Haben Sie hier auch Fliesen? -  Jochen Kraeft

Haben Sie hier auch Fliesen? (eBook)

Ein Roman vom Leben, Leiden und Lieben in einem Baumarkt
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
362 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-6329-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Rüdiger Seifert ist Mitte zwanzig und arbeitet seit drei Jahren als Verkäufer für Fliesen und Kacheln in einer Filiale der Baumarktkette "Honäsch". Nicht unbedingt der Traumberuf, aber sein nicht wirklich spektakulärer Schulabschluss lässt eben auch nicht viel mehr zu. Sein Chef, Manfred Gerstner, hat leider nicht nur einen sehr überschaubaren Charme, sondern auch (s)eine ganz eigene Art und Weise, die Filiale in seinem Sinne zu leiten; das zeigt sich besonders in den Momenten, wenn sich mal wieder ein Vorteil für seine ganz persönliche Karriere ergeben könnte. Und wenn Herr Gerstner etwas gar nicht versteht, dann ist es Spaß. Am allerwenigsten, wenn es um die Kunden oder den Umsatz geht! Zum Glück hat Rüdiger jedoch in Patrick Weber einen Kollegen, der sich in vielen Situationen als echter Freund erweist. Und so lassen sich nicht nur Gerstners Launen ganz gut überleben, sondern auch so ungeliebte Kollegen wie den aufstrebenden Nichtskönner Jonas Palfrader, der merkwürdige Fund in einer Kiste mit Rattan-Sommermöbeln, der unerwartete Besuch seines Bruders samt Familie oder auch die Betreuung einer eher unkonventionellen Eintages-Praktikantin. Darüber hinaus sorgen auch außerhalb der heiligen Hallen des "Honäsch" zum Beispiel der umlautabstinente Baguette-Experte Enrique, Alfons Schaumreiter, dem das ganze Areal mal gehört hat oder auch eine überraschende Begegnung weiblicher Art aus Rüdigers Vergangenheit dafür, dass es eins ganz bestimmt nie wird: langweilig. Willkommen im Baumarkt!

"Haben Sie hier auch Fliesen?" ist der erste Roman von Jochen Kraeft, Jahrgang 1967. Nach 13 (Werbe-)Jahren in der Verlagswelt wechselte er 2001 in die Automobilbranche und ist dort im Bereich Kommunikation tätig. Sein musikalisches Herz schlägt für die Musik der 70-er und 80-er Jahre, das fußballerische Herz für Borussia Mönchengladbach. Die ersten Ansätze und Ideen zu diesem Buch entstanden bereits im Jahr 2009, verschwanden dann aber zunächst in der (digitalen) Versenkung. Per Zufall erschienen diese, mehr als zehn Jahre auf der Festplatte schlummernden Dateien im März 2020 wieder auf der Bildfläche. "Dank Corona" (insofern man diese beiden Begriffe tatsächlich in einem Atemzug nennen darf) schien das dann genau der richtige Zeitpunkt zu sein, diesen mittlerweile schon etwas angestaubten ersten Ansätzen und Ideen neues Leben einzuhauchen und daraus einen abendfüllenden Roman zu machen. Und so entstand in den darauffolgenden acht Monaten schließlich dieses Buch.

EINS


„Können Sie denn nicht aufpassen, Seifert?“

„Huch. Ich habe Sie gar nicht gesehen. Entschuldigen Sie bitte, Herr Gerstner.“

„Schauen Sie mal wie mein Hemd jetzt aussieht. Und auf meine Schuhe ging das Zeug auch noch.“

„Tut mir wirklich leid.“

„Davon hab‘ ich jetzt auch nix, dass es Ihnen leid tut.“

Ich krame in meiner Hosentasche nach irgendetwas, das geeignet sein könnte, das Ergebnis meines übergeschwappten Smoothies etwas einzudämmen und bekomme etwas zu fassen, das vor langer Zeit mal ein Papiertaschentuch gewesen sein muss. Allerdings macht es auch irgendwie den Eindruck, dass es schon seit längerer Zeit in meiner Hosentasche wohnt und fühlt sich darüber hinaus so an, als hätte es schon mindestens einen kompletten Wasch- und Schleudergang bei 40 Grad erlebt. Kommt also nicht in Frage.

„Ich habe gerade leider nichts, mit dem ich…“ stammle ich mich in eine nicht wirklich erfolgversprechende Entschuldigung hinein.

„Seifert, es ist Montagmorgen, ich bin noch nicht mal richtig im Büro, und mein Hemd sieht aus, als wäre ich gerade von einer Horde wildgewordener Himbeeren angegriffen worden.“ zeigt er mit beiden Händen auf sein Hemd, gerade so als würde man das ganze Ausmaß nicht auch ohne diese Geste eindeutig erkennen können.

„Erdbeeren und Kirschen.“ entgegne ich, weil mir gerade nichts wirklich Besseres einfällt.

Im gleichen Moment merke ich jedoch, dass in dieser Situation nahezu jeder andere Satz besser gewesen wäre als dieser Hinweis. Denn es dürfte ihm herzlich egal sein, um welche Obstsorte es sich handelt, die sich da gerade fein püriert den Weg in Richtung des südlichen Endes seines Hemds bahnt.

„Was?“

„Es sind Erdbeeren und Kirschen. Keine Himbeeren, Chef.“ antworte ich, auch wenn seine Frage definitiv nicht als Verständnisfrage gemeint gewesen sein dürfte.

„Ach so, Erdbeeren und Kirschen. Na dann ist es ja nicht so schlimm.“ lacht er etwas verzerrt und schaut mich irritiert an, während er mittels eines Kugelschreibers versucht, das Fruchtfleisch davon abzuhalten, sich noch weiter auf seinem Hemd breitzumachen.

„Rote Bete wären wahrscheinlich noch schlimmer.“ manövriere ich mich noch weiter in meine selbst gebaute Sackgasse hinein, anstatt einfach nur die Klappe zu halten.

„Na das freut mich aber, dass Sie heute Morgen darauf verzichtet haben, noch ein paar Rote Bete mit reinzumischen, Herr Seifert.“ erwidert er süffisant, fischt gleichzeitig ein paar Papiertaschentücher aus seiner dunkelbraunen Aktenmappe und wischt damit über seine Schuhe, die eine ziemlich ordentliche Portion abbekommen haben. Schon nach wenigen Sekunden hat er damit tatsächlich den Früchtebrei komplett rückstandsfrei von seinen Schuhen entfernt, seine Laune scheint sich dadurch aber nicht wirklich zu bessern.

„Seit wann trinken Sie überhaupt so gesundes Zeug?“ sieht er mich kopfschüttelnd an, während er sich jetzt an den nächsten Versuch macht, bei seinem Hemd zu retten, was sowieso nicht mehr zu retten ist.

„Ist das erste Mal.“ sage ich und bin froh, dass sich damit möglicherweise gerade doch noch ein Ausweg aus meiner recht eng gewordenen Sackgasse ergibt. In Nordkorea verliert man wegen einer solchen Aktion bestimmt schnell mal seinen Job. Und obendrein auch noch einen Lungenflügel, könnte ich mir vorstellen.

„Aha.“

„Sie können ja auch mal einen probieren.“

Schweigen.

„Die haben da acht verschiedene Sorten im kostenlosen Probier-Angebot.“ überbrücke ich die peinliche Pause und zeige in Richtung der Zufahrt zur Tiefgarage.

„Wer hat da acht verschiedene Sorten im kostenlosen Probier-Angebot?“ fragt Gerstner genervt, ohne dabei in die von mir angedeutete Richtung zu schauen. Stattdessen reibt er sich durch sein wildes Gefuchtel mit den Taschentüchern das ganze Beeren-Ensemble noch tiefer in sein weißes Hemd hinein. Deshalb sieht das mittlerweile so aus, als hätte es gerade den Angriff irgendwelcher Killer-Beeren nicht nur miterlebt, sondern so, als wäre dieser Angriff auch äußerst erfolgreich verlaufen.

„Na die Jungs und Mädels von ‚Früchtchen gefällig?‘“ antworte ich leicht verunsichert.

„Was denn jetzt schon wieder für Früchtchen, Seifert?“ unterbricht er kurz seine Rubbel-Aktion.

Ich muss mir ein Lachen verkneifen, denn durch sein wildes verteilen der Erdbeeren und Kirschen hat sich auf seiner linken Hemdseite unfreiwillig ein Muster gebildet, das mich im ersten Moment stark an Schweinchen Dick erinnert.

„Na, die machen doch diese Woche ihre Promotion bei uns vor dem Gebäude.“

„Ich weiß weder was von Früchtchen noch von irgendeiner Promotion.“ verlagert Gerstner seine Konzentration jetzt endgültig von den Pürierfrüchten seines Hemds hin zu den Promotionfrüchten.

„Da kam doch vor zwei Wochen die Info aus der Zentrale. Haben Sie die nicht bekommen?“

Das Fragezeichen, das sich gerade in Gerstners Gesicht bildet, zeigt mir, dass er keine Ahnung hat, von was ich da spreche.

Herrlich, noch vor wenigen Augenblicken war ich also gefühlt in Reichweite einer zeitweiligen Strafversetzung an unseren Beschwerde-Counter, und – schwupps – sitze ich auf dem ‚Ich weiß etwas, das Sie nicht wissen‘-Thron.

„Ach so. Die. Klar. Hatte bloß das Datum nicht mehr im Kopf.“ schüttelt er zwei, drei Mal hektisch mit dem Kopf, verbunden mit einer abwinkenden Handbewegung. Heißt übersetzt:

1.) Er hat die Mail bekommen,

2.) sie komplett vergessen und

3.) er denkt, dass ich ihm seine Temporär-Amnesie tatsächlich abnehme.

„Bei so vielen Mails rutscht schon mal eine durch.“ sage ich gönnerhaft, kann mir gerade aber noch den Zusatz ‚passiert mir übrigens auch ständig‘ verkneifen. Das wäre zwar ehrlich gewesen, aber gleichzeitig eben auch ziemlich bescheuert. Und es hätte mich mitsamt meinem gerade bestiegenen Besserwisser-Thron wieder schön zurück in meine von mir selbst akkurat geteerte Sackgasse befördert.

„Tja, wem sagen Sie das?“

Mit dieser Aussage bestätigt er quasi den dritten Punkt meiner Annahme. Und damit scheint zumindest das Schweinchen Dick-Hemd auf einen der hinteren Plätze seiner aktuellen Prio-Liste gerutscht zu sein.

„Tja, wie auch immer, dann wollen wir mal, oder Seifert? Die Pflicht ruft.“ greift er, verkrampft unverkrampft wirken wollend, seine Aktenmappe und macht sich auf in Richtung Haupteingang.

Kurz bevor er die große Eingangstür unseres riesigen Baumarktes erreicht, winkt er noch zu dem kleinen ‚Früchtchen gefällig?‘-Stand rüber, wahrscheinlich um so zu tun, als würde er die beiden Jungs heute nicht zum ersten Mal sehen, bestätigt damit aber natürlich nur nochmals den zweiten und dritten Punkt meiner Annahme von gerade eben. Und albernerweise wirkt er dabei auch noch so, als wäre er der amerikanische Präsident, der nach einer erfolgreichen Friedensmission im Nahen Osten, nochmal kurz winkend, gerade in die Air Force One einsteigt, voller Vorfreude darauf, sich gleich auf dem Rückflug in das Presidents-WLAN einzuloggen und die Bewerbungsunterlagen für den nächsten Friedensnobelpreis herunterzuladen.

„Ich komme gleich nach, muss noch kurz was erledigen.“ sage ich.

„Kein Problem. Bis später.“ scheint Gerstner genauso erleichtert zu sein wie ich, dass wir uns jetzt nicht noch durch eine weitere Minute Smalltalk quälen müssen.

Als sich die großen Glas-Schiebetüren hinter ihm geschlossen haben, frage ich mich, in welcher Dick-und-Doof-Akademie für Führungskräfte man so etwas wohl beigebracht bekommt? Keine Ahnung zu haben, aber nach außen dennoch so zu tun, als sei man über alles im Bilde. Ich befürchte, dass dies bereits Stoff der ersten Unterrichtseinheit sein dürfte, wenn nicht sogar schon im Vorauswahlverfahren bei der Vergabe der Studienplätze. Und wer da kläglich versagt, indem er die eine oder andere Wissenslücke offenbart, für den ist dann auch gleich wieder Schluss. Zur Belohnung müssen diese Menschen sich dann wahrscheinlich erst einmal für die nächsten Jahre im Verkauf von Fliesen und Kacheln beweisen.

Oder anders ausgedrückt: diese Menschen machen dann genau den Job, den ich hier seit mittlerweile fast drei Jahren mache: „Rüdiger Seifert, Ihr Fachmann für alles rund um die Verfliesung Ihrer Wände und Böden.“

Bevor auch ich mich ebenfalls ins Innere vom Honäsch begebe, gehe ich noch kurz am Smoothie-Stand vorbei, um meinen Probierbecher zurückzugeben.

„Und, wie hat er dir geschmeckt?“ fragt mich einer der beiden Promo-Jungs.

„Lecker. Genau das richtige für einen Montagmorgen.“ antworte ich wahrheitsgemäß, auch wenn mein Gegenüber sich augenscheinlich deutlich noch mehr...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7543-6329-8 / 3754363298
ISBN-13 978-3-7543-6329-4 / 9783754363294
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 402 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich