Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe (eBook)

Ein dramatischer Frauenroman, der die Leserinnen an den Hamburger Hafen zur Kaiserzeit entführt

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2022 | 1. Auflage
480 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2795-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe -  Henrike Engel
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Die Bestsellerautorin Henrike Engel mit dem neuen großen Roman über vergangene Zeiten und unbekannte Welten am Hamburger Hafen Hamburger Hafen, 1911: Anne Fitzpatrick behandelt in ihrer Arztpraxis am Hafen immer häufiger chinesische Frauen, die in den Kolonien als Arbeitskräfte angeworben wurden. Als eine der Frauen vor Annes Augen stirbt, schwört die Hafenärztin, die Verantwortlichen zu finden. Zusammen mit Kommissar Berthold Rheydt fängt sie an, im Chinesenviertel auf Sankt Pauli nachzuforschen. Der Kommissar glaubt, die mörderische Handschrift eines Erzfeindes zu erkennen. Sein Herz jedoch ist nicht ganz bei der Sache - er hat Helene Curtius seine Liebe erklärt. Doch auch Helene kämpft an mehreren Fronten um das Heil misshandelter Frauen. Während Anne sich zunehmend in große Gefahr begibt, macht Rheydt einen Schritt, der sein Leben und das von Helene für immer verändert. Lassen Sie den Alltag hinter sich und tauchen Sie ein in die Kaiserzeit Hamburgs und in das Leben einer außergewöhnlichen Frau. *Einzigartige Ausstattung mit besonderer Goldprägung* Das große Lesevergnügen geht weiter: Band 1: Die Hafenärztin. Ein Leben für Freiheit der Frauen, Januar 2022 Band 2: Die Hafenärztin. Ein Leben für das Lachen der Kinder, Mai 2022 Band 3: Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe, November 2022 Band 4: Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen, Dezember 2023

Henrike Engel pendelte in ihrem Leben ständig zwischen Berlin und München, mit beiden Städten verbindet sie eine komplizierte Liebesbeziehung. Eines aber ist konstant geblieben: ihre Liebe zu Hamburg! Manche Träume jedoch müssen unerfüllt bleiben, und so hat die ehemalige Drehbuchautorin nicht ihren Wohnort in die Hafenstadt verlegt, sondern träumt sich lieber schreibend dorthin.

Henrike Engel pendelte in ihrem Leben ständig zwischen Berlin und München, mit beiden Städten verbindet sie eine komplizierte Liebesbeziehung. Eines aber ist konstant geblieben: ihre Liebe zu Hamburg! Manche Träume jedoch müssen unerfüllt bleiben, und so hat die ehemalige Drehbuchautorin nicht ihren Wohnort in die Hafenstadt verlegt, sondern träumt sich lieber schreibend dorthin.

1.


Sie sah aus wie eh und je. So schön wie vor sechzehn Monaten, so schön wie damals, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Milena und Anne. Anne und Milena. Das Liebespaar.

Und nun stand Anne hier, auf der Princess Road, verborgen in einer Hofeinfahrt, und beobachtete, wie Milena, ihre Freundin – oder sollte sie sagen ihre ehemalige Freundin? – , aus ihrem Wohnhaus kam, die steinerne Treppe des schmalen Townhouses hinab auf die Straße lief – und sich nach einer Frau umdrehte, die ihr folgte. Die Frau sagte etwas zu Milena, woraufhin diese den Kopf in den Nacken warf, lachte, ihr breites und freies Lachen, schöne Zähne, schöner Mund, die Hand nach der anderen ausstreckte, und gemeinsam liefen sie Schulter an Schulter die Straße hinunter.

Glücklich.

Anne verzichtete darauf, dem Pärchen zu folgen. Sie wollte sich nicht noch mehr Schmerzen zufügen, hatte genug gesehen. Im Grunde hatte sie es gewusst, seit damals, seit sie London des Nachts verlassen hatte. Vom rauschenden Silvesterfest aus den Armen ihrer Geliebten gerissen, hatte sie ein Schiff bestiegen und war nach Hamburg geflohen. Aus Anne van der Zwaan war Anne Fitzpatrick geworden.

Und aus einer glücklichen Frau, die in London inmitten einer Clique Gleichgesinnter gelebt, gearbeitet und gefeiert hatte, aus einer Frau, die liebte und geliebt wurde, war eine von der Polizei Gejagte geworden, eine, die sich mit dem Vorsatz zu helfen strafbar gemacht hatte.

Sie war eine einsame Seele auf der Suche nach Geborgenheit.

Milena würde ihr diese nicht mehr geben wollen und können, das hatte Anne schon lange begriffen, doch sie musste es erst mit eigenen Augen sehen, um sich ihre schöne Freundin, die Suffragette Milena Suslowa, aus dem Herzen zu reißen.

Aber auch das war ein Grund für ihren Aufenthalt in London. Anne musste die Dinge hier zu Ende bringen, um dort, in Hamburg, einen wirklichen Neubeginn wagen zu können. Sie hatte gedacht, dass sie das geschafft hätte, das bittere Ende, hingegen ein Anschlag, dem ihre Arztpraxis zum Opfer gefallen war, hatte ihr vergegenwärtigt, dass sie sich selbst nicht belügen konnte. Sie musste Wahrhaftigkeit erlangen – und das bedeutete, in London aufzuräumen und abzuschließen.

Es war ein scheußlicher Tag, der April machte seinem Namen alle Ehre, trieb kalten Wind durch die Straßen, peitschte die Bewohner Londons mit Regen und riss schließlich mit einem hämischen Grinsen seine Wolkendecke auf, um zu zeigen, welchen Trumpf er in der Hinterhand hatte – Sonne.

Anne lief in die entgegengesetzte Richtung der beiden Frauen davon, in Richtung Süden. Sie würde eine gute Stunde nach St James’s zu laufen haben, bei dem Wetter eine Herausforderung, die Anne dennoch mit Freuden annahm. Von der Princess Road – Milena lebte trotz ihres Engagements für die Frauenbewegung und die Ärmsten der Stadt herrschaftlich in Primrose Hill – führte sie der Weg quer durch den wunderschönen Regent’s Park. Sie brauchte Bewegung und frische Luft, und wenn sie nass würde, war es ihr gleich. Anne konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als nach einem ordentlichen Spaziergang, der ihr Kopf und Herz öffnen würde, in einem warmen Tea House einzukehren und bei einer Kanne Darjeeling Scones mit Clotted Cream und Gurkensandwiches zu genießen.

Den Park hatte Anne beinahe für sich, und sie staunte erneut, wie es möglich war, inmitten einer Stadt wie London, die so dicht besiedelt war, Inseln der Ruhe zu finden. Hier waren aufgrund des Wetters nur wenige Menschen unterwegs, eine alte Frau, ihrer Kleidung nach zu urteilen mittellos, fütterte Tauben mit Körnern, der Parkwächter patrouillierte auf den Wegen, und eine Nanny zerrte zwei kleine Kinder hinter sich her in Richtung Zoo.

Die Vegetation erschien umso üppiger, je weniger Menschen unterwegs waren, als nähme sie sich den Raum, den die Menschen ihr gelassen hatten. Kaskaden von weiß blühenden Schneespieren, harmonisch gestaltete Tulpen- und Frühblüherbeete, Kastanienbäume, die stolz ihre roten und weißen Blüten in die Höhe reckten, und Grün in allen Schattierungen erfreuten Annes Auge und beruhigten ihre Seele.

London entfaltete seine ganze Pracht und Herrlichkeit, die Parks waren Balsam für ihr Gemüt, aber die Ärztin Anne Fitzpatrick kannte auch die düstersten Seiten der Stadt. Die engen Gassen Whitechapels, in denen sie und Milena unterwegs gewesen waren, um Frauen aus dem Elend herauszuhelfen, und sei es nur, ihnen eine Suppe anzubieten, eine warme Decke oder die Versorgung ihrer Wunden.

In den Docks von London war Anne zum ersten Mal all der Kinder gewahr geworden, die schwer arbeiteten, um zu überleben, Sechsjährige, die Säcke schleppten, noch kleinere Kinder, die auf der Straße bettelten, Mädchen, die noch nicht zur Frau erblüht waren, aber bereits ihre Körper verkaufen mussten. Oder das Labyrinth unterirdischer Wege, Flüsse und Schächte, das die Metropole durchzog wie ein Spinnennetz und in dem Menschen und Tiere hausten, die sich aus verschiedenen Gründen vor aller Augen verbargen.

Nein, Anne machte sich über die Schönheit der Stadt keine Illusionen mehr, ebenso wie in Hamburg, der anderen Metropole, in der sie zu Hause war, lagen auch hier Schrecken und Schönheit nah beieinander.

Anne hatte den südlichen Ausgang des Parks erreicht, war weitgehend vom Regen verschont geblieben und suchte sich ein Tea House, in welches sie einkehrte, bevor sie ihre Einkaufstour in der Bond Street in Angriff nahm. Sie wollte sich gönnen, was sie sich in Hamburg versagte: ein neues Kleid für den Frühling, vielleicht ein paar Handschuhe, einen Duft, Pralinen und natürlich englischen Tee. Im Grunde genommen hätte sie all das auch in Hamburg kaufen können, schließlich war die Metropole durch den Hafen eines der größten Handelszentren Europas, es gab nichts, was es nicht gab, aber Anne nahm sich dort nicht die Zeit, sie hatte keine Muße, sie arbeitete Tag und Nacht.

Bis vor wenigen Wochen. Bis sie vor den rauchenden Trümmern ihrer Praxis gestanden hatte, vor den Trümmern all dessen, was sie sich in Hamburg aufgebaut hatte. Ihr Traum von der eigenen Arztpraxis, in der sie vornehmlich die Armen und Bedürftigen, die Frauen und Kinder behandelte, war Opfer von Brandstiftung geworden – das Attentat verübt hatten ausgerechnet die, für die Anne Fitzpatrick sich aufopferte. Frauen. Junge Frauen aus der Unterschicht, die sich voller Wut gegen die Verhältnisse, in die sie gezwungen worden waren, auflehnten – und ihr Zorn hatte sie getroffen, die Ärztin.

Kurzerhand hatte Anne ihre Koffer gepackt, hatte Hamburg hinter sich gelassen und war zurück ins Vereinigte Königreich gefahren. Eingereist mit gefälschten Papieren, denn in London lag ein Haftbefehl gegen sie vor. Auch das eine Last, die ihr in den vergangenen Monaten im Nacken saß. Sie hatte ihre Existenz in Hamburg auf eine Lüge gegründet, natürlich konnte das nicht gut gehen.

Das Servierfräulein stellte ein silbernes Tablett mit einem Kännchen Tee, Milch, Zucker und einer Etagere mit den Köstlichkeiten für den High Tea vor Anne auf das Tischchen.

»Could you bring me some German newspapers please?«, bat Anne, und kurz darauf kehrte das Mädchen mit drei Ausgaben an ihren Tisch zurück.

Anne griff zur Hansepost, der Aufmacher gehörte ihrem Freund, dem Journalisten Max Lauritzen: »Florierender Menschenhandel in Hamburg – lesen Sie die schockierenden Enthüllungen unseres Reporters.«

Seit Tagen schon gehörte Max die erste Seite – weltpolitisch gab es wohl nichts, was die Hamburger von ihrer Skandalgeschichte ablenken konnte. Vielleicht lag es daran, dass die Geschichte, die Max recherchiert und Berthold Rheydt mit Elmar Thönnes aufgeklärt hatte, alle Ingredienzien hatte, die zu einem Aufmacher taugten: ein gut aussehender Arzt aus bestem Haus, der über viele Jahre hinweg gelogen, betrogen und gemordet hatte. Der sich im fernen Kattowitz eine Doppelexistenz als Mädchen- und Menschenhändler aufgebaut hatte, dem es aber gelungen war, seine bürgerliche Fassade zu wahren. Und der auch dann noch weiter mit jungen Mädchen handelte, als er nach Hamburg zurückgekehrt war und die Leitung der Gesundheitsabteilung der Auswandererhallen übernommen hatte. An seiner Seite eine junge Frau, ehemalige Prostituierte, die ihm hörig gewesen war und ihn bei seinen kriminellen Machenschaften unterstützt hatte. Sowie eine Frau, die der Doktor zur Ehe gezwungen hatte, deren Vater er ruiniert und sich dessen Unternehmen einverleibt hatte.

Dass dieser Mann, Doktor Tergit, letztendlich überführt wurde, daran hatte Anne ihren Anteil gehabt. So wie auch Helene, ihre Freundin in Hamburg. Und natürlich Berthold Rheydt, der melancholische Kommissar mit den schönen Augen, der Tergit schließlich erschossen hatte.

Max Lauritzen hatte in dem Fall in Kattowitz recherchiert, und endlich, endlich hatte er die große Geschichte in der Zeitung, nach der er sich so lange gesehnt hatte. Anne gönnte es ihm von Herzen. Max war neben Helene einer der wenigen Menschen, denen sie vertraute, sie waren Freunde geworden. Und Freunde verdienten Aufrichtigkeit, dachte Anne. Sie...

Erscheint lt. Verlag 24.11.2022
Reihe/Serie Hafenärztin
Hafenärztin
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aufbruch • Babylon Berlin • Emanzipation • Ermittlungen • Familiensaga • Feminismus • Flüchtlinge • Frauenhaus • Frauenrechte • Fräulein Gold • Gängeviertel • Hafen City • Hamburg Roman • historischer Krimi • Historischer Roman • Kaiserzeit • Kommissar • Krimi • Medizinerin • Mord • Speicherstadt • Todesfall
ISBN-10 3-8437-2795-3 / 3843727953
ISBN-13 978-3-8437-2795-2 / 9783843727952
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