Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket (eBook)
1200 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-1994-4 (ISBN)
Die Landung war hart.
Selbst für mich.
Das lag wohl daran, dass ich diese beiden Zwerge am Hals hatte, was man in diesem Fall wohl auch wirklich wörtlich verstehen sollte, denn die klammerten sich natürlich an mich. Nur, dass ich von allen die mit Abstand geringste Körpermasse hatte.
Jedenfalls ist es nicht so ganz einfach, die Landung mit einem Antigrav-Aggregat sauber und einigermaßen sanft hinzubekommen, wenn man mit einer solchen Last herumfliegt.
Ich war etwas benommen. Der Untergrund war hartes Gestein, ohne irgendeinen Bewuchs, so wie er für die Landmassen von Maldena 22b eben typisch ist. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich wieder richtig zu mir kam. Vielleicht wäre ein Normalmensch tatsächlich erst einmal ohnmächtig gewesen und hätte sich bei der Landung darüber hinaus alle Knochen im Leib gebrochen. Mir passiert sowas nicht so schnell. Und wenn doch, dann heilt es ziemlich schnell wieder.
Von Naomi hatte ich nichts mehr gesehen. Ich wusste nicht, ob und wo sie gelandet war oder ob vielleicht die Strahlen der Qriid sie erfasst hatten.
Jorian Kelly und Joey waren hart im nehmen. Aber diesmal stöhnten sie ganz schön.
“ Was fällt dir ein!”, schrie Joey.
Es kann anstrengend sein, ein Zwergenmädchen schreien zu hören. Vor allem bei dem hohen Luftdruck auf dieser Welt.
Im Gegensatz zu ihr bin ich ja an Maldena nicht angepasst, sondern ich habe mich an diese Welt lediglich auf Grund meiner genetischen Disposition ganz gut gewöhnen können.
Aber das das natürlich ein Riesen-Unterschied ist, das zeigte sich in diesem Moment. Ich zuckte regelrecht unter ihrem Schrei zusammen und die Ohren taten mir weh.
“ Lass ihn!”, sagte Jorian Kelly.
“ Er hätte uns fast umgebracht, dieser Verrückte!"
"Er hat uns das Leben gerettet, würde ich eher sagen", widersprach Jorian Kelly.
Joey stand da und rieb sich die Schulter. Ein paar Meter bevor ich gelandet war, war sie schon abgesprungen. Und bei der auf Maldena 22b herrschenden Fallgeschwindigkeit bedeutet so ein Sprung etwas ganz anderes, als unter der Erdnorm, wie ich sie später an Bord von Raumschiffen kennenlernte.
“ Was zum Teufel war das?", fragte Joey, als sie sich etwas beruhigt hatte.
"Qriid", sagte ich.
"Ich habe gedacht, dass uns das Space Army Corps der Humanen Welten schützt", meinte Jorian Kelly.
"Und ich dachte, ihr Zwerge habt euch immer selbst schützen wollen und denkt, die Humanen Welten seien nichts anderes als ein Imperium der Unterdrückung durch die Erdmenschen", sagte ich. War vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt für so einen polemischen Ton. Aber ich hatte mir diese Bemerkung nicht verkneifen können. Schließlich waren diese Sprüche immer im Dorf der Zwerge zu hören gewesen. Und natürlich ganz besonders in meiner Gegenwart, denn für die Zwerge war ich genauso ein Erdmensch wie Naomi. Meine genetische Optimierung sieht man mir schließlich nicht an. Darauf haben die Gen-Ingenieure, die die S-Klasse entwickelt haben, peinlich genau geachtet. Es sollten schließlich keine Monster geschaffen werden. Und es ging auch nicht darum, sich ohne Rücksicht auf irgend etwas einer fremden Welt oder einer besonderen Aufgabe anzupassen, wie es der Ideologie der Adaptionisten entspricht, die die Supererden-Zwerge hervorgebracht hat. Die Genetic Optimized Soldiers sollten vor allem auch Menschen bleiben. Erdmenschen, wenn man so will und wenn man unter diesem Begriff nicht nur Bewohner der Erde versteht, sondern alle Menschen, die der Erdnorm entsprechen. Manche sagen auch ursprüngliche Menschen.
Die Idee dahinter war, dass es schon schwer genug sein wurde, Akzeptanz für gen-optimierte Supermenschen zu finden. Aber Akzeptanz für ein Geschlecht von genmanipulierten Super-Monstern zu finden, schien vollkommen ausgeschlossen zu sein. Inzwischen hat man in dieser Hinsicht auf den Welten der Genetikerföderation im Übrigen längst jede Zurückhaltung aufgegeben. Ich weiß von methanatmenden Bergbauingenieuren mit infrarotsichtigen Facettenaugen, deren DNA ebenfalls menschlich ist - bis auf ein paar klitzekleine Modifikationen und Ergänzungen.
Dagegen bin ich richtig normal.
Was immer dieser Begriff eigentlich bedeuten mag.
Ich denke, es ist einfach so: Der Mensch entwickelt sich. Und er breitet sich im Kosmos aus. So wie er sich einst von Afrika aus auf die anderen Kontinente der Erde ausbreitete. Und auf dieser Wanderschaft veränderte er sich. Je weiter der Mensch in die Unendlichkeit des Alls vordringt und je andersartiger die Welten sind, auf denen er sich ansiedelt, desto mehr wird er sich verändern und sich schließlich vollkommen von dem unterscheiden, was er mal war.
Irgendwann, so stelle ich mir manchmal vor, wird eines sehr fernen Tages ein Mensch, der auf einer sehr fernen Welt gesiedelt hat, einem anderen Menschen begegnen und nicht einmal mehr durch einen genetischen Scan erkennen, dass er seinesgleichen gegenübersteht. Umgekehrt sind wir schon Wesen begegnet, die rein äußerlich den Erdmenschen beinahe vollkommen zu gleichen scheinen und doch nicht im geringsten mit ihnen verwandt sind. Ergebnisse einer parallelen Evolution, die ähnliche Anforderungen in einer ähnlichen Umwelt an völlig unterschiedliche Kreaturen stellte und sie so formte. Es gibt viele Beispiele dafür. Irdische Vögel und die Qriid, Menschen und K’aradan...
Aber zurück zu dem Augenblick, in dem wir uns gerade gerettet hatten. Was mit Naomi war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Niemand konnte das wissen. Ich hoffte zumindest, dass sie auch noch lebte.
“ Es hat immer geheißen, dass sie kommen werden - und jetzt sind sie da, die verdammten Qriid”, meinte Jorian Kelly.
“ Wir sollten zurück zum Dorf gehen, um zu sehen, ob noch jemand lebt”, sagte Joey.
Das Zwergenmädchen hatte auf mich immer sehr robust gewirkt. Aber das betraf wohl nur die äußerliche, physische Erscheinungsform und es zeigte wieder einmal, wie trügerisch es sein konnte, von der einfach auf die psychische Verfassung zu schließen.
“ Da lebt niemand mehr”, sagte Jorian Kelly. Und um etwas von seiner Wut und Verzweiflung loszuwerden, nahm er einen Stein und schmetterte ihn mit ganzer Kraft auf den Boden. Ein faustdicker Brocken war das. Und er zerbrach. Er hätte am liebsten wohl auch noch einen Schrei ausgestoßen, wie er es tat, wenn er solche Brocken über den See flitschen ließ. Aber das unterließ er. So weit hatte er sich dann doch in der Gewalt. Dass bereits Qriid-Truppen gelandet waren, das nahm niemand von uns an. In so fern hätte er sich den Schrei vielleicht erlauben können. Andererseits wusste auch niemand, wie empfindlich die Sensoren der Qriid waren. Und Geräusche übertrugen sich nunmal in einer Atmosphäre wie der von Maldena 22b besonders gut.
“ Sie sind alle tot”, sagte Jorian Kelly, so als würde er das ganze Ausmaß der Tragödie erst jetzt, in diesem Moment so richtig begreifen. “Alle. Hast du das eigentlich schon in dein Hirn hineingelassen, du Super-Gen-Monster?”, fragte er dann an mich gewandt.
“ Ich habe es erfasst”, sagte ich.
“ Es lebt niemand mehr, nicht von deinen Leuten und auch nicht von meinen.”
“ So wird es sein.”
“ Das nimmst du einfach so kalt hin?”
“ Nein”, sagte ich.
“ Aber es scheint dir gar nichts auszumachen.”
“ Es macht mir was aus”, sagte ich.
“ Sieht man nicht unbedingt!”
“ Ich versuche, die Verarbeitung meiner Emotionen zu verschieben”, sagte ich.
“ So reden doch nur Bekloppte”, meinte Jorian Kelly.
“ Wir müssen Naomi finden. Vielleicht lebt sie noch.”
“ Und nachsehen, ob von unseren Leuten noch jemand lebt”, warf Joey ein.
“ Nein, ganz sicher nicht”, sagte ich. “Das wäre das Dümmste, was wir tun könnten. Die Qriid scheinen es auf die Siedlungen abgesehen zu haben. Also müssen wir uns von Siedlungen fern halten. Auch von denen, die sie bereits zerstört haben, denn ich glaube, dass sie dort in Kürze vielleicht selbst nachsehen werden, wie die Wirkung ihrer Treffer gewesen ist.”
Die beiden Maldena-Zwerge sahen mich erstaunt an.
Irgendjemand musste die Initiative ergreifen.
Ich war der Jüngste in dieser Dreiergruppe. Zwölf Jahre. Und abgesehen davon war ich für Jorian Kelly und Joey wohl immer in erster Linie einfach nur ein eigenartiges Phänomen gewesen. Nicht nur so eigenartig, wie für sie ein Normalmensch war, sondern noch weit darüber hinausgehend.
Aber im Moment hatte ich einfach das Gefühl, dass strategisches Denken und eine kalte Analyse der Situation gefragt war, wenn wir überleben wollten. Denn das war unter den gegebenen Umständen mit Sicherheit nicht einfach.
Ich hatte das Gefühl, zu wissen, was ich richtig war und getan werden musste.
Sehr eigenartig war das. Ich fragte mich, was davon aus mir selbst kam und was vielleicht dem genetischen Optimierungsprogramm entsprang, das in meiner Doppelhelix eingearbeitet worden war.
Für das Überleben war das im Moment vielleicht...
Erscheint lt. Verlag | 18.10.2021 |
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Verlagsort | Lengerich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | alfred bekker • Chronik der Sternenkrieger • Sammelband |
ISBN-10 | 3-7452-1994-5 / 3745219945 |
ISBN-13 | 978-3-7452-1994-4 / 9783745219944 |
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