Der Dünenteufel (eBook)
420 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98951-0 (ISBN)
R.P. Hahn stammt aus Niedersachsen und lebt heute mit seiner Familie in Fulda. Die meiste Zeit seines Lebens arbeitet er als Autor für Drehbücher bei Film und Fernsehen. Seine bekannteste Arbeit ist das Drehbuch für den Film »Das Wunder von Bern«.
R.P. Hahn stammt aus Niedersachsen und lebt heute mit seiner Familie in Fulda. Die meiste Zeit meines Lebens arbeitet er als Autor für Drehbücher bei Film und Fernsehen. Seine bekannteste Arbeit ist das Drehbuch für den Film »Das Wunder von Bern«.
1. Kapitel
Pension Seerose
Die Polizisten Jens Lackner und Mike Kramer waren auf dem Weg nach Puddemin. Sie boten ein sehr gegensätzliches Erscheinungsbild. Während der ranghöhere Polizeihauptmeister eine athletische Statur hatte, muskelbepackt daherkam und seinen Partner um einen halben Kopf überragte, war der semmelblonde Jens Lackner eher schmächtig und strahlte eine sensible Natur aus.
Die Beamten hatten den Anruf eines Ferienhausbesitzers erhalten, es ging um einen Einbruch in der Nähe des Hafens. Der oder die Täter hielten sich offenbar noch im Haus auf. Deswegen hatten sich die Kontaktbeamten der Putbuser Polizeistation in voller Kampfstärke auf den Weg gemacht. Sie waren jedoch nicht sonderlich besorgt. Auf dieser verschlafenen Urlaubsinsel gab es in der Regel nur Ordnungswidrigkeiten oder Kleindelikte. Der Einbruch würde sich mit großer Wahrscheinlichkeit als Missverständnis oder die Verfehlung eines Betrunkenen herausstellen.
Jens Lackner war bester Stimmung. Seine Beförderung zum Polizeiobermeister war früher gekommen als gedacht. Natürlich war alles sehr schnell gegangen, seit seine Dienststelle den Serienmörder Georg Kattow aus dem Verkehr gezogen hatte. Obwohl das in erster Linie Richard Dreifürsts Verdienst gewesen war, hatte sich die Polizeistation Putbus im Glanz dieser Festnahme sonnen können. Stationsleiter Oetzmann war ein Jahr später befördert worden und arbeitete nun seit Längerem im Polizeipräsidium von Rostock, während Mike Kramer zum »vorläufigen« Chef in Putbus aufgerückt war. Jetzt führte er die Polizeistation schon fast zwei Jahre, so viel zum Thema »vorläufig«.
Kramer ließ es bei der Arbeit gerne ruhig angehen und hatte durchblicken lassen, dass er es so bis zur Pension würde aushalten können, wenn sein Gehalt nicht so niedrig gewesen wäre. Jens hatte einige Gespräche mit Vorgesetzten in der Stralsunder Polizeiinspektion gehabt. So, wie es gerade aussah, würde er in einem angemessenen Zeitraum in die gehobene Beamtenlaufbahn wechseln können. Man schätzte seine Gewissenhaftigkeit, sein besonnenes Auftreten und seinen wachen Geist. Seine Tage auf Rügen waren also gezählt.
Nicht, dass diese naturverbundene Beschaulichkeit ihm nicht gefallen hätte, nur war er hier als Kriminalist nicht gerade über Gebühr gefordert. Oft saß er einfach am Schreibtisch und schrieb seine Berichte und Protokolle. Und das eine Mal, bei dem es um einen wirklich dicken Fisch gegangen war, hatten Jens und seine Kollegen nicht geschaltet, und so waren sie bei der Festsetzung von Georg Kattow gefühlt nur Zaungast gewesen.
Diese Chance hatten sie verpasst und ansonsten passierte eben nicht viel auf der beliebten Ferieninsel. Kleine Diebstähle und Kinkerlitzchen waren der Alltag. Hin und wieder gab es Schlägereien unter Touristen, dann war meist Alkohol mit im Spiel. Manchmal verhafteten sie Leute, die Zahlungen schuldig geblieben waren oder wegen anderer Delikte in Gewahrsam genommen werden mussten. Jens fühlte sich ein wenig wie der Ordner eines Rolling-Stones-Konzerts, echte Kriminalarbeit stellte er sich jedenfalls anders vor.
Der silberblaue Streifenwagen hielt vor der Puddeminer Wiek. Hier gab es eine kleine Ferienhaussiedlung in der mittleren Preisklasse, die in der Hochsaison immer komplett ausgebucht war. Der Begriff Ortschaft war im Grunde übertrieben, denn außer dem Hafen und dem darin beheimateten Restaurant fand man hier keine Infrastruktur. Wer sich versorgen wollte, musste nach Garz fahren, und wem der Edeka dort nicht ausreichte, hatte keine andere Wahl, als die Tour nach Putbus auf sich nehmen, wo es immerhin einige Discounter gab.
Ein dicker Mittfünfziger im Blaumann kam auf die Polizisten zugelaufen. Das war, wenn Jens sich richtig erinnerte, der Verwalter Gottschall. »Es ist eine Frau!«, rief er kurzatmig. »Ein ganz ordinäres Luder! In der Nummer neun! Kommen Sie!«
Mike warf Jens einen gelangweilten Blick zu. »Ich wette zehn Mäuse, das ist wieder Ginger!«
»Wieso wettest du überhaupt? Sag doch einfach: Jens, schenk mir zehn Euro!«
Gottschall schloss die Tür auf und die Beamten betraten die Ferienwohnung. Auf der Couch im Wohnzimmer saß vor dem laufenden Fernseher eine ungepflegte junge Frau mit neonrot gefärbtem Schopf. Die Tönung musste eine Weile her sein, denn das naturblonde Haar der Frau war schon wieder ein ganzes Stück nachgewachsen. Das war »Ginger«, eine Streunerin wie aus dem Bilderbuch. Die Polizisten kannten sie. Sie hieß eigentlich Dagmar Kleinknecht, war zu Beginn der Saison aufgetaucht und schnorrte sich bei Einheimischen und Touristen durch.
Einmal hatte Kramer sie von der Binzer Strandpromenade weggeholt, wo sie mit weiß geschminktem Gesicht »Lebende Statue« gespielt hatte. So verdiente die Frau sich ein paar Kröten dazu. Wenn es nicht lief, holte sie ihr Essen in den Ferienorten eben aus den Abfallbehältern. Es gab genug Touristen, die ihre Würstchen mit Pommes nicht aufaßen.
Die struppigen Haare fielen der gertenschlanken Ginger ins Gesicht, sodass man auf den ersten Blick gar nicht sah, dass sie eine recht hübsche Person war. Sie stand bei Jens nicht im Verdacht, die hellste Kerze auf der Torte zu sein. Die Obdachlose war ganz klar im Überlebensmodus und es stand zu vermuten, dass sie auch anschaffte, wenn die Lage es erforderte. Polizeihauptmeister Kramer hatte beim letzten Mal ein Platzverbot gegen sie ausgesprochen und sie von der Insel geschafft, aber jetzt war sie wieder da.
»So, Ginger!«, rief Mike. »Gastspiel beendet! Komm mit!«
Die Frau mit den roten Haaren äugte zu den Polizisten hinüber und stöhnte: »Mensch, Jungs, lasst mich! Echt jetzt! Mir geht’s scheiße! Ich brauch mal ne Pause!«
Jens hob eine leere Flasche Weinbrand vom Teppich auf. »Könnte es sein, dass du über den Durst getrunken hast?«
»Leck mich doch!«, ätzte die junge Frau. »Ich hab das Zeug nur gesoffen, weil’s mir mies geht! Ihr wisst, ich find normal immer was zum Pennen. Ich brech nicht freiwillig in diese Touri-Kackbutzen ein. Aber ich muss mir was eingefangen haben, irgendeinen Drecksvirus oder so …«
Die Polizisten wechselten einen Blick.
»Darf ich mal?«, fragte Jens und da Ginger sich nicht widersetzte, fühlte er ihre Stirn. Die war recht heiß. »Hmm. Ich glaube doch, sie hat Fieber! Die ist wirklich nicht in Ordnung!«
»Genau!«, krakeelte Ginger. »Und jetzt lasst mich in Ruhe und sagt der Hackfresse da draußen, wenn sie noch mal ihren Zinken hier reinhält, gibt’s auf die Nüsse! Ich hab nicht ewig Geduld!«
Kramer lachte. »Komm, Süße, du weißt, dass das so nicht läuft. Ich bring dich jetzt nach Bergen in die Klinik und die schauen, was du hast!«
»Nein, hör auf! Ich will nicht in das Scheiß-Schlachthaus! Ich werd auch so wieder!«
Kramer packte sie am Arm. »Du kennst das Spiel, wenn du nicht mitmachst, werde ich grob und dann weinst du. Das wollen wir doch nicht.«
»Du Kackbulle! Du mieser Kackbulle!« Dabei beließ es die Frau, denn sie hatte schon bei früherer Gelegenheit festgestellt, dass es nicht so schön war, wenn Kramer unangenehm wurde.
Jens suchte ihre Habe zusammen und räumte alles in ihren Rucksack. Er vergaß auch ihren abgewetzten Strohhut mit dem regenbogenfarbenen Pride-Tuch nicht.
Wenig später fuhren sie zurück nach Putbus. Ginger hatte sich auf Rückbank neben Jens zusammengekauert und gab keinen Laut mehr von sich.
Ein Handy klingelte. Es war das von Jens. Am anderen Ende meldete sich Susanne Schröder, eine Pensionsinhaberin aus Neuendorf, nicht weit vom Putbuser Ortskern.
»Herr Lackner, könnten Sie bitte bei mir vorbeikommen. Wenn es geht, so bald wie möglich!«
»Was ist denn?«
»Es geht um meine Schwester Anneliese. Das möchte ich aber nicht am Telefon besprechen. Sie haben es ja nicht so weit. Wenn Sie kommen könnten, am besten sofort, wäre ich Ihnen sehr verbunden. Es ist wichtig!«
Jens überlegte kurz und hielt das Mikro vom Handy zu. »Mike, lass uns einen Abstecher nach Neuendorf machen. Ich muss kurz bei Frau Schröder reinschauen.«
Kramer schaute irritiert. »Was will die Nervkuh denn jetzt schon wieder?«
»Ich weiß es nicht. Wir halten einfach kurz bei ihr. Ich handele das...
Erscheint lt. Verlag | 30.6.2022 |
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Reihe/Serie | Rügen-Krimis |
Rügen-Krimis | Rügen-Krimis |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bücher für den Urlaub • Cosy Crime • Das Wunder von Bern • Ermittlungen • Inselkrimi • Kommissar • Laienermittler • Lobotomie • Ostsee • Ostsee-Krimi • Polizist • Regionale Krimis • Rügen Krimi • Rügen Roman • Thriller • Urlaubskrimi |
ISBN-10 | 3-492-98951-9 / 3492989519 |
ISBN-13 | 978-3-492-98951-0 / 9783492989510 |
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