Zwischen brennenden Welten (eBook)
624 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45620-0 (ISBN)
Die Bücher von JESSICA BRODY wurden in über 23 Ländern übersetzt und veröffentlicht. Nach ihrem Abschluss am Smith College im Jahr 2001 arbeitete sie für die MGM Studios als Managerin für Akquisitionen und Geschäftsentwicklung. Im Mai 2005 gab Jessica ihren Job auf, um ihrem Traum, eine veröffentlichte Autorin zu werden, zu folgen. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Hunden in der Nähe von Portland, Oregon.
JOANNE RENDELL ist Autorin von drei Romanen und promovierte in englischer Literatur. Sie unterrichtet Romane für Jugendliche und Kinder und ist Vorstandsmitglied der youth Shakespearecompany, New Genesis Productions. Joanne lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn zwischen New York City und New Paltz, New York. Die Bücher von JESSICA BRODY wurden in über 23 Ländern übersetzt und veröffentlicht. Nach ihrem Abschluss am Smith College im Jahr 2001, arbeitete sie für MGM Studios als Manager für Akquisitionen und Geschäftsentwicklung. Im Mai 2005 gab Jessica ihren Job auf, um ihrem Traum, eine veröffentlichte Autorin zu werden, zu folgen. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Hunden in der Nähe von Portland, Oregon.
Kapitel 1
MARCELLUS
Marcellus Bonnefaçon bewegte sich wie ein Schatten unter Schatten. Er duckte sich unter Kabeln hindurch und huschte um leere, rostige Käfige herum, die weit offen standen wie unheimliche, hungrige Mäuler. Mit jedem Schritt durch die verlassene Mine schlug sein Herz schneller, fühlte er sich mehr wie der Verräter, zu dem er geworden war.
Wie sein Großvater es immer vorhergesehen hatte.
Du hattest recht, Grand-père. Ich bin genau wie mein Vater.
Regentropfen spritzten aus den Pfützen am Boden auf, als Marcellus einen umgestürzten Förderturm umrundete, der verbogen und verrostet auf dem unebenen Boden lag. Die alte Kupfermine war seit siebzehn Jahren nicht mehr in Betrieb, doch es fühlte sich an, als stünde sie schon seit Jahrhunderten leer. Es war ein unheimlicher und unheilvoller Ort mit endlosen Reihen klaffender Schachteingänge, düster und leer wie schwarze Löcher in einer Galaxie. Vor zwei Wochen noch wäre Marcellus vielleicht umgekehrt. Vor lauter Furcht wäre er zurück in seine extravaganten, hell erleuchteten Zimmer im Grand Palais geflüchtet. Doch das war vorbei. Wie hätte er einen Rückzieher machen können, wenn ihm der winzige rote Sarg des Premier Enfants noch so frisch in Erinnerung war? Wenn der blaue Fleck an seinem Brustkorb immer noch schmerzte?
Alles hatte sich verändert. Seine Sinne waren geschärft. Er sah, hörte und roch intensiver. Seine Augen waren endlich weit geöffnet.
Und die Welt hatte sich rot gefärbt.
Ein dunkles, blutiges Rot.
Die Farbe des Todes. Die Farbe des Zorns. Die Farbe des Feuers.
Aber du lagst auch falsch, Grand-père. Ich kann mich nämlich wehren.
Während Marcellus sich einen Weg an einer alten Aufbereitungsanlage entlang bahnte, erhaschte er einen Blick auf sein eigenes Spiegelbild in der metallenen Außenverkleidung der Maschine. Vor Schreck wäre er beinahe zusammengezuckt. Er erkannte sich kaum wieder. Der junge Mann, der ihn von der verzogenen Wand anstarrte, war viel zu ungepflegt. Zu rebellisch. Er war nicht mehr der konservative, gehorsame Offizier, zu dem sein Großvater ihn in den letzten achtzehn Jahren erzogen hatte.
Bevor Marcellus an diesem Abend den Grand Palais verlassen hatte, hatte er sich das Gel aus dem dicken dunklen Haar gewaschen, sodass es nun lockig und zerzaust war. Er hatte den gestohlenen Minenmantel angezogen und Schlamm auf seine Wangen und seinen Hals geschmiert. Eine gute Tarnung. Diesen Trick hatte ihm eine Fret-Ratte beigebracht. Jemand, den er einmal gekannt hatte.
Doch gerade versuchte er, nicht an Chatine Renard zu denken.
Zumindest nicht allzu viel.
Marcellus sah zum Himmel auf, in der Hoffnung, einen Blick auf den Mond zu erhaschen, der das Gefängnis beherbergte. Doch er sah nichts als eine düstere, wogende Masse. Die ewige Wolkendecke Laterres machte es unmöglich, je etwas anderes zu sehen.
Es gab keine Sols. Keinen Mond. Kein Licht. Es war ein Himmel ohne Sterne.
Doch heute Nacht brauchte Marcellus weder die Sterne noch den Mond, um seinen Weg zu finden. Dafür hatte er sein Feuer. Eine rot glühende, heiße Flamme, die tief in seinem Inneren entzündet worden war. Und er war sicher, dass sie nie wieder erlöschen würde.
Außerdem hatte er natürlich Anweisungen erhalten. Mysteriöse Worte, die auf einem Blatt Papier standen. Worte, die ihn in den frühen Morgenstunden zu dieser verlassenen Mine gelockt hatten.
Ich treffe dich am Anfang vom Ende.
Marcellus folgte einem schmalen Pfad durch eine Ansammlung zerfallener Gebäudeüberreste. Hier türmte sich haufenweise Schutt: einsame Stiefel, zersplitterte Helme, verwesende Jacken, eine blutbesudelte Rollbahre.
Manche Leute glaubten, dass es in der alten Kupfermine spukte. Dass die Geister der sechshundert Arbeiter, die bei dem Bombenattentat vor siebzehn Jahren ums Leben gekommen waren, immer noch hier waren. Ewig unter der Erde gefangen.
Marcellus wollte das nicht glauben. Doch als er durch diesen verlassenen Ort lief, verstand er, warum nie jemand herkam.
Tod, Trauer und verlorene Lebenszeit suchten diesen Ort heim.
So etwas wollte niemand sehen.
Doch Marcellus musste es sehen.
Diese Mine war der Grund, warum sein Vater, Julien Bonnefaçon, die letzten siebzehn Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hatte.
Die mysteriösen Anweisungen hatten Marcellus genau hierhergeführt. Dessen war er sich sicher.
Der Anfang vom Ende. Für seinen Vater. Für die Vangarde. Für die Rebellion im Jahr 488.
Die unheimliche Stille wurde plötzlich von hallenden Schritten durchbrochen. Panisch zog Marcellus sich die Kapuze seines gestohlenen Mantels über den Kopf und duckte sich in einen der rostigen Metallkäfige. Das Tragseil über seinem Kopf knarrte und quietschte. Marcellus’ Magen machte einen Satz, als er einen Blick in den zweihundert Mètre tiefen Schacht unter sich warf. Er sog scharf die Luft ein und verhielt sich so still wie möglich, in der Hoffnung, dass die Schritte nicht zu einem Androiden gehörten.
Es bedürfte nur eines einzigen Scans, und seine Verkleidung würde auffliegen. Seine biometrischen Daten würden sofort erkannt werden. Seine Identität aufgedeckt. Und dann wäre alles vorbei. Die riskante Aufgabe, die vor ihm lag, wäre dann nicht mehr wichtig. Nichts wäre dann noch wichtig, denn er würde sich kurz darauf in der Bastille wiederfinden. Auf dem Mond mit all den anderen Verrätern.
Die Schritte kamen immer näher. Marcellus lauschte in die Dunkelheit, sein Herz hämmerte in seiner Brust. Er spähte unter seiner Kapuze hervor und versuchte zu erkennen, woher das Geräusch kam, doch plötzlich wurde es wieder still.
Hatte er es sich nur eingebildet? Das hätte ihn nicht sonderlich überrascht. Nach den Ereignissen der letzten paar Wochen hatte er sich alle möglichen grässlichen Dinge ausgemalt. Seine blühende Fantasie hielt ihn nachts wach. Seit der Trauerfeier hatte er kaum geschlafen.
Eine feuchte Brise zerrte an seinem Mantel. Als er ein leises Quietschen ganz in der Nähe hörte, trat Marcellus aus dem klapprigen Käfig heraus und kniff die Augen zusammen, um etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Er konnte gerade so eine kleine, baufällige Hütte ausmachen, deren Tür schief in den Angeln hing und leicht hin und her schwang. Marcellus schob die kalten, zitternden Finger in seine Manteltasche und zog eine kleine Packung Streichhölzer hervor. In der eisigfeuchten Luft schlug der erste Versuch fehl, doch beim zweiten Mal stoben Funken auf und verwandelten sich rasch in eine hell leuchtende Flamme. Marcellus schirmte sie mit einer Hand ab und hielt das Licht in Richtung der Hütte, bis er eine mit Schlamm auf die Tür gemalte Markierung entdeckte.
Zwei schräge Linien zogen sich wie ein Trichter nach unten und trafen sich schließlich in der Mitte.
Der Buchstabe V, erinnerte Marcellus sich aufgeregt. Er war also am richtigen Ort.
Das Dach des Gebäudes war eingefallen, und die rostigen Wände schienen sich unter dem auffrischenden Wind zu biegen. Marcellus stieß die marode Tür auf und trat ein.
Die Schatten verschlangen ihn. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dann sah er sie.
Sie saß auf einer Holzbank, die Hände im Schoß verschränkt, den Kopf so gedreht, dass Marcellus ihr Profil erkennen konnte. Ein Gesicht, das in seinen dunkelsten ebenso wie in seinen hellsten Erinnerungen wohnte. Als sie sich ihm zuwandte, verzogen sich ihre Lippen zu einem warmen, vertrauten Lächeln. »Marcellou. Ich hatte gehofft, du würdest kommen.«
Marcellus’ Knie gaben nach. Er sank vor seiner ehemaligen Gouvernante zu Boden, als ihn auf einen Schlag all die Gefühle überkamen, die er in den letzten sieben Jahren unterdrückt hatte. Wut, Frust, Verrat, Bedauern, Reue und Sehnsucht.
Letztere überlagerte alles andere. Mabelle war als Verräterin des Régimes gebrandmarkt worden. Als Spionin des Feindes. Es war ihm nicht erlaubt, sie zu vermissen oder etwas anderes als Hass für sie zu empfinden. Aber, bei den Sols, wie sehr er sie vermisst hatte.
Es gab so viel zu sagen, doch während er vor ihr kniete, konnte er nichts anderes hervorbringen als: »Es tut mir leid, es tut mir so leid.«
Wofür entschuldigte er sich? Dafür, dass er sie wie eine Kriminelle behandelt hatte, als er sie vor drei Wochen in Montfer getroffen hatte? Dass er die Lügen seines Großvaters über sie geglaubt hatte, obwohl sie sein Herz zerfetzt hatten? Dass er sie an jenem Tag vor sieben Jahren nicht gerettet hatte, als die Androiden sie fortschleppten?
Er kannte die Antwort.
Für all das.
Und noch mehr.
Da spürte er Mabelles Hand auf seinem Kopf. Sanft und beruhigend. »Ist schon gut, Marcellou. Es ist alles gut.« Für den Bruchteil einer Sekunde verpuffte die Wut, die mittlerweile ständig in seinem Inneren wütete. Er fühlte sich sicher. Er fühlte sich geborgen. Die klapprige und windgepeitschte Hütte hatte sich in einen warmen Ort verwandelt, einen vertrauten Ort voller Liebe und Licht. Plötzlich war er wieder der kleine Junge, der zu Mabelles Füßen spielte, während sie ihm aus einem der Bücher vorlas, die sie in den Palais geschmuggelt hatte.
»Weiß jemand, dass du hier bist?«, fragte Mabelle in plötzlich ernstem Tonfall. »Ist dir jemand gefolgt?«
Marcellus dachte kurz an die Schritte, die er zuvor gehört hatte. Inzwischen war er allerdings überzeugt, sie sich nur eingebildet zu haben.
»Nein.«
»Bist du sicher?«, fragte Mabelle. »Der General hat überall auf dem Planeten Spione, die für ihn arbeiten.«
So schnell zerplatzte die Seifenblase. Marcellus wurde...
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2021 |
---|---|
Reihe/Serie | Die Rebellion der Sterne | Die Rebellion der Sterne |
Übersetzer | Carina Schnell |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Aufstand • dystopie Bücher • dystopie romane • Dystopische Romane • Liebe • Rebellion • science fiction bücher • Science Fiction Neuerscheinungen 2021 • Science Fiction Weltall • Unterdrückung • Weltall |
ISBN-10 | 3-426-45620-6 / 3426456206 |
ISBN-13 | 978-3-426-45620-0 / 9783426456200 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,2 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich