Die Toten von Fleat House (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein atmosphärischer Kriminalroman von der Bestsellerautorin der „Sieben Schwestern Reihe“

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
544 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-29349-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Toten von Fleat House - Lucinda Riley
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St Stephen's, ein kleines Internat im idyllischen Norfolk. Eines Tages kommt der 18-jährige Charlie Cavendish in Fleat House, einem der Wohnheime der traditionsreichen Schule, unter mysteriösen Umständen ums Leben. Der Direktor beeilt sich zu erklären, dass es sich um einen tragischen Unfall handelt, aber die Polizei beginnt unter der Leitung von Detective Inspector Jazz Hunter zu ermitteln. Sie versucht, in den verschlossenen Kosmos des Internats vorzudringen, und findet bald heraus, dass Charlie ein machthungriger junger Mann gewesen ist, der seine Mitschüler gequält hat. War sein Tod ein Racheakt? Jazz taucht tief ein in ein Netz von Beziehungen, emotionalen Abhängigkeiten und offenen Rechnungen - und sie erkennt, dass sie weit in die Vergangenheit zurückgehen muss, wenn sie das Rätsel von Fleat House enthüllen will ...

Lucinda Riley wurde in Irland geboren und verbrachte als Kind mehrere Jahre in Fernost. Sie liebte es zu reisen und war nach wie vor den Orten ihrer Kindheit sehr verbunden. Nach einer Karriere als Theater- und Fernsehschauspielerin konzentrierte sich Lucinda Riley ganz auf das Schreiben - und das mit sensationellem Erfolg: Seit ihrem gefeierten Roman »Das Orchideenhaus« stand jedes ihrer Bücher an der Spitze der internationalen Bestsellerlisten, allein die Romane der »Sieben-Schwestern«-Serie wurden weltweit bisher über 30 Millionen Mal verkauft. Lucinda Riley lebte mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im englischen Norfolk und in West Cork, Irland. Sie verstarb im Juni 2021.


Robert Jones, der Rektor von St Stephen’s, blickte, die Hände in den Hosentaschen – eine Angewohnheit, derentwegen er seine Schützlinge regelmäßig rügte –, zum Fenster seines Büros ­hinaus.

Unten sah er Schüler, die die Chapel Lawn, die Rasenfläche vor der Schulkapelle, auf dem Weg zu und von den Unterrichtsstunden überquerten. Seine Hände waren schweißnass, sein Herz klopfte seit dem Unfall noch immer wie wild vom ­Adre­nalin.

Er ging vom Fenster weg und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, auf dem ein stetig wachsender Berg unbearbeiteter Papiere sowie eine länger werdende Liste mit unbeantworteten telefonischen Nachrichten lagen.

Robert Jones zog ein Taschentuch hervor, wischte sich damit über den kahlen Kopf und seufzte tief.

Es gab jede Menge potenzieller Albträume für einen Schulleiter, in dessen Obhut sich Hunderte von Jungen und Mädchen im Teenageralter befanden: Drogen, Schüler, die andere schikanierten, und in diesen Zeiten gemischtgeschlechtlicher Internate natürlich das nicht zu bändigende Phantom Sex.

Während seiner vierzehn Jahre als Leiter von St Stephen’s hatte Jones es in unterschiedlichster Form mit allen zu tun gehabt.

Doch jene Krisen waren nichts verglichen mit dem, was sich vergangenen Freitag ereignet hatte. Dies war der schlimmste Albtraum eines jeden Rektors: der Tod eines seiner Schüler.

Wenn es eine sichere Methode gab, den Ruf einer Schule zu ruinieren, dann diese. Wie genau der Junge gestorben war, spielte dabei fast keine Rolle. Robert Jones stellte sich Horden von Eltern vor, die auf der Suche nach einem geeigneten Internat St Stephen’s von ihrer Liste strichen.

Doch Jones schöpfte Trost aus der mehr als vierhundertjährigen Existenz von St Stephen’s. Bei der Sichtung der Schulaufzeichnungen hatte er festgestellt, dass solche Tragödien schon früher passiert waren. Möglicherweise würde die Zahl der Schüler sich vorübergehend reduzieren, aber im Lauf der Zeit würde das, was vergangenen Freitag geschehen war, in Vergessenheit geraten.

Der letzte Tod eines Schuljungen hatte sich 1979 ereignet. Besagter Junge war tot im Keller aufgefunden worden. Er hatte sich mit einem Strick, den er an einem Haken an der Decke befestigte, erhängt. Dieser Vorfall war mittlerweile Schullegende. Die Kinder erzählten sich gern, dass der Geist des Jungen Fleat House heimsuche.

Der kleine Rory Millar hatte selbst wie ein Gespenst ausgesehen, als man ihn nach einer ganzen Nacht aus dem Keller befreite, gegen dessen Tür er gehämmert hatte.

Charlie Cavendish, zweifellos der Übeltäter, hatte wie üblich alles geleugnet und es – schlimmer noch – sogar amüsant gefunden … Robert Jones schauderte. Er hätte sich gewünscht, über den Verlust seines jungen Lebens trauern zu können, musste jedoch feststellen, dass ihm das nicht gelingen wollte.

Dieser Junge hatte von Anfang an nur Ärger gemacht. Und seines Todes wegen war seine eigene Zukunft als Rektor nun ungewiss. Er war sechsundfünfzig und hatte sich darauf gefreut, in vier Jahren bei vollen Altersbezügen in Pension gehen zu können. Wenn er nun dazu gezwungen wäre, seinen Abschied zu nehmen, konnte er kaum auf eine andere Anstellung irgendwo sonst hoffen.

Bei der Krisensitzung des Schulbeirats am vergangenen Abend hatte er seinen Rücktritt angeboten. Doch der Beirat hatte ihm den Rücken gestärkt.

Cavendishs Tod war ein Unfall gewesen … hatte natürliche Ursachen gehabt. Der Junge war an einem epileptischen Anfall gestorben.

Das war Jones’ einziger Hoffnungsschimmer. Solange die amtliche Untersuchung eine natürliche Todesursache ergab und es gelang, die Berichte in den Medien auf das Wesentlichste zu reduzieren, ließ sich der Schaden möglicherweise begrenzen.

Aber solange das nicht der Fall war, hingen sein Ruf und seine Zukunft am seidenen Faden. Man hatte versprochen, ihn am Vormittag anzurufen.

Da schrillte das Telefon auf seinem Schreibtisch. Er schaltete laut. »Ja, Jenny?«

»Die Rechtsmedizin für Sie.«

»Stellen Sie durch.«

»Mr Jones?«

»Am Apparat.«

»Malcolm Glenister von der örtlichen Rechtsmedizin. Ich wollte die Ergebnisse der Obduktion mit Ihnen besprechen, die gestern an Charlie Cavendish durchgeführt wurde.«

Jones schluckte. »Schießen Sie los.«

»Der Pathologe ist zu dem Schluss gekommen, dass die Todesursache kein epileptischer Anfall, sondern ein anaphylaktischer Schock war.«

»Verstehe.« Der Rektor schluckte noch einmal und räusperte sich. »Wodurch herbeigeführt?«

»Wie Ihnen sicher bekannt ist, steht in seiner Krankenakte, dass er hochallergisch auf Aspirin war. In seinem Blut befanden sich sechshundert Milligramm, was zwei rezeptfrei erhältlichen Tabletten entspricht.«

Jones’ Mund war so trocken, dass er kein Wort herausbrachte.

»Abgesehen von Epilim, das Charlie täglich gegen die Epilepsie einnahm, und einem geringen Alkoholspiegel konnte der Pathologe nichts feststellen. Der Junge war kerngesund.«

Robert Jones fand seine Stimme wieder. »Hätte er überleben können, wäre er früher entdeckt worden?«

»Wenn man umgehend eine Behandlung eingeleitet hätte: ja, vermutlich. Dass er in den wenigen Minuten, bevor er das Bewusstsein verlor, noch um Hilfe rufen konnte, ist höchst unwahrscheinlich. Weswegen er erst am nächsten Morgen entdeckt wurde.«

Jones atmete erleichtert auf. »Und was geschieht jetzt?«, erkundigte er sich.

»Uns ist nun klar, wie er starb. Erhebt sich die Frage, warum. Seine Eltern sagen, Charlie wusste um seine starke Aspirin-­Allergie. Von Kindesbeinen an.«

»Er muss die Tabletten versehentlich geschluckt haben. Eine andere Erklärung gibt es nicht, oder?«

»Ohne Kenntnis sämtlicher Fakten steht es mir nicht zu, Spekulationen anzustellen, doch da wären in der Tat ein oder zwei ungeklärte Fragen. Ich fürchte, es wird polizeiliche Ermittlungen geben.«

Der Schulleiter spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. »Aha. Wie wird sich das auf den Tagesablauf der Schule auswirken?«

»Das müssen Sie mit dem zuständigen Beamten besprechen.«

»Wann kommt die Polizei?«

»Schon bald, denke ich. Sie wird sich in Kürze mit Ihnen in Verbindung setzen. Auf Wiederhören.«

»Auf Wiederhören.«

Als Jones den Lautsprecher ausschaltete, war ihm schwindelig. Er atmete drei- oder viermal tief durch.

Polizeiliche Ermittlungen … Er schüttelte den Kopf. Das war die schlimmste denkbare Nachricht.

Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: In den vergangenen Tagen hatte er nur an den Ruf der Schule gedacht. Wenn sich die Polizei einschaltete, bezweifelte der Mann von der Rechtsmedizin offenbar, dass Cavendish das Aspirin versehentlich genommen hatte.

»O Gott.« Glaubte er am Ende, es handle sich um Mord?

Wieder schüttelte Jones den Kopf. Nein, wahrscheinlich war es eine reine Formalität. Wenn er es recht überlegte: Charlies Vater besaß mit Sicherheit den nötigen Einfluss, ein solches Vorgehen zu verlangen. Der Rektor ließ die vielen Male vor seinem geistigen Auge Revue passieren, die Charlie Cavendish vor seinem Schreibtisch gestanden und ihn ungerührt angeschaut hatte, wenn er getadelt wurde. Es lief stets nach dem gleichen Muster ab: Jones rief ihm ins Gedächtnis, dass die alte Sitte der Schüler, die Jüngeren wie Bedienstete zu behandeln, schon Jahre nicht mehr praktiziert werde und er sie nicht durch Schikanen gefügig machen dürfe. Charlie nahm seine Strafe hin und machte anschließend einfach weiter wie bisher, als wäre nichts gewesen.

Charlie hatte ursprünglich nach Eton gewollt, war jedoch durch die Aufnahmeprüfung gefallen. Von dem Tag an, als er in St Stephen’s ankam, hatte er allen deutlich gezeigt, dass er die Schule, ihren Leiter und seine Mitschüler als unter seiner Würde erachtete. Seine Arroganz war atemberaubend gewesen.

Auf der Suche nach einer Eingebung betrachtete Robert Jones das Gemälde von Lord Grenville Dudley, dem Mann, der St Stephen’s im sechzehnten Jahrhundert gegründet hatte, warf dann einen Blick auf seine Uhr und merkte, dass es fast Mittag war. Er drückte die Taste der Gegensprechanlage.

»Ja, Mr Jones?«

»Könnten Sie bitte hereinkommen, Jenny?«

Wenige Sekunden später trat Jenny Colman ein, deren Anblick Jones beruhigte. Sie arbeitete seit dreißig Jahren an der Schule, anfangs noch an der Essensausgabe, dann, nach einem Sekretärinnenlehrgang, als Verwaltungsassistentin des Schatzmeisters. Als Jones vierzehn Jahre zuvor die Stelle in St Stephen’s angetreten und festgestellt hatte, dass seine Sekretärin kurz vor der Pensionierung stand, war seine Wahl für ihre Nachfolge auf Jenny gefallen.

Sie war bei Weitem nicht die fähigste Kandidatin gewesen, doch Jones gefielen ihre Ruhe und Unerschütterlichkeit, und ihr Wissen über das Internat war unbezahlbar gewesen in der Zeit, in der er sich als ihr neuer Rektor noch orientieren musste.

Alle liebten Jenny, von den Reinigungskräften bis zu den Leuten vom Beirat. Sie kannte sämtliche Kinder beim Namen, und ihre Loyalität der Schule gegenüber stand außer Frage. Jenny war drei Jahre älter als Robert Jones und somit dem Ruhestand näher als dieser. Er fragte sich oft, wie er ohne sie zurechtkommen würde. Doch nun, realisierte er niedergeschlagen, würde er vermutlich vor ihr gehen.

Jenny hatte einer Hüftoperation wegen das gesamte letzte Trimester nicht...

Erscheint lt. Verlag 27.5.2022
Übersetzer Sonja Hauser, Ursula Wulfekamp
Sprache deutsch
Original-Titel The Murders at Fleat House
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • bestsellerliste spiegel aktuell • Cosy Crime • eBooks • Internat • Jahresbestseller 2022 • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Norfolk • Sieben-Schwestern-Reihe • Spannung
ISBN-10 3-641-29349-9 / 3641293499
ISBN-13 978-3-641-29349-9 / 9783641293499
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