Zeit der Eismonde (eBook)

Schattenläufer
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2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99603-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zeit der Eismonde -  Anett E. Schlicht
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Die Zeit der Eismonde hat begonnen, ein Winter, der viele Mondzyklen andauern wird. Ouwen ist auf dem Weg zu den Nordinseln, als ein schwerer Eissturm das Schiff von seinem Kurs abbringt. Doch nicht der Sturm ist sein wahrer Feind: Seine Widersacher sind näher, als er glaubt, und werden jetzt nicht nur ihm, sondern auch seinen Begleitern zum Verhängnis. Währenddessen unternimmt Mattes den riskanten Versuch, das zugeschneite Nordgebirge zu überqueren, um ein Versprechen zu halten. Auch Hayden folgt dem Pfad der Götter und trifft in der Königsstadt Esgar auf unerwartete Verbündete, die ihn in die Stadt der Toten führen ..

Anett E. Schlicht wuchs in Mecklenburg-Vorpommern auf und lebt als freie Journalistin und Autorin in Hamburg. Sie ist Fantasy- und Science-Fiction-Fan, Serien-Junkie und reist gern, vor allem nach Skandinavien. Schon als Kind liebte sie Märchen und fantastische Erzählungen - und die Gute-Nacht-Gruselgeschichten ihrer Großmutter. Ein Teil von »Zeit der Eismonde« entstand während eines Winterurlaubs an der dänischen Nordsee. Die Geschichte ist inspiriert von der Frage »Woher kommen unsere Träume?« und einem Besuch des Wikinger-Museums Haithabu in der Nähe von Schleswig.

Anett E. Schlicht lebt als freie Journalistin und Autorin in Hamburg. Sie ist Fantasy- und Science-Fiction-Fan, Serien-Junkie und reist gern, vor allem nach Skandinavien. Schon als Kind liebte sie Märchen und fantastische Erzählungen – und die Gute-Nacht-Gruselgeschichten ihrer Großmutter. Ein Teil von "Zeit der Eismonde" entstand während eines Winterurlaubs an der dänischen Nordsee. Ihr Debütroman "Zeit der Eismonde" ist 2019 bei Piper erschienen.

Kapitel 1


Nördliches Eismeer, an Bord des Handelsschiffes Alvar


Ouwen lag auf dem Rücken und lauschte dem Geräusch der Wellen, die hartnäckig gegen die Planken des Schiffes schlugen. Es klang fast wie ein schlagendes Herz.

Das Windlicht warf tanzende Schatten auf seine Koje und die hölzernen Balken, welche sich über ihm an der Decke des Schiffsbauches wölbten. Seufzend verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. Sie waren seit fünf Tagen unterwegs und er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, kein festes Land mehr unter den Füßen zu haben. Er warf einen Blick zu der Wölfin, die neben der Koje auf dem Boden lag. Ihre Ohren waren nervös angelegt. Sie schien, genau wie er selbst, dem seltsamen Schaukeln des Schiffes zu misstrauen.

Nachdenklich starrte er an die Decke. Wie lange war er bereits hier unten? Das Dämmerlicht im Laderaum ließ ihn jegliches Zeitgefühl verlieren. Er schloss die Augen und versuchte seine Sorgen für einen Moment auszublenden.

Die Alvar hob und senkte sich im stetigen Rhythmus der Wellen. Das Eichenholz schien bei jeder Bewegung des Schiffes leise zu raunen, als wollte es Geschichten erzählen, über das Meer, seine unendlichen Tiefen und seltsamen Geschöpfe, die in ihm hausten. Legenden über riesige Wellen und Stürme, die Segel und Masten wie Spielzeuge zerfetzten und ganze Schiffe in ihr nasses Grab rissen. Als er das Geräusch näher kommender Schritte hörte, wandte er den Kopf.

»Du bist wach, gut.« Argos bleckte die Zähne. »Steh auf und komm mit an Deck. Solange die Männer noch schlafen, können wir etwas Zeit an der frischen Luft verbringen, ohne dass einer von ihnen unnütze Fragen stellt.« Er stemmte die Hände in seine Hüften. »Ich wünschte, ich könnte mit dir deine Kampfübungen fortsetzen, aber das muss warten, bis wir die Inseln erreichen.« Der Gestaltwandler schnalzte mit der Zunge. »Wenn mein Schwertarm bis dahin nicht eingerostet ist.«

Ouwen erhob sich von seinem Lager und strich sich die Haare zurück. »Was ist mit Grey? Kann sie mitkommen?«

Argos schüttelte den Kopf. »Nein, das ist keine gute Idee. Unter den Wachen ist Halvad, sie bleibt besser unter Deck.«

Ouwen blickte zu der Wölfin. Sie hatte seit ihrer Ankunft das Unterdeck nur selten verlassen. Es tat ihm leid, sie hier eingesperrt zu sehen, aber er konnte es im Moment nicht ändern. Halvad hatte ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass er den seltsamen Hund nicht gerne an Deck sah. Ouwen hatte gehört, wie er mit anderen darüber geredet hatte und wollte unnötigen Ärger vermeiden.

Es tut mir leid. Er sandte ihr in Gedanken eine Entschuldigung. Die Wölfin hatte sich von ihrem Platz erhoben und rieb ihre Flanke an seinem Bein. Ouwen strich über ihr graues Fell. Er mochte den Namen, den er ihr gegeben hatte, auch wenn Argos es für unnötig hielt. Doch er fand, dass sie einen Namen verdient hatte und solange er nicht ihren wahren Namen kannte, würde er sie Grey nennen – nach dem Fluss Greyfoss, der in seiner Heimat am Fuße des Nordgebirges entsprang. Er hatte den Fluss selbst nie gesehen, aber sein Vater hatte ihm erzählt, dass das Wasser seine eisgraue Farbe nie verlor, selbst wenn im Frühjahr das Schmelzeis von den Bergen Schlamm und abgestorbene Pflanzenreste mit sich brachte.

Bleib hier! Ich werde bald zurück sein. Er griff nach seinem Mantel und folgte Argos, der zu einer Leiter am Ende des Laderaumes lief. Der Gestaltwandler stieg die Sprossen empor und öffnete die Luke. Ein Schwall eisiger Luft wehte ihnen entgegen. Ouwen senkte den Kopf und kletterte an Deck. Die Kälte brannte sich in sein vom Schlaf erhitztes Gesicht und kroch unter seine Kleidung. Er versuchte, nicht an seine warme Koje zu denken. Argos duldete kein Jammern, darin ähnelte er sehr Ouwens Vater. Mattes … Ouwen hob den Kopf und sah zu den Sternen, die hell am Firmament strahlten. Es war eine klare Nacht, keine einzige Wolke zeigte sich am Himmel. Argos hatte ihm erzählt, dass auf der Seeroute zwischen dem Schwarzmeer und dem Eismeer die Gestirne selbst während der Eismonde ihren Glanz nicht verloren. Die Kapitäne hatten auch im Winter eine gute Sicht und navigierten nach den Sternen.

»Wir werden die Inseln bald erreichen, oder?« Er deutete zu dem hellsten Punkt hinauf. »Das dort oben ist doch Aihos, der Nordstern?«

Argos folgte seinem Blick und hob belustigt eine Braue. »Wer hat dir beigebracht, aus den Gestirnen zu lesen?«

Ouwen betrachtete die funkelnden Sterne. Sie schienen zum Greifen nah zu sein. »Mein Vater«, erwiderte er. Sein Atem bildete kleine Wölkchen vor seinem Gesicht.

»Er war ein guter Lehrer. Es sind nicht mehr als zwei oder drei Tagesreisen, die uns von Hegar trennen. Sie ist die größte der fünf Inseln im Eismeer.« Argos ließ seinen Blick über das in Dunkelheit getauchte Meer schweifen, in dem sich das Licht der Gestirne spiegelte. »Die Götter sind nicht fern in dieser Nacht.« Er seufzte. »Bei Aenais Bogen, ich bin froh, wenn ich wieder meine alte Gestalt annehmen kann.«

Ouwen wandte sich zu ihm um. »Kostet es dich viel Kraft?«

Argos trat an die Reling und umfasste sie mit seinen Händen. »Es ist lange her, dass ein Gestaltwechsel so lange angedauert hat, doch es geht mir gut. Ich muss nur darauf achten, dass meine Konzentration nicht nachlässt.« Er verzog den Mund zu einem Grinsen. »Außerdem ist es ja nicht so, dass ich die ganze Zeit als alter Mann herumlaufen muss. Ab und zu mische ich mich unter die Besatzung und höre mich dabei ein wenig um.«

»Du hast dich als einer von Kapitän Thyrins Männern ausgegeben?«

»Ich bin vorsichtig gewesen. Und es war eine gute Gelegenheit, um herauszufinden, mit wem wir es hier auf dem Schiff zu tun haben.« Argos kratzte sich am Hals. »Das Erste, was ich machen werde, sobald wir wieder Land unter den Füßen haben, ist, diese Sachen auszuziehen und ein Bad zu nehmen. Ich rieche mittlerweile genauso furchtbar wie die verlausten Seemänner, die mit uns unter Deck schlafen.«

Ouwen lachte. »Ich weiß, dass Thyrin knauserig ist, was die Wasservorräte anbelangt, aber du kannst dich ja morgen mit Seewasser abschrubben – wenn dich kleine Eisbrocken nicht stören«, fügte er spöttisch hinzu.

Argos hob die Hand und bedeutete ihm, seine Stimme zu zügeln. Ouwen folgte seinem Blick und sah zum Bug des Schiffes. Sie waren nicht allein an Deck. Er musterte die beiden Wachen, die sich leise unterhielten, während der erste Maat am Ruder stand. Die Seeroute zu den Inseln war nicht ungefährlich. Neben den Winterstürmen kreuzten immer wieder Eisberge ihre Route und es gab noch etwas anderes, das Kapitän Thyrin Sorgen bereitete. Einige Handelsschiffe waren auf dem Weg zu den Nordinseln von Piraten aufgerieben worden. In der Nacht wurden daher zusätzliche Wachposten abgestellt, die den Horizont nicht nur nach verdächtigen Eisschollen absuchten, die drohend aus dem eisigen Wasser ragten. Die Alvar war ein Handelsschiff und verfügte über keine nennenswerte Bewaffnung, doch Thyrin hatte sich vor der Abfahrt in Ragohn auf andere Weise abgesichert. An Bord befanden sich ein halbes Dutzend Krieger, erfahrene Kämpfer, die auf dem Weg zu den Inseln waren, um gegen das vahranger Heer zu kämpfen. Falls sie während der Reise auf Piraten stießen, würden die Männer ihre Waffen für den Kapitän und sein Schiff einsetzen. Als Gegenleistung hatte Thyrin ihnen freie Überfahrt und Kost garantiert. Ouwens Augen verweilten auf dem jüngeren der beiden Männer, dessen gedrungene Gestalt sich deutlich gegen die seines schlanken Kumpans abhob. Halvad hatte bei der Abfahrt aus Ragohn kaltblütig auf Grey gezielt und die Fähe beinahe getötet, wenn Ouwen ihn nicht daran gehindert hätte. Bei dem Gedanken daran, welches Risiko die Schattenwölfin auf sich genommen hatte, um zu ihm zu gelangen, begann er erneut zu frösteln. Er wandte den Blick ab und sah auf das Meer, das sich wie dunkle Seide endlos am Horizont erstreckte. Seit sie vor zwei Tagen erneut aneinandergeraten waren, wich er dem Söldner aus. Wenn es darauf ankam, würde er versuchen, Halvad wieder mit seinen Gedanken zu beeinflussen. Aber er wollte das Risiko eines offenen Streits lieber vermeiden, auch wenn es ihm schwerfiel, diesem selbstgefälligen Kerl nicht offen die Meinung sagen zu können.

Die Planken unter seinen Füßen erzitterten leise, während sich die Alvar gegen eine weitere Welle stemmte. Ouwen musste lächeln, als er daran dachte, wie die Wölfin in der ersten Nacht an Bord nicht von seiner Seite gewichen war. Sie schien dieser Art der Fortbewegung nach wie vor nicht viel abgewinnen zu können. Ihm selbst war in den vergangenen Tagen mehr als einmal flau im Magen gewesen, aber er wusste von seinem Onkel, dass es eine Weile dauern konnte, bis man seefest war. Er hob den Kopf und sah zum Nordstern empor. Heimweh überkam ihn, wie Zweifel, der sich nicht abschütteln lässt. Mit jeder Seemeile, die sie hinter sich brachten, vergrößerte sich die Distanz zu allem, was er kannte. Aber er war auch dankbar, hier zu sein. Dankbar, dass sich sein Traum, einmal auf einem Schiff über die Ozeane zu reisen, erfüllt hatte.

»Atorh … Gott der zwei Gesichter, sende deine Boten aus, deine Ohren und Augen. Ihr schwarzes Gefieder soll den Himmel verdunkeln. Leite uns durch die Stille der Nacht und den lichten Tag.« Ouwen flüsterte das alte Gedicht, das ihm plötzlich in den Sinn gekommen war. Auf ihren Wanderungen durch die Nordinger Wälder hatte sein Vater diesen Vers oft als eine Art Schutzgebet verwendet. Die Erinnerung an ihre gemeinsamen Jagden stimmte ihn wehmütig.

»Du kennst die Tahlis-Saga?« Argos sah ihn neugierig an.

Ouwen zuckte mit den Schultern. »Nur einige der Gebetsverse.« Bevor...

Erscheint lt. Verlag 3.8.2020
Reihe/Serie Zeit der Eismonde
Zeit der Eismonde
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte All Age • Atmosphärisch • Buch • Bücher • eBook • Eismond • episch • fantasy buch • fantasy literatur • Fantasy Reihe • Fantasy Roman • Fantasy Serie • Hayden • High-Fantasy • Magie • Mystery • Neuerscheinung 2019 • Ouwen • Spannung • Winter • Wolf
ISBN-10 3-492-99603-5 / 3492996035
ISBN-13 978-3-492-99603-7 / 9783492996037
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