Geheimnis am Weihnachtsabend (eBook)

Kriminalroman
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2022 | 1. Auflage
432 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11941-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geheimnis am Weihnachtsabend -  Gladys Mitchell
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»Eine Amateurdetektivin, die Miss Marple Konkurrenz macht ... ein Lektüregenuss!« Guardian Weihnachten steht vor der Tür, und Amateurdetektivin Mrs. Bradley folgt der Einladung ihres Neffen ins beschauliche Oxfordshire. Doch die lockere Stimmung der Gäste kippt, als an Heiligabend der Anwalt des Dorfes tot aufgefunden wird. Zunächst vermutet niemand einen Mord, doch eine alte Spuklegende entfacht den Spürsinn der patenten Ermittlerin ... Beatrice Adela Bradley, die sich in London einen Namen als Amateurdetektivin gemacht hat, beschließt, ihrer Heimatstadt über die Weihnachtsfeiertage den Rücken zu kehren und lässt sich kurzerhand aufs Land kutschieren. Im hügeligen Oxfordshire lebt ihr Neffe Carey Lestrange, der über Weihnachten mehrere Gäste in seinem Gutshaus versammelt hat. Die Stimmung unter den Besuchern der Farm ist entspannt, doch eine lokale Spuklegende sorgt für Aufregung. Vor allem, weil ein mysteriöser Brief dazu verlockt, dem kopflosen Geist um Mitternacht im benachbarten Städtchen aufzulauern. Das kaputte Auto von Mrs Bradley macht dem Vorhaben zunächst einen Strich durch die Rechnung. Doch dann wird der Anwalt des Dorfes, der ebenfalls ein Schreiben des mysteriösen Briefeschreibers erhalten hat, tot am Fluss aufgefunden. Und Mrs. Bradley ist nicht die Einzige, die einen Mord wittert.

Gladys Maude Winifred Mitchell, geboren 1901 in Oxfordshire, studierte in London Geschichte und arbeitete als Lehrerin, bevor sie 1929 die berühmte Detektivin Beatrice Adela Lestrange Bradley erschuf und ihr anschließend über sechzig Kriminalromane widmete. Gladys Mitchell war eine fundierte Kennerin der Werke von Sigmund Freud und begeisterte sich für Hexerei; neben Agatha Christie und Dorothy Sayers gehörte sie dem britischen Detection Club an und erhielt 1976 die höchste Ehrung der Crime Writer's Association. 

Gladys Maude Winifred Mitchell, geboren 1901 in Oxfordshire, studierte in London Geschichte und arbeitete als Lehrerin, bevor sie 1929 die berühmte Detektivin Beatrice Adela Lestrange Bradley erschuf und ihr anschließend über sechzig Kriminalromane widmete. Gladys Mitchell war eine fundierte Kennerin der Werke von Sigmund Freud und begeisterte sich für Hexerei; neben Agatha Christie und Dorothy Sayers gehörte sie dem britischen Detection Club an und erhielt 1976 die höchste Ehrung der Crime Writer's Association.  Dorothee Merkel lebt als freie Übersetzerin in Köln. Zu ihren Übertragungen aus dem Englischen zählen Werke von Edgar Allan Poe, John Banville, John Lanchester und Nickolas Butler.

Erstes Kapitel

Ausfallschritt ohne Tanzpartner in Stanton St John


»Schön vorsichtig, guter Mann!«, sagte Sir Selby Villiers.

»Lassen Sie ihn an Ihrem Ende ein wenig herab, George«, sagte Mrs. Bradley.

»Halt, nicht so flott, Kumpel!«, sagte der Fahrer des Lieferwagens.

»Nur noch ein paar Zentimeter«, sagte George. Sie ließen den sorgfältig verpackten Eberkopf auf den Gepäckträger von Mrs. Bradleys Automobil herab und schnallten ihn fest. Dann überprüften George und der Fahrer des Lieferwagens die Gurte, während Sir Selby Mrs. Bradley beim Einsteigen half.

»Frohe Weihnachten«, sagte er.

»Frohe Weihnachten«, sagte Mrs. Bradley.

»Frohe Weihnachten, George«, sagte Sir Selby und gab dem Chauffeur zehn Schilling.

»Vielen Dank, Sir. Ihnen auch frohe Weihnachten«, sagte George, salutierte kurz und nahm seinen Platz hinter dem Steuer ein.

»Das hätten wir, gnädige Frau«, sagte der Fahrer des Lieferwagens.

»Frohe Weihnachten«, sagte Mrs. Bradley, gab ihm ein Trinkgeld und verabschiedete sich inmitten dieser Atmosphäre allgemeinen Wohlwollens, um zusammen mit George der Great West Road entgegenzufahren.

Das zwar nicht mehr ganz neue, aber einwandfrei funktionierende Automobil glitt durch Hammersmith und Chiswick und kletterte bei Gunnersbury die leichte Steigung zur Great West Road hinauf, die es jedoch alsbald wieder verließ, um bei Hounslow auf die Bath Road zu wechseln. George fuhr langsam durch Colnbrook und Maidenhead, kroch im Schneckentempo durch Henley und behielt dann für den größten Teil der restlichen Strecke eine moderate Geschwindigkeit von achtundzwanzig Meilen die Stunde bei. Auf der Höhe von Headington Quarry bog er nach rechts auf eine Nebenstraße ab, die zum nördlichen Ende von Stanton St John führte. Es war halb vier Uhr nachmittags. Zwar herrschte immer noch Tageslicht, aber die Dämmerung begann sich bereits anzukündigen.

George hielt an der ersten Gaststätte, an der sie vorbeikamen, und klopfte an die Tür, um den Wirt nach dem Weg zu fragen. Als niemand antwortete, da man offenbar bereits geschlossen hatte, ging er um das Haus herum in den Garten, wo er den Wirt zusammen mit seiner Frau damit beschäftigt fand, ein paar Hühner zu rupfen und mit Küchengarn zusammenzubinden.

»Guten Tag«, sagte George. »Wären Sie wohl so freundlich, mir zu sagen, wo ich das Gehöft von Mr. Lestrange finde?«

»Aber gerne doch«, sagte der Wirt. Er tauchte seine übel riechenden Hände in einen Eimer mit Regenwasser und trocknete sie an der Schürze ab, die er sich umgebunden hatte.

»Da wird einem ziemlich kalt, bei dieser Arbeit, was?«, sagte George, während sie zusammen zur Straße gingen. Der Wirt lachte.

»Na ja, dieses Weihnachten ist es nicht so schlimm wie in manch anderem Jahr, das kann ich Ihnen sagen! Wir haben hier in der Gegend kein fließend Wasser im Haus, wissen Sie. Also, Mr. Lestrange? Sie meinen wohl den Burschen, der Schweine züchtet und Bilder malt. Da müssen Sie nach dem Alten Hof fragen, so nennen wir den hier. Drehen Sie um, an der Kirche links und hinunter zum Postamt, dort kennt man den Weg sicher. Das würde Sie ja doch nur verwirren, wenn ich versuche, es Ihnen von hier aus zu erklären.« Er lächelte Mrs. Bradley zu. »Einen schönen Tag, gnädige Frau! Herrliches Wetter, nicht wahr? Wenn auch nicht grad der Jahreszeit entsprechend.«

George wendete den Wagen, fuhr vorsichtig durch die schmale Gasse, die an der langen, grauen Friedhofsmauer entlangführte und bog an einem kleinen Bauernhof links ab. Dahinter säumte eine Reihe von Cottages die Straße. Das Postamt, das sich durch einen deutlich lesbaren Schriftzug über dem schlichten Schiebefenster zu erkennen gab, war in einem recht kleinen Haus untergebracht, dessen Ziegelfassade sich grob und hässlich von den anderen Gebäuden aus freundlichem grauen Stein abhob.

Die Postmeisterin trat auf die Straße hinaus, um ihnen den Weg zu zeigen.

»Geradeaus, über den kleinen Bach, der da so lustig vor sich hin plätschert – den werden Sie die ganze Nacht hören, also gewöhnen Sie sich besser gleich daran, Ma’am, das kann ich Ihnen nur raten. Dahinter sehen Sie dann schon den alten Feldweg, der rechts abgeht. Der wird Ägypterweg genannt, fragen Sie mich nicht, warum. Da biegen Sie ein, und dann sind Sie auch schon am Ziel.«

Sie fuhren etwa zweieinhalb Meilen in recht gemächlichem Tempo die leicht abfallende Straße hinab und trafen schließlich auf einen grasüberwachsenen, schmalen Feldweg, der im rechten Winkel von der Straße abging und von tiefen Wagenfurchen durchzogen war. Er schien an einem Haus vorbeizuführen, das sie hinter einer Reihe von Ulmen erkennen konnten, und dann in einen kleinen Wald zu münden.

George hielt den Wagen an und stieg aus.

»Es tut mir sehr leid, Madam, aber ich fürchte, ich habe die richtige Abzweigung verpasst. Ich glaube, wir sind zu weit gefahren.«

»So ein Pech«, sagte Mrs. Bradley teilnahmsvoll. Sie kurbelte das Fenster noch ein Stück weiter hinunter und steckte den Kopf hinaus. George trat höflich zur Seite. »Dieser Ort stimmt nicht mit der Beschreibung überein, die man uns gegeben hat, so viel steht fest«, sagte sie, »und … George, sehen Sie nur, dort drüben ist ein Kampf im Gange! Kommen Sie, lassen Sie uns mitmachen!«

»Davon würde ich wirklich abraten, Madam«, sagte George alarmiert. »Denken Sie nur an damals in Spanien, als …«

»Unsinn«, sagte Mrs. Bradley. Doch da ihr Chauffeur nicht gewillt zu sein schien, ihr behilflich zu sein, öffnete sie selbst die Tür und rannte mit forschen, kurzen Schritten quer über die Felder. George warf seine Mütze ins Auto und trottete ihr wie ein treuer Hund hinterher, bewahrte dabei jedoch immer einen respektvollen Abstand, nicht zuletzt deshalb, weil ihn seine Gamaschen beim Laufen behinderten.

Es wurde bereits dunkel, doch Mrs. Bradleys weitsichtige Augen hatten sie nicht getäuscht. Vor einem Schweinestall, in einem Feld, das unmittelbar an das Haus angrenzte, trugen ein alter und ein junger Mann einen grimmigen Kampf aus. Der Alte war mit einem Gehstock bewaffnet, einem schweren hässlichen Ding aus Schwarzdorn. Der Jüngere hielt einen Eimer in der Hand, den er als Schutzschild benutzte, während er gleichzeitig laut und ärgerlich auf seinen Kontrahenten einredete. Es war offensichtlich, wer von den beiden der Angreifer war.

Mrs. Bradley, die etwa zehn Meter entfernt stand, konnte gar nicht genug bewundern, mit welch geradezu wissenschaftlichem Geschick der junge Mann den Eimer gegen den schweren Stock zur Verteidigung ins Feld führte. Schlag auf Schlag klatschte mit lautem Scheppern auf den Eimer, während der junge Mann mit großer Gewandtheit jedem der mordlustigen Angriffe auswich. Plötzlich bemerkte der Alte Mrs. Bradley und George und drehte sich mit einem bitterbösen Blick zu ihnen um.

»Das ist unbefugtes Betreten!«, rief er und ließ den Schwarzdornstock sinken. »Was wollt ihr Halunken auf meinem Land?«

»Friede, Friede«, sagte Mrs. Bradley mit sonorer Stimme.

»Sie haben ja wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank«, sagte der alte Mann und hob den Stock wieder in die Höhe. »Scheren Sie sich fort, bevor ich Ihnen eine verpasse!«

George stellte sich vor seine Dienstherrin, aber Mrs. Bradley schob ihn zur Seite.

»Ich suche meinen Neffen, Carey Lestrange«, sagte sie und betrachtete den vor Wut schäumenden Alten mit dem nüchternen Interesse eines wohlgesättigten Alligators, der sich in der Sonne aalt. Der Mann hatte seinen Stock so fest gepackt, dass seine Knöchel weiß waren.

»Carey Lestrange?«, fragte der Jüngere und trat vor, ohne sich im Geringsten darum zu kümmern, dass er sich dadurch in eine gefährliche Nähe zu dem Schwarzdornstock begab. Er stellte den Eimer auf die Erde und wies mit dem Daumen nach Westen. »Der wohnt nicht hier, sondern auf dem Alten Hof. Dieses Gehöft hier heißt Roman Ending.«

Der junge Mann war kräftig gebaut und machte einen ungehobelten Eindruck, doch irgendetwas an seiner Erscheinung wirkte vertraut auf Mrs. Bradley.

Aber ich habe ihn bestimmt noch nie gesehen, dachte sie bei sich, während sie ihn begutachtete. »George …«, sagte sie.

»Das Holbein-Porträt seiner Hoheit, König Heinrich VIII., Madam«, antwortete George zuvorkommend.

»Du liebe Güte, George!«, sagte Mrs. Bradley beeindruckt. Vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnis nahm sie ihre eingehende Betrachtung wieder auf. Kein Zweifel, in den massigen, breiten Wangen und den kleinen Schweinsäuglein, die sie da vor sich hatte, lag weit mehr...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2022
Übersetzer Dorothee Merkel
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Britisch • Cosy Crime • englische Krimis • Geschenk für Englandfans • Geschenk für Krimifans • Geschenk Krimi • Hercule Poirot • Kaminzeit • krimi 2024 • Krimiklassiker • Kuscheldeckenbuch • Leichter Krimi • Lesefutter • Miss Marple • softer Krimi • Weihnachtskrimi
ISBN-10 3-608-11941-8 / 3608119418
ISBN-13 978-3-608-11941-1 / 9783608119411
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