Das Orakel in der Fremde (eBook)
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99932-8 (ISBN)
James A. Sullivan wurde 1974 in West Point (Highlands, New York) geboren und wuchs in Deutschland auf. Er studierte Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Köln. Gemeinsam mit Bernhard Hennen schrieb er einen der erfolgreichsten Fantasyromane aller Zeiten, »Die Elfen«. Nach dem Bestseller »Nuramon« folgten mehrere Science-Fiction-Romane, bis er 2022 mit der Dilogie »Die Chroniken von Beskadur« in die High Fantasy zurückkehrte.
James A. Sullivan wurde 1974 in West Point (Highlands, New York) geboren und wuchs in Deutschland auf. Er studierte Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Köln. Gemeinsam mit Bernhard Hennen schrieb er einen der erfolgreichsten Fantasyromane aller Zeiten, "Die Elfen". Es folgten der Bestseller "Nuramon" und sein Science-Fiction-Epos "Chrysaor". Zuletzt erschien sein Roman "Die Stadt der Symbionten".
Ilbengrund
Inmitten der Festgesellschaft wanderte Jerudanas Blick immer wieder zu dem schmalen Haus hinüber, das sich zwischen den Palast und den Turm der Gelehrten schmiegte. Vor dreiunddreißig Jahren hatte sie Ardoas’ Leichnam hierhergebracht und die Beerdigung miterlebt. Das Haus ihres einstmaligen Geliebten wirkte zwischen den aufragenden Prachtbauten bescheiden und versteckte die Bedeutung, die es für diesen Ort und die ganze Gemeinschaft aus Elfen, Zwergen und Feenwesen einnahm.
Jerudana war der einzige Mensch hier. Ilbengrund war eine Siedlung der Elfen, in der aber auch Feen lebten – in den kleinen Gebäuden, die am Waldrand wie Pilze an den Birken zu haften schienen. Zwerge sah Jerudana nur wenige. Der Magier Glosstor war da, der sie einst mit Zordura, Ardoas’ Tante, in Beskadur besucht hatte und ihnen im Kampf gegen die Erluniden beigestanden hatte. Der alte Magier, der sein kindliches Gesicht nicht ganz unter dem langen Bart verstecken konnte, hatte ihr von den Geschehnissen in den Zwergenreichen erzählt, und sie hatte ihm im Gegenzug berichtet, was in Beskadur vorgefallen war.
Während hier unten um die große Linde herum die Gäste miteinander plaudernd auf Ardoas warteten, erschienen oben auf einem der blumengeschmückten Balkone des Palastes Ardoas’ Eltern – Elwaree und Yordoas. Das Fürstenpaar schaute mit hoffnungsvollen Mienen auf die Vorbereitungen, und die Sorge vergangener Zeiten schien vergessen zu sein. Ardoas’ Eltern präsentierten sich wieder einmal in Kontrasten – Elwaree die Kriegerin mit hellem Haar und heller Haut in dunkler Rüstung; Yordoas der Zauberer mit dunklem Haar und dunkler Haut in heller Robe.
Immer wieder kehrte Jerudanas Blick zu dem schmalen Haus zurück, in dem einst die legendäre Elfe Naromee gelebt hatte. Dort hinter verschlossener Tür wartete Ardoas auf die Feier seines zweiunddreißigsten Geburtstags.
Er war die achte Inkarnation der Elfe Naromee. Ihre Erinnerung zu entfesseln war im letzten Leben sein Ziel gewesen, und auch in diesem würde er danach streben, damit er die verloren gegangene Seelenmagie wiederentdecken und der Gemeinschaft zur Verfügung stellen konnte.
Sechsundfünfzig Jahre war Jerudana nun alt, und sie hatte diese Zeit mit Daludred und all den anderen durchlebt. In ihrer Gemeinschaft waren Kinder herangewachsen – die drei, die sie mit Daludred hatte, und die der anderen. Was sie sich einst als Söldnerin gewünscht hatte, war Wirklichkeit geworden. In Beskadur war sie Teil einer Gemeinschaft, in der Vertrauen und Wertschätzung herrschten.
Die Elfe Dulvaree, die mit Jerudana aus Derothur hergekommen war, wo sie für eine Weile Zorduras Platz eingenommen hatte, saß unter der Linde, ganz in der Nähe der Tafel, an der Ardoas sitzen würde. Dort probte sie ihr Harfenspiel. Im letzten Leben war Dulvaree Ardoas’ Lieblingsmusikerin gewesen. Ihre Lieder bei der Beerdigung und der anschließenden Trauerfeier hatten Jerudana damals zutiefst berührt. Nun schaute Dulvaree lächelnd in das Geäst der Linde empor, wo sich Feen versammelt hatten und lauschten.
In der Nähe des Baums stand Obureen an einem der Tische, der mit kunstvoll gestaltetem Gebäck und zu Tieren und Blumen geschnitztem Obst gedeckt war, und sprach mit ihrer Familie. Mit ihr und zwölf Wachen der Beskadurischen Garde war Jerudana hergekommen. Sie hatten in Yannau bei Daludreds Schwester, Baronin Ardae, haltgemacht und waren auch bei Elusadra gewesen, der Baronin von Vaalburg. Und ebenso würde sie den beiden Baroninnen und ihren Familien auf dem Rückweg nach Beskadur einen Besuch abstatten.
Beim Blick über die Festgesellschaft fiel Jerudana eine Elfe in einer hellbraunen Rüstung auf, die wie Dulvaree einen faltigen Rock trug. Eine Kriegerin und eine Künstlerin schienen in ihr vereint. Sie war blass und hatte schwarzes Haar und blaue Augen. Es war Velbaree, die ihnen damals in Beskadur zu Hilfe gekommen war.
»Jerudana!«, sagte Velbaree mit einer von Erleichterung erfüllten Stimme und näherte sich lächelnd mit ihren drei Geliebten. Sie sah noch so aus wie damals. Nur das Haar war lang – so wie einst Jalmons, der das seine nun kurz trug. Coreldava, die sich früher den Kopf rasiert hatte, hatte ihre Locken wachsen lassen. Nur Odewyn hatte sich mit seinem kurzen grauen Haar, das sich deutlich von seiner braunen Haut abhob, überhaupt nicht verändert.
Sie waren vor mehr als zwanzig Jahren einmal mit Zordura und mit Daludreds Eltern nach Beskadur gekommen. Die Ängste, die Jerudana wegen der Ankunft ihrer sogenannten Schwiegereltern verspürt hatte, die deren Enkel kennenlernen wollten, war verschwunden, als sie Velbaree gesehen hatte.
»Du trägst ihn«, sagte Velbaree und schaute auf den Anhänger, den sie für sie geschnitzt und ihr damals nach Ardoas’ Beerdigung gegeben hatte. Das kleine Schmuckstück zeigte Jerudana und ihre beiden Geliebten. Ardoas war in der Mitte, sie und Daludred schmiegten sich an ihn. Sie teilten eine Decke oder einen Mantel – je nach Laune änderte sich Jerudanas Blick darauf. Die Figuren waren zu winzig, um detailliert zu sein, doch Velbaree hatte mit wenigen Kerben ihre Züge getroffen.
»Vielleicht sollte ich es nicht tragen«, sagte Jerudana.
Velbaree schluckte. »Nein, nein. Das ist gut.« Sie trug kein Zeichen, das an ihre Liebe zu Ardoana erinnerte, der sechsten Inkarnation Naromees.
»Hast du ihn seit unserem letzten Treffen gesehen?«, fragte Jerudana.
»Aus der Ferne«, sagte Velbaree. »Er war einige Male in Nalmenhain. Ich hatte Angst, Ardoana in ihm zu erkennen.«
Ardoas lediglich als Seelenbruder der früheren Inkarnationen zu sehen, das fiel Jerudana inzwischen schwer, wenngleich er es in seinem letzten Leben selbst oft getan hatte. Er hatte sich nicht auf eine Sicht festgelegt. Für sie aber waren Ardoas, Ardoana und Ardowyn – all die Inkarnationen – eine Person, die ein langes Leben führte, unterbrochen durch die Ruhezeiten zwischen Tod und Wiedergeburt. Sie und Daludred hatten dadurch einen Weg gefunden, der ihren Ardoas am Leben hielt. Vielleicht war es eine Illusion, und sie würden das durchmachen, was Velbaree durchgemacht hatte, als sie damals ihre Ardoana nicht in Ardoas wiedererkannt hatte.
Jerudana fragte Velbaree und ihre Gefährten, wie es ihnen ergangen sei, und sie erzählten von Abenteuern auf den Meeren des Südens. Coreldava hatte sich in der Magie des Windes geübt, und Odewyn war, wie er grinsend erzählte, mit seinem Versuch gescheitert, die anderen dazu zu überreden, mit dem Vermögen, das sie gemacht hatten, ein kleines Schiff zu kaufen. Jalmon erzählte von Kämpfen und Rivalitäten, vergeblichen Schatzsuchen und geglückten Befreiungsaktionen.
»Manchmal wünschte ich mir, mit euch ein solches Abenteuer durchgestanden zu haben«, sagte Jerudana. Aber sie hatte über die Jahre ihre eigenen Questen erlebt – wann immer sie die Spur der Erluniden aufgenommen hatte.
»Du bist immer bei uns willkommen«, sagte Velbaree.
»Danke«, erwiderte Jerudana und dachte an die Reise, die sie gemeinsam vor zwanzig Jahren mit Velbaree und deren Vertrauten gemacht hatte, während Daludreds Eltern in Beskadur gewesen waren und sie Abstand gewinnen wollte. Auf dem Weg nach Yerebal, von Daludred getrennt, hatte Jerudana sich dann einsam gefühlt, und Velbaree und ihre Geliebten hatten sie getröstet, indem sie ihr körperliche Nähe geschenkt hatten, die man außerhalb der Elfenkultur mehr mit Liebschaft als mit Freundschaft verknüpfte.
Mit einem Blick zu Ardoas’ Haus fragte Jerudana: »Wen werden sie zu ihm schicken?« Die Regeln besagten, dass eine Person an der Seitentür zwischen Fürstenpalast und dem schmalen Haus klopfen und Ardoas abholen sollte.
»Seinen Bruder«, sagte Velbaree.
»Lydon? Das sieht ihm gar nicht ähnlich.«
»Ich weiß. Aber er soll sich verändert haben. Einen jüngeren Bruder zu haben, das hat etwas in Lydon bewegt. Ich habe ihn in Derothur bei Zordura gesprochen, die heilsame Gespräche mit ihm führte.« Dass Lydon Ilbengrund verlassen hatte, um nach Derothur zu gehen, überraschte Jerudana.
Applaus erhob sich, und sofort wandten sich alle Blicke wieder dem schmalen Haus zu. Die Tür öffnete sich langsam, und zwei Elfen erschienen: Lydon und Ardoas. Sie ähnelten sich. Beide waren in grüne Gewänder gekleidet, beide hatten Lockenhaar, Lydon jedoch hatte...
Erscheint lt. Verlag | 27.1.2022 |
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Reihe/Serie | Die Chroniken von Beskadur |
Die Chroniken von Beskadur | Die Chroniken von Beskadur |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Abenteuer Fantasy • abgeschlossene Fantasy Reihe • Bernhard Hennen • Black lives matter • Buch • Bücher • deutsche Fantasy • Diverse Phantastik • Diversity • Elfen • Elfen Fantasy • Epic Fantasy • epische Fantasy • Fantasy Dilogie • Fantasy Neuerscheinung 2021 • found family • High Fantasy • Jemisin • Luftschiffe • Magie • Markus Heitz • Moderne High Fantasy • Nuramon • People of Color • progressive fantasy • Progressive Phantastik • Schwarze Protagonisten • Tolkien • Völker Fantasy • Völker-Romane • Zwerge |
ISBN-10 | 3-492-99932-8 / 3492999328 |
ISBN-13 | 978-3-492-99932-8 / 9783492999328 |
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