Mariah – Ganz ich selbst (eBook)

Die Geschichte meines Lebens
eBook Download: EPUB
2021
448 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-28083-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mariah – Ganz ich selbst - Mariah Carey, Michaela Angela Davis
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Mariah Carey ist eine globale Ikone, gefeierte Sängerin, Songwriterin, Produzentin, Schauspielerin und Mutter. Erstmals erzählt sie ihre ungefilterte Geschichte: Von ihrem Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen zwischen Rassismus und Gewalt, ihrer Liebe zur Musik, ihrem Aufstieg als Sängerin, dem Zwiespalt zwischen glamourösem Popstar und dem ständigen Erwartungsdruck anderer - und schließlich von ihrer Entwicklung hin zu einer freien und selbstbestimmten Frau.

Es hat eine lange Zeit gedauert, bis ich den Mut und die Klarheit aufbringen konnte, meine Autobiografie zu schreiben. Ich wollte eine Geschichte der Momente erzählen, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin - der Höhen und Tiefen, der Triumphe und Erschütterungen, der Katastrophen und der Träume. Auch wenn es im Verlauf meiner Karriere und meines sehr öffentlichen Privatlebens unzählige Geschichten über mich gab, ist es unmöglich die Vielschichtigkeit und Tiefen meiner eigenen Erfahrungen in einem einzelnen Magazin-Artikel oder einem zehnminütigen TV-Interview zu vermitteln. Und selbst wenn das einigermaßen gelang, wurden meine Worte immer durch die Augen einer anderen Person gefiltert, hauptsächlich, um dem Wunsch nach einem bestimmten Bild von mir nachzukommen.

Dieses Buch entstand aus meinen Erinnerungen, meinen Fehltritten, meinen Kämpfen, meinem Überleben und meinen Songs. Ungefiltert. Ich bin tief eingetaucht in meine Kindheitserinnerungen und habe dem verängstigten kleinen Mädchen in mir eine Stimme gegeben. Ich habe die einsame und ehrgeizige Jugendliche sprechen und die betrogene und erfolgreiche Frau, die ich geworden bin, ihre Geschichte erzählen lassen.

Diese Autobiografie zu schreiben, war unglaublich hart und heilsam und machte mich demütig. Meine ernsthafte Hoffnung ist, dass auch ihr bewegt werdet zu einem neuen Verständnis nicht nur von mir, sondern auch von der Unerschütterlichkeit des menschlichen Geistes.

In Liebe,

Mariah

Mariah Carey ist Amerikanerin mit Schwarzen und irischen Vorfahren. Sie ist Sängerin, Songwriterin, Produzentin, Schauspielerin und Unternehmerin, hat fünfzehn Studioalben aufgenommen und zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. Sie hält den Rekord für die meisten Nummer-1-Singles einer Solokünstlerin und wurde in die »Songwriters Hall of Fame« aufgenommen. Mariah Carey ist Mutter zweier Kinder, Moroccan und Monroe.

CLOSE MY EYES


Zwölf Cops waren nötig, meinen Bruder und meinen Vater zu trennen. Die mächtigen Männer waren ineinander verknotet wie ein wüster Hurrikan, der tosend ins Wohnzimmer krachte. Von jetzt auf gleich waren alle vertrauten Dinge aus meinem Sichtfeld verschwunden – Fenster, Fußboden, Möbel, Licht. Alles, was ich sehen konnte, war diese wild um sich schlagende Masse aus dunklen Uniformen, riesigen, fest zupackenden Händen und fliegenden Fäusten, Gliedmaßen, die sich von anderen losrissen, schweren, schwarz glänzenden Schuhen, die über den Boden schlurften und stampften. Hier und da blitzte etwas in dem finsteren Wirbel auf: Knöpfe, Abzeichen und Pistolen, die in abgegriffenen Lederholstern an breiten schwarzen Gürteln um massige Hüften geschnallt waren oder steif zwischen Handteller und Daumen herausragten. Chaos erfüllte die Luft, Flüche, schwerer Atem und Schmerzensschreie. Das gesamte Haus schien zu wanken. Und irgendwo im Auge dieses Sturms waren die beiden wichtigsten Männer in meinem Leben und zerstörten sich gegenseitig.

Ich habe mir die Wut meines Bruders immer wie eine Naturgewalt vorgestellt – wuchtig, zerstörerisch und unvorhersehbar. Ich weiß nicht, ob der Auslöser für seine Explosivität ein bestimmter Vorfall oder eine Art Krankheit war, doch ich habe ihn nie anders gekannt.

Das kleine Mädchen, das ich damals war, hatte nur sehr wenige Erinnerungen an einen großen, beschützenden Bruder. Ich hatte eher das Gefühl, mich vor ihm schützen zu müssen, und manchmal sogar meine Mutter.

Dieser Streit zwischen meinem Bruder und meinem Vater war schneller eskaliert als üblich. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich ihr Geschrei in einen Tornado aus Fäusten, der durch das Zimmer fegte, Möbel umwarf und eine Spur der Zerstörung hinter sich herzog. Die beiden waren von Wahn und Raserei gepackt, und niemand hätte es gewagt dazwischenzugehen.

Schon als Kleinkind hatte ich einen Instinkt entwickelt, der mich vor aufziehender Gewalt warnte. So wie ich Regen riechen konnte, erkannte ich auch an der Stimmlage schreiender Erwachsener, wann ich in Deckung gehen sollte. Verlor mein Bruder die Beherrschung, schlug er auch mal Löcher in die Wand oder warf Gegenstände durch die Gegend. Ich wusste nie genau, wie oder warum ein Streit begann, doch ich wusste, wann Spannungen zu einer Auseinandersetzung wurden und wann eine solche handgreiflich wurde. Und mein Warnsystem sagte für diese Differenzen geradezu epische Ausmaße voraus.

Nana Reese war bei uns, was eigentlich komisch war, denn sie oder andere Verwandte meines Vaters kamen nur selten aus Harlem zu Besuch. Wir wohnten damals in Melville, einer überwiegend weißen, recht wohlhabenden Gegend im Suffolk County auf Long Island, New York, doch im Laufe meiner Kindheit zogen wir insgesamt dreizehnmal um. Dreizehnmal packten wir all unsere Habseligkeiten zusammen und suchten uns ein neues Zuhause – oder besser gesagt: suchten uns ein Zuhause, das sicherer sein sollte als das vorherige. Dreizehn Neuanfänge, dreizehn neue Straßen mit neuen Häusern voller Menschen, die uns misstrauisch beäugten und sich fragten, wo und wer wohl unser Vater sei. Dreizehn Gelegenheiten, als unwürdig abgestempelt und ausgeschlossen zu werden.

Pastorin Nana Reese, der Good Reverend Roscoe Reese und ihre African Methodist Pentecostal Church, das war der Hintergrund meines Vaters. Roy war der einzige Sohn von Addie, Nana Reeses Schwester. Mein Vater lebte nie mit seinem Vater zusammen, zwischen den beiden lag immer eine tiefe Schlucht, ein Mysterium, das unweigerlich ein Martyrium in sich barg. Diese Menschen in dem Dörfchen Harlem waren seine Familie. Sie waren aus Alabama, North Carolina und anderen Teilen des Südens hochgekommen und hatten ihre Traditionen, Traumata und Talente mitgebracht – einige davon uralt, afrikanisch und mystischen Ursprungs.

Nana Reese und ich fanden uns, kurz bevor die Hölle richtig losbrach. Das Donnergrollen von Flüchen, Fäusten und Füßen übertönte alle anderen Geräusche, deshalb bekam ich nicht mit, als die Cops hereinstürmten.

Ich wusste nicht, ob sie uns helfen oder umbringen würden. Zwei Schwarze, gewalttätige Männer auf Long Island in den Siebzigern – da trafen Polizei und Hilfe selten in derselben Person ein. Im Gegenteil, Gewaltausbrüche wurden durch die Anwesenheit der Polizei meist nur verkompliziert und verschärft. Das hat sich bis heute nicht geändert, doch damals wurde ich zum ersten Mal damit konfrontiert. Ich hatte noch keinerlei Erfahrung, die mir in dieser Situation hilfreich gewesen wäre; tatsächlich hatte ich gar nichts, was mir irgendwie hilfreich gewesen wäre. Meine Großcousine Lavinia, Nana Reeses Tochter, sagte immer: »Schwarz zu sein bringt für euch Kids nur Bürden mit sich, gar keinen Nutzen.« Erst viel später verstand ich, wie viel Wahrheit in dieser Beobachtung lag.

Natürlich war es nicht das erste Mal, dass mein Vater und mein Bruder derart aneinandergerieten – solange ich denken kann, war ihre Beziehung ein Krisengebiet. Doch bisher war nie die Polizei gerufen worden. Bisher hatte ich nie über die Möglichkeit nachgedacht, dass ein Mitglied meiner Familie auf grausame Art und Weise vor meinen Augen sterben könnte. Oder dass ich sterben könnte. Ich war noch keine vier Jahre alt.

Bevor meiner Mutter und meinem Vater ihre Ehe unerträglich wurde, lebten sie zusammen in Brooklyn Heights. Schon seit 1910 hatte sich die Boheme in dieser Nachbarschaft niedergelassen, und die Fünfzigerjahre brachten eine Welle von Aktivisten – linkspolitische, wohlhabende Stadtmenschen, die auf gar keinen Fall in die Vorstädte wollten. So war der Stadtteil in den Siebzigern noch immer eine bunte Mischung, darunter auch viele Familien der Arbeiter- und Mittelklasse. Es war noch vor den Yuppies und der Gentrifizierung. Wenn es damals überhaupt einen Ort gab, an dem eine junge Familie mit einer weißen Mutter und einem Schwarzen Vater nicht schräg angesehen wurde, dann am ehesten in Brooklyn Heights.

Während meiner Kindheit lebte ich an vielen, dubiosen Orten, vor allem eben auf Long Island – ich fühlte mich immer wie eine Schiffbrüchige auf dieser Insel vor Manhattan. Meine Eltern arbeiteten beide sehr hart, damit wir in Gegenden wohnen konnten, in denen wir zumindest einen flüchtigen Blick auf das schwer fassbare »bessere« Leben werfen konnten, in denen wir uns »sicher« fühlen durften. Nach konventioneller Auffassung darf man »besser« und »sicher« getrost mit »weiß« übersetzen.

Doch wir waren keine konventionelle Familie. War es besser, wenn meine Mutter allein und als Erste das Haus verlassen musste, vor meinem Schwarzen Vater und ihren Kindern, die weder Schwarz noch weiß waren – zu ihrer Sicherheit? Wie wirkt sich das auf die Psyche eines Mannes aus, der doch der Familienvorstand sein wollte? Wie soll dieser Mann seine Familie beschützen? Und was signalisiert diese Würdelosigkeit seinem Schwarzen Sohn?

Nachdem die Polizisten meinen Vater und Bruder endlich voneinander getrennt hatten, wenn auch unter erheblichem Gebrüll, waren alle noch am Leben. Der gefährlichste Teil des Sturms war vorübergezogen, der Donner war verklungen. Ich erinnere mich nur noch, dass ich weinend und zitternd in Nana Reeses Armen lag. Sie hatte mich wie ein Bündel Wäsche aufgeklaubt und sich mit mir auf das »Schaukelsofa« gesetzt, so nannten wir Kinder die billige, wacklige Konstruktion, deren Bezug die Farbe von Staub, Rost und Oliven hatte und von senffarbenen Flecken übersät war. Manchmal glaube ich, dass ebendiese Couch für meine spätere Vorliebe für Chanel verantwortlich war. Wir Kinder nannten sie das »Schaukelsofa«, weil ihr ein Bein fehlte, und wenn man sein Gewicht von vorne nach hinten verlagerte, dann, ja, schaukelte sie eben ein wenig. Ein ehrenwerter Versuch, kaputte Dinge mit Humor zu bedenken, ein Talent, das ich mit meinem Bruder und meiner Schwester teile. Und inmitten dieser Gewalt spendete dieses traurige Sofa mir unheimlich viel Trost.

Nana Reese drückte mich fest an sich, bis meine kleine Gestalt nicht mehr zitterte und mein Atem wieder normal war. Aus der Desorientierung erwacht, kehrte ich zurück in dieses Zimmer, in meinen Körper. Sie hob mein Gesicht zum Licht, sodass ich ihr in die Augen sehen musste. Sie legte ihre zarte Hand fest auf mein Bein, und ihre Berührung brachte das Nachbeben, das mir noch immer durch die Adern jagte, zur Ruhe. Sie sah mich an, wie ich noch nie angesehen worden war, ihr Blick war nicht der einer Großtante, Mutter oder Ärztin. Stattdessen kam es mir vor, als würde sie direkt in meinen Kern sehen. In diesem Moment war ich kein verängstigtes kleines Mädchen mehr und sie keine tröstende Frau. Wir waren zwei Seelen, zeitlos und ebenbürtig.

»Hab keine Angst vor all dem Streit vor deinen Augen«, sagte sie. »All deine Träume und Wünsche werden für dich wahr werden. Denk immer daran.«

Mit ihren Worten strömte liebevolle Wärme aus ihrer Hand in mein Bein, verteilte sich in sanften Wellen in meinem gesamten Körper, stieg hoch in meinen Kopf und aus ihm heraus. Ein Weg war durch die Zerstörung bereitet worden; ich wusste, da war Licht. Und irgendwie wusste ich auch, dass dieses Licht mir gehörte und auf Dauer währen würde. Vor diesem Moment hatte ich keine Träume gehabt, an die ich mich entsinnen könnte, und nur sehr wenige Erinnerungen. Ganz zu schweigen von Wünschen oder einem Lied in meinem Kopf.

Ab meinem vierten Lebensjahr, nachdem meine Eltern sich scheiden ließen, sah ich Nana Reese nur noch selten. Die Familien meiner Mutter und meines Vaters lagen im Streit, und da ich bei meiner Mutter lebte, war ich meist ausgeschlossen von Nanas Leben voller...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2021
Übersetzer Constanze Wehnes
Zusatzinfo m. 16 S. Bildteil
Sprache deutsch
Original-Titel The Meaning of Mariah Carey
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte All I Want for Christmas • Alltagsrassismus • Autobiografie • Biografie • Biographien • eBooks • Geschenk Weihnachten • Große Stimmen • Kunst • Musik • New York • Sängerin • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-641-28083-4 / 3641280834
ISBN-13 978-3-641-28083-3 / 9783641280833
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