Die Rache der Weihnachtsgurke (eBook)

Ein Advents-Krimi

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
352 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43754-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Rache der Weihnachtsgurke -  Julia Bruns
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Advent, Advent, ein Mörder rennt ... Im kleinen Dorf Eliasborn bricht am ersten Dezember eine neue Zeitrechnung an: Der Bürgermeister wünscht sich ein »Weihnachtswunderland« und kämpft mit harten Bandagen für den Erhalt sämtlicher Traditionen. Auch Weihnachtsmuffel Adam wird gezwungen, sich einzubringen - er soll den Nikolaus spielen. Doch dann, kurz vor der feierlichen Einweihung des Adventskalenders, das Drama: Der Pfarrer wird tot in seiner Badewanne gefunden! Ein schlechtes Omen? Jetzt hilft nur noch Teamwork. Gemeinsam mit Freund Ruprecht macht sich der Nikolaus auf die Suche nach dem »Weihnachtsmörder«, um das Fest der Liebe zu retten.

Julia Bruns wurde in Thüringen geboren und studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Sie arbeitete als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute ist sie freie Autorin.

Julia Bruns wurde in Thüringen geboren und studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Sie arbeitete als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute ist sie freie Autorin.

Das Badezimmer des Pfarrers misst keine zehn Quadratmeter. Ich zähle noch einmal die Fliesen. Achteinhalb in der Länge und fünfzehn in der Breite. Bei dieser Fliesengröße kommt das hin. Es ist billige Baumarktware zweiter Wahl mit Rissen und schmuddeligen Fugen in Trabantgrau. Noch dazu ist das Fenster nicht größer als ein A4-Hefter und von außen vergittert. Das Wort Nasszelle kriegt im Pfarrhaus eine ganz andere Bedeutung. Dabei habe ich die Wanne noch nicht einmal von dem zur Verfügung stehenden Platz abgezogen. Und die Fläche hinter der Tür auch nicht, denn die geht nach innen auf. Damit ist alles dahinter unbrauchbar. Ich bin enttäuscht. Nicht, dass ich dachte, so ein Kirchenmann lebe in Saus und Braus, schließlich sind wir ja nicht katholisch, aber das hier, nee, das geht echt nicht.

»1982 habe ich Ruprechts Großmutter ein Bad gebaut, das sah besser aus. Ochsenblutfarbene Fliesen. Alles unter der Hand organisiert.« Ruprechts Großvater steht neben mir und nickt sich selbst anerkennend zu. Zwischen seinen Waden klemmen zwei volle Beutel. Der Duft von frisch gebackenem Brot steigt mir in die Nase, wobei der es gegen den fauligen Geruch des Mini-Bades nicht aufnehmen kann. »Nur das Klobecken haben die nicht rangekriegt. Da half auch das Wildbret nichts.« Er winkt ab. »Aber egal. Der Anschluss war da und 1989 bin ich nach Coburg rüber und habe mir ein Porzellanbecken mitgebracht. Darauf sitze ich noch heute. Eins A.« Er hebt den Daumen.

»Die Leitungen sind auch hin«, antworte ich. »Das hätte nicht mehr lange gedauert und hier hätte alles unter Wasser gestanden.«

Der Großvater brummt zustimmend.

»Wie kann man denn die Wand in Moosgrün streichen?«, höre ich eine der Frauen sagen. Die anderen tuscheln.

»Und das Fenster hätte er auch mal putzen können«, bemerkt ein anderer.

»Ist er wirklich tot?« Ruprecht schluchzt. »Der arme Mann.«

Hinter der Tür jammern die Engel. Mir ist nicht klar, ob sie den Pfarrer oder ihre schlechte Sicht bedauern. Ruprecht und ich gehören für einen Monat zu den wichtigsten Leuten im Dorf. Wir dürfen neben dem Blaschke Bürgermeister in der ersten Reihe stehen. Es ist so eng, dass meine Kniescheiben gegen den Rand der Wanne gedrückt werden, weil sich immer noch mehr Leute in das Badezimmer des Pfarrhauses schieben, um einen Blick auf den Verblichenen zu werfen. Ruprechts Großvater gehört zu uns. Er hat Sonderrechte und steht ebenfalls in der ersten Reihe. Wenn er den Mund aufmacht, rieche ich den Inhalt seines Flachmanns. Hinter uns drängeln die Jagdhornbläser, die Frau vom Bürgermeister und die Eigentümer der Krippentiere. Darauf folgen die Statisten und das normale Volk. Erstaunlich, wie viele Leute in ein so kleines Bad passen, denke ich und halte nach dem Kinderchor Ausschau. Aber die haben es wohl nicht geschafft. Dafür sehe ich Hasso, der sich durch die auf einem Stuhl abgelegte dreckige Wäsche des Pfarrers schnüffelt.

Der Blaschke Bürgermeister schwitzt. »Ausgerechnet heute«, sagt er mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. »Wenn man den Popen einmal braucht. Der wichtigste Tag des Jahres. Was soll das denn jetzt geben?«

»Er ist tot.« Ruprecht hat nun auch das Unübersehbare bemerkt. »Gott im Himmel.«

»Pfarrer im Himmel«, frotzle ich.

Ruprechts Großvater wackelt mit dem Oberkörper, so sehr muss er lachen. »Wenn der da hin kommt, holen mich die Engel persönlich ab«, sagt er zwischen zwei Lachern. »In neckischen grünen Bikinis.«

»Engel sind per se nackt«, sage ich.

»Noch besser«, antwortet der Großvater und schnalzt lüstern mit der Zunge. »Und bisschen fleischig wäre auch nett.«

Wieso die Bikinis grün sein müssen, frage ich nicht, jeder hat so seine Vorlieben. Dann schaue ich wieder den Pfarrer an. Ich konnte ihn noch nie sonderlich leiden, aber jetzt hat er irgendwie was Sympathisches.

»Warum legt der sich auch gerade heute zum Sterben in die Wanne«, blafft der Bürgermeister und ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie seine Zähne ans Licht drängen. Wo hat er die denn so schnell wieder herbekommen?

Der Pfarrer ist tot und er liegt in der Wanne, soweit kann ich die Beobachtungen des Blaschke Bürgermeisters teilen. Dass jemand jedoch ohne Wasser und dafür freiwillig bis zum Hals in Scherben badet, das halte ich für eine gewagte These. Dabei sieht das nicht mal schlecht aus, wenn man sich den speckigen Kopf des Pfarrers wegdenkt. Millionen von bunten Glasstückchen funkeln um die Wette. Wenn hier nicht nur eine 25-Watt-Birne von der Decke baumeln würde, wäre der Effekt noch besser. Aber der Pfarrer war geizig, schon immer. Ich beuge mich ein wenig nach vorn und betrachte das Glas. Dabei muss ich aufpassen, dass ich nicht beim Pfarrer lande, so sehr schieben die anderen von hinten. Ich habe es gleich vermutet, aber nun bin ich mir sicher: Das sind Weihnachtsbaumkugeln oder besser gesagt, die Reste davon. Der Pfarrer badet in Weihnachtsbaumschmuck. Na immerhin. Das sollte dem Weihnachtskomitee gefallen.

»Was isst der Kerl da?«, fragt der Großvater, ohne auf die Lautstärke seiner Worte zu achten. Hinter uns fängt die Meute zu spekulieren an.

»In seinem Mund steckt eine Weihnachtsgurke«, sage ich, und weil mehrere Nachfragen aus den Reihen der Engel kommen, wiederhole ich den Satz noch einmal lauter. Dann sehe ich die schmalen vertrockneten Rinnsale aus Blut an seinen Mundwinkeln. Mich würgt es. Wenn es um Blut geht, bin ich nicht so hart, wie ich aussehe. Exkremente kommen auch nicht so gut. Und natürlich Motten. Und wir begrüßen das nächste Herpesbläschen. Herzlich willkommen. Mal abgesehen von meiner möglicherweise leicht einsetzenden Ekelerregung, habe ich bis auf die Lebkuchen von Ruprechts Großvater heute auch noch nichts im Magen. Das kommt davon, wenn man auf die Glühheidi und Wildschwein am Spieß spekuliert und dann als Nikolaus ein Verzehrverbot auferlegt bekommt. Hoffentlich muss ich nicht in die Wanne kotzen.

»Die Weihnachtsgurken wurden bei uns im Thüringer Wald erfunden«, weiß der Blaschke Bürgermeister. Dann folgt eine ewig lange Erklärung über die Glasgurke, die man im Weihnachtsbaum verstecken muss und die dem Finder das ganze kommende Jahr Glück beschert.

Ich atme die Übelkeit weg. Glück würde ich das, was dem Pfarrer widerfahren ist, nicht direkt nennen. Aber wer weiß. Immerhin verpasst er die Adventszeit und Weihnachten natürlich auch. Da kann man schon mal in eine Weihnachtsgurke beißen.

»Das ist ein Fall für das Amt.« Der Blaschke Bürgermeister hat sich offenkundig nach dem ganzen Gesabbel um Weihnachten wieder im Griff.

Ich frage mich, welches Amt er wohl meint, und warte gespannt, was nun passiert.

»Ich muss das hier versiegeln«, sagt der Blaschke Bürgermeister wichtig. Er dreht sich um, wobei ich von seinem massigen Körper fast mitgerissen werde. »Hier gibt es nichts zu sehen. Verlassen Sie sofort das Objekt«, schreit er die Gemeinde an. »Alle raus und wieder auf die Plätze. Dass wir die Feierlichkeiten unterbrechen mussten, ist schlimm genug.«

Der Blaschke Bürgermeister will das wirklich durchziehen, denke ich noch, da reißt Ruprecht an meinem Umhang. »Wir müssen in Zone eins, beeil dich.«

»Hackt’s denn bei euch allen«, schreie ich. »Der Pfarrer wurde umgebracht. Ich rufe jetzt die Polizei und dann gehe ich nach Hause.«

»Der muss sich wieder wichtigmachen«, höre ich Gerhard, meinen Nachbarn, von irgendwoher sagen. Ich kann ihn nicht sehen, aber seine nasale Stimme erkenne ich sofort. Die Engel hinter der Tür kichern. So, wie das klingt, haben die meine Ration Glühheidi gehabt.

»Wie, umgebracht?«, fragt der Blaschke Bürgermeister und seine Zähne kommen mir gefährlich nahe.

Ich deute mit der Hand auf den Pfarrer und sage so was Sinnhaftes wie: »Er liegt in Glasscherben? Aus seinem Mund läuft Blut? Er beißt auf eine Weihnachtsgurke?« Das alles ist deutlich zu erkennen und ich frage mich, wieso nur mir diese ganzen Absonderlichkeiten auffallen.

Der Blaschke Bürgermeister sieht mich an, als wäre ich nicht ganz dicht.

»Wo du es sagst«, murmelt Ruprecht und ich bemerke, wie er seinen Kopf leicht hin- und herwiegt, als müsste er über meine Beobachtung noch einmal nachdenken.

Der Blaschke Bürgermeister scheint ebenfalls zu überlegen. Irgendwann sagt er: »Du meinst also, das ist kein Ritual, bei dem der Pfarrer friedlich eingeschlummert ist?«

Auf diesen geistigen Dünnschiss fällt mir nichts mehr ein.

»Ich dachte eher an was Sexuelles«, wirft der Großvater ein. »Seitdem seine Frau weg ist, kann er doch machen, was er will.«

»Freilich«, kommentiere ich. »Der Pfarrer steht auf Weihnachts-Sadomaso. Wie wir alle hier.«

»Also jetzt entschuldige mal«, bläst sich der Blaschke Bürgermeister künstlich auf. »Das kann man ja wohl überhaupt nicht vergleichen.«

Ich betrachte Ruprecht, dem schon wieder ein guter Teil seines Oberlippenbartes in den Mund gerutscht ist. Er kaut darauf herum und jammert. »Wenn das die Leute mitbekommen.«

Ich drehe mich um und schaue die Leute an.

»Nikolaus hat sicherlich recht. Wir müssen die Polizei rufen«, sagt der Blaschke Bürgermeister dann und ich kann hören, wie viel Überwindung ihn dieser Satz kostet.

»Irmgard«, haucht der Großvater neben mir und es hört sich an, als würde er von seinen Hämorrhoiden reden.

»O nein, nicht am ersten Dezember«, mosert Ruprecht.

»Das Stadtweib«, sagt der Blaschke Bürgermeister von einem Würgelaut begleitet.

Hinter mir werden Entsetzensschreie...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Advent • Cosy Crime • Geschenk • Geschenkbuch • Geschenkbuch Weihnachten • Geschenk Weihnachtsliebhaber • Geschenk Weihnachtsmuffel • Knecht Ruprecht • Krimi Neuerscheinung 2020 • Krischan Koch • Lustiger Weihnachtsroman • Mord • Nikolaus • Nikolaus und Knecht Ruprecht • Rita Falk • Schnee • schräges Ermittlerteam • Schwarzer Humor • Thüringer Wald • Tradition • Weihnachten • Weihnachtsdorf • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtskrimi • Weihnachtsmuffel • Winter
ISBN-10 3-423-43754-5 / 3423437545
ISBN-13 978-3-423-43754-7 / 9783423437547
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