Todeslied - Kira Lunds zweite Reportage (eBook)
350 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98832-2 (ISBN)
H. Dieter Neumann, Jahrgang 1949, war Offizier in der Luftwaffe der Bundeswehr. Nach seinem Ausscheiden als Oberstleutnant d. R. wurde der Diplom-Finanzökonom (BI) Vertriebsleiter und Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und schließlich Vorstand einer Dienstleistungsgenossenschaft. Danach erfüllte er sich seinen Lebenstraum, indem er einige Semester Neuere Deutsche Literatur studierte und sich ganz aufs Schreiben verlegte. Neumann hat sich der Spannungsliteratur verschrieben. Neben seinen Thrillern und Kriminalromanen hat er jedoch auch vier Sachbücher über Redewendungen veröffentlicht. Im Jahr 2018 wurde er mit dem Jurypreis des NordMordAward ausgezeichnet. Als passionierter Segler ist Neumann oft und gern auf dem Wasser. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsende Töchter und lebt in der Nähe von Flensburg auf dem Land.
H. Dieter Neumann, Jahrgang 1949, war Offizier in der Luftwaffe der Bundeswehr. Nach seinem Ausscheiden als Oberstleutnant d. R. wurde der Diplom-Finanzökonom (BI) Vertriebsleiter und Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und schließlich Vorstand einer Dienstleistungsgenossenschaft. Danach erfüllte er sich seinen Lebenstraum, indem er einige Semester Neuere Deutsche Literatur studierte und sich ganz aufs Schreiben verlegte. Neumann hat sich der Spannungsliteratur verschrieben. Neben seinen Thrillern und Kriminalromanen hat er jedoch auch vier Sachbücher über Redewendungen veröffentlicht. Im Jahr 2018 wurde er mit dem Jurypreis des NordMordAward ausgezeichnet. Als passionierter Segler ist Neumann oft und gern auf dem Wasser. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsende Töchter und lebt in der Nähe von Flensburg auf dem Land.
1
»Eine Katastrophe! Wenn Susanna nicht sofort hier erscheint, müssen wir die Generalprobe absagen! Wo steckt sie bloß?«
Wie oft Siegfried Sagebiehl, Chorleiter des Kammerchors canticum novum, diese Frage seinen Sängerinnen und Sängern schon gestellt hatte, hätte niemand von ihnen sagen können.
Ziemlich oft jedenfalls – und mit stetig wachsender Erregung. Mittlerweile hatte seine Stimme einen panischen Unterton angenommen, und dicke Schweißperlen glänzten auf seiner hohen Stirn.
Bereits vor einer halben Stunde hatten sie das Einsingen beendet. Sagebiehl war nichts anderes übrig geblieben, als ohne seine Solistin damit zu beginnen – »wir fangen schon mal an, sie muss ja jeden Augenblick kommen« –, denn nebenan im Saal sammelte sich bereits die kleine Besetzung des Südjütland Symphonieorchesters.
»Jana, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie mit ihr verabredet waren, nicht wahr?«
»Das stimmt«, gab die Sopranistin zurück, schnäuzte sich und krächzte: »Wir wollten uns um dreizehn Uhr im Bistro Grand Mère in der Sønder Havnegade treffen, um eine Kleinigkeit zu essen.«
Sagebiehl sah auf seine Uhr. »Das war ja schon vor vier Stunden! Mein Gott, da müsste sie inzwischen längst aufgetaucht sein, wenn sie sich bloß verspätet hätte.«
Jana Hellmann hob ratlos die Hände. »Ist sie aber nicht.«
»Du wolltest mit Susanna essen gehen?«, kam es mit einem spöttischen Unterton von dem jungen Rolf Schüssler aus dem Tenor. »Dann habt ihr euch also wieder vertragen?«
»Was soll das denn heißen?«, fuhr Jana auf.
»Na, ihr beide seid ja nicht gerade die besten Freundinnen. Ich wundere mich eben.«
Aus dem Bass ertönte Jochen Kramers sonore Falstaff-Stimme: »Hör auf zu stänkern, Rolf! Wir haben im Augenblick andere Sorgen.«
»Genau!«, rief Jana. »Was geht es dich eigentlich an, was ich mache?«
»Beruhige dich, war nicht böse gemeint.«
»Das Treffen war Susannas Idee«, erwiderte die Sopranistin aufgebracht. »Sie sagte, wir sollten mal miteinander reden. Keine Ahnung, was sie wirklich wollte. Jedenfalls ist sie nicht erschienen. Fast eine Stunde habe ich auf die gnädige Frau gewartet und immer wieder versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen. Erst bin ich nur auf ihrer Mailbox gelandet, und später hat sie das Gerät anscheinend ausgeschaltet.« Sie zuckte mit den Schultern und murmelte. »Eine Frechheit ist das.«
Sagebiehl rang die Hände und blickte in die Runde. »Kann sich das irgendjemand erklären? Warum wollte sie überhaupt allein nach Sonderburg fahren? Es war doch geplant, dass Fahrgemeinschaften gebildet werden.«
»Das hat ja auch prima geklappt«, sagte eine Frau aus dem Alt. »Wir sind mit wenigen Autos hergekommen. Nur lebt Susanna eben nicht in Flensburg und Umgebung. Fahrgemeinschaften sind schwierig, wenn man so weit weg wohnt. Sie fährt eigentlich immer allein, soviel ich weiß.«
»Was sollen wir denn jetzt …« Mit einer hilflosen Geste brach der Chorleiter ab. »Geht sie denn immer noch nicht ans Telefon?«
»Wir versuchen es fortwährend«, sagte Lena Haber, die erste Vorsitzende des Chors. »Aber ihr Handy ist ausgeschaltet. Auch die WhatsApp-Nachrichten gehen nicht durch.«
»Hat denn schon jemand bei ihr zu Hause angerufen?«, fragte Sagebiehl.
»Natürlich«, meldete sich Jana Hellmann wieder und schniefte ausgiebig. »Als sie nicht ins Bistro kam und ich sie auf dem Handy nicht erreichen konnte, habe ich auf dem Gut angerufen. Die Haushälterin ging ans Telefon und sagte, Susanna habe ihr am Morgen gesagt, sie müsse zu einer Chorprobe nach Dänemark und sei dann etwa um elf Uhr weggefahren.«
Lena Haber wandte sich an den Chorleiter: »Wir verstehen ja deine Besorgnis, Siegfried. Wir alle sind besorgt, aber ich fürchte, wir können im Moment nicht mehr tun.«
Resigniert senkte Sagebiehl den Kopf. »Eine Schande ist das«, sagte er leise. »Wir stehen vor der wichtigsten Generalprobe, die der Chor jemals hatte, und die Solistin fehlt. Ich fasse es einfach nicht!«
Vier Jahre hatte es ihn, der im Hauptberuf Professor für Musik an der Europa-Universität in Flensburg war, gekostet, das weltweit auftretende Sønderjyllands Symfoniorkester, das hier im Alsion seit dessen Einweihung im Jahr 2007 seine Heimat hatte, für ein Projekt zu gewinnen. Erst mithilfe des dänischen Konsuls in Flensburg war es ihm schließlich gelungen, den ebenso vielbeschäftigten wie anspruchsvollen Orchesterchef für canticum novum zu interessieren. Und zwar so erfolgreich, dass bald darauf der Zweite Konzertmeister der bekannten Musiker ein Weihnachtskonzert des Kammerchors im Dom zu Meldorf besucht hatte. Gleich nach der Aufführung zeigte sich der Mann sehr beeindruckt und sprach Sagebiehl noch in der Kirche seine Anerkennung aus.
Schon eine Woche später bekam der Chorleiter eine Mail aus Dänemark. Er möge gern einmal einen Programmvorschlag für ein geistliches Konzert mit dem kleinen Ensemble seines Orchesters im Alsion in Sonderburg machen, schrieb der Chef der berühmten Symphoniker höchstpersönlich.
Sagebiehl platzte fast vor Stolz über die Wertschätzung. Dennoch war ihm bewusst, dass dieses Projekt für canticum novum, einem Chor, der aus – wenngleich gesanglich ausgebildeten – Laien bestand, eine Herausforderung werden würde. Zumal der Konzertsaal des Alsion einer der akustisch besten in ganz Nordeuropa war.
Der Chor war bekannt für sein breites Repertoire, das von Klassik bis Pop reichte, und längst nicht alle waren von dem Gedanken begeistert, nun monatelang nur geistliche Chorsätze einzuüben. Aber die Chance, an einer solchen Stätte zusammen mit einem Weltklasseorchester aufzutreten, wollte sich natürlich niemand entgehen lassen. Nach intensiven Diskussionen einigte man sich schließlich auf ein Programm, das aus zwei Teilen bestand, dem Requiem in C von Charles Gounod und dem von Felix Mendelssohn Bartholdy vertonten 42. Psalm. Dass dieser Psalm ausgerechnet Wie der Hirsch schreit hieß, löste nicht nur deshalb unter den Chormitgliedern anhaltende Heiterkeit aus, weil einer der Tenöre Hansjörg Hirsch hieß, sondern auch, weil kaum jemand den gestelzten Bibeltexten aus längst vergangener Zeit etwas abgewinnen konnte. Für die Ohren moderner Menschen war dies eine allzu exaltierte Sprache. Das gelegentliche Feixen über den »schreienden Hirschen«, das »Wallen mit dem Haufen« und andere befremdliche Textstellen fand jedoch ein schnelles Ende unter den intensiven Proben und den hohen Anforderungen, die der Chorleiter dabei stellte. Beide Werke waren anspruchsvoll, und Sagebiehl machte allen unermüdlich bewusst, dass der Chor vor seiner bisher wichtigsten Aufgabe stehe.
Und jetzt das!
Ein Desaster: Die wichtigste Sopranistin fehlte bei der Generalprobe, und niemand wusste, wo sie war. Nicht nur dem Chorleiter stand inzwischen die blanke Panik ins Gesicht geschrieben. Alle waren unruhig geworden, warfen immer wieder verzweifelte Blicke zur Tür des Probenraumes.
Sie hatten bewusst zwei Stücke mit Solopartien für das Konzert gewählt, denn bei canticum novum gab es in jeder Stimme ein bis zwei Sängerinnen und Sänger, die diese Aufgabe meistern konnten. Der strahlende Stern des Chores aber war die Sopranistin Susanna von Hohenmarschen-Klamroth, eine Siebenunddreißigjährige mit langjähriger klassischer Gesangsausbildung.
»Wir müssen sofort eine Entscheidung treffen. Ich habe das Orchester vorhin um eine halbe Stunde Zeitaufschub gebeten, aber noch länger dürfen wir die Musiker auf keinen Fall warten lassen«, sagte Sagebiehl. Er sah Jana Hellmann in ihre geröteten Augen. »Jana, bitte! Wir brauchen Sie jetzt. Meinen Sie, Sie können Susannas Part übernehmen – selbstverständlich nur für diese Probe? Sie haben das doch drauf!«
»Unmöglich!«, protestierte die Angesprochene. »Ich kriege ja kaum einen Ton heraus. Bin sowieso nur hergekommen, weil ich mit Susanna den Termin ausgemacht hatte. Und selbstverständlich wollte ich bei der Probe mit Orchester anwesend sein, um zu wissen, worauf wir bei der Aufführung zu achten haben. Eigentlich gehöre ich ins Bett.«
»Ja, Sie haben natürlich recht«, erwiderte Sagebiehl verzweifelt und knetete wieder seine Hände. Tief sog er die aufgeheizte Luft in seine Lungen und wischte sich fahrig ...
Erscheint lt. Verlag | 28.4.2022 |
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Reihe/Serie | Kira Lund |
Kira Lund | Kira Lund |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Auftakt Serie • Deutsche Krimis • deutsche Spannung • Drakon • Eistauchen • Flensburg • Flensburger Förde • Grenzland Dänemark • Grenzlandkrimi • Helene Christ • Hobbyermittler • Inselkrimi • Kira Lund • Küstenkrimi • NordMordAward • Nord-Ostsee_Krimi • Nordseekrimi • spannende Bücher für den Urlaub • Spannungsroman • Tauchen |
ISBN-10 | 3-492-98832-6 / 3492988326 |
ISBN-13 | 978-3-492-98832-2 / 9783492988322 |
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