Die andere Schwester (eBook)

Skandinavien-Thriller um den FBI-Agenten John Adderley
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
384 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0366-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die andere Schwester -  Peter Mohlin,  Peter Nyström
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John Adderley ermittelt in seinem zweiten Fall im schwedischen Karlstad. Die Geschäftsführerin einer erfolgreichen neuen Dating-App wird ermordet aufgefunden. Schnell gerät die Schwester der Toten ins Visier der Ermittlungen. Beide Frauen hatten seit jeher ein schwieriges Verhältnis, geprägt von Neid und Abhängigkeit. Je tiefer John in die Vergangenheit der Schwestern vordringt, desto deutlicher wird, dass der Mord nur ein Puzzleteil eines Verbrechens viel größeren Ausmaßes ist. Während John der Spur folgt, holt ihn sein altes Leben ein, das er glaubte, in den USA zurückgelassen zu haben. Und zwar mit tödlicher Wucht.



<p>Peter Mohlin ist Journalist. Er ist genau wie sein Coautor und bester Freund Peter Nyström in der Nähe von Karlstad in Schweden aufgewachsen. Die beiden sind seit Kindheitstagen befreundet und schrieben bereits mit zehn Jahren ihre erste Kriminalgeschichte. Gemeinsam verfassen sie die Karlstad-Reihe</p>

3.

Alicia wollte noch etwas zu trinken bestellen und sah sich in der Pizzeria um. Hierhin, ins Palermo, war sie nach dem Vorfall im Park geflohen. Sie mochte das Restaurant, es lag in der Nähe ihrer Wohnung und in sicherer Entfernung von Raws kaputt-designtem Büro in der Stadt.

Hier drinnen war es aufrichtig hässlich, und es gab keine kitschige Ironie. An den weiß gestrichenen Ziegelwänden hingen Filmplakate aus den Achtzigern und Neunzigern. Auf die schwarz lackierten Tische war eine Glasplatte geschraubt, unter der sich die Speisekarte befand.

Ratko stand wie immer hinter der Theke und knetete die Teigklumpen. Als er aufblickte, hob Alicia ihr leeres Glas und zeigte darauf. Er nickte.

Der Eigentümer des Palermo wirkte im Restaurant fast genauso fehl am Platz wie sie. Er besaß den beliebtesten Nachtclub der Stadt, das Safir, und mehrere trendige Cafés, in denen die Gäste Frappuccino und Sojalatte tranken – und nicht wie hier stark gerösteten Filterkaffee. Aber mit dem Palermo hatte er einmal angefangen, und Ratko bestand darauf, hier an mehreren Abenden in der Woche Pizza zu backen und Gäste zu bedienen, obwohl das Lokal nicht viel zur Erweiterung seines Imperiums beitrug.

»Du willst mir immer noch nicht sagen, warum du so wütend bist?«, fragte er und stellte das Bier auf den Tisch.

Das vierte.

Alicia dachte an die Frau im Park. Wie sie jetzt bestimmt mit einem Glas Rotwein vor dem Fernseher saß und ihrem Mann von dem unangenehmen Vorfall erzählte. Nicht davon, dass die älteste Tochter von der Schaukel gefallen war, sondern von der Missgeburt, die das Mädchen aus dem Schnee gezogen und es zu Tode erschreckt hatte.

»Hör auf zu nerven«, sagte Alicia. »Du siehst ja, wie ruhig ich jetzt bin. Der reinste buddhistische Mönch.« Sie schloss die Augen und tat, als würde sie meditieren. Eigentlich hatte sie auch Lust auf ein Glas Wodka, verzichtete aber darauf. Sie hatte nämlich keine Lust auf Ratkos besorgtes Gesicht, wenn er ihr den Schnaps einschenkte.

Vor ein paar Jahren hatten sie eine kurze Affäre gehabt und das unwahrscheinlichste Paar in ganz Karlstad gebildet. Seine Eltern waren als Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien gekommen. Er trug immer die teuersten Hemden und die neuesten Jeans. War stets darauf bedacht, dazuzugehören, von denen akzeptiert zu werden, die etwas zählten. Sie war die Außenseiterin, der Freak mit dem komischen Gesicht. Das Mädchen, das sich mit Computern auskannte und schwarze Jeans und Hoodies trug.

Natürlich hatte Ratko darauf geachtet, die Geschichte geheim zu halten. Offen mit ihr aufzutauchen hätte ihn einige Stufen auf der sozialen Leiter gekostet, die er unbedingt emporklettern wollte. Nicht einmal die Stammgäste im Palermo wussten, dass sie miteinander im Bett gewesen waren.

Alicia hob das Glas Bier zum Mund, als ein lautes Grölen vom anderen Ende des Restaurants herüberschallte. Die Fußballfans besetzten wie üblich den langen Tisch vor dem Großbildfernseher. Sie waren eine Untergruppe im Palermo und mischten sich selten unter die anderen Stammgäste, von denen es nur wenige gab, wenn man ehrlich war. Eigentlich nur ein paar verlorene Seelen wie sie und die spielsüchtigen Zombies, die an den Spielautomaten ganz hinten im Lokal hingen.

»Hören die nie auf rumzubrüllen? Das Spiel ist doch vorbei«, sagte sie.

»Ja, aber es ist Mittwoch. Quiznacht.«

Alicia griff sich an die Stirn. »Den Kampf der intellektuellen Giganten hatte ich ganz vergessen.«

»Versuch mal, ein bisschen nett zu sein. Es ist gut fürs Geschäft, wenn sie länger bleiben«, sagte Ratko und kehrte zur Theke zurück.

Da hob einer der Männer die Stimme. »Von wann bis wann war Fredrik Reinfeldt schwedischer Ministerpräsident?«

Am langen Tisch wurde es leise, während sich die Teilnehmer in ihren Teams berieten.

»2006 bis 2014«, rief Alicia und nahm einen tiefen Schluck Bier.

Die Fußballfans warfen wütende Blicke in ihre Richtung. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich ungebeten in das Quiz einmischte.

Der Mann, der die Frage gestellt hatte, stand auf und kam zu ihrem Tisch. Er hatte dünne Arme und schmale Schultern, aber einen weit vorstehenden Bierbauch unter dem Trikot. Alicia hatte gehört, dass die anderen ihn »Professor« nannten. Als sie Ratko fragte, ob er wirklich einer sei, hatte er Tränen gelacht. Der Mann war Aushilfslehrer am Gymnasium, und das reichte anscheinend aus, um sich den Spitznamen zu verdienen.

»Ich weiß, dass du alle Antworten auf die Fragen kennst, die ich für heute Abend aufgeschrieben habe«, sagte er und wedelte mit einem Stück Papier in der Luft herum. »Aber für die Jungs wird es langweilig, wenn du immer alles vorsagst.«

Seine Stimme war freundlich, und Alicia verlor ihre Streitlust.

»Du kannst dir mein Schweigen mit einem Gläschen Smirnoff erkaufen«, sagte sie.

Er lachte und streckte die Hand aus. »Abgemacht.«

Auf dem Weg zurück zu dem langen Tisch kam der Mann an der Theke vorbei, bezahlte den Wodka und deutete mit einem Kopfnicken in ihre Richtung. Wie Alicia erwartet hatte, wirkte Ratko nicht glücklich darüber. Aber was gingen ihn ihre Alkoholgewohnheiten an? Sie schliefen nicht mehr miteinander und trafen sich nie außerhalb des Palermo.

Sie nahm ihr Handy und scrollte durch den Posteingang, ohne eine einzige Nachricht zu öffnen. Betrunken E-Mails zu lesen und zu beantworten war eine schlechte Idee, das wusste sie aus Erfahrung. Sie legte das Telefon auf den Tisch und dachte an Stella. Die Aufzeichnung des Fernsehinterviews in Stockholm müsste jetzt vorbei sein. In die Tiefe hieß die Sendung, und sie sollte morgen ausgestrahlt werden.

Alicia hatte sich über den pompösen Untertitel lustig gemacht: Begegnungen mit Menschen, die unsere Zeit prägen. Dennoch musste sie zugeben, dass die Beschreibung zutraf. Der Dating-Service, den sie und Stella eingerichtet hatten, war in vielerlei Hinsicht bahnbrechend und veränderte die Art und Weise, wie sich Menschen online kennenlernten.

Wie Alicia ihre Schwester kannte, würde sie nach dem Interview in der Hauptstadt bleiben und sich in den Bars rund um den Stureplan bewundern lassen. Im Gegensatz zu ihr musste Stella nicht um einen Drink betteln.

Ratko sagte nichts, als er den Wodka brachte. Er stellte einfach das Glas auf den Tisch und ging zurück zur Theke.

»Komm schon, es ist nur ein Gläschen«, rief sie ihm nach.

Er drehte sich um und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, wurde aber abgelenkt, weil zwei Männer in schwarzen Lederjacken die Tür des Palermo öffneten. Alicia glaubte, einen von ihnen zu erkennen. Er hatte einen grauen Bart und Tätowierungen im Gesicht und auf dem rasierten Schädel. Mit seiner Größe und den breiten Schultern wirkte er neben seinem Begleiter wie ein Riese. Die Aufschrift Präsident auf seiner Jacke war überflüssig. Jedem im Raum war klar, wer hier wem Befehle erteilte.

Ratkos sonst so selbstbewusster Blick flackerte. Er fingerte an dem Goldkettchen unter seinem weit aufgeknöpften weißen Hemd herum. Der Präsident sagte ein paar Worte zu seinem Begleiter, der sich daraufhin an einen Tisch in der Ecke bei den Spielautomaten setzte. Dann verschwand der Hüne mit Ratko in der Küche.

Alicia wusste nicht, warum sie lachen musste, aber nachdem sie einmal angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. Der Alkohol war schuld. Und die blöde Kuh auf dem Spielplatz, die das grimmige Biest in ihr geweckt hatte. Nicht, dass es jemals besonders tief geschlafen hätte, aber trotzdem.

Im Ernst … Lief das immer noch so? Rockerbanden, die Gastronomen wie Ratko Angst einjagten und die Kasse leerten.

Alicia kippte den Wodka hinunter und ging zum Tresen, um sich nachzuschenken. Der Aushilfslehrer stockte inmitten der nächsten Frage, als sie über die Theke griff und die Flasche nahm. Der Rocker in der Ecke starrte sie an, blieb aber sitzen, während sie das Glas füllte und ihm dann damit zuprostete.

Alicia war beim dritten Wodka angekommen, als Ratko und der Präsident aus der Küche zurückkehrten. Ihr war schwindelig, und sie musste sich am Tresen festhalten, um nicht vom Barhocker zu fallen.

»Wie viel zahlt er?«, fragte sie.

Der Mann in der Lederjacke sah sie überrascht an. »Was?«

»Ja, wie viel muss man blechen, damit einem das Lokal nicht zertrümmert wird?«

»Könntest du uns bitte in Ruhe lassen«, sagte Ratko und packte sie am Arm.

Alicia riss sich los und verschüttete dabei den Rest im Glas auf dem lackierten Brett aus dunklem Holz.

»Okay, okay, ich formuliere die Frage neu«, sagte sie. »Ratko zahlt in bar, oder?«

»Und wer zum Teufel bist du?«, fragte der Präsident.

»Betrachte mich als unabhängige Finanzberaterin. Und du musst nicht antworten, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er bar bezahlt. Was idiotisch ist. Du hast ja keine Ahnung, wie viel Mühe ihr euch sparen würdet, wenn ihr es anders aufzieht.« Alicia bemerkte, dass sie lallte.

Der Mann blinzelte mit seinen hellblauen Augen und versuchte zu verstehen, was sie sagte. »Wie meinst du das?«, fragte er.

»Ich meine, dass Bargeld in kriminellen Kreisen eine veraltete Währung ist«, artikulierte sie so deutlich sie konnte.

»Verdammt, Alicia, hör auf jetzt. Das ist kein …« Ratko verstummte, als der Lederjackentyp die Hand hob und sie bat, fortzufahren.

»Wie viele Stunden verbringst du jeden Monat mit Geldwäsche?«, fragte sie....

Erscheint lt. Verlag 22.3.2022
Reihe/Serie Ein Karlstad-Krimi
Ein Karlstad-Krimi
Übersetzer Ursel Allenstein, Max Stadler
Sprache deutsch
Original-Titel Den andra systern
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • Arne Dahl • bücher krimi • Bücher Thriller • Cold Case • cold case buch • cold case krimis • Culture Clash • Debüt • Der andere Sohn • FBI • FBI-Agent • fbi agent buch • Hakan Nesser • Hjorth & Rosenfeldt • John Adderley • Jo Nesbo • Jussi Adler-Olsen • Karlstad • Krimi • krimi buch • Krimi Roman • Krimi Schweden • krimi thriller bücher • krimi und thriller • Mafia • mohlin nyström band 2 • Mohlin und Nyström • Mord • reihenauftakt • Schweden • Schwedenkrimi • schweden krimi buch • Schwedenkrimis • schweden krimi serie • Sebastian Bergman • Sebastian Bergmann • Skandinavien • Stefan Ahnhem • Thriller Buch • Thriller Roman • undercover • USA
ISBN-10 3-7499-0366-2 / 3749903662
ISBN-13 978-3-7499-0366-5 / 9783749903665
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