Im Schutz der Dunkelheit (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
510 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2620-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Schutz der Dunkelheit - James Grippando
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FBI-Agentin Andie ermittelt in einem verzwickten Fall: gesucht wird ein Serienmörder, der seine Opfer erhängt. Die beiden ersten Opfer gleichen sich wie ein Haar dem anderen, haben aber ansonsten scheinbar nichts miteinander zu tun. Da meldet Erfolgsanwalt Gus Wheatly seine Frau Beth als vermisst.

Und das dritte Opfer des Killers wird entdeckt: weiblich, jung, gut aussehend. Sehr bald stellt sich heraus, dass es sich nicht um Gus' Frau handelt. Doch wo ist sie? Und wann wird der Killer wieder zuschlagen?

Andie und Gus machen sich auf die fieberhafte Suche ...



James Grippando ist Autor diverser New York Times-Bestseller. Er arbeitete zwölf Jahre als Strafverteidiger bevor sein erstes Buch' Im Namen des Gesetzes' 1994 veröffentlicht wurde und ist weiterhin als Berater für eine Kanzlei tätig. Er lebt mit seiner Familie im Süden Floridas.

15


Gus hatte sich fast die ganze Nacht mit der Frage gequält, wie er Morgan die Wahrheit vermitteln könnte. Er wollte sie nicht in ihrem Zimmer mit einem Gespräch überfallen. Er würde geduldig am Frühstückstisch warten, bis sie herauskam. Aber sie kam nicht.

Gegen halb neun klingelte es an der Tür. Es war Carla. Sie wollte Morgan zur Schule bringen.

»Ich kann das machen«, sagte Gus.

Carla warf ihrem Bruder einen wissenden Blick zu. »Sie will, dass ich es mache. Sie hat mich vor zwanzig Minuten angerufen und mir gesagt, dass sie nicht mit dir fahren will.«

Gus zuckte innerlich zusammen. Es war unnötig, Carla etwas zu erklären. Zweifelsohne hatte sie die Abendnachrichten gesehen und glaubte bestimmt jedes Wort.

Morgan marschierte auf direktem Wege aus ihrem Zimmer zur Haustür, fertig angezogen, ihre Schulsachen unter dem Arm. Sie würdigte ihren Vater keines Blickes, als sie an ihm vorbeiging.

»Morgan?«, rief er ihr nach.

Auf halbem Wege blieb sie auf der Treppe stehen, drehte sich aber nicht um.

»Ich wünsche dir einen schönen Tag, Kleines. Daddy hat dich lieb.«

Sie wandte ein wenig den Kopf, sah ihn aber nicht an. Carla nahm sie an der Hand und ging mit ihr zum Wagen.

Gus sah ihnen nach, als sie wegfuhren, schloss das Haus ab und stieg in seinen Wagen. Er hatte nicht vorgehabt, ins Büro zu gehen, aber seine Sekretärin Bonnie hatte ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie ein paar Leute zu seiner Unterstützung im Büro zusammengerufen hatte. Nichts Offizielles. Lediglich einige Sekretärinnen und einige Mitarbeiter, die ihm helfen wollten. Die Besprechung sollte um neun im Konferenzzimmer stattfinden. Gus hatte sich in der Zeit verschätzt, die er zum Büro benötigen würde, deshalb kam er ein paar Minuten zu spät an, allerdings in Schlips und Kragen. Er hatte nicht vor, irgendjemanden mit seinem geschäftsmäßigen Aussehen zu beeindrucken, aber wahrscheinlich würde jede Abweichung in der äußeren Erscheinung – wie zum Beispiel in der Kleidung – Gerüchten Vorschub leisten, er verlöre die Kontrolle über seine Gefühle. Darauf konnte er verzichten.

Seine Sekretärin erwartete ihn am Aufzug. »Gott sei Dank sind Sie endlich da, Gus.«

Wie üblich war sie außer Atem, garantiert war sie mal wieder von einem Zimmer zum nächsten gelaufen, um Leute zu dem Treffen zusammenzutrommeln. Von den Kollegen wurde sie »Speedy Gonzales« genannt, weil sie immer so in Eile war. Ihr Name stand zwar nicht im Guinness-Buch der Rekorde, aber der Geschwindigkeitsrekord zu Lande war ganz sicherlich von der liebenswerten Bonnie DeVreeze in den heiligen Hallen von Preston & Coolidge aufgestellt worden.

»Stimmt was nicht?«

Sie holte tief Luft und begleitete ihn den Flur entlang. »Sie warten alle schon.«

Sie blieben vor dem Konferenzzimmer stehen. Gedämpfte Unterhaltung drang durch die geschlossene Tür. »Wie viele sind es denn?«

»Fast hundert.«

»Wow.«

Sie lächelte. »Allerdings. Wow.«

»Was soll ich zu ihnen sagen?«

»Bedanken Sie sich einfach. Sie wollen wirklich helfen.«

»Das ist sehr nett. Aber ich wüsste nicht, was sie tun können.«

»Ich habe im Kopierladen Flugblätter und Plakate drucken lassen. Tausende. Wir können sie hier verteilen und Freiwillige bitten, sie in Geschäften, Einkaufszentren und sonst wo aufzuhängen.«

Er war erneut dankbar dafür, dass wenigstens einer hier gut organisiert war. »Danke.«

»Gern geschehen.«

Er wollte schon die Tür öffnen, zögerte jedoch. »Wegen dieser Fernsehsendung gestern Abend. Die Vorwürfe wegen Misshandlung –«

Sie fiel ihm ins Wort. »Reicht es nicht, dass all diese Leute hier anmarschiert sind, um Ihnen zu helfen? Ist das kein deutliches Signal?«

Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte er sich gut. »Es ist sehr deutlich. Danke.«

Er umarmte sie kurz, dann betrat er den Raum.

Im siebten Stock des Federal Building pulsierte die übliche frühmorgendliche Energie. Im Gegensatz zu den großstädtischen Polizeirevieren mit ihrem hektischen Treiben waren die Flure des FBI-Außendienstbüros von einer würdevollen Atmosphäre der Bedeutsamkeit und Effizienz erfüllt. Dennoch gab es auch hier hin und wieder Gefühlsausbrüche, zum Beispiel die ausgelassene Gruppe, die um den Wasserspender versammelt war und die Drogenrazzia von vergangener Nacht in Port Angeles feierte. Normalerweise hätte sich Andie zu den Kollegen gesellt, um die Einzelheiten zu erfahren, aber heute schloss sie einfach ihre Bürotür und wollte von all dem nichts hören.

Am frühen Morgen hatte Victoria Santos sie zu Hause angerufen. Andie wusste nicht genau, wie sie von Gus Wheatleys Auftritt in den Abendnachrichten erfahren hatte. Vielleicht hatte sie mit Isaac gesprochen. Wie auch immer, Victoria war nicht gerade begeistert. In ihren Augen bedeutete die Tatsache, dass Gus Kontakt mit den Medien aufgenommen hatte, ohne auch nur Andie zu informieren, einen völligen Mangel an Vertrauen und Kommunikation. Es war Andies Aufgabe, diesen Mangel zu beheben.

Andie wollte nicht reflexartig reagieren. Sie musste mit Gus reden, aber zuvor wollte sie sich Klarheit über die Fakten verschaffen. Was die Fernsehsendung vom Vorabend anging, bei der die alten Misshandlungsvorwürfe die Nachricht über Beths Verschwinden in den Hintergrund gedrängt hatten, stand eines außer Frage: Es war nicht Gus gewesen, der der Sache diese Wendung verpasst hatte. Aber wer dann?

Andie befürchtete, Gus würde sie dafür verantwortlich machen. Er hatte ihr in jener Nacht in der Gerichtsmedizin von den Beschuldigungen erzählt. Er würde es auf jeden Fall für möglich halten, dass diese Information durch das FBI an die Medien gelangt war, vor allem nachdem die Presse schon von dem Serienmörder Wind bekommen hatte. Sie würde ihm gerne versichern, dass das FBI keineswegs dahinter steckte, dass auch sonst niemand bei der Polizei etwas damit zu tun hatte. Punkt. Das Problem war nur, dass sie sich dessen nicht sicher war.

Sie nahm den Telefonhörer ab und rief die Mordkommission in Seattle an.

»Hallo«, sagte Detective Kessler, »ich habe mich schon gefragt, wann Sie anrufen würden.«

»Haben Sie gestern Abend die Nachrichten gesehen?«

»Klar doch.«

»Und?«

»Hat mich nicht überrascht.«

Sie wartete einen Moment. »Weil Sie damit etwas zu tun haben?«

»Sie meinen das Gerede über die Misshandlungen?«

»Sie wissen, was ich meine.«

»Ich doch nicht, Süße.«

»Sie waren doch ziemlich auf die angeblichen Misshandlungen fixiert, als wir uns mit Mr Wheatley unterhalten haben. Wollen Sie mir erzählen, Sie haben Ihre Theorie fallen gelassen?«

»Ich lasse nie etwas fallen, bis ich meinen Mörder habe.«

»Heißt das, Sie halten Gus Wheatley für verdächtig?«

»So würde ich es nicht nennen.«

»Hören Sie, ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu sagen, dass wir ganz anders mit Gus Wheatley umgehen müssen, wenn er ein Verdächtiger ist. Deshalb würde ich eins gerne wissen: Stellen Sie Untersuchungen zu einer möglichen Verbindung zwischen der Misshandlung und Beths Verschwinden an oder nicht?«

»Kommt darauf an, was Sie mit Untersuchungen meinen.«

»Ich habe keine Zeit für Wortspielchen.«

»Keine Spielchen. Keine Verdächtigen. Sagen wir einfach, bisher ist es nur eine Theorie.«

Frustriert schloss sie die Augen. »Ich glaube, Sie lassen sich auf die falsche Fährte locken.«

»Und ich glaube, dass Sie Ihre Kompetenzen überschreiten. Es passt mir nicht, dass das FBI hier Sherlock Holmes spielt. Bisher haben wir lediglich um die Erstellung eines psychologischen Täterprofils durch eine Ihrer Expertinnen gebeten.«

»Und ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass nach Fertigstellung des Profils durch Victoria Santos die angeblichen Misshandlungen sicherlich keinen Platz in den Überlegungen des FBI finden werden.«

»Das sollten sie aber vielleicht.«

»Dick, hören Sie –«

»Nein, Sie hören mir jetzt zu. Wollen Sie mir vielleicht erzählen, dass das FBI noch nie ein falsches Profil erstellt hat?«

Andie schwieg.

»Sehen Sie, das habe ich auch nicht angenommen«, sagte er. »Ich danke Ihnen für Ihren Anruf. Wenn ich noch irgendetwas von Ihnen brauche, melde ich mich.«

Die Leitung wurde unterbrochen, bevor sie reagieren konnte. Sie knallte den Hörer auf die Gabel und ließ sich auf ihrem Stuhl zurückfallen. So ein Idiot.

Als Gus die Mitarbeiterversammlung verließ, hatte er wieder Mut gefasst. Die große Anteilnahme rührte ihn. Zumindest war er nicht völlig allein.

Noch bevor er die Eingangshalle ganz durchquert hatte, wurde er zu einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats gerufen. Wahrscheinlich wollten sie wissen, wie lange er freizunehmen gedachte und was die Firma tun konnte, um ihm zu helfen. Es war eine nette Geste, sicherlich ausgelöst von der Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter, die sich herumgesprochen hatte. Seine Partner aus den Führungsetagen wollten nie zurückstehen, selbst wenn es bedeutete, einen Akt der Freundlichkeit erweisen zu müssen.

Er begab sich zum nördlichen Konferenzzimmer, wo der Aufsichtsrat tagte. Interessant, dass man diesen Raum ausgesucht...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2021
Reihe/Serie James Grippando Thriller
Übersetzer Norbert Möllemann
Sprache deutsch
Original-Titel UNDER COVER OF DARKNESS
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte angeklagt • Anwalt • David Baldacci • Fehlurteil • Grippando • Jack Swyteck • Justiz • Mörder • Randy Singer • Thriller
ISBN-10 3-8412-2620-5 / 3841226205
ISBN-13 978-3-8412-2620-4 / 9783841226204
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