Der gute Killer (eBook)
399 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76996-6 (ISBN)
Zwei Leichen werden in einem Herrenhaus in Dundurn, Ontario, gefunden: Howard Terry und sein Sohn Matthew wurden beide mit zwei Schüssen in die Brust getötet. Unter Matthews Körper liegt eine Puppe, aus deren Kopf blutrote Watte herausquillt. In der Nähe liegt eine Schaufensterpuppe in einem Nachthemd, ebenfalls mit zwei Einschusslöchern in der Brust. Auf der anderen Seite der Stadt wird eine weitere Leiche entdeckt: An einen riesigen Felsen gelehnt liegt ein Mann im Baumwollnachthemd, der einen Eselskopf aus Pappmaché trägt. Wieder zwei Kugeln in der Brust. Irgendetwas an der Art, wie die Leichen arrangiert wurden, löst in Detective Superintendent MacNeice eine Erinnerung an ein Bild aus, das er Jahre zuvor gesehen hat ...
<p>Scott Thornley wuchs in Hamilton, Ontario, auf, das ihn zu Dundurn inspirierte. Er leitete lange Jahre eine Beratungsfirma im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Heute zeichnet und fotografiert er - und schreibt seine Bücher um DSI MacNeice. Mit seiner Frau Shirley Blumberg lebt er in Toronto und Südwestfrankreich. Weitere MacNeice Romane erscheinen bei Suhrkamp.</p>
26
Sie waren schon fast auf der Stone Church Road, als der Funkspruch einging. »Feuerwehreinsatz, 127 Glencaster Road. Fahrzeug in Flammen, vermutlich ein Pick-up.«
»Halten Sie’s noch ein bisschen aus, Charlie?«
»Logisch!« Maracle richtete sich auf.
MacNeice schaltete Polizeisirene und Blinklichter ein und vollführte ein rasantes Wendemanöver. Innerhalb kürzester Zeit war die Tachonadel bei 180 km/h. Maracle grinste und legte seinen Gurt an.
»Laden Sie Ihre Waffe nach, Detective, und meine bitte auch.« MacNeice bretterte an der U-Store-It-Anlage vorbei und sah im Rückspiegel seine Kollegen, die neugierig auf die Auffahrt gelaufen waren.
Als er scharf rechts in die Rymal Road abbog, geriet Vertesis dunkelblauer Chevy kurz ins Schlingern und driftete auf den mit Schotter bedeckten Seitenstreifen. MacNeice hatte jedoch schnell wieder alles unter Kontrolle und raste auf dem Asphalt weiter. Sekunden später sahen sie bereits die schwarze Rauchwolke hinter den Bäumen aufsteigen. Es waren noch keine Einsatzfahrzeuge vor Ort.
MacNeice schaltete Sirene und Signallicht ab und lenkte den Wagen vorsichtig auf den Seitenstreifen. Als er ausstieg, bemerkte er, dass Maracle sich auf Krücken in Richtung Feldweg bewegte. »Sie bleiben besser im Wagen«, riet er seinem Kollegen.
»Auf keinen Fall, Sir. Ich hab als Kind auf Krücken Rennen veranstaltet, Sie werden mich garantiert nicht abhängen.«
Der Feldweg war kaum breit genug für einen Pick-up, zu beiden Seiten ragten Büsche auf, hier und da blühten Forsythien. Nach ein paar Metern hörten sie das Prasseln und Knistern des Feuers. Immer wieder gab es einen Knall, wenn etwas unter der immensen Hitze zerbarst. Als der Dogde Ram in Sichtweite kam, brannte er bereits lichterloh. Es stank nach verbranntem Lack und Plastik, doch dazwischen bemerkte MacNeice auch einen eher organischen Geruch. Außer ihnen war niemand zu sehen. Die von Wind angefachten Flammen machten so viel Lärm, dass die jaulenden Sirenen der näher kommenden Einsatzfahrzeuge fast nicht zu hören waren. Kurz überlegte MacNeice, den Rückzug anzutreten und auf Unterstützung zu warten, aber weil zu befürchten stand, dass die Männer fliehen könnten, beschloss er, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Er war nur ein paar Schritte weit gekommen, als der Tank des Fahrzeugs explodierte, Metall und Trümmer in die Luft geschleudert wurden und das Feuer nur umso heftiger tobte. MacNeice und Maracle warteten, bis die Trümmer auf dem Boden aufgeschlagen waren. Es war nicht weiter schwer, ihren Weg zu verfolgen, denn die Umgebung war von den Flammen hell erleuchtet.
MacNeice wollte sich gerade weiter vorwagen, als ein schriller Pfiff ertönte. Er sah über die Schulter. Maracle hielt den Zeigefinger in die Luft und bewegte die linke Hand ruckartig nach unten. Ein Mann links.
MacNeice nickte und blieb stehen. Maracle bewegte Zeige- und Mittelfinger, um eine Gehbewegung zu suggerieren, dann spreizte er alle Finger. Ungefähr fünf Meter vor uns.
Danach ließ Maracle die Krücken fallen, ging auf alle viere und kroch weiter. Nach ein paar Metern pfiff er erneut. MacNeice ging in die Hocke und wartete auf das nächste Signal. Maracle deutete ihm an, dass der Mann vermutlich bewaffnet war. Er hatte sich auf den Bauch gelegt, die Waffe auf sein Ziel gerichtet und nickte MacNeice zu. Der signalisierte ihm, noch zu warten. Er ging ein paar Meter weiter und sah den Mann mittleren Alters an einem Baumstamm sitzen, den Kopf schwer nach hinten gelehnt. MacNeice richtete seine Waffe auf ihn und rief: »Keine Bewegung! Geben Sie auf. Waffe weg.«
Der Mann war verwundet und blutete an beiden Beinen. Er hob den Kopf und sah MacNeice an, ließ seine Pistole aber nicht los.
»Waffe weg!«
Das Gesicht des Mannes war rußgeschwärzt, doch als er die Lippen bewegte, blitzten seine strahlend weißen Zähne auf. Er grinste, dann hob er die Pistole und feuerte drei Mal wild in die Luft.
Es war kaum zu erkennen, wer als Erster das Feuer erwidert hatte, aber der Mann wurde ein paarmal getroffen. Er fiel nach hinten in ein Forsythiengebüsch. Dutzende gelbe Blüten regneten auf sein Gesicht herab, einige blieben direkt neben der Einschusswunde unter seinem linken Auge liegen.
MacNeice schob die Pistole mit dem Fuß außer Reichweite, bevor er sich über den Toten beugte, um seine Taschen zu durchsuchen. Dort fand er eine Geldbörse, mehrere Kreditkarten, Führerschein, Fahrzeugregistrierung, diverse andere Karten und zweitausend Dollar in Hundert-Dollar-Scheinen. Kyros Galanis war fünfundfünfzig Jahre alt und wohnte in der Parkdale Avenue North in Dundurn. Der Wagen lief auf die Polsterei Galanis und Söhne.
Als MacNeice zu Maracle trat, stürmten fünf Männer des Spezialeinsatzkommandos mit Sturmgewehren auf sie zu. Nachdem sie den Tatort gesichert hatten, halfen sie Maracle auf die Beine und holten ihm seine Krücken. Dann widmeten sie sich dem Opfer am Baum.
»Kyros Galanis. Ist das der Typ, der Palmer auf dem Kieker hatte?«, rief MacNeice.
Maracle war neben dem ausgebrannten Fahrzeug in die Hocke gegangen und inspizierte ein Stück Metall. »Ich hab ihn nie zu Gesicht bekommen, aber ja, so hieß er. Morgen früh wollte ich ihm einen Besuch abstatten.«
Minuten später war auch die Feuerwehr eingetroffen und hatte den Dodge in einen weißen Schaumhaufen verwandelt. Sie löschte auch das beginnende Feuer im Unterholz, danach herrschte wieder Dunkelheit auf dem Feldweg. Als sich der Schaum langsam aufgelöst hatte, trat MacNeice näher an den Wagen heran. Er hatte unzählige Einschusslöcher, das Innere war völlig ausgebrannt. In der Dunkelheit und durch den Rauch waren keine weiteren Einzelheiten zu erkennen.
Doch das Einsatzkommando hatte zwei große Scheinwerfer dabei, die das Innere grell erleuchteten. Alles war mit Schaum bedeckt, der feucht vom Dach rutschte. Von den Türen und Sitzen war nur noch das Metallgestell übrig geblieben, das Armaturenbrett war komplett geschmolzen. Im Inneren befanden sich zwei Leichen, eine saß noch auf dem Beifahrersitz, die andere lag verrenkt über der hinteren Antriebsachse. Sie sahen aus wie die in Asche eingeschlossenen Toten von Pompeji.
Der Leiter des Einsatzkommandos kam herbei, um das Wageninnere zu begutachten. Zuerst sagte er nichts, doch als er die Toten bemerkte, fragte er: »Kann ich noch was für Sie tun, Sir?«
»Nein, fürs Erste reicht es mir, Commander. Allerdings … ich weiß, es ist eigentlich nicht Ihre Aufgabe, aber der Mann da hinten muss identifiziert werden. Könnten Sie bitte DS McMillan anrufen, damit er die Witwe Galanis benachrichtigt und sie mit zwei Kolleginnen ins Leichenschauhaus bringt? Am besten noch heute Nacht.«
»Wird erledigt, Sir. Das gehört tatsächlich nicht zu unseren Aufgaben, aber ich sehe schon, dass Sie fertig sind.«
MacNeice schüttelte ihm die Hand. »Dann wollen wir Sie nicht länger aufhalten.«
Er und Maracle traten den Rückzug an. Maracle musste sich konzentrieren, um mit seinen Krücken auf dem dunklen Feldweg nicht auszurutschen. »Ich hab so ein ungutes Gefühl, Sir«, sagte er nach einer Weile. »Es steht zu befürchten, dass auch Mrs Galanis der Wut ihres Gatten nicht entkommen ist.«
»Das werden wir bald erfahren, Charlie.«
MacNeice fiel der Name des Wageninhabers wieder ein: Polsterei Galanis und Söhne. Als er verstand, was das bedeutete, überkam ihn eine Welle der Erschöpfung. »Es kann gut sein, dass die beiden Leichen im Wagen seine Söhne sind.«
MacNeice wendete den dunkelblauen Chevy, fuhr an Streifenwagen, Feuerwehrzügen und Krankenwagen und am Feldweg versammelten Einsatzkräften vorbei und sah, dass viele Blicke dem Wagen folgten, der langsam nach Norden davonfuhr.
Beide Männer schwiegen, sie waren völlig erschöpft. Jeder hing seinen Gedanken nach ...
Erscheint lt. Verlag | 17.1.2022 |
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Reihe/Serie | MacNeice ermittelt |
MacNeice ermittelt | MacNeice ermittelt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Vantage Point. A MacNeice Mystery |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Fesselnd • Für Fans von Dan Brown • Für Krimifans • Geschenk • Krimi • Krimi-Serie • neuer Fall • neues Buch • Page Turner • Polizeiroman • Serienkiller • Spannung • ST 5193 • ST5193 • suhrkamp taschenbuch 5193 • Vantage Point. A MacNeice Mystery deutsch • Weihnachtsgeschenk |
ISBN-10 | 3-518-76996-0 / 3518769960 |
ISBN-13 | 978-3-518-76996-6 / 9783518769966 |
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