Die marmornen Träume (eBook)
688 Seiten
Tropen (Verlag)
978-3-608-11994-7 (ISBN)
Jean-Christophe Grangé, geboren 1961, gilt als Meister des französischen Thrillers. Seit über fünfundzwanzig Jahren erobert er mit Titeln wie Der Flug der Störche oder Die purpurnen Flüsse die internationalen Bestsellerlisten. Seine Bücher wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt, weltweit millionenfach verkauft und fürs Kino verfilmt.
Jean-Christophe Grangé, geboren 1961, gilt als Meister des französischen Thriller. Seit über fünfundzwanzig Jahren erobert er mit Titeln wie »Der Flug der Störche« oder »Die purpurnen Flüsse« die internationalen Bestsellerlisten. Seine Bücher wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt, weltweit millionenfach verkauft und fürs Kino verfilmt.
»Wer die fast siebenhundert Seiten liest, taucht in ein Labyrinth des Schreckens. […] Der Thriller [entfaltet] eine schauerliche Sog-Wirkung. Und er erinnert an Zeiten und Verbrechen, die keine Fantasiegebilde sind, sondern Fakten der Historie.«
Herbert Heinzelmann, Nürnberger Nachrichten / Nürnberger Zeitung, 27. Februar 2023
»Grangé hat sich nicht nur gründlich in Zeit und Örtlichkeiten versenkt, seine Prosa entwickelt auch poetische Qualitäten […].«
Peter Körte, FAZ, 03. April 2023
»In seinem historischen Berlin-Thriller ›Die marmornen Träume‹ beeindruckt der französische Bestsellerautor Jean-Christophe Grangé (›Die purpurnen Flüsse‹) mit einem minuziös sezierenden Blick in den Höllenschlund des Nationalsozialismus.«
Emmanuel van Stein, Kölner Stadt-Anzeiger, 05. Mai 2023
»Herausgekommen ist ein extrem spannender, schonungslos brutaler Thriller voller Twists und Subebenen, der nicht nur düster, sondern tiefschwarz ist. Erst recht im Hinblick auf die deutsche Geschichte. Gänsehaut und wohliges Unwohlsein garantiert.«
Diana Wieser, Schreiblust – Leselust, 04. April 2023
»[E]in Epos der Scheußlichkeiten, ein Hochfest des Grauens, am Ende aber auch ein Plädoyer für die Menschlichkeit. […] [D]er Großmeister des Bösen [trifft] hier genau den richtigen Ton«
Rüdiger Busch, Rhein-Neckar Zeitung, 16. Mai 2023
»Man merkt natürlich, dass der 1961 in Paris geborene Grangé seit 30 Jahren im Geschäft ist: Berlin und das nationalsozialistische Regime unmittelbar vor dem Krieg lässt er scheinbar mühelos Gestalt annehmen, und zwar mit allen Sinnen.«
Christian Endres, tip Berlin, März 2023
»Mit viel Fingerspitzengefühl beschreibt der Autor die Abscheulichkeiten einer bis heute nicht gänzlich verarbeiteten Vergangenheit. Er erstellt das Psychogramm einer schwer gestörten Gesellschaft und macht damit transparent, wie böse das Individuum auf einmal sein kann, wenn es von einer treibenden Masse absorbiert wird und dabei die letzten Barrieren emotionaler und sozialer Verbindlichkeit durchbricht. Bei aller Grausamkeit ist dieses Buch gleich-zeitig ein Appell an die Menschlichkeit und an das Bedürfnis nach Empathie und Mitgefühl.«
Tanja Ehlen, CarpeGusta Literatur, 07. Dezember 2023
»Grangé hat zwar einen wendungsreichen Thriller geschrieben, der alle möglichen Haken schlägt und gegen Ende etwas fantastisch wird, doch seine wahre Stärke liegt in der psychologischen Analyse einer schwer gestörten Gesellschaft, die sogar in ihren Träumen von den monströsen Auswüchsen des Regimes heimgesucht wird«
Peter Huber, die Presse am Sonntag, 05. März 2023
26
Das herrschaftliche Stadthaus der Familie Lorenz befand sich auf der Hochebene Teltow im Ortsteil Grunewald. Diese Gegend war größtenteils von einem majestätischen Wald bedeckt, und nur vereinzelt blitzten die Dächer von Wohnsiedlungen aus dem üppigen Grün hervor.
Die Villa, auf einer Hügelkuppe erbaut, überragte einen kleinen See. Sie war offenkundig ein modernes Bauwerk (Beewen nannte alles »modern«, was nicht wilhelminisch war). Der SS-Offizier konnte nicht verstehen, wie Typen mit viel Knete lieber in Klötzen statt in schönen, reichverzierten Häusern wohnten. Nach seinem Empfinden ließen Schieferdächer, Ornamente und Skulpturen eine Fassade wärmer wirken und flößten Vertrauen ein.
Er klingelte an der Gittertür, die zur Parkanlage führte. Eine Hausangestellte kam herbei und öffnete ihm, ein molliges Fräulein in schwarzem Kleid und weißer Schürze, genau sein Typ, doch er hatte jetzt keinen Kopf dafür. Sie führte ihn über einen Kiesweg. Die Grüntöne schimmerten in allen Schattierungen, von dunkel zu hell, von kühl zu warm.
Nackter Beton, das Dach flach wie ein Brett, große, unfertig wirkende Glasfenster: eine perfekte Illustration der Entarteten Kunst.
Das Interieur hatte mit dem äußeren Modernismus nichts gemein. Rein teutonisch, ganz nach dem Geschmack Wilhelms II. Eher kleine Räume, vollgestopft mit Nippes, der eine kitschiger als der andere, und mit einer hübschen Tapete mit Gold- und Silbermotiven ausgekleidet. Das war schick.
Das Dienstmädchen geleitete ihn ins erste Zimmer auf der rechten Seite, offenbar eine Wohnstube oder vielmehr ein Esszimmer, das auf eine Sitzecke mit roten Ledersesseln führte, erhellt von einem großen Doppelfenster. Beewen machte nur ein paar Schritte. Das dunkle Holz des riesigen Tisches vor ihm glänzte so sehr, dass es feucht wirkte.
Zu seiner Rechten stand auf einem Marmorkamin eine goldene Uhr, deren Ticken an das Klingklang einer winzigen Triangel erinnerte. Überall blitzten Gegenstände aus Meissener Porzellan, Figürchen aus Glasseide, ziselierte Kerzenleuchter sowie eine Sammlung von Bierkrügen mit den Insignien namhafter Brauereien.
Wenn seine Mutter reich gewesen wäre, hätte sie ihren Hof ganz bestimmt so ausstaffiert. Es fiel ihm schwer, diesen »urigen« Stil und den gewiss vornehmen, gelehrten Bankier Hans Lorenz zusammenzubringen.
Beewen erblickte ihn im Gegenlicht, am anderen Ende des Tisches. Man hätte ihn für eine der zahlreichen Figürchen im Zimmer halten können. Gesicht, Kleidung, Haltung, alles erinnerte an eine Krippenfigur aus Ton.
Zwicker. Schnurrbart. Vatermörder. Schwarze Herrenjacke mit steifen Rockaufschlägen. Beewen konnte sein Schuhwerk nicht sehen, hätte jedoch auf Gamaschen gewettet. Er stellte sich vor, wie Lorenz an seinem Schreibtisch saß, Ratschläge erteilte und Kreditbriefe unterzeichnete. Löschpapier, Rechnungsbücher, Zahlen, Federhalter, alles musste an seinem Platz sein – es sei denn, er machte illegale Geschäfte.
Beewen machte sich bekannt, womit er allerdings keinerlei Reaktion auslöste. Monsieur Stehkragen, beide Hände auf dem Tisch, rührte sich nicht.
Endlich ergriff er das Wort:
»Ich weiß, weshalb Sie hier sind. Setzen Sie sich.«
Recht so. Er würde keine Floskeln stammeln müssen, die er im Übrigen schlecht beherrschte. Sie würden sofort zum Punkt kommen.
Beewen wählte den nächstbesten Stuhl und nahm behutsam Platz. Es sah aus, als läge zwischen ihnen eine Eisbahn.
Ungeschickterweise fragte er den kleinen Mann als Erstes, ob Leni Feinde gehabt hatte.
»Sie scherzen wohl«, versetzte der Bankier. »Leni hat kein Leben geführt, dessentwegen man gehasst werden kann.«
Beewen räusperte sich:
»Und früher?«
Lorenz gackerte kurz auf wie ein Huhn.
»Ich bin nicht von gestern, ich weiß, wo Leni herkommt. Böse Zungen sagen: aus der Gosse. Ich sage, etwas wohlwollender: aus der Krise von 23 oder 29, so genau kann ich das nie sagen, was für einen Bankier nicht gerade professionell ist.«
»Wussten Sie, dass sie verheiratet war?«
»Mit Willy Becker, ja.«
»Hatte sie noch Kontakt zu ihm?«
»Ich glaube schon. Sie waren befreundet.«
So so, Monsieur Zwicker war vom toleranten Schlag.
»Hat sie nie einen Mann aus diesem … Milieu erwähnt, vor dem sie Angst hatte?«
»Ich habe gesagt, dass sie Willy getroffen hat, nicht, dass sie noch in der Nachtszene unterwegs war.«
Lorenz sprach barsch, lakonisch und mit der Eloquenz einer Registrierkasse.
Beewen gestattete sich, darüber hinwegzugehen:
»Durch ihre Hochzeit mit Ihnen hat Leni möglicherweise Neid geschürt.«
»Eine Hochzeit mit einem alten Sack wie mir …«, gackerte der Bankier wieder. »Ich weiß nicht, ob das so beneidenswert ist.«
»Ich meinte den … materiellen Aspekt.«
»Schon verstanden. Aber Leni war so lieb, so klug; sie hat es verstanden, sämtliche Neider zu überlisten. Wie soll ich sagen? Sie hat sie entwaffnet …«
Zum ersten Mal nahm Beewen hinter der ausdruckslosen Miene Anzeichen von Kummer wahr.
Gehen wir in die Offensive.
»Und Sie, haben Sie Feinde?«
»Ein Bankier hat immer Feinde.«
Aber ein Nazi-Bankier zerquetscht sie unterm Gestapo-Stiefel, hätte er beinahe kommentiert, hielt sich jedoch zurück. Jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür.
»Worin besteht Ihre Tätigkeit?«
»Ach, kommen Sie schon«, grinste Lorenz, »Sie haben sich bestimmt über mich erkundigt.«
»Sie besitzen eine Privatbank, nicht wahr?«
»Ganz genau.«
»Und Sie gewähren Kredite im Rahmen der Arisierung?«
»Wir gewähren schon immer Kredite, das ist die Aufgabe eines Bankiers. Aber im Hinblick auf die aktuelle Lage konzentriert sich unsere Tätigkeit auf den Rückkauf von Unternehmen und Immobilienerbschaften, ja.«
»Sie spekulieren also mit Vermögenseinzug, mit Enteignungen?«
»Wenn man so will, ja.«
»Meinen Sie nicht, dass Ihnen solche Geschäfte Feinde bescheren könnten? Enteignete zum Beispiel, Verzweifelte, Leute, die auf Rache sinnen …«
Lorenz zuckte mit den Schultern. Die erste wahrnehmbare Bewegung seit Beginn ihrer Unterhaltung.
»Offen gesagt, meine Feinde könnten die Juden sein, deren Hab und Gut wir für ein Butterbrot zurückgekauft haben. Aber ganz ehrlich, ich kann mir schwer vorstellen, wie ein Jude in Berlin heutzutage auch nur in Lenis Nähe gelangen sollte. Geschweige denn sie in die Falle locken.«
Dem stimmte Franz zu. Er kam immer zum selben Schluss: Der Täter kannte das Opfer. Er stammte aus ihrem Umfeld. Kein Jude.
»Sind Sie politisch aktiv, Herr Lorenz?«
»In der Partei, meinen Sie? Keineswegs. Denken Sie an einen Anschlag? Angesichts Lenis Zustand kann man diese Vermutung ausschließen, würde ich meinen.«
»Haben Sie die Leiche denn gesehen?«
»Ja, im Tiergarten.«
Hans Lorenz übte innerhalb des Nazi-Haufens eine besondere Funktion aus. Er verwaltete die Kasse – das heißt, eine Kasse. Hölm hatte recht gehabt: Lorenz war als Erstes informiert worden. Er war sogar angetanzt und hatte den Leichnam seiner Frau gesehen, bevor Beewen gerufen worden war. Im Dritten Reich zählte nur der politische Einfluss. Die Uniformen waren Schau.
»Jedenfalls glaube ich nicht«, fuhr der Bankier fort, »dass es in Berlin noch viele Terroristen gibt. Oder was meinen Sie?«
Beewen wusste, was er damit sagen wollte. Ein solcher Satz ließ nur eine Antwort zu.
»Wir tun unser Bestes«, sagte er und bemühte sich, nicht ironisch zu klingen.
»Außerdem stehen an der Parteispitze Hunderte bedeutendere Persönlichkeiten. Wer das Reich angreifen will, sucht sich doch eine andere Zielscheibe. Oder attackiert mich direkt.«
Vergiss die verkorkste Theorie vom politischen Mord.
Er wollte lieber aufs Wesentliche zurückkommen:
»Haben Sie die gestrigen Termine Ihrer Frau im Kopf?«
»Ich glaube, zum Mittagessen war sie mit Freundinnen im Bayernhof.«
Der Bayernhof war ein piekfeines Restaurant, in das er noch nie einen Fuß gesetzt hatte.
»Und dann?«
»Dann muss sie ins Adlon gegangen sein. Wissen Sie, ich glaube, Leni war Mitglied in einer Art Klub, nicht wahr?«
Beewen nickte.
»Die Morde …«, fuhr er fort. »Ich meine, der Mord …«
Scheiße, versprochen. Sogar vor dem...
Erscheint lt. Verlag | 18.2.2023 |
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Übersetzer | Ina Böhme |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adlon • Berlin • Bestseller • blutig • Buch • Die Purpurnen Flüsse • Erfolgreich • Frankreich • Französisch • Frauenmord • Gestapo • Göring • Himmler • historisch • historischer Krimi • Hitler • Mord • Nazi • NS-Zeit • Olivier Guez • packend • Psychoanalyse • Serienmörder • Sigmund Freud • Thriller • Traumforschung • Waffen SS • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-608-11994-9 / 3608119949 |
ISBN-13 | 978-3-608-11994-7 / 9783608119947 |
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