Die Erinnerung der Seelen (eBook)

Drachengesänge 3

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
976 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11689-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erinnerung der Seelen -  Jenn Lyons
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»Lyons schreibt so gewaltig und schicksalhaft wie Patrick Rothfuss.« Booklist »Lyons jongliert souverän mit den Kernmotiven der Fantasy und stellt sie zuweilen sogar auf den Kopf. Und gleichzeitig verleiht sie ihren vielschichtigen Figuren eine enorme Tiefe und lässt sie episch-große Schlachten mit zahllosen Opfern schlagen.« Booklist Während die Dämonen durch das Empire wüten, treten die finsteren Pläne des Zauberers Relos Var immer offener zu Tage. So rückt die Erfüllung der alten Prophezeiung - und damit das Ende der Welt - näher denn je zuvor. Um Zeit zu gewinnen, versucht Kihrin den König der Manol Vané zu überzeugen, ein uraltes Ritual durchzuführen. Es betrifft die Unsterblichkeit dieses ganzen Volkes der Elben. Und Kihrin muss verzweifelt wahrhaben, dass er immer tiefer in die Verbindung zu dem Dämonenkönig Vol Karoth verstrickt ist. Wie kann er die Menschheit retten, wenn vielleicht von ihm selbst die größte Gefahr ausgeht? Diese Frage steht im Mittelpunkt dieses dritten Bandes der Drachengesänge.

Jenn Lyons lebt mit ihrem Mann und drei Katzen in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Tagsüber entwickelt sie Videospiele, um sich abends und nachts ihrer Leidenschaft dem Schreiben und Erfinden von Welten hinzugeben.

Jenn Lyons lebt mit ihrem Mann und drei Katzen in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Tagsüber entwickelt sie Videospiele, um sich abends und nachts ihrer Leidenschaft dem Schreiben und Erfinden von Welten hinzugeben.

1

Eine Unterbrechung


(Thurvishars Geschichte)

Als die Götter auf die Ruinen von Atrine niederfuhren, unterbrachen sie einen Mordanschlag.

Anfangs hatte Thurvishar die Gefahr gar nicht wahrgenommen. Ja, aus den acht offenen magischen Toren, die auf einem kleinen Hügel neben dem Jorat-See errichtet worden waren, brandeten massenweise Soldaten, doch damit hatte er gerechnet. Bis gerade eben hatte ein Drache so groß wie ein Berg die zweitgrößte Stadt des Reichs in Schutt und feinen Quarzstaub verwandelt und dabei unzählige Menschen getötet. Morios hatte nicht nur die Armee, sondern auch die Zivilbevölkerung attackiert, die nun panisch und heimatlos war. Kein Wunder also, dass es hier nun von Soldaten wimmelte, die die Spuren der Zerstörung beseitigten, bei der Evakuierung halfen und in den zertrümmerten Straßen Atrines patrouillierten. Und die Zauberer? Die mussten Morios’ Körper so gründlich zerlegen, dass er sich nicht wieder zusammensetzen und eine neuerliche Apokalypse über die Stadt bringen konnte.

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, stand außerdem der Damm, der den Jorat-See zurückhielt – die Dämonenfälle – kurz vorm Bersten. Wenn er brach, würde sich der See entleeren. Dabei würden Millionen umkommen. Wer nicht in der Flut starb, würde verhungern, wenn Quurs Brotkorb3 zwanzig Fuß unter Wasser stand. Natürlich würden die Zauberer alles daransetzen, eine solche Katastrophe abzuwenden.

Rückblickend war Thurvishars Annahme, der Hohe Rat von Quur könnte daran interessiert sein, Leben zu retten, zu optimistisch gewesen.

Es war Janels Zorn, der ihn alarmierte – ein brüllend heißer Schmelztiegel, der normalerweise von ihrer enormen Willenskraft in Zaum gehalten wurde. Einen Moment später spürte er Kihrins Wut wie einen scharfen Peitschenschlag. Er wandte sich von dem Akademie-Magier ab, mit dem er gerade über Zaubertheorie diskutierte, und blickte zu dem Hügel hinauf, wo die Soldaten, denen er bislang keine Beachtung geschenkt hatte, eine Verteidigungsformation bildeten. Die Männer waren nicht wie normale Soldaten gekleidet. Stattdessen trugen sie die unverkennbaren, mit Münzen besetzten Brustharnische einer ganz bestimmten Sorte quurischer Ordnungshüter.

Hexenjäger. Thurvishar sah zwar nicht, wen sie einkreisten, aber er konnte es sich denken.

Er überlegte kurz, ein Portal bei ihnen zu öffnen, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder, da er damit womöglich genau die Reaktion provozieren würde, die er unbedingt vermeiden wollte.

Also rannte er stattdessen los.

Was er bei seiner Ankunft auf dem Hügel vorfand, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Niemand versuchte, ihn aufzuhalten, während er sich nach vorne drängte. Schließlich war er der Erblord des Hauses D’Lorus. Wenn irgendjemand das Recht hatte, hier zu sein, dann er. Auf der Hügelspitze waren mehr Hexenjäger versammelt, als er je zuvor auf einem Fleck gesehen hatte. Und sie waren nicht allein gekommen. Er sah ungefähr ebenso viele Akademie-Magier sowie den Hohen Lord Havar D’Aramarin und mehrere Mitglieder des Hohen Rats von Quur.

Und all das nur wegen drei Leuten: Kihrin D’Mon, Janel Theranon und Teraeth. Weder Kihrin noch Janel trugen sichtbare Waffen. Normalerweise brauchten sie zwar keine, doch würden sie sich auch gegen eine solche Übermacht durchsetzen können?

Thurvishar hatte keinen Zweifel, wie die Sache ausgehen würde.

»Was ist hier los?« General Qoran Milligreest stieß mehrere Hexenjäger beiseite und marschierte in das Zentrum des Konflikts.

Janel ballte die Fäuste. »Offenbar sollen wir zum Dank für unsere Hilfe in eine Kerkerzelle gesteckt werden.«

Milligreest ignorierte seine Tochter4 und wandte sich zu einem der Quurer um. »Was hat das zu bedeuten, Vornel?«

Das Mitglied des Hohen Rats, Vornel Wenora, schnaubte. »Das ist ja wohl offensichtlich. Wir haben es hier mit einer Bedrohung für das Reich zu tun. Darum hättet Ihr Euch eigentlich kümmern müssen.«

»Eine Bedrohung für das Reich?« Qoran deutete auf den riesigen Kadaver des Metalldrachen. »Das ist eine Bedrohung für das Reich. Der bevorstehende Bruch der Dämonenfälle ist eine Bedrohung für das Reich. Die da sind nur Kinder!«

Thurvishar ließ den Blick über die Menge schweifen. Die Gedanken der Hexenjäger waren wie Leerstellen, ebenso die einiger Zauberer und sämtlicher Ratsmitglieder. Doch wo steckte Kaiserin Tyentso?

Vornel zuckte die Achseln. »Das behauptet Ihr, aber für mich sind sie gefährliche Leute, die eine große Bedrohung für unser herrliches und ruhmreiches Reich darstellen. Das hier ist der Mann, der den Kaiser getötet und Urthaenriel gestohlen hat. Und dann haben wir hier noch eine Hexe, die ihre Zauberkräfte offen zur Schau stellt, sowie einen bekannten Spion der manolischen Vané. Doch aus irgendeinem für mich nicht nachvollziehbaren Grund habt Ihr nichts unternommen, um sie aufzuhalten. Wieso bloß, Qoran?«

»Weil ich Prioritäten setzen kann«, entgegnete der General.

Thurvishar musterte Vornel mit erhobener Augenbraue. Seine Anschuldigungen waren nicht unberechtigt, dennoch gingen sie erstaunlich weit an der Wahrheit vorbei. Außerdem würdigten die Ratsmitglieder Thurvishar keines einzigen Blickes, obwohl er ihren Zorn weit eher verdient gehabt hätte. Vornels Vorwürfe klangen wenig überzeugend, und er wirkte auch nicht wirklich wütend, sondern eher so, als witterte er eine Gelegenheit für ein Machtspiel und wäre zu arrogant, kleinkariert oder dumm, einen weniger fatalen Zeitpunkt dafür abzuwarten.

Ratsmitglied Nevesi Oxun, ein alter, dünner Mann mit silbernem Wolkenhaar, trat vor. »Das spielt keine Rolle, Milligreest. Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses …«

»Dann muss ich wohl im Schlaf abgestimmt haben«, knurrte Milligreest.

»Fast einstimmig«,5 korrigierte sich Oxun. »Wenn Ihr uns behindern oder diese Männer von ihrem rechtmäßigen Einsatz abhalten wollt, müssen wir davon ausgehen, dass Ihr unter den Einfluss einer ausländischen Macht geraten seid, und Euch aus dem Hohen Rat entfernen.«

»Wie könnt Ihr es wagen …?«

Kihrin begann zu lachen. Thurvishar verzog das Gesicht und wandte den Blick ab.

Natürlich. Tyentso.

»Euch geht es gar nicht um uns, richtig?«, fragte Kihrin. »Wir sind euch doch völlig egal. Aber Tyentso … In Wahrheit haltet ihr sie für ›eine große Bedrohung des Reichs‹.« Kihrin, der immer noch die Uniform trug, die er sich von einem quurischen Soldaten geliehen hatte, streckte die Hände aus. »Wenn ihr Genies Tyentso für dumm genug haltet, sich hier und jetzt zwischen all den Hexenjägern zu zeigen, hätte ich da eine wenig benutzte Brücke am See, die ich euch gerne verkaufen würde.«

Thurvishar spürte Zorn in sich aufsteigen. Kihrin hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Ratsmitglieder hielten Janel und Teraeth für unbedeutend. Über Kihrin würden sie sich mehr Gedanken machen, wenn sie mit den devoranischen Prophezeiungen vertraut wären. Doch vor allem waren sie aus irgendeinem Grund beleidigt, weil der neue Kaiser von Quur als Frau zur Welt gekommen war.

Wenn es nach ihnen ginge, würde ihre Amtszeit früher enden als die jedes anderen Kaisers in der Geschichte des Reichs.

»An deiner Stelle würde ich mit dem Verkauf der Brücke noch warten, Leichtfuß.« Tyentso war auf einem Zelt erschienen und balancierte mit Hilfe von Magie auf dem Giebel. »Möglicherweise bin ich ja so dumm. Oder vielleicht auch nur übermütig.« Sie schwang das Zepter von Quur wie einen Zauberstab und zeichnete damit eine dünne Linie in die Luft. »Das ist ein spaßiges Spielzeug, und ich möchte gern damit üben.«

»Tötet sie, Männer …«

In diesem Augenblick tauchten die Götter auf.

Sieben gleißende Lichtsäulen schlugen unmittelbar neben dem Ort des Geschehens in die Erde ein. Die Männer, die dort gestanden hatten – Hexenjäger, Zauberer, Soldaten –, waren verschwunden.

Thurvishar hoffte, dass sie an einen sicheren Ort versetzt worden waren, doch er hatte keine Möglichkeit, es herauszufinden.6 Nachdem das Leuchten so weit nachgelassen hatte, dass er wieder etwas sehen konnte, erkannte er dafür die Wesen, die nun an ihrer Stelle standen.

Die Acht Unsterblichen waren eingetroffen,7 und jedermann in Sichtweite – ganz gleich ob Hoher Lord, Soldat oder Zauberer – sank zu Boden.

...

Erscheint lt. Verlag 20.10.2021
Übersetzer Michael Pfingstl, Urban Hofstetter
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Drachen • Geister • Gestaltwandler • High Fantasy • Könige • Königreiche • Magier • Mörder • Zauberer
ISBN-10 3-608-11689-3 / 3608116893
ISBN-13 978-3-608-11689-2 / 9783608116892
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