Die Wölfe vor den Toren (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00485-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Wölfe vor den Toren -  Astrid Fritz
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Die Erfolgsserie um die Armenapthekerin Serafina aus Freiburg geht weiter. Februar 1418: Die Menschen leiden unter der beißenden Kälte. Erschreckend nah heulen des Nachts die ausgehungerten Wölfe und reißen die ersten Schafe. Dann fällt ihnen in dem Dörfchen Würi, gleich vor der Stadt, der junge Badersohn Jörgelin zum Opfer. Zum Schock gesellen sich Spukgeschichten über Werwölfe. Man hängt zur Abschreckung sogar einen Wolf an den Galgen. Das Töten geht weiter. Als die junge Heilerin Mia stirbt, kommen der Armenapothekerin Serafina und ihrem Mann, Stadtarzt Achaz, Zweifel, ob die Tiere für das Morden verantwortlich sind oder wer anders sein Unwesen treibt. Das erste Mal ermitteln sie als Ehepaar gemeinsam. In der Würi stoßen die beiden jedoch auf eine Mauer des Schweigens, der sie mit Spürsinn, Wissen und Hartnäckigkeit begegnen.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Turm aus Licht», «Der dunkle Himmel». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Turm aus Licht», «Der dunkle Himmel». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

Kapitel 3


Am selben Abend kehrte Adalbert frohgemut von seinem Hausbesuch bei Magnus Pfefferkorn zurück. Der seit dem schrecklichen Tod seines jüngsten Sohnes vor knapp drei Jahren sichtlich gealterte Kaufmann klagte seit geraumer Zeit über Kopfschmerzen und unerklärliche Schwindelanfälle. Heute nun hatte Adalbert endlich die Ursache gefunden: Pfefferkorn war alterssichtig geworden und musste sich lediglich Augengläser anfertigen lassen, die er dann allerdings trotz seiner Skepsis auch aufsetzen sollte.

Wenn doch immer so schnell geholfen werden könnte, dachte Adalbert und freute sich schon auf einen gemütlichen Abend am Herdfeuer. Als er die Salzgasse hinter sich gelassen hatte, schlug die Kirchturmuhr des Münsters zur sechsten Abendstunde. Sofort beschleunigte er seinen Schritt, da Irmla und Serafina ab diesem Glockenschlag mit dem Abendessen auf ihn warteten.

Doch daraus sollte nichts werden. Vor seinem Haus Zum Pilger entdeckte er im Schein einer Fackel eine hochgewachsene Gestalt, die prompt auf ihn zueilte.

«Medicus Adalbert Achaz? Seid Ihr das?» Der Mann klang aufgeregt.

Er war Adalbert völlig unbekannt. Mit dem dunklen Vollbart und dem langen Zottelhaar unter der Fellmütze sah er zudem nicht gerade vertrauenerweckend aus.

«Ja. Und wer seid Ihr?»

«Ich bin Eberhard, Bannwart in der Würi und Sprecher des dortigen Dorfvogtes, aber alle nennen mich Eppe. Verzeiht, wenn ich Euch hier so im Dunkeln aufgespürt habe, aber es ist mehr als dringlich. Ist das da Eure Arzttasche?»

Kaum hatte Adalbert genickt, wandte Eppe sich um und lief auch schon los. «Dann kommt schnell», rief er über die Schulter zurück.

«Wartet. Ich sollte noch meiner Magd Bescheid geben.»

«Ist bereits getan.»

Fast im Laufschritt ging es zum Obertor.

«Was um Himmels willen ist denn geschehen?», fragte Adalbert währenddessen und musste um Luft ringen. Er war in letzter Zeit doch um einiges behäbiger geworden und sollte sich mehr bewegen.

«Im Oberdorf der Würi, vor Urbans Getreidemühle, liegt ein toter Knabe.»

«Und warum habt Ihr nicht einen unserer geschworenen Wundärzte geholt?»

Die neueste städtische Arztverordnung besagte nämlich, dass zu Schwerverletzten oder ungeklärten Todesfällen zunächst einmal Meister Henslin oder Meister Glotterer hinzugerufen wurden. Ihn selbst, möglichst in Begleitung eines Wundarztes, holte man nur noch bei eindeutig gewaltsamen Toden.

«Nun ja.» Eppe stieß hörbar die Luft aus und zögerte. «Der Leichnam ist übel zugerichtet. Beim Spielen ist der arme Kleine jedenfalls nicht umgekommen.»

Adalbert konnte nicht verhindern, dass ihm nun doch ein gewisser Schreck in die Knochen fuhr. Als Arzt hatte er zwar schon so einiges zu Gesicht bekommen, aber der Anblick von verstümmelten Kindern und jungen Menschen war jedes Mal das Schlimmste.

Sie hatten das Stadttor erreicht, das von zwei Pechpfannen rechts und links des Durchgangs spärlich erleuchtet wurde. Der Torwärter, der den Bannwart zu kennen schien, winkte sie hindurch.

«Ich bringe den Medicus hernach wieder zurück», ließ Eppe den Wächter wissen, was Adalbert einigermaßen beruhigte. «Falls schon Torschluss ist, lass ihn an der Pforte nicht unnötig warten bei dieser Kälte, verstanden?»

Heute war der Mond womöglich noch voller als in der Nacht zuvor, und so hätten sie eigentlich weder Fackel noch Handlampe für das kurze Wegstück hinüber zur Dreisambrücke gebraucht. Auf der anderen Seite des Flusses standen die ersten Häuser der Oberen Würi, darunter auch eine kleinere und eine größere Mühle. Vor Letzterer, ein Stückchen flussaufwärts, hatte sich eine Menschenansammlung gebildet, und das Wehklagen, zumal das der Weiber, zerriss Adalbert schier das Herz, als er nun näher kam. Auf dem allerletzten Stück des Weges musste er sich regelrecht zwingen, einen Schritt vor den anderen zu setzen.

Bannwart Eppe hatte ihm bereits den Weg gebahnt: «Macht Platz, hier kommt der Stadtarzt!»

Mitten vor dem Hoftor des ummauerten Mühlenanwesens, auf dessen Rückseite sich das große Rad am Würibach befand, lag etwas, das auf den ersten Blick wie ein Bündel Lumpen aussah. Nur dass sich um dieses zugedeckte Etwas eine Lache Blut auf dem vereisten Schnee ausgebreitet hatte.

«Lasst die Leute fünf Schritte zurücktreten», bat Adalbert den Bannwart, «damit ich meine Arbeit verrichten kann.»

Eppe tat, wie ihm geheißen, und die Menschen wurden still. Nur noch ein unterdrücktes Schluchzen war zu hören. Adalbert kniete vor dem Bündel nieder, holte tief Luft und schlug die Decke, die jemand über das Kind gebreitet hatte, zurück.

Ja, das Opfer war tot. Mausetot. Dass es sich bei dem Leichnam um ein Kind handelte, war nur noch an der Größe zu erkennen. Alles war voller Blut, verursacht durch zahllose Wunden, die wie Reißwunden aussahen. Das Gesicht war zum Glück weniger schrecklich zugerichtet, dafür die rechte Ohrmuschel abgetrennt. Adalbert überwand sich und schloss dem Knaben die weit aufgerissenen Augen. Da erst bemerkte er, dass gleich unterhalb der Schulter der rechte Arm fehlte – abgerissen mitsamt dem Ärmel des Wollmantels. Nur mühsam unterdrückte er einen Würgereiz, die Lampe in seiner Hand begann zu zittern.

«Seit wann liegt er hier?», fragte er den Bannwart, der tapfer in seiner Nähe ausharrte und dabei starr geradeaus schaute. Der schwarzbärtige Mann, den Adalbert zu Unrecht für einen finsteren Gesellen gehalten hatte, schien sichtlich um Fassung bemüht.

Eppe zuckte die Achseln. «Die Magd vom Großmüller hat ihn gefunden, als sie das Hoftor schließen wollte. Das ist noch nicht lange her. Aber die könnt Ihr nicht fragen, weil sie vor Schreck ohnmächtig geworden ist. Man hat sie in ihre Kammer gebracht.»

«Habt Ihr eine Vermutung, wer der Knabe ist?»

Statt Eppe antwortete ihm ein schwergewichtiger Mann, der jetzt hinter dem Bannwart hervortrat. In seinem stutzerhaften Gewand wirkte er in dieser Umgebung wie ein Pfau in einer Hühnerschar: Über den mi-parti gefärbten Beinkleidern – das eine in leuchtendem Rot, das andere froschgrün – trug er einen halblangen Mantel mit Samtverzierung und weiten, offenen Zattelärmeln, die Füße steckten in übertrieben langen Schnabelschuhen. Aus Ehrerbietung vor dem Toten hatte er seinen Biberpelzhut abgenommen, und so schimmerte sein kahler Schädel im Schein der Fackel ebenso rosig wie sein glatt barbiertes Gesicht.

«Es könnte der Junge vom Hasenbader sein. Der hat nicht weit von hier seine Badstube, mein Knecht ist schon unterwegs zu ihm. Ich war es übrigens, der die Decke geholt hat und die Meute von dem armen Kerlchen ferngehalten hat, solange der Bannwart fort war. Es ist schon unerhört, wie dreist die Leute Maulaffen feilhalten, sobald ein Unglück geschieht.»

Adalbert stimmte ihm zu. Innerlich schüttelte er jedoch den Kopf. Wer trug um Himmels willen bei diesem Wetter Schnabelschuhe!

«Und Ihr seid …?», unterbrach er den Redeschwall des Mannes.

«Meister Urban, der Großmüller, Pächter dieser Getreidemühle in dritter Generation und Dorfvogt der Würi.»

In diesem Augenblick gellte ein Schrei durch die Nacht.

«Mein Sohn! Mein kleiner Jörgelin!»

Ein untersetzter, kräftiger Mann, der stark hinkte, stürzte herbei. Adalbert beeilte sich, den Leichnam wieder vollständig zu bedecken. Der Mann ging heulend in die Knie und wollte schon die Decke wegziehen, doch Eppe riss ihn geistesgegenwärtig in die Höhe und hielt ihn fest.

Adalbert warf dem Bannwart einen dankbaren Blick zu und erhob sich ebenfalls.

«Ihr solltet ihn nicht anschauen. Nicht in diesem Zustand.»

«Ich will wissen, ob das mein Junge ist!» Verzweifelt wehrte sich der Mann gegen den festen Griff des Bannwarts.

«Der Medicus hat recht, Veit», versuchte der ihn zu beruhigen. «Das ist kein schöner Anblick.»

«Dann seid Ihr der Hasenbader?», fragte Adalbert teilnahmsvoll.

Der Mann konnte nur noch kraftlos nicken.

«Trägt Euer Junge einen grauen, kurzen Mantel? Mit einem Flicken am vorderen Saum?»

Statt einer Antwort brach der Bader in lautes Schluchzen aus.

«Bitte!», stieß er schließlich hervor. «Lasst ihn mich anschauen. Mein Weib und ich …»

«Gebt mir eine halbe Stunde», sagte Adalbert so sanft wie möglich, «dann bringe ich Euch den Knaben nach Hause. Und Ihr, Eppe», wandte er sich an den Bannwart, «könntet Ihr vielleicht den armen Mann heimführen zu seinem Weib?»

«Ist wohl das Beste», murmelte der.

«Ich danke Euch. Wir sehen uns dann später.» Er winkte den Dorfvogt heran und wartete kurz, bis sich Bader und Bannwart entfernt hatten. «Wäre es möglich, Meister Urban, dass wir den Jungen zu Euch ins Haus bringen? Ich möchte ihn so zurechtmachen, dass seine Eltern die Totenwache halten können.»

Der Getreidemüller schien nicht sonderlich erbaut. «Eigentlich mag ich keine Blutflecken in meiner Küche haben. Aber gut, bringen wir ihn in die Knechtkammer.»

Die entsetzten Dorfbewohner hatten den Kreis wieder enger um sie geschlossen. Viele von ihnen zitterten vor Kälte und Bestürzung.

«Stimmt es», bestürmten sie den Medicus, «dass da einer mit dem Beil draufgeschlagen hat?» – «Allmächtiger, wer tut so was?» – «Seid ihr dumm? Das waren die Wölfe!»

«Hört zu, Ihr Leute», bat Adalbert um Gehör. «Noch kann ich nichts mit Sicherheit sagen. Geht also zurück in Eure Häuser oder leistet den armen Eltern Beistand in dieser schweren Stunde. Allerdings bräuchten wir zwei Freiwillige, die den Pfarrer von Sankt Einbethen holen....

Erscheint lt. Verlag 15.12.2020
Reihe/Serie Ein Fall für Serafina
Ein Fall für Serafina
Serafina
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 15. Jahrhundert • Achaz • Angst vor Wölfen • Apothekerin • Armenapotheke • Armenapothekerin • Armenapothekerin Serafina • Astrid Fritz • Beginen • Beginenschwestern • Das Aschenkreuz • Die Tote in der Henkersgasse • Freiburg • historischer Krimi • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Hostienfrevel • Medicus • Mordfall • Schwarzwald • Serafina • Siechenhaus • stadtarzt • Stadtarzt Achaz • Tod im Höllental • Totentanz zu Freiburg • Turm aus Licht • Winter • Wölfe • Wolfsjagd
ISBN-10 3-644-00485-4 / 3644004854
ISBN-13 978-3-644-00485-6 / 9783644004856
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