Luftbrücke (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
464 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46015-3 (ISBN)
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Selten ist Geschichte so spannend: Der 6. historische Berlin-Krimi mit Kommissar Oppenheimer spielt 1948 zur Zeit der Berlin-Blockade in der vielleicht gefährlichsten Phase des Kalten Krieges, als lediglich die »Rosinenbomber« der Luftbrücke die Versorgung mit dem Nötigsten sicherstellen. Das weiß ein Serienmörder für sich zu nutzen ... Im vom Westen abgeschnittenen Berlin des Jahres 1948 finden Kinder beim Spielen am Spreeufer ein abgetrenntes Bein. Wenige Tage später werden menschliche Organe auf einem Schiff entdeckt, die allerdings von einem zweiten Opfer stammen müssen. Kommissar Oppenheimer steht vor einem Rätsel. Bald darauf stößt er in einer Ruine auf ein bizarres Stillleben: ein Toter am Esstisch, nackt und offensichtlich aus verschiedenen Leichenteilen zusammengesetzt. Die ohnehin schwierigen Ermittlungen zwischen den Besatzungszonen gestalten sich im heraufziehenden Kalten Krieg beinahe unmöglich. Und der Mörder scheint genau zu wissen, welche Schlupflöcher ihm die aufgeheizte Lage bietet ... »Mit seiner historischen Krimi-Reihe zeichnet der Historiker Harald Gilbers ein packend-realistisches Bild der 40er-Jahre in Berlin.« Märkischer Sonntag Die historische Krimi-Reihe um den jüdischen Kommissar Oppenheimer aus Berlin ist in folgender Reihenfolge erschienen: 1. »Germania« (1944) 2. »Odins Söhne« (1945) 3. »Endzeit« (1945) 4. »Totenliste« (1946) 5. »Hungerwinter« (1947) 6. »Luftbrücke« (1948)

?Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

​Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

1


Mittwoch, 16. Juni 1948

Unwiderrufliche Veränderungen im Leben kündigen sich selten vorher an. Sie kommen überraschend, aus dem Hinterhalt. Auch die vier unruhigen Schüler, die sich nach dem Ende der letzten Stunde sehnten, konnten noch nicht ahnen, dass sie an diesem Tag die erste Bekanntschaft mit dem Tod machen würden.

Der Klassenraum war staubig vom herabbröckelnden Kalk. Sven fand, dass dies hervorragend zu dem knochentrockenen Lehrstoff passte. Ungeduldig saß er auf dem Holzstuhl und wippte mit den Füßen. Eigentlich hätte die Schulglocke schon längst schrillen müssen, um das Unterrichtsende zu verkünden.

Heute hatte es Sven besonders eilig. Endlich war wieder Sommer. Und wie jedes Jahr schienen sich um diese Jahreszeit die Tage ins Unendliche zu dehnen. Es gab genügend Zeit, um draußen etwas zu unternehmen, nachdem man der Schule entkommen war. Sven war elf Jahre alt und hatte drei gleichaltrige Kumpane, mit denen er gewöhnlich das Nordufer der nahe gelegenen Rummelsburger Bucht unsicher machte. Dicke Freunde waren sie, die besten überhaupt. Sven konnte sich auf sie verlassen. Er wusste das mit einer Gewissheit, wie sie nur Kinder kennen.

Das Klingeln der Glocke unterbrach die monotonen Erklärungen des Lehrers. In Windeseile räumte Sven seine Bücher in den Tornister und sprang vom Sitz auf. Erst der mahnende Blick des Lehrers erinnerte ihn daran, den Stuhl ordentlich auf die Schulbank zu stellen. Seine drei Kumpels erwarteten ihn bereits auf dem Gang. Mit geschulterten Tornistern stürmten sie die breite Treppe ins Erdgeschoss hinunter und rannten lärmend über den Pausenhof, ihre hellen Stimmen so laut, dass sie sogar das Klappern des angehängten Blechgeschirrs für die Schulspeisung übertönten.

Wie an jedem Tag verweilten sie nur kurz zu Hause. Auch Sven warf seine Schulsachen in die Ecke, kaum dass er eingetreten war, meldete sich eher pflichtschuldig bei der Mutter zurück und nahm dann die erste Gelegenheit wahr, um wieder nach draußen zum Spielen zu gehen. Diesmal bestand seine Mutter allerdings darauf, dass er die Schirmmütze aufsetzte, dessen Seitenklappen über Svens Ohren flatterten. Leider drohte der Sommer, ein Reinfall zu werden. Trotz der angenehmen Temperaturen waren die Tage grau, und gelegentlich prasselten sogar Regenschauer herab. Und auch der typische Sommergeruch fehlte noch, den Sven genau kannte, wenn die Luft in der Hitze flirrte.

Fest entschlossen, den Wetterkapriolen zu trotzen, machte sich Sven auf den Weg zum Medaillonplatz. Wie an jedem Tag traf er sich auf dem Parkgelände mit seinen Freunden. Erst alberten sie herum, bis sie schließlich zum See liefen. Das bewaldete Ufer war ihr eigentlicher Spielplatz. Ein Ort, an dem sie herumtollten und neue Streiche ausheckten.

An diesem unfreundlichen Tag befanden sich nicht viele Menschen in der Nähe. Auch von den Heimkindern aus dem benachbarten Waisenhaus war kaum eines zu erblicken. Svens Mutter hatte ihm ausdrücklich verboten, mit diesen Jungen und Mädchen zu spielen. Sie meinte, dass sie gefährlich wären, nur weil sie gehört hatte, dass in den Knabenhäusern auch einige schwer erziehbare Kinder untergebracht waren. Die anderen Mütter teilten diese Ansicht, und so existierte eine unsichtbare Barriere zwischen Svens Freundeskreis aus geordneten Familienverhältnissen und den Waisenkindern.

Auch das junge Mädchen mit den Zöpfen gehörte zu den anderen. Sven sah sie als Erster, als sich die Jungen dem Ufer näherten. Sie stand direkt vor der Böschung. Wenn das Mädchen nicht vollständig bekleidet gewesen wäre, hätte man meinen können, dass es ins Wasser waten wollte. Starr blickte das Kind in die Fluten, die einzige Bewegung war der im Wind flatternde Rock.

Sven verlangsamte seine Schritte und blieb dann stehen. Er konnte sich die Regungslosigkeit des Mädchens nicht erklären und spürte, dass hier etwas Ernstes vor sich ging. In diesem Moment kam sich Sven sehr erwachsen vor. Gerade noch rechtzeitig fing er Schorsch ab, der Anstalten machte, um einen Baum herumzupirschen, um die Kleine fortzuscheuchen.

»Lass das«, zischte Sven ihm zu.

Schorsch blickte ihn überrascht an und runzelte seine zu kurz geratene Nase. »Der Sache gehen wir auf den Grund«, murmelte er schließlich schmallippig, wie es seine geliebten Westernhelden in den Filmen taten, und übernahm die Führung. Vorsichtig näherten sie sich dem Mädchen. Bald ließ sich erkennen, dass sie am Daumen lutschte. Das Gesicht war gerötet, die Augen waren gesenkt. Sven begriff, dass sie Angst hatte. Und doch war sie gleichzeitig fasziniert von dem Bild, das sich ihr darbot.

Sven folgte ihrem Blick. Die raschelnden Baumkronen tauchten das Ufer in einen sanften Halbschatten. Er musste ein Stück näher kommen, um den fremden Gegenstand deutlich erkennen zu können. Wenige Schritte von dem Mädchen entfernt lag er im seichten Wasser. Zuerst sah Sven im Schlamm der Uferböschung nur einen fahlblauen Schimmer. Dann ließen sich die Konturen ausmachen.

Vor ihnen lag ein Stück Fleisch. Die Schnittfläche war dunkelrot. In der Mitte stach ein blendend weißer Knochen heraus. Sven hatte so etwas gelegentlich beim Metzger gesehen. Einer seiner Freunde murmelte aufgeregt. Auch er hatte erkannt, um was es sich handelte.

Im Schlamm lag ein Unterschenkel. Auch der Fuß war erkennbar. Allerdings stammte er nicht von einem Schwein oder Rind, sondern von einem Menschen.

 

Die Hände in den Taschen seines Regenmantels, näherte sich Oppenheimer bedächtig der Fundstelle an der Rummelsburger Bucht. Es handelte sich dabei um eine Seitenbucht der Spree, die von der Halbinsel Stralau und dem Berliner Bezirk Lichtenberg eingefasst wurde. Das Leichenteil befand sich auf der Lichtenberger Seite im Norden. Das Areal war den Anwohnern als Bolle-Ufer bekannt, weil die gleichnamige Meierei hier gewöhnlich im Winter das Eis für die Kühlung ihrer Molkereiwaren schlug. Von Eis war jetzt im Juni weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil, Oppenheimer fühlte sich unangenehm klebrig vom Schweiß, denn sein Mantel war für kältere Temperaturen gedacht als momentan vorherrschten. Er versuchte, es positiv zu sehen. Ein wenig Hitze war immer noch besser, als von einem Regenguss überrascht zu werden.

Zwischen der Handvoll Polizisten am Ufer stach Oppenheimers Assistent Wenzel sofort hervor, denn er war so spindeldürr, dass er stets wie eine verkleidete Vogelscheuche wirkte. Trotz seiner klapprigen Gestalt zeigte er überraschend viel Energie und konnte durchaus zupacken. Voller Tatendrang war er sofort losgelaufen, sobald Oppenheimer das Einsatzfahrzeug in der Stichstraße zum Ufer geparkt hatte. Oppenheimer erinnerte die reibungslose Zusammenarbeit mit seinem Assistenten ein wenig an das Vertrauensverhältnis mit dem verstorbenen Kollegen Billhardt. Sie harmonierten sehr gut miteinander, und als eingespieltes Team verzichteten sie längst auf die gängigen Höflichkeitsfloskeln. Das hatte auch der Dienststellenleiter Cordes erkannt, und so schickte er sie immer häufiger gemeinsam auf Verbrecherjagd.

»Was haben wir denn da?«, fragte Oppenheimer.

Wenzel drehte sich zu ihm um.

»Die Jungs haben dieses Bein hier gefunden und dann die Polizei gerufen.« Er wies auf das abgetrennte Körperteil im Schlamm und nickte zu den Kindern hin, die aufgeregt verfolgten, was die Erwachsenen dort taten. Eine Frau in Zivil stand neben ihnen. Vermutlich war es bereits die angeforderte Kollegin von der Weiblichen Kriminalpolizei. Obwohl es ihre Aufgabe war, sich um die minderjährigen Augenzeugen zu kümmern, konnte auch sie die Aufmerksamkeit kaum von dem Beinfund abwenden.

»Es sieht ganz danach aus, als sei das Bein hier angetrieben worden«, fügte Wenzel hinzu. Dann führte er Oppenheimer aus der Hörweite der Polizisten und murmelte: »Das muss schon einige Stunden her sein. Zuerst trafen die Streifenpolizisten hier ein, um den Fundort zu sichern, dann wurde die Wasserschutzpolizei verständigt. Und erst danach kam jemand auf die Idee, uns hinzuzuziehen.« Er schüttelte den Kopf.

Oppenheimer nickte zerstreut. Er würde sich später um diesen bürokratischen Irrgarten kümmern. Seine Aufmerksamkeit galt jetzt nur dem Körperteil. Er ließ Wenzel stehen und balancierte ungeschickt die steile Uferböschung hinunter. Schließlich stand er dicht genug bei dem abgetrennten Bein, um die Einzelheiten erkennen zu können. »Wenigstens haben wir Hinweise für die Identifizierung«, murmelte er.

Wenzel trat ebenfalls näher und nickte. »Die fehlenden Zehen, ja, das ist ein auffälliges Merkmal.«

Mit knirschenden Gelenken ging Oppenheimer in die Hocke, um sich ein besseres Bild zu machen. Es handelte sich um ein rechtes Bein. Die beiden Zehen neben dem Großzeh fehlten. Oppenheimer betrachtete die Schnittstellen genauer.

»Das sieht gut verheilt aus«, bemerkte er. »Die Amputation dürfte einige Jahre zurückliegen.« Er umrundete das Fundstück, wobei sich nicht vermeiden ließ, dass er mit den Schuhen ins feuchte Erdreich einsank. »Hach, Gummistiefel müsste man haben«, meckerte Oppenheimer mit gesenkter Stimme. Nach einem letzten prüfenden Blick wandte er sich wieder Wenzel zu. »Was hältst du von der Schnittfläche?«

Bei Oppenheimers Frage war der Kollege gerade damit beschäftigt, sich eine Zigarette anzuzünden, da er es nicht lange ohne Nikotin aushielt. Wenzels Beobachtungen bestätigten dann auch Oppenheimers Schlussfolgerung. »Wenn das ein Unfall war, fress ich ’nen Besen. Das Bein wurde glatt abgetrennt, die Schnittkanten sind sauber, praktisch nicht eingerissen. Eine Schiffsschraube kommt auf keinen Fall infrage. Die hätte das Bein regelrecht zerfetzt.«

»Hier ist jemand mit...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Reihe/Serie Ein Fall für Kommissar Oppenheimer
Ein Fall für Kommissar Oppenheimer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1948 • Berlin • Berlin-Blockade • Berlin-Krimi • Ermittlung • Harald Gilbers Oppenheimer • Historische Kriminalromane • Historische Krimis • historische Krimis Deutschland • historische romane 20. jahrhundert • historische Romane für Männer • historische Romane Nachkriegszeit • Historische Romane Serie • Kalter Krieg • Kommissar Oppenheimer • krimi berlin • Krimi deutsche Autoren • Krimi Deutschland • Krimi historisch • Kriminalromane Serien • Krimi Politik • krimi reihen • Krimis für Männer • Leichenteile • Luftbrücke • Mord • Mordserie • Mumifizierte Leiche • Nachkriegszeit Deutschland • Nachkriegszeit Krimi/Thriller • Nachkriegszeit Romane • Ostberlin • Ostsektor • Polizei Krimis/Thriller • präparierte Tote • Romane Nachkriegszeit • Rosinenbomber • Serienmörder • Sowjetische Zone • Währungsreform • Westberlin • Westmächte • Westsektor
ISBN-10 3-426-46015-7 / 3426460157
ISBN-13 978-3-426-46015-3 / 9783426460153
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