Felix Blom. Der Häftling aus Moabit (eBook)

Kriminalroman - Von der preisgekrönten Autorin und Meisterin des historischen Kriminalromans

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
384 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-29717-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Felix Blom. Der Häftling aus Moabit -  Alex Beer
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Vom Gauner zum Meisterdetektiv: Felix Blom kennt alle Tricks und bringt Berlins Verbrecher ins Schwitzen - der grandiose Auftakt der neuen spannenden Krimireihe von SPIEGEL-Bestsellerautorin Alex Beer!
Berlin, 1878: Der Gauner Felix Blom wird nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Doch in Freiheit ist nichts mehr so, wie es mal war: Sein Hab und Gut gepfändet, seine Verlobte ist mit jemand Neuem liiert. Alle Versuche, an Geld oder Arbeit zu kommen, scheitern. Aber dann hat Blom eine geniale Idee: Warum sich nicht mit der neuen Nachbarin zusammentun? Die ehemalige Prostituierte Mathilde führt eine Privatdetektei, allerdings sind die Aufträge rar, da man ihr als Frau diese Arbeit nicht zutraut. Ihr erster Fall führt die beiden gleich auf die Spur eines mysteriösen Mörders, der seinen Opfern Briefe mit der Botschaft zukommen lässt: 'In wenigen Tagen wirst Du eine Leiche sein.' Als auch Blom eine solche Karte unter seiner Tür durchgeschoben bekommt, wird die Sache persönlich ...

Lesen Sie auch die anderen Bücher von Alex Beer!

Die Kriminalinspektor-Emmerich-Reihe:
Der zweite Reiter: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 1)
Die rote Frau: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 2)
Der dunkle Bote: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 3)
Das schwarze Band: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 4)
Der letzte Tod: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 4)

Die Isaak-Rubinstein-Reihe:
Unter Wölfen (Bd. 1)
Unter Wölfen - Der verborgene Feind (Bd. 2)

Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich erhielt zahlreiche Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) und wurde mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 sowie dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020 prämiert. Auch der Österreichische Krimipreis wurde der Autorin 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Felix Blom eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhundert ermittelt und für den sie mit dem silbernen Homer 2023 ausgezeichnet wurde.

1


Die Abenddämmerung neigte sich ihrem Ende zu. Das blasse Himmelsblau verwandelte sich in düsteres Grau, das dem nahen Spreeufer eine unheimliche Aura verlieh.

»Mir gefällt das hier nicht!« Ein grobschlächtiger Kerl, der wegen seiner tiefen Blatternarben »Atzi das Sieb« genannt wurde, blieb stehen und kniff die Augen zusammen.

Atzis Kumpane, zwei schlaksige Brüder namens Fred und Hugo, runzelten die Stirn und sahen sich um.

»Warum?«, fragte Hugo.

Der Wind frischte auf, spielte mit den Zweigen der Bäume und Büsche, sodass konfuse Schattenspiele entstanden.

»Spürt ihr es nicht?« Atzi fröstelte. »Das ist kein guter Ort hier.« Zur Untermauerung seiner Worte präsentierte er seinen Arm. »Seht nur: Gänsehaut.«

»Du bist viel zu dünn angezogen.« Fred rieb den Stoff von Atzis löchrigem Gehrock zwischen den Fingern und bedeutete ihm weiterzugehen.

»Die Härchen prügeln sich nicht wegen der Kälte um einen Stehplatz«, erklärte Atzi trotzig. »Das ungute Gefühl kommt von hier.« Er klopfte sich mit der flachen Hand auf den Bauch.

»Hast wohl zu viel Aal gegessen.« Hugo grinste.

Atzi ging nicht auf die Bemerkung ein. »Jungchen, hat meine Mutter immer gesagt. Jungchen, du musst auf deine Gedärme hören – und die sagen, dass wir uns trollen sollen. Das ist kein guter Ort hier«, wiederholte er.

»Spinnste? Wir sind nicht den ganzen Weg nach Bohneshof gekommen, um jetzt wieder abzuhauen, nur weil deine Mutter einen auf Gefühle gemacht hat«, schimpfte Hugo. Tatsächlich hatte es die drei Ganoven viel Zeit gekostet, um von ihrer Unterkunft in Tempelhof an den östlichsten Zipfel von Charlottenburg zu gelangen, der sich in den vergangenen Jahren trotz schlechter Verkehrsanbindung zu einem aufstrebenden Industriegebiet gemausert hatte.

Atzi das Sieb sah sich noch einmal um. Rechts von ihnen ragte, flankiert von Speicher- und Mühlengebäuden, eine Zichorien­fabrik in den Himmel, während auf der anderen Seite ein Kahn durch die dunklen Wasser der Spree glitt.

»Seit wann bist du ein Feigling?«, wunderte sich Fred. »Ich kann mich gut an die Schlacht von Orléans erinnern. Weißt du noch? Wir haben an vorderster Front gestanden, und die verdammten Franzmänner hatten ihre gesamte Artillerie aufgefahren. Trotzdem hast du nicht mal mit der Wimper gezuckt.«

»Damals hatten wir keine Wahl und – was am allerwichtigsten ist: Mein Bauch hat gesagt, dass alles gut ist.« Atzi hielt die Nase in den Wind und schnupperte. »Riecht doch mal. Das riecht nach Tod und Verderben. Nicht mal nach dem Gemetzel bei Weißenburg hat es so gestunken – und das war im Hochsommer.« Er schauderte und murmelte etwas von Blut, Schweiß und Kot.

»Der Mief kommt von der Knochenmehlfabrik.« Fred deutete mit dem Kopf nach Westen, wo sich vor dem Charlottenburger Verbindungskanal massive Gebäude und hohe Fa­brikschlote abzeichneten.

»Bist du sicher?«

»Ja. Woher soll’s denn sonst kommen?« Ein ungehaltener Unterton hatte sich in Hugos Stimme geschlichen.

»Na ja …« Atzi druckste herum.

»Alles läuft nach Plan«, versicherte Fred. »Wir warten, bis es dunkel ist, dann holen wir uns die Kohle aus der Ludloff’schen Porzellanmanufaktur und hauen wieder ab. Mindestens tausend Mark liegen in der Kasse, hat die fette ­Rosalie gemeint. Vielleicht sogar mehr.« Er stieß Atzi den Ellen­bogen in die Rippen. »Überleg doch nur, was du dir mit deinem Anteil alles gönnen könntest: Weiber, Schnaps, schöne Schuhe …«

Atzi seufzte, zog sich den Hemdkragen über Mund und Nase und stapfte weiter über den unebenen Boden der schlammigen Brache. Das Gelände war unwegsam, grobe Steine und Frostlöcher wurden zu Stolperfallen und machten das Gehen im Zwielicht zur Herausforderung. »Und du bist sicher, dass die fette Rosalie das hinkriegt?«

Fred nickte. »Der Nachtwächter, der hier auf dem Gelände patrouilliert, besucht jeden Sonntagabend den Puff, in dem sie arbeitet. Ich hab ihr einen Anteil an der Beute versprochen, wenn sie dem Kerl heute Schnaps ins Bier kippt und ihn anschließend richtig hart rannimmt. Auf jeden Fall wird sie dafür sorgen, dass er nicht vor neun hier antanzt.« Er blieb hinter einem windschiefen Schuppen stehen und steckte sich eine Kippe an. »Hast du das Stemmeisen?«

Atzi zog das Werkzeug aus dem groben, feucht müffelnden Jutesack, der über seiner Schulter hing. Als über seinem Kopf eine Fledermaus durch das Dunkel flatterte, zuckte er zusammen.

»Herr im Himmel, Atzi, was ist denn heute los mit dir?«

»Hab ich doch schon gesagt. Das Bauchgefühl.« Atzi atmete schwer, deutete auf die Zigarette, die in Freds Mundwinkel klemmte, und streckte die Hand aus. »Das Bauch­gefühl und …«, fügte er flüsternd hinzu, sprach aber nicht weiter.

»Das Bauchgefühl und was?« Missmutig reichte Fred seinem Kumpan eine Kippe.

»Raus mit der Sprache!«, forderte auch Hugo.

Atzi blickte sich um. »Das …«, sagte er schließlich. »Das und Siemens.«

»Siemens?«

Atzi nickte. »Ich hab gehört, dass die hier in Bohneshof ein Versuchslaboratorium eingerichtet haben sollen.«

»Na und?« Fred sah ihn an, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank. »Wahrscheinlich ist das Siemenswerk drüben in der Friedrichstadt zu klein geworden, also haben sie hier ein Gebäude dazugekauft.«

»In der Friedrichstadt ist genug Platz«, flüsterte Atzi. »Und auch, wenn nicht … Warum das neue Labor hier in Bohneshof bauen? Am Arsch der Welt? Ich sag’s euch«, fuhr er fort, ohne auf eine Antwort zu warten, »die Jungs von Siemens sind hergezogen, weil sie hier kaum Nachbarn haben und ihre Versuche im Geheimen durchführen können.«

»Und wenn schon. Sollen sie doch.« Hugo zuckte mit den Schultern. »Was geht uns das an? Wir wollen nichts von denen. Alles, was wir wollen, ist der Zaster aus der Porzellanmanufaktur. Was ist also das Problem?«

Atzi steckte sich die Zigarette an und kratzte sich am Kopf. »Ihr glaubt mir ja doch nicht.«

»Jetzt sag schon.«

Atzi seufzte leise. »Erinnert ihr euch an den ollen Meister Emil?«

»Den Klugscheißer?«

»Das ist kein Klugscheißer, der ist echt schlau. Der hat viele Bücher gelesen und so. Jedenfalls hat er mir was erzählt.« Atzi trat näher an Fred und Hugo heran. Er senkte die Stimme. »An der Universität in Ingolstadt, da soll es einen Wissenschaftler geben, einen Schweizer, der macht Tote mit Elektrizität wieder lebendig.«

»Und wie? Indem er ihnen Strom in den Arsch leitet?« Fred lachte. »Da hat dir der alte Schlaumeier einen ordent­lichen Bären aufgebunden.«

»Hat er nicht«, beteuerte Atzi. »Überleg doch mal, wie viel Schotter man mit so ’ner Erfindung machen könnte. Die Jungs bei Siemens wären schön blöd, nicht daran zu forschen.«

Plötzlich erklang hinter ihnen das Knirschen von Steinchen, begleitet von leisem Wimmern.

Atzi riss die Augen auf und ließ das Stemmeisen fallen. »Verdammt! Was war das?«

»Jetzt mach dir nicht ins Hemd«, versuchte Fred ihn zu ­beruhigen. »Das war nur irgendein Tier. Wahrscheinlich eine Katze oder ein streunender Köter.« Er warf den Zigarettenstummel zu Boden, trat ihn aus und hob das Brecheisen auf. »Packen wir’s an. Vom Nachtwächter ist weit und breit nichts zu sehen. Wie’s aussieht, hat die fette Rosalie ganze Arbeit geleistet.« Er ging los, als die Geräusche erneut erklangen.

Atzi bekreuzigte sich, machte zwei Schritte rückwärts, stolperte und fiel auf den Hintern. Mit aufgerissenen Augen starrte er nach Süden, wo sich im fahlen Schein des aufgehenden Mondes die Silhouette eines Menschen abzeichnete, der mit ungelenken Schritten in Richtung Spree wankte.

»Das ist nur ein Besoffener.« Hugo reichte seinem Kumpan die Hand und zog ihn hoch. »Knüppeldicke voll.«

»Hier ist weit und breit keine Kneipe«, flüsterte Atzi. Er ließ die Gestalt, die nun regungslos am Flussufer stand, nicht aus den Augen. »Dafür aber das Labor von Siemens.«

Darauf wussten selbst seine Kumpane nichts zu sagen. Fred umfasste das Stemmeisen fester. Hugo spannte die Muskeln an.

Im kalten Mondlicht schimmerte plötzlich etwas Silbernes. Ein faustgroßer Funke blitzte auf, während gleichzeitig ein ohrenbetäubender Knall ertönte.

»Scheiße! War das etwa …«

»Ein Schuss«, vervollständigte Fred den Satz.

Hugo boxte Atzi in die Seite. »Beinahe hättest du uns mit deinem Gerede über Siemens und diesen Kerl aus Ingolstadt ins Bockshorn gejagt«, schimpfte er. »Das war kein lebender Toter – das war ein Selbstmörder.« Er zündete seine Laterne an, marschierte ans Ufer und blieb neben dem leblosen Körper stehen.

Das Licht war schwach, trotzdem ließ sich erkennen, dass es sich bei dem Toten um einen hübschen jungen Mann handelte. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, die makellose Haut so hell, dass sie einen starken Kontrast zu dem dunklen Blut bildete, das aus einer Wunde an der Schläfe rann und ins Erdreich sickerte. Seine Augen starrten ins Nichts, sein Mund stand offen, als habe ihn sich der Tod inmitten eines letzten Seufzers geholt.

»Der ist hinüber«, sagte Fred, der seinem Bruder gefolgt war.

»Lasst uns ’ne Fliege machen«, rief Atzi aus sicherer Entfernung.

»Gleich.« Fred ging in die Hocke und schob die Hand in die Hosentasche des Toten.

»Spinnst...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2022
Reihe/Serie Ein Felix-Blom-Krimi
Ein Felix-Blom-Krimi
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Amerikanisches Duell • August Emmerich • Babylon Berlin • Berlin • Crime Cologne Award Nominierung • Detektei • eBooks • Eugène François Vidocq • Fine Crime Award • Frank GOLDAMMER • Friedrich Glauser Nominierung • Gaunerkrimi • Gereon Rath • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historischer Kriminalroman • Historische Romane • Hochstapler • Isaak Rubinstein • Krimi • krimi berlin • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2022 • Krimis • Leo-Perutz-Preis • Mimi Buchhändlerpreis • Mordserie • Neuerscheinung • österreichische Bestsellerautorin • Österreichischer Krimipreis • Paperback Neuerscheinung 2022 • Preußen • Privatdetektiv • Privatermittler • Rache • Schlitzohr • silberner homer • Spiegel-Bestseller-Autorin • Volker Kutscher
ISBN-10 3-641-29717-6 / 3641297176
ISBN-13 978-3-641-29717-6 / 9783641297176
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