkommen sein Charakter...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-99139-949-0 / 3991399490
ISBN-13 978-3-99139-949-0 / 9783991399490
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