Endlich noch nicht angekommen (eBook)

Die Autobiografie der international bekannten Schauspielerin und ein ermutigendes Buch, seinen Träumen zu folgen und auf die eigene Intuition zu vertrauen.
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2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2727-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Endlich noch nicht angekommen -  Désirée Nosbusch
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Die Schauspielerin und Moderatorin Désirée Nosbusch kann auf eine beachtliche Karriere und ein bewegtes Leben zurückblicken. Bereits als Teenager machte sie sich einen Namen in der bitter umkämpften Fernsehbranche und setzte sich als junge Frau in einer von Männern dominierten Branche durch. Aber der Preis dafür ist hoch, und es folgten Jahre, in denen sich Désirée Nosbusch immer wieder behaupten musste. Als reife Frau gelingt ihr schließlich das, was nur wenige ihrer Kolleginnen vor ihr geschafft haben: der Durchbruch als seriöse und international anerkannte und gefeierte Schauspielerin.  Zum ersten Mal erzählt Désirée Nosbusch in ihrer beeindruckenden Autobiographie von ihrem besonderen Lebensweg und den Menschen, die sie begleiteten und für immer prägten.

De?sire?e Nosbusch, geb. 1965, begann ihre Karriere mit zwölf Jahren beim Radio, später moderierte sie internationale Fernsehshows wie den GrandPrix Eurovision de la Chanson. Sie drehte Filme und Serien, für ihre Darstellung der Christelle Leblanc in Bad Banks bekam sie 2019 den deutschen Grimme-Preis. Sie lebt mit ihrer Familie in Luxemburg und den USA.

Désirée Nosbusch, geb. 1965, begann ihre Karriere mit 12 Jahren beim Radio, später moderierte sie internationale Fernsehshows wie den ESC. Sie drehte Filme und Serien, für ihre Darstellung der CHRISTELLE LEBLANC in BAD BANKS bekam sie 2019 den deutschen GRIMME PREIS. Sie lebt mit ihrer Familie in Luxemburg und den USA.

Im Schuhkarton


Es war ein Donnerstag kurz nach Mitternacht, der 14. Januar 1965. So fing alles an. Die Wetteraufzeichnungen sagen, dass es an dem Tag drei Grad kalt und der Himmel über Luxemburg grau verhangen war. Aus den Radios hörte man Roy Orbisons »Oh, Pretty Woman« oder »Pour moi la vie va commencer« von Johnny Hallyday, es waren damals die größten Hits. Und später in dem Jahr sollte die Sängerin France Gall, die für Luxemburg beim Eurovision Song Contest auftrat, dort mit ihrem Lied »Poupée de cire, poupée de son« zum ersten Mal gewinnen. Und wenn in den Radios gerade mal keine Musik gespielt wurde, so hörten die Menschen mittags die Luxemburger Funkkantine mit den Moderatoren Frank Elstner und Dieter Weidenfeld. Diese Sendung war für viele wie eine »Mittagspause zum Hören«.

Das Fernsehprogramm war in Europa noch in Schwarz-Weiß. Wer in Luxemburg deutsches Fernsehen schaute, kannte Inge Meysel aus der Familienserie Die Unverbesserlichen. Um Mitternacht war dann immer Sendeschluss, und dieses berühmte Testbild erschien, das heute keiner mehr kennt. In Farben konnte nur im Kino geträumt werden, wenn Doktor Schiwago mit Omar Sharif oder Feuerball mit Sean Connery als James Bond oder Für eine Handvoll Dollars mehr mit Clint Eastwood und Klaus Kinski auf großen Leinwänden gezeigt wurde. Wer damals jung war und die Welt verändern wollte, hatte wenig Möglichkeiten – man konnte es aber optisch zeigen. Jungs gingen zum Friseur und ließen sich die Haare so wie die Beatles schneiden. Und wenn es wärmer wurde, liefen die ersten Mädchen in Miniröcken herum, die – wenn sie sich nicht die teuren aus London leisten konnten – sie sich selbst schneiderten. Die große Unruhe der Studentenbewegung, die 1968 ganz Europa vibrieren lassen sollte, war erst zart zu spüren; in Luxemburg fast noch gar nicht. Da hieß der Premierminister Pierre Werner, auf der einen Seite in Deutschland war der Kanzler Ludwig Erhard und auf der anderen Seite in Frankreich der Präsident immer noch Charles de Gaulle. Und in den USA wurde zum ersten Mal eine unbemannte Gemini-Raumkapsel in die Erdumlaufbahn geschossen. So also war die Welt, als ich am frühen Morgen 1965 geboren wurde. In meiner Familie war diese Welt aber weniger zu spüren.

Mein Vater Albert Nicolas Nosbusch und meine Mutter Rosa Maria, genannt Rosetta, Piccoli hatten vier Jahre vor meiner Geburt geheiratet. Mein Vater, ein großer und kräftiger Mann, dessen Familie mütterlicherseits aus dem Elsass kam, war Lkw-Fahrer, so wie es auch sein aus Luxemburg stammender Vater war. Aber er konnte noch sehr viel mehr, eigentlich alles, was mit Handwerk zu tun hatte. Er war ein großartiger Elektriker. Er konnte jedes Auto reparieren, er konnte tischlern und mauern. Und er baute, schon als er sechzehn Jahre alt war, Funksender zusammen, mit denen er sich später sogar mit Piloten, die in Flugzeugen über uns flogen, unterhalten konnte. Als Kind habe ich oft gedacht: Wenn irgendwo ein paar Ziegel, Zement und Holzlatten herumliegen würden, könnte mein Vater daraus sofort ein Haus bauen. Er dachte mit seinen Händen.

Dass dieser Albert Nosbusch nun irgendwann Ende der 50er-Jahre meine Mutter kennenlernte, war reiner Zufall, denn sie war zu der Zeit nur zu Besuch in Luxemburg. Sie ist Italienerin und kommt aus dem kleinen Ort Ormelle, aus der Nähe von Venedig. Die Familie Piccoli ist sehr groß: Es gibt viele Onkel, Tanten, Nichten, Cousinen und Schwager. Wenn alle zusammen waren, saßen wir mit ungefähr dreißig Personen an einem Tisch. Eine ihrer Tanten lebte damals in Luxemburg wie viele andere Italiener auch, die in den Stahlfabriken und Eisenerz-Bergwerken als Gastarbeiter arbeiteten. Da diese Tante auf einmal sehr krank wurde, reiste meine Mutter aus Italien an, um sie zu pflegen. Sie wohnte damals in der Rue de l’Alzette in Esch, nahe der Eisenbahnbrücke. Eine Straße, die ich immer sehr mochte, weil sie wie Miniatur-Italien wirkte. Die Türen der Häuser standen stets offen; davor saßen alle Dorfbewohner auf Plastikstühlen, die Frauen in bunten Schürzen. Die Kinder hießen Francesco oder Annarita. Es war immer laut, es wurde gerufen und gelacht, und es roch immer nach Kaffee oder italienischem Essen. Meine Mutter wohnte in diesem Viertel mit ihrer Tante über einem Gasthaus; wenn sie Zeit hatte, half sie im Lokal aus. Mein Vater lieferte in jener Zeit Geräte, unter anderem für ein Elektrogeschäft, das »Ricci« hieß, aus und sich in der Rue du Brill befand. Eines Tages sollte er eine Waschmaschine zu einem Kunden bringen. Aber er irrte sich in der Tür und stand in dem Lokal vor meiner Mutter. Es muss wohl Liebe mit den Augen gewesen sein, denn meine Mutter, damals einundzwanzig, sprach nur Italienisch und mein Vater, dreiundzwanzig, nur Französisch. Ich habe keine Ahnung, wie und worüber sie sich am Anfang unterhalten konnten.

Sie heirateten 1961, und meine Mutter wurde bald schwanger, mit einem Sohn. Doch der Junge kam leider als Frühgeburt auf die Welt und war so schwach, dass er in der Klinik nur ein paar Stunden überlebte. Meine Eltern haben mir und meinem Bruder die näheren Umstände seines Todes nie genau erzählt. Nach diesem Verlust ließen sie sich dann erst mal Zeit, bis meine Mutter 1964 wieder schwanger wurde. Mit mir. Und so kam ich im Januar 1965 zur Welt. Auch ich wurde, wie der Sohn davor, zu früh geboren: Ich wollte schon nach siebeneinhalb Monaten heraus. Eine richtige Frühgeburt. Meine Mutter sagte mir später einmal, ich hätte ausgesehen wie ein »nacktes Kaninchen«. Irgendetwas muss in mir aber sehr stark gewesen sein, denn ich hatte einen solchen Lebenswillen, dass ich nicht einmal in einen Brutkasten gelegt werden musste. Weil ich sehr klein war und es zu der Zeit noch keine Maxi-Cosis oder andere Babyschalen gab, besorgten sie in der Klinik einen Schuhkarton und polsterten ihn mit Tüchern aus. Darin brachten mich meine stolzen Eltern nach Hause. Sie waren sehr, sehr glücklich. Ich war ihr erstes Kind, und mein Vater wollte unbedingt, dass ich Désirée heißen sollte, die »Gewünschte«. Er hatte sich den Namen gemerkt, als er ein Buch über Napoleon gelesen hatte, der 1795 ein Jahr lang mit der Französin Désirée Clary verlobt gewesen war, die dann später Königin von Schweden wurde.

Nun ist es immer schwierig, sich an die ganz frühen Jahre seiner Kindheit zu erinnern, weil man alles, was man zum ersten Mal hört, sieht, riecht oder schmeckt, noch gar nicht verstehen kann und man für nichts ein Wort hat. Ich glaube, das geht allen so, und man erinnert sich wie ich nur an Bruchstücke. Kleine Szenen oder Bildausschnitte, die wie Momentaufnahmen in meinem Gedächtnis herumliegen. Mir fällt komischerweise etwas aus der Wohnung ein, in die meine Eltern ein Jahr nach meiner Geburt gezogen waren. Sie befand sich in der Rue Neuve in Beles, im Süden von Luxemburg, gleich neben einem Hochspannungswerk. Die Wohnung hatte keine Zentralheizung, sondern in zwei Zimmern diese Ölöfen, die man dauernd nachfüllen musste. Meine Eltern mussten dafür das Öl immer in einem Kanister aus dem Keller holen.

Unser Zuhause bestand aus einer Küche, einem Wohnzimmer und einem ganz langen Flur. Damals kam er mir bestimmt zwanzig oder dreißig Meter lang vor. An seinem Ende gab es noch zwei Zimmer, das Schlafzimmer meiner Eltern und ein kleines Zimmer, in dem ich schlief und mein Vater auch seine CB-Funkstation aufgestellt hatte. Ich erinnere mich – da war ich etwa fünf Jahre alt – noch gut an einen seltsamen Kasten, ein Mikrofon und ein knarziges Rauschen, wenn mein Vater versuchte, als »LX1AN« einen Kollegen über Funk zu erreichen. Unser damaliges Zuhause war also mein erstes Revier, das ich nach und nach genau erkundete. Ich erinnere mich noch an den Linoleumboden in der ganzen Wohnung und daran, dass ich auf dem Boden der Toilette eines Tages kleine silberne Tiere entdeckte, die überall herumkrabbelten und dann zwischen Fußleiste und Fußboden einfach verschwanden. Da es in der Toilette keine Heizung gab, war sie oft feucht, weshalb es auch diese »Silberfische« gab. Ich ekelte mich aber nicht vor ihnen, sondern fand sie ganz interessant. Damals saß ich immer lange vor ihnen und überlegte, wo sie denn hinverschwinden und ob sie unter dem Linoleum vielleicht wohnen würden.

Von der Toilette kam man wieder in unseren schmalen Flur. Dort stand gleich neben der Tür eine Art Musiktruhe. In Wahrheit war es ein alter Schuhschrank, in den mein Vater ein Radio, einen Plattenspieler und einen Lautsprecher eingebaut hatte. Zusätzlich gab es ein Fach, in dem sich dicke, zerbrechliche Schellack-Schallplatten stapelten. Und später, als ich wusste, wie man die Geräte bediente, saß ich oft allein vor dieser Truhe, mit dem Rücken an der Wand und den Füßen darunter. Ich drehte am Radio oder hörte Schallplatten. Das war mein erster kleiner Sehnsuchtsort. Ich hörte mir jede Platte an, von »Mein kleiner grüner Kaktus« bis zu den Liedern des italienischen Sängers Mario Lanza, den meine Mutter sehr mochte. Ich sang bei ihm dann auch irgendwann mit, obwohl ich nicht verstand, worum es in den Liedern eigentlich ging. Der Klang der Sprache gefiel mir. Es war ja die Sprache meiner Mutter.

So war sie, meine...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Zusatzinfo Bildinnenteil
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Autobiographie • Bad Banks • Biographie • Christelle LeBlanc • Comeback-Geschichte • Empowerment • Eurovision Song Contest • Fernsehen • Fernsehmoderatorin • Gleichberechtigung • Grand Prix Eurovision De La Chanson Européenne • Grimme Preis • international • international bekannt • Interviews • Kinderstar • Los Angeles • Luxemburg • meeto • mehrsprachig • Memoiren • Moderation • Moderatorin • Prominente • Radio • Radiomoderatorin • Schauspielerin • USA
ISBN-10 3-8437-2727-9 / 3843727279
ISBN-13 978-3-8437-2727-3 / 9783843727273
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