EVA (eBook)

Herrschaft
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
520 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7521-3511-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

EVA -  Franziska Szmania
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Düster, realistisch und packend.

Ausgezeichnet mit dem 3.Platz des Tolino media Newcomer Preis 2021.

»Es war besser, als ich von alledem nichts wusste. Leichter. Jetzt warte und bange ich.«

Vor 200 Jahren hat die Insel Selvia sich vom Festland abgeschottet. Eine gewaltige Mauer wurde gebaut, um die Bevölkerung vor den massiven Unruhen auf dem Festland zu schützen.

Technisch und medizinisch hochentwickelt, ähnelt ihr gesellschaftliches System noch immer dem von vor 200 Jahren. Die Regierung unter Präsident Adam hält unangefochten an dem Herrschaftsrecht der Männer fest. »Nur wenn die natürliche Geschlechterordnung beibehalten wird, kann Frieden und Wohlstand herrschen.« (Präsident Adam in seiner Rede zum 200-Jährigen Jubiläum der Mauer)

Eva, Tochter eines Kaufmannes, steht kurz vor einem bedeutenden Ereignis in ihrem 16-jährigen Leben: der Heiratsmarkt. Der Preis, den sie erzielt, bestimmt ihren Wert und ihre Zukunft. Eine Rebellion stellt diesen Wert in Frage und ihr Leben auf den Kopf. Was ist noch wahr in einer Welt, in der nichts so scheint, wie sie es jahrelang geglaubt hat.

EVA Herrschaft ist Teil der Selvia-Reihe, kann aber eigenständig gelesen werden und ist in sich abgeschlossen.

Enthält Szenen mit Angst, Gewalt und Tod.

(Selvia-Reihe: EVA Herrschaft und MARTHA Anarchie)



Franziska Szmania entführt ihre Leser und Leserinnen in düstere Zukunftswelten. Ihre Geschichten handeln von Mädchen, die aus ihrem Alltag gerissen werden. Sie müssen nicht nur ums Überleben kämpfen, sondern auch eine Reise zu sich selbst antreten. Als Autorin spielt sie gerne mit den Schattenseiten des Lebens und einer Welt, in der nichts sicher ist und alles möglich sein könnte. Aber in der jeder Dunkelheit findet sie auch Licht und Hoffnung.

Franziska Szmania entführt ihre Leser und Leserinnen in düstere Zukunftswelten. Ihre Geschichten handeln von Mädchen, die aus ihrem Alltag gerissen werden. Sie müssen nicht nur ums Überleben kämpfen, sondern auch eine Reise zu sich selbst antreten. Als Autorin spielt sie gerne mit den Schattenseiten des Lebens und einer Welt, in der nichts sicher ist und alles möglich sein könnte. Aber in der jeder Dunkelheit findet sie auch Licht und Hoffnung.

10 Tage vor der Dunkelheit


Inmitten einer Mädchenschar schlendere ich durch den Eingangsbereich unserer Schule in den Innenhof. Ich habe heute die Ehre, den Morgenappell zu leisten. Es ist nicht das erste Mal, aber Fehler werden nicht toleriert. Ich wische meine schwitzigen Finger an meinem grauen Rock ab. Langsam macht sich Aufregung in mir breit. Mit einem Räuspern zwinge ich mir ein Lächeln auf mein Gesicht. Auf keinen Fall sollen mir die anderen die Anspannung anmerken. Ich wärme die Stimmbänder auf, indem ich einige Mitschülerinnen begrüße. Immer wieder werde ich angerempelt, daher zwinge ich meine Füße, schneller zu laufen. Vor der Tür zum Innenhof staut es sich. Mein Atem beschleunigt sich und ich versuche, mich zu beruhigen. Einatmen und langsam ausatmen.

Von der Menge der Schülerinnen nach vorne geschoben gehe ich wie aufgezogen weiter und halte Ausschau nach meiner besten Freundin, Rahel. Dabei fällt mir Lillit ins Auge. Wir waren einmal unzertrennlich, bis ihr Verhalten dafür gesorgt hat, dass mir jeglicher Kontakt zu ihr verboten wurde. Ich wette, heute steht sie nicht rein zufällig an der Tür zum Innenhof und bremst den Strom der Schülerinnen aus. Ich husche an ihr vorbei und hatte Recht. Sie hält ein Plakat in den Händen. Aus den Augenwinkeln versuche ich, die Schrift zur entziffern. ›Freiheitsberaubung ist gegen die Menschenrechte.‹ Spielt sie etwa wieder auf die Mauer und das Handelstor an? Ja, die Insel hat sich den Menschenrechten des Festlandes zu beugen. Das war eine Bedingung für die Aufnahme der Handelsbeziehungen. Die Abgeschiedenheit ist kein Käfig, sondern der Schutz vor unerwünschten Eindringlingen. Ich schüttle den Kopf. Sie wird es nie lernen. Wenn gleich die Aufseherinnen kommen, wird sie eine wirkliche Freiheitsberaubung erleben – zur Strafe eingesperrt in eine winzige Kammer ohne Licht. Ich war nie drin, man soll verrückt werden, wenn man länger als ein paar Minuten dort eingepfercht ist. Ich frage mich, warum der Direktor sie weiterhin toleriert. Die Regierung schreibt den Schulbesuch bis zum 14. Lebensjahr vor. Hat er Bedenken, die Tochter eines angesehenen Verwaltungsbeamten der Schule zu verweisen? Wie lange kann dieser Umstand sie schützen? Schulterzuckend lasse ich sie und ihr Plakat hinter mir zurück. Niemand soll mich mit ihr in Verbindung bringen.

Wie eine Mauer umfasst das Schulgebäude den Innenhof. Von Sonnenstrahlen beleuchtet, versammeln sich alle Mädchen um eine Bühne auf dem Betonplatz. Meine Datenverarbeitungsuhr, kurz DV-Uhr – eine technische Erfindung der Insel –, wird den Appell auf die DV-Uhren meiner Mitschülerinnen übertragen, damit ich in der letzten Reihe zu hören bin. Ich gehe die Rede im Kopf durch. Im Morgenappell huldigen wir unserer Regierung und ihrem System. Wie ehren Präsident Adam. Er wurde vor 10 Jahren gewählt und steht fest in seinem Amt. Die männlichen Bürger der inneren Ringe könnten eine Neuwahl beantragen, wenn sie unzufrieden sind. Aber es sieht nicht so aus, als ob das in den nächsten Jahren passieren wird. Nachdem wir den wichtigsten Männern der Insel gedankt haben, schwören wir uns auf unsere Rolle ein. Wir erinnern uns daran, wer wir sind: »Ich bin eine Inselfrau und stolz darauf.« Die Schule lehrt uns, eine gute Ehefrau zu sein, uns demütig zu verhalten. Damit wir tugendhaft, anständig und fürsorglich werden. Elegant und graziös sollen wir durchs Leben schreiten. Keine dieser Attribute fallen mir leicht oder wurden mir gar in die Wiege gelegt. Es war ein harter Weg bis hierher.

Mein Blick gleitet zu den vereinzelten Wölkchen und ich danke dem Einzigen und Wahren für einen blauen Himmel. Der Morgenappell wird jeden Tag abgehalten, ganz gleich, welches Wetter. Meine letzte Rede hielt ich im strömenden Regen. Es ist schwer, eine gute Miene zu wahren, wenn der ganze Leib vor Kälte zittert – ganz abgesehen von dem Gefühl, wie das Wasser mir den Rücken hinabläuft. Ich erinnere mich genau an den Anblick der Mädchen unter mir. Ein nasser Haufen Elend, der mutig dem Regen trotzte. Es wurden nur wenige bestraft, weil sie keine Haltung gezeigt hatten.

Jeden Moment erscheinen der Direktor und die Lehrer auf dem Hof. Mit einer Hand streiche ich den Rock glatt und versuche, das Pochen in meinem Magen zu beherrschen. Schultern zurück! Kinn nach vorn! Aufrecht stehen! Knie dezent gebeugt, Hände ineinanderlegen! Augen nach vorne! Heute noch gibt es Hiebe mit dem Stock, wenn meine Schulterblätter nicht ordnungsgemäß aneinander liegen.

Über unseren Handgelenken erscheint die Fahne mit dem Wappen der Insel: eine Welle, die auf ein Gebirge zurollt. Sofort stimmen wir gemeinsam die Nationalhymne an: »Wir danken unserem Präsidenten. Er ist unser Kopf und unser Verstand. Wir danken der Regierung und dem System. Sie schützen uns vor jeder Bedrohung und Angst. Wir danken unseren Vätern und Brüdern, durch ihre Gnade können wir überleben. Wir danken dem Einzigen und Wahren, der uns von unserer Sünde befreit und uns den Weg weist.« Mit dem Singsang im Hinterkopf beobachte ich, wie die Lehrerschaft ins Freie tritt. Das ist mein Zeichen. Ich betrete das Podium. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Bewegung und lasse den Blick eine Sekunde hinübergleiten. Rahel winkt mir zu. Sie dreht ihre Hand aus dem Gelenk sachte hin und her. Zaghaft. Damenhaft. Meine Augen fixieren das Mikrofon, doch ich spüre, dass mein linker Mundwinkel zuckt. Sie hat geübt.

Der letzte Ton verstummt. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Eine graue Masse, die sich kaum vom grauen Boden abhebt. Nur die unbedeckten Haare der unverheirateten Schülerinnen stechen wie zufällig verstreute Farbkleckse hervor. Die Lehrerinnen und Aufseherinnen verschwimmen dank ihrer grauen Haartücher zu einer einzigen Einheit.

Ich atme aus und fange an zu sprechen: »Verehrter Direktor, verehrte Lehrerschaft. Mitschülerinnen. Am heutigen Tage und an jedem zukünftigen Tag gilt unser Lobpreis der Insel. All unsere Ehrerbietung möge bis zur Regierung aufsteigen, sodass unsere Dankbarkeit von jedem Ohr in Selvia gehört werde. Durch das Erbauen einer Mauer werden wir seit jeher von der Insel und Regierung beschützt. Unruhe und Revolution sind uns erspart geblieben. Wir stehen fest und in Einheit, erleben die strahlende Lebensblüte und Wohlstand!« Inbrünstig betone ich jedes einzelne Wort, als hinge mein Leben davon ab. Ich fahre fort und füge einen Hauch Unheil hinzu. Hunderte Male habe ich das vor dem Spiegel geübt.

»Ein jeder von uns hat seinen zugewiesenen Platz. Das erkannten die großen Männer der Vergangenheit und behielten die natürliche Geschlechtertrennung bei. Nur dadurch sind wir alle das, was wir heute sind. Eine wohlgesittete und funktionierende Gemeinschaft. Als Kaufmannstochter weiß ich aus sicherer Quelle, wie schlimm die Zustände auf dem Festland sind. Vergewaltigungen und Mord gehören dort zur Tagesordnung. Mädchen und Frauen leben in ständiger Angst. Sie müssen Arbeiten leisten, die ihre Gesundheit gefährden. Nicht selten sind Frauen arm und sterben einsam.« Meine Stimme hallt über den Innenhof. Ich hoffe, dass sie den gewünschten Effekt erzielt. Durch die DV-Uhren klingt sie verzerrt, aber ich lasse mich nicht beirren: »Wir sind dankbar, Inselfrauen zu sein!« Das steht außer Frage. Mit diesen Worten schließe ich die Rede. Ich neige den Kopf und senke meinen Blick auf das Podium. In Gedanken zähle ich: ›22, 23, 24.‹ auch das habe ich ein Dutzend Mal geübt. Ich erhebe mein Haupt wieder. Früher habe ich meinen Kopf zu kurz gesenkt, zu früh aufgeblickt. Doch die Aufseherinnen und ihr Stock sowie meine Mutter haben viel Zeit damit verbracht, mir die nötige Demut beizubringen.

Es ist mucksmäuschenstill. Kein Applaus. Das wäre unangebracht. Bei den berühmtesten Morgenappellen des vergangenen Jahrhunderts – dort gab es tosenden Beifall. So steht es jedenfalls in den Geschichtsbüchern. In der Realität ist jeder Ausdruck von Leidenschaft unerwünscht. Eine Inselfrau hat sittsam und zurückhaltend zu sein. Bevor ich das Podest verlasse, stimme ich das Abschlussgebet an. Wie eine einzige Stimme hallen unsere Worte über uns hinweg in den Himmel. Keiner betet außerhalb des Rhythmus. Niemand tanzt aus der Reihe.

Mit gemischten Gefühlen steige ich singend die Treppe hinab. Ich hebe meine gefalteten Hände und drücke sie auf mein Schlüsselbein – erleichtert, es überstanden zu haben, es gut gemacht zu haben. Leer von den gesprochenen Worten. Ich weiß, es ist nicht das, was die anderen Mädchen empfinden, wenn sie eine Rede gehalten haben. Rahel platzt jedes Mal fast vor Stolz. Ihre Augen glänzen vor Freudentränen, die Wangen sind rosig – und ich frage mich, was das über mich aussagt.

Lautstark stimmt der Mädchen-Chor die letzte Strophe an. Aus meinen Gedanken gerissen zucke ich zusammen und blicke mich um. Flach atmend betrachte ich die Mädchen, die demütig nach unten schauen. Ich habe Glück. So ist mein unkonzentriertes Verhalten nicht aufgefallen. Ich fokussiere mich auf das Danklied für den Einzigen und Wahren.

Die Masse verstummt, meine Frage bleibt. Wieso fühle ich keinen Stolz, sondern nur diese innere Niedergeschlagenheit?

 

Die grauen Wände im Klassenzimmer rufen heute ein bedrückendes Gefühl in mir hervor. Nur wenig Licht fällt durch die Scheiben und lässt die Gesichter der anderen blass und fahl wirken. Die Fenster sind aus dem künstlichen Stoff der Variabilispflanze hergestellt und nicht derart durchsichtig wie Scheiben aus Glas. Aus der Zuchtpflanze lassen sich Rohstoffe für viele Materialien gewinnen. Angefangen bei Kunststoffscheiben über Kleidung hinweg bis hin zu Verpackungsmaterialien, ist sie für so gut wie alles brauchbar. Fast der gesamte Norden wird für die Anbaufläche der Kunstpflanze genutzt. Eine...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2021
Reihe/Serie Selvia-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Feminismus • Frauen • Freundschaft • Gewalt • Gleichberechtigung • Jugendbuch • Kinderbuch • Krimi • Liebe • Politik • Pubertät • Rebellion • Science Fiction • Spannung • Thriller
ISBN-10 3-7521-3511-5 / 3752135115
ISBN-13 978-3-7521-3511-4 / 9783752135114
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