Danowski: Hausbruch (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00886-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Danowski: Hausbruch -  Till Raether
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Danowski dreht durch: Fast 24 Stunden war Hauptkommissar Adam Danowski in der Gewalt eines entflohenen Straftäters - ein fehlgeschlagener Einsatz, verursacht durch seine Kollegen Meta und Finzi. Nun muss er in einer Klinik kuren. Doch Therapie ist nicht so Danowskis Ding. Er schließt seltsame Bekanntschaften, schwänzt die Wassergymnastik und sitzt in der Beschäftigungstherapie ratlos vor einem Klumpen Ton. Vor allem eine Frau nervt ihn: Mareike Teschner. Sie hat genau die positive Glas-halbvoll-Art, die Danowski nicht ertragen kann. Erst als er bemerkt, dass Mareike von ihrem Mann misshandelt wird, beginnt er ihr zuzuhören. Eines Abends klopft sie bei ihm an und bittet ihn um Hilfe: Mareikes Mann liegt tot in ihrem Zimmer, ermordet...

Till Raether, geboren 1969 in Koblenz, arbeitet als freier Autor in Hamburg, u.a. für das SZ-Magazin. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans und war stellvertretender Chefredakteur von Brigitte. Sein Sachbuch «Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?» stand 2021 wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Romane «Treibland» und «Unter Wasser» wurden 2015 und 2019 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert, alle Bände um den hypersensiblen Hauptkommissar Danowski begeisterten Presse und Leser. Band 2 «Blutapfel» wurde vom ZDF mit Milan Peschel in der Hauptrolle verfilmt, weitere Danowski-Fernsehkrimis sind in Vorbereitung. Till Raether ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Till Raether, geboren 1969 in Koblenz, arbeitet als freier Autor in Hamburg, u.a. für das SZ-Magazin. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans und war stellvertretender Chefredakteur von Brigitte. Sein Sachbuch «Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?» stand 2021 wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Romane «Treibland» und «Unter Wasser» wurden 2015 und 2019 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert, alle Bände um den hypersensiblen Hauptkommissar Danowski begeisterten Presse und Leser. Band 2 «Blutapfel» wurde vom ZDF mit Milan Peschel in der Hauptrolle verfilmt, weitere Danowski-Fernsehkrimis sind in Vorbereitung. Till Raether ist verheiratet und hat zwei Kinder.

7. Kapitel


Danowski schob Backfisch im Bierteig über den Teller wie einen Toten im Schlafsack, der den Ausgang versperrte. Fisch mit Finzi, Ostseeblick. «Scholle & Meer». Der Appetit war ihm nicht vergangen, weil er keinen gehabt hatte.

Finzi in so einer zweifarbigen Sportjacke, das war doch würdelos. Fehlten nur noch die Nordic-Walking-Stöcke, fand Danowski. Er nahm sich übel, dass er seinen Freunden übelnahm, wenn er ihnen sein eigenes Alter ansah.

«Und?», sagte Finzi.

«Na ja», sagte Danowski.

Finzi nickte und kaute, Pannfisch. «Kannst du dich hier drauf ein…»

Danowski hob die Hand und ließ das Kinn sinken. Finzi hörte auf, kaute und nickte.

«Der Abschlussbericht ist da», sagte Finzi.

«Interessiert mich nicht», sagte er. Konnten nicht mal alle aufhören, sich um ihn zu kümmern.

«Meta und ich …» Finzi legte die Gabel hin. «Der Einsatz war falsch angelegt. Beruhend auf einer fehlerhaften Lagebeurteilung. Zu wenig Deeskalation vor Ort, die ganze Unklarheit über die juristischen Hintergründe …»

«Das ist mir bekannt», sagte Danowski. «Mein Reden.»

Jetzt hob Finzi die Hand, das fiel ihm zu schwer hier. Runter von der Ich-verarsch-dich-du-verarschst-mich-Ebene, auf der sie sonst alles regelten.

«Aber sie nennen es eine Verkettung von Umständen. Jeder einzelne Fehler hat passieren können und war nicht auf Nachlässigkeit oder menschliches Versagen zurückzuführen, sondern auf Fehleinschätzungen.»

«Kann man wohl sagen.» Danowski quetschte was ab vom Backfisch und steckte es sich in den Mund, um etwas zu tun zu haben. Finzi hatte die Hand gar nicht wieder runtergenommen. Als dirigierte er seine eigene Verlegenheit. Diese auswendig gelernte Sprache. Vielleicht entfernte man sich im Laufe der Jahre sowieso immer weiter voneinander, und das war einfach ein weiterer großer Schritt auf diesem Weg.

«Also Meta ist … Du weißt, dass das bei Meta und mir in der Diskussion bis zu vorläufiger Dienstenthebung ging, Einbehalt der Bezüge …»

«Suspendierung», sagte Danowski, der sich nichts weniger wünschte für Meta und Finzi. Und nichts mehr für sich, als endlich seine Ruhe zu haben und nicht jeden zweiten Tag Entschuldigungs- und Erklärungsbesuche.

«Also, das ist vom Tisch», sagte Finzi.

Danowski kaute den Fisch und fand ihn doch gar nicht so übel. «Das freut mich.»

Finzi nahm die Hand runter. «Echt?»

«Klar. Was hab ich davon? Was hätte irgendjemand davon? Darum geht’s doch gar nicht. Ehrlich. Ich …»

«Auf ’ne Art ist es fast schlimmer», sagte Finzi. «Also, für Meta.»

Bisschen Remoulade mit dem nächsten Bissen, dieser unklare, säuerliche Fertighausgeschmack.

«Die lösen Metas Taskforce auf.»

Danowski hörte auf zu kauen.

«Oh.»

Wie immer, wenn etwas Überraschendes geschah, war es aus seiner Sicht im Nachhinein absehbar gewesen. Paradox, aber ermüdend.

«Das ist der Preis, sozusagen. Die offizielle Lesart ist: Die Struktur der Taskforce war nicht geeignet für Einsätze dieser Art, das muss aus den Dezernaten und Kommissariaten kommen, das muss dann direkt im LKA koordiniert werden und nicht von einer Außenstelle.»

«Arme Meta», sagte Danowski. Die Taskforce Sexualisierte Gewalt: ein Thema, das Meta wichtig war, bei dem sie kompetent war. Verantwortung, Leute unter sich. Die Entführung vor zwei Jahren war für die Taskforce eigentlich glimpflich abgelaufen: das Opfer befreit, Täter gefasst. Leider hatte ihr pensionierter Ex-Chef Behling einen davon erschossen, mit einer Dienstwaffe von Danowski, eine von diesen alten Geschichten, die einen einholten, sobald man sie vergessen hatte. Ein Desaster also, und deshalb: keine gute PR. Wie sollte man erklären, dass ein pensionierter Polizist mit Demenz seine alten Kollegen stalkte und in einem laufenden Einsatz eine Waffe abfeuerte? Gar nicht. Also hatte Meta da nichts zu verbuchen gehabt. Seitdem machte die Taskforce Kleinkram, bis runter dahin, an Schulen zu gehen und mit Lehrer*innen über Missbrauch zu reden. Wichtig! Aber komplett nicht das, was Meta sich vorgestellt hatte, das wusste Danowski, weil er sie kannte und selten mit ihr sprach. Meta sagte Kolleg*innen, Leslie sagte Lehrer*innen, mit dieser charakteristischen Pause wie bei Spiegelei, manchmal versuchte er das auch, schüchtern. Er gewöhnte sich langsam daran.

Fremdes Blut auf seinem Körper. Das war seine letzte Erinnerung an den Einsatz vor drei Monaten, das letzte große Ding der Taskforce. Diese überraschende Wärme, aber nur im ersten Moment, und wie schnell das kalt wurde, dabei war die Sommernacht so lau, das Fenster ja nun offen. Aufgeschossen. Also, weggeschossen. Blut und er: jedes Mal überrascht vom metallischen Geruch, noch nach dreißig Jahren im Job. Na ja. Wie oft hatte er in der Zeit frisches Blut gerochen? Frisch war es selten.

«Adam?»

«Arme Meta.»

«Sagtest du bereits.»

«Und was wird jetzt aus ihr?»

«Zurück ins Glied», sagte Finzi und sprach das Wort mehrsilbig aus, um Danowski zu ärgern oder zu trösten, Geliehied. «Mordbereitschaft. Sie haben einen Deal gemacht. Mit Kienbaum.»

«Mit wem?» Warum war sein Glas leer. Das war ja nicht zu fassen. Bei den Namen mancher alter Kollegen bekam er sofort einen trockenen Mund. Kienbaum: definitiv ganz oben auf dieser Liste.

«Kienbaum leitet künftig die vierzehn, und der Deal war, dass er mich die letzten fünf, sechs Jahre nimmt. Bisschen demütigend. Und er hat sich Meta ausgesucht. Ein paar Leute waren überrascht. Aber ich versteh genau, was er will. Erstens ist Meta super …»

Danowski nickte. «Zweitens hat er mit euch zwei Gestrauchelte unter seiner Knute.» Kienbaum, die sprechende Lederjacke. Danowski würde nie vergessen, dass er statt Kienbaum in einen Kabelgang unterm neuen Elbtunnel hatte kriechen müssen, damit sie einen suizidalen Tatverdächtigen an den Füßen herausziehen konnten; Kienbaum war zu breit dafür gewesen, Kraftsport, Proteine, mittags immer Hüttenkäse am Schreibtisch, nach Dienstschluss erst mal zwei Stunden in den Kraftraum im Erdgeschoss vom Präsidium, Omelette ohne Eigelb. Einarmige Liegestütze, aber nicht in einen Kriechgang kommen. Es hatte eine Zeit gegeben, da fand er Kienbaum weniger schlimm als Behling. Aber Behling war weg. Jetzt war Kienbaum schlimmer.

«Was für eine Scheiße», sagte er, und es fühlte sich gar nicht schlecht an für ihn, denn es kam endlich von Herzen.

«Kann sein, dass er dich auch noch holt», sagte Finzi brutal, aber es sollte wohl tröstlich klingen.

«Kann ich mir nicht vorstellen», sagte Danowski, der sich in der Taskforce eigentlich ganz wohl gefühlt hatte. Er ging gern an Schulen. Keine Ahnung, was jetzt werden würde. Hauptsache nichts mit Kienbaum. Neues Leben. Vielleicht ganz was anderes. Außerhalb der Polizei. Ohne Polizei. Nicht Polizei. Unpolizei.

«Fragst du dich manchmal, warum so viel schiefgegangen ist bei unseren Sachen?»

«Es tut mir wirklich leid, Adam.»

«Ja, nee, das meine ich jetzt gar nicht. Ich meine, so insgesamt. Wir haben niemanden vor Gericht gebracht wegen der Impfgeschichte damals. Du wärst fast gestorben dabei. Wir mussten die Amerikanerin gehen lassen und hätten fast die falsche Frau vor Gericht gebracht beim Elbtunnelmord. Ich konnte ein weiteres Tötungsdelikt nicht verhindern in Friederikenburg, trotz dem ganzen Fallanalysezauber. Meta musste sich in Kassel aus den Händen eines Irren befreien, wobei, der war ja nicht psychisch krank, der war einfach … wütend mit einer Nagelpistole. Und am Ende der Schwimmbadentführung waren auch zwei Leute tot. Und jetzt diese Scheiße mit dem Schüller. Was ist das, Finzi?»

«Du bist vielleicht einfach kein guter Polizist, Adam», sagte Finzi, der hatte langsam wieder Oberwasser. Das war Danowski auch lieber. «Also, wir beide. Wir sind keine.»

«Sicher», sagte Danowski. «Aber die anderen sind ja auch nicht besser. Oder? Wer ist eigentlich gut? Wie macht man das gut? Merkst du was?»

Finzi beugte sich über seinen Teller, als wäre der ein Trog. Dann schob er ihn weg, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vorm Bauch und sagte über ein Aufstoßen: «Meta ist gut.»

«Ja», sagte Danowski. «Meta ist Meta.»

 

Als sie aufbrechen wollten, kam Danowski nicht hoch. Erst dachte er, mit dem Fisch wär was gewesen. Jenseits von Gut und Böse, hatte seine Mutter immer gesagt. Von der musste er hier in der Therapie wohl auch mal erzählen.

Aber stattdessen war er wieder in diesem Moment, als Schüller zu ihm gesagt hatte: Aufstehen, jetzt, und Danowski hatte gemerkt, dass ihm die Beine eingeschlafen waren. Weil er sich so darauf konzentriert hatte, Schüller davon abzulenken, dass der eine Waffe in der Hand hatte, die auf Danowski gerichtet war. Wer die Waffe vergaß, legte sie vielleicht irgendwann auf den Tisch oder ließ sie wenigstens sinken, um sich an der Nase zu kratzen. Oder oder. Wer die ganze Zeit an die Waffe in seiner Hand dachte, bekam womöglich irgendwann Interesse daran, sie zu benutzen. Jedenfalls waren Danowski über die Versuche, Schüller von dessen Waffe abzulenken, die Beine eingeschlafen, erst im vergeblichen Aufstehversuch merkte er, wie verkrampft er mit Schüller gesessen und ihm zugehört hatte, «wie weit nach oben» «das alles» ginge. Verkrampft, weil es um sein Leben ging. Und dann war das dieser eine Moment, in dem Schüller ihn berührte: Er schlug Danowski mit der Hand, die nicht die Waffe hielt, in den Nacken, auf so eine ganz merkwürdig beiläufige, fast...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2021
Reihe/Serie Adam Danowski
Adam Danowski
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Angela Lautenschläger • Blutapfel • Daniel E. Palu • Depression • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis • Glauser • Hamburg • Hamburg Krimi • Harz • Hauptkommissar • Häusliche Gewalt • Hochsensibel • Hypersensibel • Klinik • Kommissar • Krimi • Krimi Deutschland • Krimi lokal • Kriminalliteratur • Krimi Neuerscheinungen 2021 • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Kur • Kurschatten • last minute geschenke • Milan Peschel • Montagskrimi • Moral • Regionalkrimi • Romane Krimis • spannende Bücher • Therapie • Thriller und Krimis deutsch • Trauma • Vertuschung • ZDF
ISBN-10 3-644-00886-8 / 3644008868
ISBN-13 978-3-644-00886-1 / 9783644008861
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