Rotwild (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller. Scandi-Crime pur: der packende zweite Thriller von der schwedischen Bestsellerautorin

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
416 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-27069-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rotwild - Maria Grund
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In den Tiefen des Waldes lauert Gefahr
Bedrohlich dunkle Wolken türmen sich über der Insel vor der schwedischen Küste, als die Kommissarin Sanna Berling auf einer verlassenen Farm einen sterbenden jungen Mann findet. Sein Anblick brennt sich für immer in ihr Gedächtnis, denn sein Körper ist übersät von Wunden. Verzweifelt möchte er Sanna mit seinem letzten Atemzug etwas mitteilen, doch bevor er den Satz beendet, ist er tot. Zusammen mit ihrer Partnerin Eir Pedersen nimmt Sanna fieberhaft die Suche nach dem grausamen Mörder auf. Ihr Instinkt führt die beiden Ermittlerinnen tief in die dunklen Wälder der schwedischen Insel. Dort, im undurchdringlichen Dickicht, scheint eine namenlose Gefahr zu lauern. Und Sanna spürt, wie gleichzeitig die Schatten der Vergangenheit gnadenlos näherkriechen ...

Maria Grund wurde in einem Vorort von Stockholm geboren. Sie arbeitete viele Jahre als Drehbuchautorin in London und New York und lebt heute auf der schwedischen Insel Gotland. Ihr großes Thriller-Debüt »Fuchsmädchen« wurde für den Crimetime Award nominiert sowie von der Swedish Academy of Crime Fiction als bestes Debüt des Jahres ausgezeichnet. In Deutschland stürmte »Fuchsmädchen« sofort die SPIEGEL-Bestsellerliste.

KAPITEL DREI


Nach der Trauerfeier trinkt Eir ihr Weinglas aus und nimmt sich ein paar kleine, handgefertigte Pralinen aus einer Schale auf dem Tisch, während die Angestellten das Geschirr abräumen. Fabian lehnt sich zurück und betrachtet sie schweigend, bis sie verlegen wird. Er lächelt. Sein Blick hat etwas Lüsternes, und sie spürt, wie sie errötet und ihr warm wird.

»Warum sind wir noch nicht zurück im Hafen?«, fragt sie mit vollem Mund.

Er lacht und trinkt einen Schluck Bier. »Weil noch Pralinen da sind«, antwortet er, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

Sie lässt eine Praline fallen und senkt den Blick. Bemerkt ihre staubigen Sneakers, die sie eigentlich vor der Beerdigung noch hatte putzen wollen. Mist. Wie hatte sie das nur vergessen können?

Fabian beugt sich dicht zu ihr. Sein Gesicht ist so nah, dass sie sein Rasierwasser riechen kann. Wieder wird ihr warm.

»Du siehst … wundervoll aus«, sagt er.

Sie taucht die Spitze einer Serviette in ein Wasserglas und wischt sich ein bisschen Schokolade von der Jeans.

»Wo ist Sanna?«, fragt er.

»Sie sieht bestimmt nach Sixten. Er sitzt draußen vor der Tür im Schatten.«

»Du, ich habe gerade noch eine Pushmeldung aufs Handy bekommen.«

»Noch eine? Himmel …«

»Nur weil es sich bald jährt.«

Eir nickt. Kann nicht einmal vor sich selbst leugnen, dass jeder Herbst eine Erinnerung an die Mordserie vor bald drei Jahren ist. Die gescheiterten Ermittlungen gehörten zu den umfassendsten in der Geschichte der Insel.

»Die sollen sich mal beruhigen«, knurrt sie.

Fabian nickt langsam.

»Ich hoffe bloß, dass Sanna diesen verdammten Klatsch nicht liest«, fährt sie fort.

»Und wenn, dann kommt sie damit klar.«

»Da bin ich mir nicht so sicher … Sie spricht ja nicht mehr darüber.«

»Weil sie vielleicht auch nicht mehr die ganze Zeit daran denkt? Sie hat ja auch das Video von der Überwachungskamera gesehen.«

Eir antwortet nicht. Fabian spielt darauf an, dass eine Überwachungskamera in einem Gasthafen auf dem Festland vor einem Jahr Jack Abrahamsson eingefangen hat. Am Tag darauf wurde ein Motorboot als gestohlen gemeldet, das ein paar Tage später nördlich der Insel leer auf dem Meer treibend aufgefunden worden war. Man vermutet, dass Jack das Boot gestohlen und versucht hat, zurück auf die Insel zu gelangen, dabei allerdings von schlechtem Wetter überrascht worden ist. Seither wartet man auf eine Bestätigung, dass der Junge, der fünf Menschen brutal abgeschlachtet hat, tot ist.

»Das wäre ja auch entsetzlich, wenn er irgendwann mal angetrieben würde«, sagt sie.

»Ja, tragisch.«

»Nein, ich meine eher, schrecklich, wenn jemand von uns ihn noch einmal sehen müsste.«

Als Sanna hereinkommt, zieht Fabian den Stuhl neben sich zurück und bedeutet ihr, sich zu setzen.

Eir liest eine SMS der Staatsanwältin, während Fabian gähnt und Sanna entschuldigend zulächelt.

»Du hast gestern noch lange gearbeitet?«, fragt diese. »Verdacht auf Falschbehandlung?«

Er nickt. »Wie geht es dir da draußen in der Pampa?«

»Es ist ein kleiner Ort, aber kein Loch.«

»Es gefällt dir also?«

»Ja, doch.«

»Du bereust es nicht?«

»Nein.«

Fabian lächelt. »Was für Fälle löst du dann? Gestohlene Hühner und so was?«

Sanna grinst.

Eir mustert ihre frühere Kollegin. Fabian geht respektvoll mit Sanna um und hält einen gewissen Abstand, seine Stimme ist weich und warm. Als er noch mit ihr zusammengearbeitet hat, haben sie sich oft auf eine Art ausgetauscht, wie er es mit ihr nie tut. Schon lange bevor sie auf der Bildfläche erschien, hatte die beiden etwas verbunden. Sie verspürt einen leisen Stich, vielleicht Eifersucht, verscheucht das Gefühl aber sofort wieder.

»Okay, will noch jemand Wein?«, fragt sie in die Runde.

Auf der anderen Seite des Tischs unterhält sich Alice mit Bernard Hellkvist, Sannas pensioniertem Partner. Ein Stück weiter weg sitzt Jon Klinga und starrt auf sein Handy. Sogar in seiner Polizeiuniform sieht er unverschämt adrett aus. Gepflegt, perfekt rasiert, das dichte Haar wird mit Gel in Form gehalten, das hellblaue Hemd steckt ordentlich in der Hose. Als Bernard ihn anfährt, er solle sein Handy leiser stellen und etwas Respekt zeigen, legt er das Telefon auf den Tisch, damit alle das Display sehen können.

»Was ist das?«, fragt Alice. »Also, ich finde das auch nicht in Ordnung. Wir haben gerade erst zugesehen, wie Ekens Witwe seine Asche verstreut hat …«

Jon bedeutet ihr, still zu sein. »Das ist wieder Axel Orsa. Es wurde vor ein paar Tagen im Fernsehen gesendet, und jetzt hat es jemand im Internet hochgeladen.«

»Schalt es aus«, sagt Bernard seufzend und steht auf. »Heute muss hier niemand diesen Widerling sehen.« Dann geht er zu den Toiletten.

Nach dem Tod des Polizeichefs hatte Axel Orsa, ein junger Journalist, der für eine Lokalzeitung arbeitete, einen Artikel über seine Karriere geschrieben und Eken als ineffektiv und korrupt hingestellt. Aus dem Artikel sprach auch ein starkes Misstrauen gegenüber den Politikern auf der Insel, vor allem aber gegenüber der Polizei, die laut Axel Orsa zu wenig tat, um die Schwächsten der Gesellschaft zu schützen. In Anbetracht der bevorstehenden Wahlen erregte der Bericht besonders viel Aufmerksamkeit. Das Vertrauen in die Politik hatte bei der Bevölkerung nach Jahren von allgemein als undemokratisch wahrgenommenen Beschlüssen – sei es in Sachen Forstschutz, Förderung der Landwirtschaft oder dem Pflegesektor – stark nachgelassen.

Jon stellt den Ton ein wenig lauter, stützt sich auf die Ellbogen und sucht nach einer bestimmten Stelle in der Aufnahme. »Der Typ gibt nicht auf«, sagt er und stellt den Ton noch lauter.

Sanna sieht sich nach Ekens Witwe um, die zum Glück nichts hört.

Das Handydisplay leuchtet auf, als eine Bildmontage von einem kleinen, beleuchteten Studio eines lokalen Fernsehsenders abgelöst wird. Axel Orsa sitzt mit übergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl. Er ist groß und dünn, seine Augen blicken selbstsicher hinter dicken Brillengläsern. Das künstliche Studiolicht hebt seine fein geschnittenen Gesichtszüge hervor. Die Programmleiterin bittet ihn zu erklären, was er mit der Aussage »Politisch motivierte Gewalt ist im Anmarsch« meint.

»Wir befinden uns in der Endphase eines Wahlkampfs. Ein ganzes Jahr lang haben uns die Politiker vor Wahlbetrug gewarnt. Die Menschen hegen immer größeres Misstrauen gegenüber der Kommune und der Elite, die hier auf der Insel regiert. Nehmen wir zum Beispiel den Kalksteinabbau. Das rücksichtslose Vorgehen der großen Unternehmen hat zu immenser Wasserverschmutzung auf der Südhälfte der Insel geführt. Wenn die Menschen in ihre Brunnen blicken oder das Wasser zu Hause aufdrehen, ist es braun. Würden Sie das Ihren Kindern zu trinken geben? Wer hat der globalen Kalksteinindustrie genehmigt, hier Sprengungen durchzuführen? Wo stand im letzten Wahlprogramm, dass wir mit unserer Stimme den Politikern das Recht geben, im Austausch gegen kurzfristige Arbeitsplätze unser Trinkwasser zu verschmutzen und unsere Gesundheit sowie die Tierwelt aufs Spiel zu setzen?«

»Auf der Insel wurde schon immer Kalkstein abgebaut«, entgegnet die Programmleiterin. »Sollen die Menschen wirklich auf die Straße gehen, weil wir vor Abschluss der Verträge keinen Volksentscheid durchgeführt haben?«

»Heutzutage baut man in einem Jahr so viel ab wie früher in tausend Jahren. Ausländische Unternehmen sprengen im großen Stil.«

»Ausländische Unternehmen, die reguläre Genehmigungen erhalten haben.«

»Sagt wer? Ich glaube, wir unterschätzen die Entschlossenheit der Menschen, sobald sie erkennen, welche Risiken mit der Macht verbunden sind, die in den Händen unfähiger Politiker liegt. Wenn wir Lokalpolitiker wie Despoten regieren lassen, was passiert dann? Heute verkaufen sie unser Grundwasser. Und morgen?«

»Wie sieht Ihre Antwort darauf aus?«

»Antworten sind nicht meine Aufgabe. Es ist Aufgabe der Politiker, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Meine Rolle besteht nur darin, die Problematik zu beleuchten, damit die Menschen ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und Einfluss auf ihr Leben ausüben können.«

Bernard kommt zurück und zieht seinen Stuhl mit lautem Scharren hervor, worauf Jon das Handy ausschaltet. Schweigen legt sich über den Raum. Ekens Witwe steht auf, erhebt ihr Glas, will etwas sagen, doch ihre Stimme bricht. Sie setzt sich wieder, starrt vor sich hin, dreht an ihrem Ehering.

»So eine Ehe ist doch Mist«, murmelt Eir. »Immer bleibt einer am Ende allein zurück.«

Fabian legt ihr die Hand aufs Bein.

»Kann mich nachher jemand mitnehmen?«, fragt sie. »Fabian muss sich auf sein Männerwochenende vorbereiten.«

»Du kannst gern bei mir mitfahren«, sagt Alice und trinkt einen Schluck Wasser.

»Wo wir gerade von Männern sprechen«, meint Bernard. »Wisst ihr etwas über Ekens Nachfolger? Niklas Jovanovic heißt er, oder?«

»Er soll ein Frauenheld sein«, antwortet Alice. »Das sagen zumindest meine alten Kollegen vom Festland. Jemand hat gesagt, dass seine Tochter hier studiert und er deswegen herzieht. Seine Sachen stehen schon in seinem Büro, auch wenn er erst am Montag anfängt.«

»Ich habe gehört, dass er einen guten Draht zu ein paar richtigen Schwergewichten auf Landesebene hat und dass er irre gut Ressourcen organisieren kann und sich einen...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2023
Reihe/Serie Die Berling-und-Pedersen-Reihe
Die Berling-und-Pedersen-Reihe
Übersetzer Sabine Thiele
Sprache deutsch
Original-Titel Dödsdansen
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2023 • Bestseller 2023 • Camilla Läckberg • Dunkelwald • eBooks • Faber Pedersen • Fuchsmädchen • Gotland • Hjorth Rosenfeldt • Insel • Jan Beck • Johanna Mo • Jo Nesbø • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Lars Kepler • Lina Bengtsdotter • Neuerscheinung • Nordic Noir • Ragnar Jónasson • Schnee • Schweden • schwedische Krimis • Skandinavische Krimis • Søren Sveistrup • Spannung • Suspense • Taschenbuch Bestseller 2023 • taschenbücher thriller • Thriller • Thriller Bestseller 2023 • Thriller Neuerscheinungen 2023 • weibliche Ermittlerinnen • Yrsa Sigurdardóttir
ISBN-10 3-641-27069-3 / 3641270693
ISBN-13 978-3-641-27069-8 / 9783641270698
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