Die Methode Whitechapel

Historischer Kriminalroman
Buch | Softcover
512 Seiten
2022
Elektronik-Praktiker (Verlag)
978-3-96901-053-2 (ISBN)
16,00 inkl. MwSt
1889 - Wilhelmina Strothmann kehrt von einer Englandreise zurück nach Braunschweig. Dort muss sie feststellen, dass ihr Schwager Baron von Dürkhoff das vormals gemächliche Leben in der Apotheke am Hagenmarkt mit seinem aggressiven Gebaren vergiftet. Seine Lüsternheit macht Wilhelmina Angst. Als sie nach einem brutalen Überfall durch den Baron aus dem Haus flieht, stolpert sie auf der gerade erbauten Kaiser-Wilhelm-Brücke über eine schrecklich zugerichtete weibliche Leiche - die zweite innerhalb kurzer Zeit. Sofort muss sie an die »Ripper-Morde« im Londoner Bezirk Whitechapel denken. Als der frisch ins Amt berufene Commissaire Georg Stollberg am Tatort eintrifft, zeichnet Wilhelmina wie im Wahn Bilder von der Toten. Es kommt zu weiteren grausamen Morden. Georg Stollberg zieht es immer wieder zu der ebenso eigenwilligen wie scharfsinnigen Wilhelmina hin. Ihre Zeichnungen enthüllen schließlich ein schockierendes Detail. Hat Jack the Ripper London verlassen und treibt nun sein Unwesen in Braunschweig?

Corina C. Klengel, in Salzgitter aufgewachsen, arbeitete nach dem Jurastudium als Journalistin und PR-Texterin für diverse Verlage. Während der Familienzeit mit ihren zwei Söhnen schraubte sie den Job zurück und begann Kriminalromane zu schreiben, bevor sie als Gerichtsberichterstatterin wieder zur Tageszeitung zurückkehrte. Die Autorin lebt mit ihren Pferden im Harz.

Hella strich über das Lehrbuch der Anatomie, welches in seinen Ausmaßen eindeutig zu groß für den kleinen Sekretär mit den geschwungenen Beinen war. Das zierliche Möbelstück war einst für die artige Korrespondenz einer Dame geschaffen worden. Hella empfand den Anatomieatlas, den sie jüngst von ihrer Großcousine Lady Caitlin Barlington erhalten hatte, als ihren wertvollsten Besitz. Die Barlingtons entstammten dem englischen Landadel. Zwar wurde ein Frauenstudium auch dort als spleenig angesehen, doch stand eine Großtante aus dem englischen Hochadel hinter Caitlin. Soweit Hella es verstanden hatte, kam die Duchess Patrizia of Lytton-Wakefield, ebenfalls eine geborene von Gehrenberg, für die Kosten von Caitlins Studium auf. Hella hatte die berühmt-berüchtigte Lady einmal kennenlernen dürfen. Die überaus elegante Dame war wie eine Königin hofiert worden, obschon sie als das schwarze Schaf der Familie galt, über das emsig getuschelt wurde. Ungeachtet ihrer adeligen Herkunft soll sie einst als Schauspielerin auf einer Londoner Bühne Erfolge gefeiert haben, bevor sie von einem Peer geheiratet wurde. Diese und eine weitere einträgliche Witwenschaft stellten das finanzielle Rückgrat der Barlingtons dar. So wagte es niemand, ihr anders als mit größtem Respekt entgegenzutreten. Hella, die zuvor kaum Kontakt zum Adel gehabt hatte, schon gar nicht zum Hochadel, hatte zu Anfang kaum einen Ton herausgebracht. Doch ihre Verzagtheit hatte die stolze Dame mit den intelligenten Augen und dem schelmischen Lächeln schnell zerstreut. Die charmante, aber etwas flatterhafte Caitlin war der erklärte Liebling von Auntie Pat. Allerdings betrieb Caitlin ihre Studien nach Hellas Dafürhalten mit nur mäßigem Elan. Hella vermutete, das Studium diente Caitlin eher als Vorwand, dem ereignislosen Landleben in Dartford zu entkommen. Caitlin genoss das Leben in der Stadt in vollen Zügen. Zwar wurde sie, wie alle Studentinnen des College, von einem weiblichen Zerberus mit altmodischer, viktorianischer Duttfrisur mit seitlichen Hängesträhnen bewacht, doch hatte es ihre findige Cousine geradezu zur Meisterschaft gebracht, ihrer Wächterin zu entkommen. Für Hella, der Auntie Pat für diese Zeit das College ebenfalls bezahlt hatte, war es ein herrliches Abenteuer gewesen, das Haus über ein Fenster im zweiten Stock per Kletterpartie an einer Pergola zu verlassen. Hella wurde bei der Erinnerung an diese Zeit erneut das Herz schwer. Sie vermisste Caitlin, die Studien, die Unbeschwertheit und das Gefühl, frei zu sein. Letzteres am schmerzlichsten, fühlte sie sich doch hier im heimischen Braunschweig sowohl mental als auch körperlich in ein zu enges Korsett gepresst – gerade, als habe man sie unvermutet ins Zuchthaus gesteckt. Ihr Blick blieb an der vermaledeiten Tageszeitung hängen. Sie griff danach und und überflog die Titelseite, die sich aber auch nicht interessanter präsentierte, als die profunde Feststellung der saisonalen Modefarbe unter der Rubrik Vermischtes. Neben politischen Tagesereignissen war auf der ersten Seite Alltägliches vom Leben bei Hofe zu lesen. Wer hatte beim Kaiser um Audienz ersucht? Wohin ging die tägliche Spazierfahrt der Kaiserin? Was hatte sie angehabt und mit wem hatte sie Tee getrunken? »So ein Unfug«, schimpfte Hella und blätterte um. Sie wollte das Blatt gerade zur Seite schieben, als ihr eine Überschrift ins Auge fiel. Brutaler Mord an Frauenzimmer aus der Bruchstraße! Das Opfer sei durch mehrere Messerstiche gestorben, hieß es im Text, den Hella sofort zu lesen begonnen hatte. Der Artikel enthielt, entgegen des sonstigen Duktus dieses Blattes, höchst emotionale Begriffe wie schauerlicher Anblick, unmäßige Brutalität und völlig entfesseltes Gebaren des Mörders. »Bizarr«, murmelte Hella. Augenblicklich drängte sich die Erinnerung an die grausige Mordserie auf, welche die englische Hauptstadt im letzten Herbst in Atem gehalten hatte. Jemand, der sich in einem Bekennerschreiben an eine der Londoner Zeitungen Jack the Ripper nannte, hatte innerhalb weniger Monate fünf Frauen ermordet. Bevor ihre Gedanken sich erneut in der Vergangenheit verfangen konnten, rutschte eine weitere Zeitung zwischen den Seiten heraus. Bei näherem Hinsehen erkannte Hella das Braunschweiger Unterhaltungsblatt, welches in ihrem Elternhaus eigentlich verboten war, da dieses Pamphlet sozialistische Tendenzen aufwies. Neugierig schlug Hella das Blatt auf und blieb schließlich an einem Artikel von einem J. Förster hängen, der sie bereits nach wenigen Worten gefangen nahm. Auch er erwähnte den Braunschweiger Mord und kam wenige Zeilen später auf die Londoner Ereignisse zu sprechen. Er beschrieb jedoch ein ganz anderes London als jenes, welches sie so begeistert hatte. Försters London war das von Whitechapel und Spitalfields, ein armes, dreckiges London, in dem Aufstände, Mord und Diebstahl an der Tagesordnung waren. Plötzlich bekam ihre Erinnerung an den beeindruckenden Crystal Palace, den Buckingham Palace, die herrschaftlichen Parks und die wundervollen Theater einen bitteren Beigeschmack.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo mit zahlr. Illustrationen
Verlagsort Duderstadt
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 620 g
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Braunschweig • Emanzipation • Herzogtum • Jack the Ripper • Kaiserzeit • Kommissar • London • Mord • Scotland Yard • Serienmörder • Sherlock Holmes • viktorianisch
ISBN-10 3-96901-053-5 / 3969010535
ISBN-13 978-3-96901-053-2 / 9783969010532
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Kommissar Dupins zwölfter Fall

von Jean-Luc Bannalec

Buch | Softcover (2023)
Kiepenheuer & Witsch (Verlag)
18,00
Der fünfzehnte Fall für Bruno, Chef de police

von Martin Walker

Buch | Hardcover (2023)
Diogenes (Verlag)
26,00