Dunkelschnee (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
560 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-28855-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dunkelschnee - Samuel Bjørk
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Auf einem Feld in Schweden entdeckt ein Bauer die Leichen von zwei elfjährigen Jungen, zwischen ihnen ein erlegter weißer Hase. Im Tagebuch eines der Kinder findet sich ein rätselhafter Eintrag: »Morgen kommt der Mond. Ich habe Angst vor dem Wolf.« Acht Jahre später werden auf einem Feld bei Oslo erneut zwei tote Jungen gefunden. Kommissar Holger Munch, frisch befördert zum Leiter einer neuen Ermittlungseinheit, holt die junge Polizeischülerin Mia Krüger ins Team, die an der Akademie durch ihren Spürsinn hervorsticht. Auf den Tatortfotos entdeckt sie ein Detail, das unfassbar Böses verheißt. Und dann verschwinden zwei weitere Jungen ...

Hinter dem Pseudonym Samuel Bjørk steht der norwegische Autor, Dramatiker und Singer-Songwriter Frode Sander Øien. Er veröffentlichte zwei hochgelobte Romane sowie sechs Musikalben, bevor er seinen ersten Thriller »Engelskalt« schrieb, den Auftakt zu seiner international erfolgreichen Bestsellerreihe um den Kommissar Holger Munch und seine Kollegin Mia Krüger.

• 1 •

Thomas Borchgrevink stand auf dem Parkplatz vor der ehemaligen Fredheim-Schule in Lørenskog und hoffte, dass bald ein wenig Wind aufkäme. Warum sie ausgerechnet diesen Treffpunkt gewählt hatte, wusste er nicht, aber er hatte eine Ahnung. Vielleicht wollte sie es so schwierig wie möglich für ihn machen? War das der Grund? Oder nicht? Der Sechsunddreißigjährige warf gerade einen Blick auf die Uhr, als ein Krähenschwarm von einem Baum in der Nähe aufflog. Über der öden Gegend war nur lautes Krächzen zu hören, denn hier draußen gab es nichts, nur Felder, eine Kiesgrube und dann diese alte weiße Schule, die er als Kind besucht hatte. In einem anderen Leben. Vor dem, was geschehen war. Er war lange nicht mehr in diesem Teil der Welt gewesen. Nicht, dass er überhaupt irgendwo gewesen wäre. Zwölf Jahre hinter Gittern. Er war einige Monate zuvor freigekommen und hatte sich noch immer nicht an dieses Gefühl gewöhnt. Tun zu können, was er wollte. Thomas Borchgrevink zog die Jacke fester um sich, setzte sich auf die Treppe des alten Schulhauses und hob das Gesicht in die bleiche Sonne, die hinter dem Wäldchen hervorlugte.

Viertel vor neun. Sie waren für zehn verabredet, aber er hatte nichts riskieren wollen. Ihr war alles zuzutrauen. Da sieht mans mal wieder, wir hatten neun gesagt, aber er hat sich nicht blicken lassen. Meint ihr wirklich, dass er ein Recht darauf hat, seinen Sohn zu treffen? Bei ihrer letzten Begegnung war der Junge zwei Jahre alt, seid ihr euch darüber im Klaren?

Plötzlich erklang ein leises Rascheln in den Baumwipfeln am Ende der Straße, und sofort wurde er etwas optimistischer. Vielleicht würde er doch noch kommen, der Wind? Idiotische Idee natürlich, Drachen steigen lassen zu wollen! Er hatte sich den Kopf zerbrochen, was sie hier draußen tun könnten. Hatte so lange im Spielwarenladen gestanden, dass die Verkäuferin am Ende gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei. In Ordnung? Natürlich war nicht alles in Ordnung. Was bildete sie sich eigentlich ein? Nicht ihre Schuld, natürlich, und deshalb hatte er einfach das Erstbeste gekauft. Einen Drachen. Draußen. Bei der alten Schule. Zusammen Drachen steigen lassen. Wäre das nicht schön? Jetzt bereute er es natürlich, da sich der Wind in den Baumwipfeln wieder legte. Ein Schachbrett, daran hatte er eigentlich gedacht. Dem Jungen die Regeln beizubringen, vielleicht ein bisschen mit ihm zu spielen, aber diesen Plan hatte er aufgegeben, als gesagt worden war, dass das Treffen unter freiem Himmel stattfinden würde. In Begleitung. Dass sie ihn unter keinen Umständen mit dem Jungen allein lassen würde.

Damals, bei ihrem Besuch, hatte alles ganz anders geklungen. Siv Johnsen. Er hatte sich nicht einmal erinnern können, wer sie war. Borchgrevink, Besuch für dich. Der Erste seit drei Jahren. Ein Mädel. Sie sitzt in Nummer zwei.

Besuch?

Ein Mädel?

Mama?

Nein.

Natürlich nicht.

Wie zu einem großen Anlass fein gemacht, mit Blumen im Haar, roten Wangen über einem kurzen Sommerkleid. Siv Johnsen. Sie war auf der weiterführenden Schule in seiner Klasse gewesen. In den wenigen Monaten, die er dort gewesen war, bis er den Stimmen in seinem Kopf nachgegeben hatte.

Und das musste man ihr lassen, fast drei Jahre lang war sie zu ihm gekommen, alle vierzehn Tage. Am Ende hatte er sie fast gerngehabt. Sie schickte Bilder aus der Geburtsklinik. Vom ersten Geburtstag des Jungen. Martin sehnt sich nach seinem Papa.

Aber dann, nein.

Nichts mehr.

Ein anderer Mann, das hatte er irgendwann begriffen.

Es konnte ihm ja auch egal sein.

Was sie betraf.

Aber das Kind?

Der feinste Junge auf der Welt.

Sein Sohn.

Martin.

Nein, verdammte Pest!

Thomas Borchgrevink sprang von der Treppe und lief auf dem Platz hin und her, um dieses Gefühl abzuschütteln.

Ruhig.

Nicht wütend werden.

Obwohl sie eines Tages plötzlich nicht mehr gekommen war, stattdessen mehrere Briefe, mit der Maschine geschriebene Blätter von gesichtslosen Sachbearbeitern, die ihm erzählen wollten, dass er den Kleinen nicht mehr sehen dürfe.

Er kickte einen Stein über den Platz und schaute wieder auf die Uhr.

Viertel nach neun.

Kein Mensch zu sehen.

Und warum auch? Hier draußen gab es doch nichts. So weit draußen wie hier, von Finstad den Losbyvei hoch, wohnte doch so gut wie kein Mensch. Das Schießgelände lag gleich hinter der Kurve, die Kiesgrube hinter dem Waldrand dort oben. Er kannte jeden Stein hier draußen, hatte diese Schule geliebt, war jeden Morgen früh gekommen, seinem Zuhause entronnen, dem düsteren Haus, den kalten Menschen, die sich eigentlich um ihn kümmern sollten, dem Ticken des Weckers auf dem Nachttisch, den Armen von Micky Maus, die zeigten, dass er jetzt aufstehen musste, wenn er rechtzeitig losgehen wollte, leise auf Socken durch das Haus, um niemanden zu wecken, die Butterbrotdose, die er mit dem füllte, was er gerade finden konnte.

Er war nicht gerade eine Leuchte in der Schule, aber es reichte, er war auch keiner von den Schlechtesten.

Aber diese Wärme.

Von jemandem, der sich kümmerte.

Viertel vor zehn, und nun kam ein Auto, ein kleiner rostiger Toyota Corolla, am Steuer eine rothaarige Frau mit runden Brillengläsern. Sie reichte ihm nervös die Hand.

»Astrid Lom, Jugendamt.«

»Thomas.«

Leichtes Räuspern über einem Ordner, der sicher dieselben Informationen enthielt, die ihm zugesandt worden waren.

Verurteilt wegen Mordes.

18 Jahre.

Gute Führung.

Vorzeitige Entlassung.

Mutter einverstanden mit diesem Treffen.

Unter Aufsicht.

Fünf vor, und nun kam endlich das richtige Auto.

Weiß.

Teuer.

Natürlich.

Sie hatte etwas Besseres gefunden, aber das spielte keine Rolle, jetzt nicht.

Thomas Borchgrevink merkte, dass ihm am ganzen Leib heiß wurde, als er mit feuchten Händen über den Schulhof auf den Wagen zuging.

»Nein, nein, warten Sie.«

Eine Hand hielt ihn zurück.

»Ja, natürlich, sorry.«

So, wie es für den Jungen am besten ist.

Martin.

Da war er.

Thomas lächelte strahlend, als er sah, wie sich die Autotüren öffneten.

Dunkle Haare.

Brauner Pullover.

Leicht verwirrter Blick, als der Junge vor dem Auto stehen blieb, ohne Hinweise darauf, dass die auf der Vorderbank helfen würden.

Verdammte Idioten.

Seht ihr nicht, dass er …?

Die Sachbearbeiterin kannte sich zum Glück mit Kindern etwas besser aus, sie machte rasche Schritte über den Platz, legte einen Arm um dünne Schultern, und dann stand er plötzlich da. Thomas Borchgrevink musste sich gewaltig zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen.

»Hallo, Martin.«

»Hallo …«

Schöne blaue Augen, die eigentlich nicht ihn ansehen wollten. Sondern die Schule.

»Wie geht es dir?«

»Was?«

Ein Blick jetzt, ein wenig neugierig.

»Coolen Pullover hast du da.«

»Äh … danke.«

Der Junge schaute zu der Sachbearbeiterin auf, wie um zu fragen, wer sie war und was sie hier wollte.

»Ist das ein Roboter?«

»Was? Nein. Das ist ein Bionicle.«

Thomas trat vorsichtig einen Schritt näher.

»Bionicle also. Der ist cool.«

Der Junge lächelte zaghaft.

»Er heißt nicht Bionicle, er ist ein Bionicle.«

»Ach so, sorry. Wie heißt er denn?«

»Der hier?«

»Ja?«

Die Rothaarige war ein Stück zurückgetreten.

»Der heißt Makuta.«

»Cool. Ist das dein Liebling?«

Der Junge sah ihn abermals vorsichtig an.

»Äh … nein. Mir gefällt Ehlek am besten, aber mit dem gab es keinen Pullover.«

»Wie blöd.«

»Ja. Aber ich hab die Figur.«

Er warf einen kurzen Blick hinüber zu dem weißen Wagen.

»Wirklich blöd, dass ich nicht gewusst habe, dass du Bionicles magst, dann hätte ich welche mitgebracht.«

»Macht doch nichts.«

Der Junge blies sich den Pony aus der Stirn und schaute neugierig zu der Tüte auf der Treppe hinüber.

»Was ist denn in der Tüte?«

»Nichts Spannendes, leider. Ich hatte auf Wind gehofft.«

»Wind? Wieso denn?«

»Dann hätten wir den steigen lassen können. Einen Drachen. Aber ich weiß nicht, vielleicht findest du das langweilig?«

»Gar nicht«, sagte der Junge und lächelte ein wenig. »Wir können gern Drachen steigen lassen.«

Wieder raschelte es in den Bäumen, also hatte doch jemand von dort oben ein Auge auf ihn gehabt.

»Ja?«, fragte Thomas lächelnd. »Wollen wir mal sehen, ob wir ihn in die Luft kriegen?«

»Okay«, sagte der Junge.

»Vielleicht sollten wir auf das Feld gehen? Ich glaube, da ist mehr Wind.«

Er zog den Drachen aus der Tüte und schaute die Sachbearbeiterin an.

»Ist es in Ordnung, wenn wir …?«

Sie nickte.

»Warum hast du die Frau gefragt?«, wollte der Junge wissen, als sie das alte Schulgebäude hinter sich...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2022
Reihe/Serie Ein Fall für Kommissar Munch
Holger Munch und Mia Krüger
Holger Munch und Mia Krüger
Übersetzer Gabriele Haefs
Sprache deutsch
Original-Titel Ulven
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Bestseller • eBooks • Engelskalt • Munch • Neuerscheinung • Neuerscheinung Krimi Thriller • Norwegen • skandinavische Spannung • Softcover • spannende Bücher • Taschenbuch • Thriller
ISBN-10 3-641-28855-X / 364128855X
ISBN-13 978-3-641-28855-6 / 9783641288556
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