Das Nordseekind (eBook)

Theodor Storm ermittelt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3186-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Nordseekind - Tilman Spreckelsen
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Theodor Storm und eine Serie rätselhafter Morde.

Husum 1845: Der Anwalt Theodor Storm bekommt Besuch von einer fremden Frau. Sie erzählt von einem lange zurückliegenden Mordfall und einem damals entführten dreijährigen Mädchen und behauptet, dieses Kind zu sein. Da sie daher Erbin eines Vermögens auf der Nordseehalbinsel Eiderstedt wäre, kommt die Fremde denjenigen in die Quere, die damals den Familienbesitz geerbt haben. Als dann eine Mordserie Husum erschüttert, beginnt Theodor Storm seine Ermittlungen auf den alten Höfen Eiderstedts - und er und sein Schreiber kommen einem mysteriösen Geheimbund auf die Spur ... 

Ein Kriminalroman mit besonderem Personal - wunderbar erzählt und präzise recherchiert.



Tilman Spreckelsen, Jahrgang 1967, hat Germanistik und Geschichte studiert und ist Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Bisher sind vier Kriminalromane mit dem Ermittler Theodor Storm erschienen. Sein Werk wurde mit dem Theodor-Storm-Preis ausgezeichnet.

Eins


»Ich kann nur einzelnes sagen; nur was geschehen, nicht wie es geschehen ist; ich weiß nicht, wie es zu Ende ging und ob es eine Tat war oder nur ein Ereignis, wodurch das Ende herbeigeführt wurde. Aber wie es die Erinnerung mir tropfenweise hergibt, so will ich es erzählen.«

Theodor Storm, »Auf dem Staatshof«

»Du kommst jetzt mit, habe ich gesagt.«

»Du hast mir gar nichts zu sagen.«

Der Morgen war hell und der Himmel über Husum klar und weit. Die Luft war mild, über der Marienkirche krächzten die Dohlen beinahe zärtlich, als wollten auch sie den Frühling begrüßen, und in den Gärten blühten Krokusse und Tulpen.

Die Stimmen hörte ich schon von Weitem – und nicht nur ich. Als ich von der Hohlen Gasse in die Großstraße einbog, konnte ich das lauthals streitende Paar auch sehen. Sie standen vor Werners Weinstube, neugierig angestarrt von den Husumern, die vorbeiliefen oder stehen blieben.

Der Mann trug einen schäbigen blauen Umhang, darunter eine verblichene Lederhose, die einmal gelb gewesen war. Es sah aus, als hätte er seine Kleidung von einem vornehmen Herrn geschenkt bekommen, als sie schon lange aus der Mode gekommen war, und trug sie nun, um selbst vornehm zu wirken. Die Frau, deutlich jünger als ihr Begleiter, hatte ein einfaches Kleid an, das ihr zu eng war. Sie war klein und stämmig und stieß dem Mann immer wieder mit der flachen Hand vor die Brust.

Dass ihrem Streit so viele zusahen, schien sie nicht zu bemerken. Die Husumer gingen neugierig, ärgerlich oder peinlich berührt vorüber, manche blieben auch stehen, um zu verfolgen, was das laute Paar noch anstellen würde. Ich sah den Schreiber Clausen, der seit Ewigkeiten für den alten Advocaten Johann Casimir Storm arbeitete, wie er die beiden entsetzt anstarrte und schnell hinter der Marienkirche verschwand, während Jens Overbeck, der in der Krämergasse im Geschäft von Ingwer Woldsen Gewürze und Liköre aus weiter Ferne verkaufte, so tat, als interessiere ihn das Spektakel nicht weiter, und dabei nur umso genauer hinschaute.

»Ich mein’ doch nur«, sagte der Mann jetzt etwas leiser.

»Du hast hier auch nichts zu meinen.«

Inzwischen war ich dem zänkischen Paar näher gekommen. Das Geschrei interessierte mich nicht, ich wollte so schnell wie möglich zu Theodor Storms Kanzlei, wo ich als Schreiber angestellt war.

»Aber wir sind extra hierhergereist …«, fing der Mann wieder an.

»Was?«, schrie die Frau plötzlich und drehte sich zu Griet um, der Magd von Fischhändler Quedens, die hinter ihr stehen geblieben war, um den Streit besser zu verfolgen. Die Frau starrte Griet wütend an, und die murmelte etwas Unverständliches und ging rasch weiter. Die Frau wandte sich wieder ihrem Gefährten zu.

»Dass ich dich mitgenommen habe, heißt nicht, dass du mir was vorschreiben kannst.«

»Natürlich nicht, Enna.« Er verstummte und sah wie ein geprügelter Hund an ihr vorbei.

Sein Blick blieb an mir hängen.

»Können Sie uns vielleicht sagen, wo wir den Herrn Advocaten Storm finden?«, fragte er unvermittelt.

Enna schnaubte wütend.

»Welchen?«, fragte ich. »Den alten oder den jungen?«

Der Mann wirkte ratlos. »Vielleicht den alten Storm?«

»Warten Sie«, sagte ich, erleichtert darüber, dass Theodor Storm und damit auch ich von diesem anstrengenden Paar verschont bleiben würden, »seinen Schreiber habe ich eben gesehen, der kann Sie gleich mit ins Kontor von Johann Casimir Storm nehmen.« Ich sah mich rasch nach Clausen um, aber der tauchte nicht mehr auf. Ich wollte dem Mann gerade den Weg beschreiben, da sagte Enna finster: »Den jungen.«

»Der alte Herr Rechtsanwalt hat sicher die größere Erfahrung, nicht wahr?«, sagte Ennas Begleiter beflissen, an mich gewandt. Dass das keine gute Idee war, konnte ich mir selbst nach so kurzer Bekanntschaft mit Enna denken.

»Den jungen!«, sagte sie noch einmal. Mit Nachdruck.

Der Mann im blauen Mantel seufzte.

»Also?«

»Kommen Sie mit mir«, sagte ich, »aber ich weiß nicht, ob der Herr Advocat Zeit für Sie hat.«

Enna lächelte grimmig, als ob diese Frage für sie längst entschieden war.

Theodor Storm hatte vor knapp zwei Jahren, im Frühjahr 1843, in seiner Heimatstadt Husum eine eigene Rechtsanwaltskanzlei eröffnet, nachdem er vorher ein halbes Jahr für seinen Vater gearbeitet hatte. Es hieß, dass der alte Johann Casimir Storm, der alle und jeden in Husum kannte, seinen Sohn noch immer großzügig unterstützte.

Theodor Storm hatte mich als Schreiber eingestellt und behalten, obwohl ich als Wildfremder in die Stadt gekommen war und ihm dann bald Gründe genug geliefert hatte, mich zu entlassen. Vielleicht schätzte er mich für das, was wir in den beiden Jahren zusammen durchgemacht hatten. Oder es war ihm einfach zu mühselig, sich einen neuen Schreiber zu suchen. Wahrscheinlich beides. Und da er noch immer wenig Klienten hatte, schon gar nicht solche, die ihn anständig bezahlten, war es sowieso ungewiss, wie lange er sich noch einen eigenen Schreiber leisten würde.

Ich spürte die Blicke der Husumer in unseren Rücken, als wir die Großstraße überquerten. Die Geschichte würde in kürzester Zeit die Runde machen – zwei Fremde ohne einen Funken Anstand und Benehmen, die unter allen Husumern natürlich wieder ausgerechnet beim jungen Storm landeten. Aber der war dafür ja anfällig, siehe auch seinen dubiosen Schreiber, also mich. So in etwa.

Gegenüber von Werners Weinstube, die Storm eifrig besuchte, um dort mit Freunden Karten zu spielen, hatte er beim Versicherungsmakler Schmidt zwei Zimmer gemietet. Im einen wohnte er, im anderen befand sich die Kanzlei. Das Haus war alt, vor zweihundert Jahren schon hatte hier der Bürgermeister Dankwerth gelebt, der Chronist der Gegend im siebzehnten Jahrhundert. Jetzt war das Haus unübersehbar in die Jahre gekommen, nachts knarrte und knackte das trockene Holz, als ob der frühere Bewohner nach dem Rechten sehen wollte, in seinen Räumen und in der ganzen Stadt. Flüchtig fragte ich mich, in welchem Zustand ich heute früh das Arbeitszimmer antreffen würde. Und Storm, der vielleicht gerade nicht mit Klienten rechnete.

Vor dem Haus hatte Storm Rosen unter den Fenstern gepflanzt. Enna und ihr Begleiter hatten keine Augen für die Knospen, so angespannt wie sie waren. Auch den zierlichen Giebel von Werners Weinstube hatten sie in ihrem Streit wohl nicht einmal bemerkt.

Ich zog den Glockenstrang im Eingang, um uns anzukündigen. Dann ging ich durch den schmalen Gang, klopfte laut an die seitliche Tür zum Kontor, wartete etwas und öffnete.

Storm saß auf dem Sofa, sehr dicht neben ihm Constanze Esmarch, seine Cousine aus Segeberg und seit etwas über einem Jahr auch seine Verlobte. Sie nestelte an dem Tuch, das sie vor der Brust trug. Fast schien es mir, als ob sie rot geworden wäre. Vor einem knappen Jahr war sie zu einem ausgedehnten Besuch nach Husum gekommen und wohnte bei Storms Eltern in dem großen alten Haus in der Hohlen Gasse. Mit Theodor allein sein konnte sie dort kaum.

»Peter Söt! Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Storm. Immerhin schien er mir die Störung nicht übelzunehmen.

»Theodor hat mir gerade von Ihrer Reise im letzten Herbst nach Köthen erzählt, Herr Söt«, sagte Constanze. »Tatsächlich mit der Eisenbahn! Ich gäbe wer weiß was drum, auch mal damit zu fahren. Stimmt es, dass einem schwindlig wird, wenn man unterwegs aus dem Fenster sieht?«

»Nur während der Fahrt, Constanze, auf dem Bahnhof geht es noch so gerade«, sagte Theodor.

Sie lächelte nachsichtig. Inzwischen kannte ich sie seit über einem Jahr und glaubte, dass sie sich von ihrem Verlobten weder von etwas abhalten noch etwas verbieten lassen würde, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte.

Um Storms Beine strich der alte Angorakater seines Vermieters. Als Storm hier eingezogen war, hatte sich auch der Kater in Kontor und Wohnstube eingerichtet. Storm verwöhnte ihn, und der Kater suchte seine Nähe. Von Constanze ließ er sich nicht streicheln, er schien eifersüchtig auf sie zu sein.

»Sie sind der Advocat Storm?« Enna war entschlossen in die Stube getreten...

Erscheint lt. Verlag 18.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Autor • Eiderstedt • Erbe • Husum • Mord • Morden im Norden • neunzehntes Jahrhundert • Nordfriesland • Nordsee • Nordseefalle • Nordseegrab • Nordseekrimi • Nordseeschwur • Nordseespuk • Theodor Storm
ISBN-10 3-8412-3186-1 / 3841231861
ISBN-13 978-3-8412-3186-4 / 9783841231864
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