Das ewige Leben (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
220 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01141-8 (ISBN)

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Das ewige Leben -  Wolf Haas
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Besser als ein Loch im Kopf. Der Brenner sucht einen Mörder. Große Aufregung in der Sigmund-Freud-Nervenklinik in Graz: Einer der Hoffnungslosen, ein Selbstmörder, ist noch einmal zum Leben erwacht. Doch warum glaubt der Privatdetektiv Brenner felsenfest, die Kripo wollte ihn ermorden? Und das, obwohl nach dem Kopfschuss die Tage davor restlos aus seinem Gedächtnis gestrichen sind? Für den Psychiater liegt der Fall ganz klar: Akute Depressionen, ausgelöst durch die Rückkehr in die Heimatstadt Graz. Als sich Brenner aus dem Hospital stiehlt, hält man ihn für vollends verrückt. Doch Brenner hat eine wichtige Spur aus seinem Gedächtnis gefischt, die ihn zu einem ehemaligen Polizeischulfreund führt, der ihm helfen soll, den Mordanschlag aufzuklären. Und der könnte das tatsächlich - läge er nicht mit einem sauberen Kopfschuss tot auf dem Boden. Wird Brenner der Nächste sein?

Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Seine Brenner-Krimis erschienen ab 1996 in acht Bänden, zuletzt Brennerova (2014). Zuletzt erschien sein Roman Junger Mann (2018) bei Hoffmann und Campe. Wolf Haas lebt in Wien.

Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Seine Brenner-Krimis erschienen ab 1996 in acht Bänden, zuletzt Brennerova (2014). Zuletzt erschien sein Roman Junger Mann (2018) bei Hoffmann und Campe. Wolf Haas lebt in Wien.

Cover
Titelseite
Das ewige Leben
Über den Autor
Impressum

2 Und Recht hat er gehabt, dass er noch ein bisschen gewartet hat mit dem Reden. Weil mit dem Reden haben dann die Probleme für ihn erst richtig angefangen. Beim Aufwachen hat er im ersten Moment noch geglaubt, er ist in den Himmel gekommen, so eine starke Ähnlichkeit hat der Putzmann mit dem Jimi Hendrix gehabt. Und jetzt diese elendige Streiterei zwischen den beiden Kapazitäten.

Den Brenner hat es wahnsinnig belastet, wie er bemerkt hat, dass der Chirurg und der Psychiater sich derart um ihn streiten. Und da sieht man wieder einmal die gesunde Konstitution vom Brenner. Dass er das in seinem Zustand überlebt hat. Weil das war ein emotionaler Stress, Kugel nichts dagegen.

Ich glaube, manchmal hat es dem Professor Hofstätter schon fast Leid getan, dass er dem Brenner die Kugel so schön herausgefischt hat. Im Grunde hat ihm der Erfolg mit dem Brenner mehr Ärger als Freude bereitet. Ist ja überhaupt ein bisschen verhext, dass die Freude über einen Erfolg nie lange anhält. Einen Ärger kann man schön aufbewahren, der unterhält einen bis ans Lebensende, ja was glaubst du, aber Erfolg schnell beim Teufel. Und den Professor Hofstätter hat es eben wahnsinnig gewurmt, dass die Leute von einem Wunder gesprochen haben.

Sogar der GratisGrazer hat in der Überschrift groß »Wunder« gehabt und erst im Kleingedruckten »chirurgische Meisterleistung«. Und nur das langweilige Passfoto von ihm, nicht mit dem schwarzen Porsche, wie er gehofft hätte. Obwohl ich ehrlich sagen muss, da war der Professor Hofstätter vielleicht auch ein bisschen zu ehrgeizig. Sicher, er hat alles tadellos gemacht, da gibt es gar nichts. Aber trotzdem steht dir ein Hoffnungsloser nicht mehr auf, chirurgische Meisterleistung hin oder her. Ohne Wunder geht da gar nichts.

Im Grunde brauchst du sogar zwei Dinge zusätzlich zur chirurgischen Leistung. Erstens das Wunder, und zweitens, und damit wären wir schon ein bisschen beim Psychiater. Beim Dr. Bonati. Weil wenn ich sage, der Chirurg hat sich über den Brenner gefreut, dann muss ich natürlich auch sagen, der Dr. Bonati hat sich fast noch mehr über den Brenner gefreut.

Weil so ein schönes Beispiel, dass ein Selbstmörder hinterher alles abstreitet und behauptet, er hat es gar nicht selber getan, hat der Dr. Bonati überhaupt noch nie erlebt. Als Psychiater bist du natürlich eine gewisse Sturheit gewohnt, da ist noch der größte Esel stolz auf sein Unglück und will partout keinen Schritt zur Seite gehen, zu der Stelle, wo sein ganzes Glück auf ihn wartet wie bestellt und nicht abgeholt. Und trotzdem, so ein Sturschädel wie der Brenner ist dem Dr. Bonati in fünfzehn Jahren noch nicht untergekommen. Das musst du dir einmal vorstellen, schießt sich einer mit der eigenen Walther ein Loch in den Kopf, Testament und alles am Tisch, und hinterher behauptet er, ich war es nicht, die Grazer Kripo will mich beseitigen.

Du wirst sagen, warum hat er nicht mit seiner Glock geschossen, die er sonst verwendet hat, sondern mit dem uralten Walther-Verbau, den er seit den Polizeischultagen auf dem Dachboden im Puntigamer Großelternhaus versteckt hat. Und siehst du, das hat den Dr. Bonati nur umso sicherer gemacht, weil sentimentaler Waffengebrauch, und nicht die moderne Glock, sondern die verbaute Walther aus der Polizeischule, quasi Waffe der Kindheit.

Die ganze Diskussion natürlich erst ein paar Wochen, nachdem der Brenner aufgewacht ist. Erst wie der Brenner dann langsam mit dem Sprechen angefangen hat, quasi ganze Sätze. Und ganze Sätze immer gefährlich. Der Dr. Bonati hat seinen interessantesten Patienten bearbeitet, da war der Brenner richtig froh, dass er am linken Ohr noch nichts gehört hat.

Weil links hineingeschossen, das war ja sein bestes Argument gegen den Dr. Bonati, links schießt man sich nicht hinein als Rechtshänder. Aber der Dr. Bonati auch gutes Argument, pass auf: links hinein wegen der Migräne. Weil du darfst eines nicht vergessen. Mit der chirurgischen Meisterleistung ist es nicht getan, und mit dem Wunder allein ist es auch noch nicht getan, wenn du dir eine Kugel in den Kopf schießt. Du brauchst auch die Migräne, damit du aus alter Feindschaft falsch ansetzt.

Mit dem Wunder und mit der Migräne zusammen ist der Brenner noch einmal aufgewacht. Aber dann natürlich. Sitzen, stehen, gehen, hören, sprechen. Da hilft dir das Wunder nichts, da hilft dir die Migräne nichts, das musst du selber lernen. Sprich Training. Wochen und Monate kämpfst du da um jeden Zentimeter und um jeden Buchstaben. Wenn du Glück hast. Und wenn du Pech hast, Jahre, und du kannst immer noch nicht richtig gehen und sprechen.

Vom Sehen rede ich gar nicht. Weil natürlich, der Sehnerv. Der mag es gar nicht, wenn du ihm mit einer Kugel kommst. Gott sei Dank der Sehnerv vom Brenner nicht ganz kaputt, nur beleidigt, sprich, der Brenner hat zwar mit dem linken Aug einen etwas rötlichen und mit dem rechten Aug einen mehr grünlichen Dr. Bonati gesehen, aber eben doch eindeutig den Dr. Bonati. Und er war froh, dass er mit den Augen unterschiedliche Farben gesehen hat. Weil gute Ablenkung, die ganze Zeit heimlich vergleichen, links ein mehr rötlicher Psychiater, rechts ein eher grünlicher Psychiater, quasi Meditation. Rechts war der Psychiater grün vor Ehrgeiz, ist dem Brenner vorgekommen, links rot vor Wut auf den Brenner, weil der immer noch behauptet hat: »Die Kripo wollte mich beseitigen. Der Kripochef wollte nicht, dass ich nach Graz zurückkomme.«

Der Psychiater hat nur ungläubig den Kopf geschüttelt, bis der Brenner wild geworden ist.

»Glauben Sie, ich bin so blöd?«

Ich muss auch sagen, gutes Argument. Schließlich weiß heute jedes Kind, wie man sich korrekt umbringt, da wird dir schon im Kindergarten haarklein erklärt, wie die Tante sich die Überdosis in jahrelanger Kleinarbeit zusammengespart hat, die lernen schon im Kinderfernsehen, unbedingt in den Mund schießen, am besten vorher noch einen guten Schluck Wasser in den Mund nehmen, Mineralwasser oder Leitungswasser, das ist Geschmackssache, kann auch ein Fruchtsaft sein, Hauptsache ein Schluck Flüssigkeit, damit dir der Druck schön den Schädel zerreißt, aber ja nicht seitlich, sonst wirst du womöglich blind davon, weil der Sehnerv. Und darum sage ich, gutes Argument vom Brenner. Weil nach fünfundzwanzig Jahren im Polizei- und Detektivdienst kann man ein Mindestwissen in punkto Selbstmord in Anspruch nehmen, und so einer weiß einfach, wo er hineinschießen muss.

Und was sagt der Psychiater? Mit einem kalten Lächeln?

»Jaja, das lässt sich schon erklären, Herr Brenner.«

»Lässt sich schon erklären, Herr Brenner«, hat der Brenner wiederholt. Von der Logopädin war er es so gewohnt, dass er immer das Vorgesprochene nachsprechen muss, jetzt hat er einerseits vor lauter Wut den Psychiater nachgeäfft, andererseits vor lauter Verzweiflung die Situation ein bisschen verwechselt und wie bei der Logopädin das Gesagte wiederholt. Weil er hat jetzt schon gewusst, womit der Dr. Bonati wieder daherkommen wird. Da hätte man glauben können, der Brenner ist der Logopäde und der Dr. Bonati muss reden üben, mit so einer Beharrlichkeit hat der immer wieder dasselbe Argument wiederholt.

»Die Migräne, Herr Brenner«, hat der Dr. Bonati gesagt.

»Die Migräne, Herr Brenner«, hat der Brenner wiederholt.

Am meisten hat ihn geärgert, dass er dem Dr. Bonati das mit der Migräne überhaupt erzählt hat. Weil das hat sich der Brenner in den ersten Gesprächen herauslocken lassen, wo es am Anfang heißt, bitte die tausend Zettel schön ausfüllen, Herr Selbstmordkandidat, und welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig. Da hat er nicht lange herumgeredet und angegeben, dass eben die eine oder andere Kopfwehtablettenfirma ohne ihn schon längst in Konkurs gegangen wäre. Der Brenner hat geglaubt, er muss es sagen, damit sie ihm nicht die falschen Medikamente geben, weil das muss heute alles schön aufeinander abgestimmt sein, ja was glaubst du. Ist in deinem eigenen Interesse, vor allem, wenn du willst, dass dein Sehnerv die Welt vielleicht doch noch einmal ein bisschen gleichmäßiger einfärbt.

Links ein rötlicher Dr. Bonati, rechts ein grünlicher Dr. Bonati. Seine Gesichtsfarbe ist hin- und hergehüpft wie die reinste Ampel. Und wenn du das immer wieder probierst, fallen dir natürlich die anderen Sachen auch auf. Die Ohrläppchen vom Dr. Bonati angewachsen, sprich schlechter Charakter, keine einzige Querfalte auf der Stirn, aber drei Steilfalten, sprich Hintergedanken, und die Augenbrauen zusammengewachsen, sprich Alarmstufe rot.

Weil das ist in den Polizeischulbüchern noch so drinnen gestanden. Die Merkmale. Die Verbrechervisagen. Inzwischen natürlich nicht mehr, da sagt man ganz modern, man kann den Charakter nicht an den Ohrläppchen ablesen, und der Brenner hat das schon damals in der Polizeischule nicht geglaubt. Aber interessant, auf seine alten Tage sieht er, dass es doch stimmt, weil das Gesicht vom Dr. Bonati ist ihm beim Augenvergleich jedes Mal noch unsympathischer geworden, zuerst rot unsympathischer als grün, dann wieder grün noch unsympathischer als rot, dann wieder rot noch einmal unsympathischer als grün, und ewig so abwärts.

Schuld daran war natürlich nicht das Gesicht, sondern die Sachen, die der Psychiater gesagt hat. Weil alles, was dem Brenner am Anfang herausgerutscht ist, hat der Psychiater jetzt wieder ausgegraben und gegen ihn verwendet. Sprich, der Brenner hat sich seitlich genau da hineingeschossen, wo die Migräne ihn ein Leben lang gequält hat.

Ich kann die Verbitterung vom Brenner über diese Unterstellung schon verstehen, Selbstmordversuch, das schaut nicht gut aus im Lebenslauf. Und du darfst...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Brenner • Brenner Reihe • Ermittler • Graz • Humor • Koma • Kommissar • Krimi • Kriminalpolizei • Kriminalroman • Krimireihe • Krimiserie • Kripo • Nervenklinik • Österreichische Literatur • Privatdetektiv • Selbstmord • Serienmörder • Spannungsroman • Verbrechen
ISBN-10 3-455-01141-1 / 3455011411
ISBN-13 978-3-455-01141-8 / 9783455011418
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