Fluch der Venus – Wiener Abgründe (eBook)
400 Seiten
Piper Spannungsvoll (Verlag)
978-3-492-98959-6 (ISBN)
Der gebürtige Wiener Peter Lorath pendelt zwischen seiner Bleibe am Rhein und seinem Zuhause in seiner Geburts- und Heimatstadt Wien. Schon sein schlesischer Großvater war Schriftsteller und populärer Theaterautor. Lorath beschäftigt sich seit einigen Jahren mit den politischen und gesellschaftlichen Zuständen im Wien des Fin-de-Siècle. 2022 erschien sein erster historischer Kriminalroman um den Sonderermittler Leopold Kern, der es gleich auf die Shortlist des Leo-Perutz-Preis geschafft hat. Im Hauptberuf ist Lorath passionierter Arzt, seine vielfältigen Hobbies gelten der Geschichtskunde, Musik, Literatur und Psychologie, was sich auch in seinem Roman widerspiegelt. Am Schreiben reizt ihn die detailgetreue Zeichnung der Figuren und deren Seelenleben im Spannungsfeld der speziellen Anforderungen ihrer Epoche.
Der gebürtige Wiener Peter Lorath lebt in Mainz (wo er als Chefarzt arbeitet) und in seiner Geburts- und Heimatstadt Wien. Schon sein schlesischer Großvater war Schriftsteller und populärer Theaterautor. Lorath hat sich seit einigen Jahren mit den politischen und gesellschaftlichen Zuständen im Wien des Fin-de-Siècle beschäftigt und legt jetzt seinen ersten Krimi vor, weitere sind in Planung. Ich wurde 1960 in Wien geboren, bin verheiratet und stolzer Vater eines Sohnes. Nach meinem Medizinstudium wurde ich zuerst zum Allgemeinchirurgen, danach zum Thoraxchirurgen (Chirurgie von Lunge, Zwerchfell und Brustwand) ausgebildet. 1995 veröffentlichte ich im Facultas-Verlag das Lehrbuch "Chirurgie für Krankenpflegeberufe". Seit 2012 arbeite ich als thoraxchirurgischer Chefarzt in Deutschland.
Kapitel 2
Der Sonderermittler
Bereits am nächsten Tag lagen die endgültigen Ergebnisse der Autopsie vor. Sie erbrachten keine neuen Erkenntnisse. Trotz fehlendem Primäraffekt stand die Diagnose Syphilis unumstößlich fest. Wegen des Wochenendes konnte Marx Matzners Leiche erst am Montag einäschern und in einem Armengrab bestatten lassen. In einem mitfühlenden Schreiben teilte er Modritzky mit, die liebe Verstorbene sei einer Eileiterschwangerschaft erlegen.
Danach widmete sich der Polizeipräsident der schwierigen Frage, wie er mit Hofmanns Gutachten verfahren sollte. Da im unwahrscheinlichen Fall eines weiteren derartigen Verbrechens die Leichenbeschauärzte erneut nichts Verdächtiges feststellen würden, war eine Entdeckung extrem unwahrscheinlich. Also rang er sich nach reiflicher Überlegung dazu durch, die Angelegenheit zu schubladisieren. Der Entschluss fiel ihm nicht leicht. Aber es gab gewichtige Gründe, Angst über Pflichtgefühl zu stellen.
Um sein schlechtes Gewissen abzulenken, kam ihm die in der kommenden Woche stattfindende Ordensverleihung in der russischen Botschaft gerade recht. Er selbst, der Zentralinspektor der Sicherheitswache, der Leiter des Polizeiagenteninstitutes sowie drei Polizeidetektive wurden von Zar Alexander geehrt. Neben seinen üblichen Amtsgeschäften widmete sich der Polizeipräsident mit großem Eifer der Vorbereitung auf die Zeremonie, die am 19. Juni mit dem üblichen Prunk über die Bühne ging. Der Militärattaché Fürst Mitjuchin, ein persönlicher Freund des Zaren, erwies sich als äußerst charmanter Gesprächspartner, und das Buffet war von außergewöhnlicher Erlesenheit.
Fünf Tage später endete die trügerische Ruhe des Polizeipräsidenten. Ein Dienstmann überbrachte einen persönlich auszuhändigenden Brief. Mit einem flauen Gefühl im Magen öffnete Marx das Kuvert. Was er las, war wenig erfreulich. Hofmann bat um eine unverzügliche persönliche Aussprache, Anlass war der Tod eines Schusterlehrlings. Unheil ahnend machte sich Marx auf den Weg. Wenig später saßen sie erneut in Hofmanns Büro und tranken Cognac. Eine Menge Cognac.
»Und Sie sind ganz sicher?«, fragte der Polizeipräsident ungläubig. »Jeglicher Irrtum ist ausgeschlossen?« Seine Finger zitterten ein wenig, als er das Glas zum Mund führte und einen großen Schluck nahm.
»Definitiv«, lautete Hofmanns Antwort. »Exakt die gleiche Methode, die gleiche Meisterschaft wie bei der Matzner, nur dass der Nabel um einen Zentimeter verfehlt wurde.«
»Ein Schusterbub! Wieso haben Sie überhaupt eine Leichenöffnung vorgenommen?« Marx war redlich bemüht, seine Stimme von jeglichem Tadel freizuhalten.
»Die Matzner hat mich beschäftigt. Wer weiß, wie viele Morde wir schon übersehen haben? Ich habe angeordnet, dass bis auf Weiteres alle Toten untersucht werden. Zu Forschungszwecken. Dass ich allerdings so schnell fündig werde … Haben Sie schon eine Spur?«
»Bis jetzt nichts. Wir arbeiten natürlich mit Hochdruck«, log der Polizeipräsident und fragte sich ein wenig verärgert, wie viele Unannehmlichkeiten ihm wohl erspart geblieben wären, wenn Hofmann auch Matzners Leiche aus medizinischen Gründen geöffnet hätte. Er beschloss, den Professor hinfort als Diva einzustufen und sich bei der nächsten Gelegenheit zu revanchieren. »Aber die Geheimhaltung macht alles schwierig. War der Untersuchungsrichter anwesend?«
Hofmann lachte humorlos. »Selbstverständlich. Ich musste ihn ja von der Autopsie in Kenntnis setzen.«
»Und?« Marx hielt in ängstlicher Erwartung unwillkürlich den Atem an.
»Als er das viele Blut im Bauch sah, sagte er nur ›oje‹ und verließ den Seziersaal. Ich habe als Todesursache einen Bauchstich angegeben, jedoch keine Verbindung zum Fall Matzner hergestellt.«
Erleichtert stieß der Polizeipräsident die Luft aus den Lungen.
»Ich stehe zu meinem Wort. Außerdem will ich auf keinen Fall Ihre streng geheimen Ermittlungen gefährden.«
»Ja, natürlich …«, erwiderte Marx nachdenklich. »Ich danke Ihnen vielmals.«
Wie in Trance marschierte er zurück zu seinem Büro. Er hatte hoch gepokert und verloren. Jetzt war der Fangschuss von völlig unerwarteter Seite gekommen. Er hatte Hofmanns Wissensdurst nicht bedacht. Welch ein Desaster! Matzners Mörder tötete ungeniert weiter. Wenn er den Kollegen vom Polizeiagenteninstitut, die den Fall des Schusterbuben bearbeiteten, reinen Wein einschenkte, konnte er auch gleich seine Demission einreichen.
Nachdem er seinen eigenen Agenten den Mord an Matzner verschwiegen hatte, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als selbst streng geheime Ermittlungen anzustrengen. Und die durfte er keinesfalls einem aktiven Mitglied seiner Behörde anvertrauen. Er benötigte dafür einen unabhängigen Vertrauten, eine Art externen Sonderermittler. Aber wem konnte er vertrauen? Marx sah sich unaufhaltsam auf einen Abgrund zurasen. Er benötigte mehr als ein wenig Glück, um die Todesfahrt zu stoppen, die er selbst in Gang gesetzt hatte.
Als er das Büro betrat, war sein schmales, hageres Gesicht von Sorge gezeichnet. Sein Schreibtisch empfing ihn mit einem wohlsortierten Aktenberg. Er setzte sich und begann erneut zu grübeln. Egal von welcher Seite er das Problem betrachtete, es war schier unlösbar. Eigentlich blieb nur noch zu überlegen, wie sein Abgang halbwegs ehrenhaft über die Bühne zu bringen war.
Nun bestand eine von Marx’ großen Begabungen darin, unter Druck unerschütterliche Ruhe zu bewahren. Seine Kaltblütigkeit wuchs sogar mit dem Ausmaß der Bedrängnis. Es gelang ihm, alle quälenden Gedanken und Sorgen in den hintersten Winkel seines Verstandes zu verbannen. Stattdessen suchte er nach Ablenkung.
Gedankenverloren griff er nach der zuoberst liegenden Akte und begann, darin zu blättern. Das Schriftstück betraf den Beamten Leopold Kern, geboren am 12. April 1840, alleinstehend, verwitwet, ein erfahrener Polizist mit hervorragenden Fahndungsergebnissen, der den Beruf von der Pike auf gelernt hatte. Kern galt als zäh und zielstrebig, mitunter nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Trotzdem hatte er bis vor zwei Jahren hervorragende Beurteilungen. Erst danach ging es mit ihm bergab. Es gab Zornesausbrüche und Verletzungen der Dienstvorschriften. Seine Neigung, die Anordnungen seiner Vorgesetzten zu missachten, hatten ihm bald sämtliche Disziplinarstrafen eingebracht, die das Gesetz vorsah: mündliche Rügen, schriftliche Verweise, ja sogar Gehaltsabzüge.
Marx rief sich die vielen Gespräche in Erinnerung, die er mit dem Leiter des Agenteninstitutes, Oberinspektor Ritter von Stehling, über den unbotmäßigen Beamten geführt hatte. Sie hatten beide darin übereingestimmt, dass Kern ein hervorragender Polizist war, dessen Schattenseiten hinzunehmen sie bereit gewesen wären. Doch sein letztes Vergehen hatte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Er hatte einen Mann halbtot geschlagen. Inspektor Joseph Brachmann, als Brigadeleiter Kerns leidgeprüfter Vorgesetzter, und der Staatsanwalt hatten getobt, und so war der Disziplinarkommission aufgrund der langen Liste der Dienstvergehen Kerns gar nichts anderes übriggeblieben, als seine Entlassung zu beschließen.
Dem Polizeipräsidenten oblag es als oberstem Beamten, die Strafe abzumildern oder den Beschluss der Kommission zu befürworten. Als überaus korrekter Vorgesetzter hatte er Kern für den morgigen Dienstag um zwei Uhr zu sich bestellt, um ihm eine – wenn auch rein theoretische – Rechtfertigungsmöglichkeit zu geben. Marx mochte jeden seiner Beamten, und nichts lag ihm ferner, als sie über ihren Kopf hinweg zu bestrafen. Vielleicht war dies ja eine seiner letzten Amtshandlungen? Zumindest einer sollte ihn in guter Erinnerung behalten.
Mit einem Anflug des Bedauerns begann er die Aufzeichnungen über Kerns letzte Ermittlungen zu studieren. Es waren vor allem Aktennotizen und inoffizielle Berichte mit detaillierten Aufzeichnungen von Gesprächen mit Prostituierten. Es kostete ihn zunächst ein wenig Überwindung, mit dem Studium zu beginnen. Umso schneller zog ihn die Lektüre in ihren Bann. Bald waren seine Sinne auf das Äußerste gespannt. Alles um sich herum vergessend vertiefte er sich in die einzelnen Schriftsätze und legte sich dazu Notizen an.
Als er fertig war, war sein Mund staubtrocken. Er stand auf und trank ein Glas Wasser. Versonnen blieb er vor einem der...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2022 |
---|---|
Reihe/Serie | Leopold Kern |
Leopold Kern | Leopold Kern |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Altes Wien • Babylon Berlin • Fin de siècle • Harzer Hammer 2023 • Historischer Kriminalroman • Kaiser Franz Joseph • Kriminalroman • K und K Monarchie • Polizeiagent • Polizeipräsident Marx • Ringstraße • Romane in Österreich • Sisi • Spannende historische Kriminalromane • Spannung • Verschwörung • Wien • Wien Kaiserzeit • Wien Sissi |
ISBN-10 | 3-492-98959-4 / 3492989594 |
ISBN-13 | 978-3-492-98959-6 / 9783492989596 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 6,3 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich