Marta schläft (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller

****

eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43688-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Marta schläft -  Romy Hausmann
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Es ist Jahre her, dass man Nadja für ein grausames Verbrechen verurteilt hat. Nach ihrer Haftentlassung wünscht sie sich nichts sehnlicher, als ein normales Leben zu führen. Doch dann geschieht ein Mord. Und der soll ungeschehen gemacht werden. Ein abgelegenes Haus wird zum Schauplatz eines bizarren Spiels - denn Nadjas Vergangenheit macht sie zum perfekten Opfer. Und zur perfekten Mörderin ... Ein tief unter die Haut gehender Psychothriller über Schuld, Vergeltung und die Frage, ob ein Täter je wieder frei sein kann. »Romy Hausmann reüssiert auch mit ihrem zweiten Roman. Zweiter Treffer nach dem Thriller-Debüt: Mit ihrem Roman 'Marta schläft' erobert Romy Hausmann aus dem Stand Platz 4 der SPIEGEL-Paperback-Belletristik. Lisa Starke, buchreport: SPIEGEL-Bestseller-Barometer, 29.4.2020  

Romy Hausmann, Jahrgang 1981, hat sich 2019 mit ihrem Thrillerdebüt >Liebes Kind< sogleich an die Spitze der deutschen Spannungsliteratur geschrieben: >Liebes Kind< landete auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste, mit >Marta schläft< folgte 2020 ihr zweiter Bestseller. Übersetzungen ihrer Bücher erscheinen in 26 Ländern, die Filmrechte wurden hochkarätig verkauft. Romy Hausmann wohnt mit ihrer Familie in einem abgeschiedenen Waldhaus in der Nähe von Stuttgart. Auch ihr dritter Thriller >Perfect Day< landete sofort nach Erscheinen 2022 auf Platz 2 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Weitere Informationen unter www.romy-hausmann.de

Romy Hausmann, Jahrgang 1981, hat sich 2019 mit ihrem Thrillerdebüt ›Liebes Kind‹ sogleich an die Spitze der deutschen Spannungsliteratur geschrieben: ›Liebes Kind‹ landete auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste, mit ›Marta schläft‹ folgte 2020 ihr zweiter Bestseller. Übersetzungen ihrer Bücher erscheinen in 26 Ländern, die Filmrechte wurden hochkarätig verkauft. Romy Hausmann wohnt mit ihrer Familie in einem abgeschiedenen Waldhaus in der Nähe von Stuttgart. Auch ihr dritter Thriller ›Perfect Day‹ landete sofort nach Erscheinen 2022 auf Platz 2 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Weitere Informationen unter www.romy-hausmann.de

Nadja


Timmy glotzt immer noch, ich mache die Augen zu. Eine Geschichte fällt mir ein. Die Geschichte von der Frau, die durch Wände und Türen blicken konnte, sogar durch die vielen Schichten eines Menschen hindurch, bis in sein tiefstes Inneres. Eines Tages bat ein Mädchen sie darum, dass sie es durchschauen möge; es wollte unbedingt wissen, wie es aussah unter seinem Hautanzug, dem Knochengerüst und dem ganzen Adergewirr. Ich höre Timmy ungeduldig mit den Füßen scharren, so als könnte er meine Gedanken lesen und drängte darauf, zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Mein Bruder Janek war genauso. Ich hatte kaum angesetzt, etwas zu erzählen, als er schon anfing mit seinem ständigen »Und dann?«.

Ich blinzele. Stelle fest, dass Timmys Blick nicht mehr durch mich hindurch-, sondern in die Luft geht. Dabei knetet er seine kleinen Hände vor dem Bauch. Er fühlt sich nicht wohl in meiner Gegenwart. Am liebsten würde ich ihm sagen: »Denk dir nichts. Es geht mir nicht anders mit dir.«

Herbert und Annelies haben uns alleine gelassen, um den Schnaps und den Erste-Hilfe-Kasten zu holen. Zumindest Letzteres war gelogen, denn der Erste-Hilfe-Kasten hängt hier im Büro an der holzvertäfelten Wand, direkt neben einem vergilbten Bikinimädchenkalender, der seit zwei Jahren abgelaufen ist. Außerdem höre ich sie tuscheln, vor der geschlossenen Bürotür. Annelies sagt, irgendetwas stimme hier nicht. Sie fragt Herbert, ob ihm aufgefallen sei, wie nervös ich meine Handtasche durchsucht habe, und dann die Sache mit der Perücke – äußerst seltsam. Herbert entgegnet nichts; ich stelle mir vor, wie er unbeeindruckt die Schultern zuckt. Doch Annelies scheint nicht aufgeben zu wollen. Sie habe Tabletten in meiner Tasche gesehen, möglicherweise Drogen, was mein sonderbares Verhalten erklären könnte. »Vielleicht ist sie gefährlich.«

»Und was willst du jetzt tun? Die Polizei rufen?« Herbert klingt belustigt, was mich erleichtern sollte, doch diesmal schweigt Annelies. Vielleicht hat sie genickt. Ich atme abgehackte Stöße. Die Polizei wird meine Papiere sehen wollen. Ich werde behaupten, ich hätte sie zu Hause vergessen, doch schließlich wird eine kurze Anfrage über das Funkgerät genügen, um zweifellos festzustellen, dass der Land Rover nicht mir gehört.

Mir ist schlecht. Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte zu Hause sein, an einem Samstag wie an jedem. Ich sollte meine Wohnung putzen und den beruhigenden Geruch von Ajax inhalieren. Später würde ich mich überwinden, zu dem kleinen Lebensmittelladen nach Charlottenburg zu fahren. Ich würde mich mit einem Blumenkohl, einer Grapefruit, ein paar Äpfeln und einer Tüte Mirabellen beladen und mit abgewandtem Gesicht über den leidigen Versuch des Besitzers lachen, meinen Namen herauszufinden. Ich sei die einzige Stammkundin, die er nicht persönlich begrüßen könne, hatte er einmal gesagt und, als ich mich dennoch nicht erweichen ließ, entschieden, sich im wöchentlichen Wechsel immer wieder neue Namen für mich auszudenken. Letzten Samstag hieß ich Frau Schmidt, in der Woche zuvor Fräulein Wagner.

»Jetzt lass doch einfach gut sein, Anne«, höre ich Herbert, bevor die Klinke geht und er mit einer Flasche klarer Flüssigkeit zurückkommt. Annelies wackelt ihm hinterher, in der Hand einen Waschlappen, den sie mir reicht, damit ich die Wunde auf meiner Stirn säubern kann. Ihr Blick ist durchdringend; ich kann förmlich spüren, wie sie jedes Detail aufsaugt, um es im Fall des Falles möglichst genau wiedergeben zu können.

Sie war ungefähr 1,65 Meter groß, Herr Kommissar. Sie trug eine von diesen billigen Kaufhausperücken und ein wildbuntes T-Shirt mit einem aufgedruckten Papagei, der statt Pupillen zwei daumennagelgroße neongrüne Strasssteine hatte.

Meine Wunde brennt, ich lege den Waschlappen beiseite und bedanke mich. Annelies nickt, dann schneidet sie ein Stück von einer Heftpflasterrolle aus dem Erste-Hilfe-Kasten. Ich wende den Kopf ab, als sie auf mich zutritt, und sage: »Lieber kein Pflaster, danke. Ist besser, wenn Luft drankommt.« Das hat Tante Evelyn auch immer gesagt, wenn wir uns beim Spielen die Knie aufgeschlagen hatten.

Annelies sieht nicht überzeugt aus.

»Aber vielleicht müssen Sie sogar genäht werden.«

Ich nicke, etwas zu heftig. In meinem Schädel pocht weiterhin der Schmerz.

»Ich fahre direkt von hier aus zum nächsten Notdienst und lasse es anschauen.«

Sie legt den Kopf schräg, seziert mich.

»Mensch, jetzt beruhig dich, Anne«, sagt Herbert, der indes die Schnapsflasche aufgedreht hat, und lacht. »Du siehst doch, dass es ihr gut geht.« Er reicht mir die Flasche; ich greife zu. Die Zwetschge ätzt in meiner Kehle. Ich denke an gestern Abend, an den teuren Chardonnay mit Laura. Ich war glücklich – ich muss verrückt sein.

Annelies schnalzt mit der Zunge.

»Also, ich habe kein gutes Gefühl, Sie in diesem Zustand weiterfahren zu lassen …«

»Quatsch«, fährt Herbert dazwischen. »Sieh sie dir doch an, sie hat schon wieder etwas Farbe im Gesicht.«

»Du bist kein Arzt«, zischt seine Frau. »Was, wenn sie eine Gehirnerschütterung hat? Nachher kriegen wir noch Ärger wegen unterlassener Hilfeleistung. Oder stell dir vor, wir lassen sie weiterfahren und sie verursacht einen Unfall! Dann wären wir am Ende mitschuldig.«

»Ach was«, entgegnet Herbert und macht eine Handbewegung in meine Richtung. Ich deute sie, indem ich ihm die Schnapsflasche zurückreiche, woraufhin er mir zulächelt und sie seinerseits sofort ansetzt.

»Woher kommen Sie eigentlich?«, will Annelies als Nächstes wissen.

»Aus Berlin.«

»Berlin«, staunt Herbert langgezogen, als handle es sich um eine Stadt in einem exotischen Zauberland, weit, weit weg. Dabei liegt Berlin gerade mal eine knappe Stunde von hier entfernt, sogar für mich, die sich während der Fahrt durchweg unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten hat.

»Und wo soll’s hingehen?«

»In den Spreewald«, antworte ich. »Wochenendausflug.«

»Aha«, macht Annelies. »Spreewald, schön da.«

»Spreewald«, wiederholt Herbert nach einem weiteren großen Schluck und klingt bedeutsam. »Kennen Sie die Geschichte von der Entstehung des Spreewalds?«

Ich schüttele vorsichtig den Kopf.

»Ich weiß nur, was Fontane über den Spreewald gesagt hat. Dass es dort wie in Venedig sei, vor 1500 Jahren, als sich die ersten Fischerfamilien ansiedelten.«

Herbert zieht eine verwucherte Augenbraue hoch, die rechte.

»Fontane«, erkläre ich. »Der Dichter.«

Stille, nur der Deckenventilator surrt.

»Also«, sagt Herbert. »Der Legende nach wurde der Spreewald vom Teufel höchstpersönlich erschaffen. Zufällig allerdings.« Unter seinem Schnauzer bebt ein schnapsbeseeltes Lachen. »Angeblich spannte er zwei Höllenochsen vor einen Pflug, um damit das Bett der Spree aufzubrechen. Aber die Tiere gingen ihm durch und rannten wie wild drauflos, kreuz und quer, wobei der Pflug Tausende von tiefen Furchen hinterließ, die sich schließlich mit Wasser füllten. Tada, der Spreewald mit seinem weit verzweigten Netz an Fließen und Kanälen.« Er zwinkert verschwörerisch. »Sind Sie sicher, dass Sie da wirklich hinwollen?«

»Herbert«, nölt Annelies und streckt die Hand aus nach der Flasche, die er gerade wieder zum Mund führen will. »Das reicht jetzt. Es ist Samstagvormittag, noch nicht mal halb elf.«

Helllichter Tag – sie hat recht. Noch so eine Dummheit. Ich war gleich dafür gewesen, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten, aber Laura meinte, so viel Zeit bleibe uns nicht. Ich muss aufstoßen, schmecke Zwetschge. Herbert hält es für ein Kompliment an seine Schnapsbrennerfähigkeiten und lacht wieder. Annelies’ Blick gefällt mir nicht.

»Ich denke, ich kann jetzt weiterfahren«, sage ich. »Es geht mir wirklich schon besser. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Ich deute auf meine Stirn und füge lächelnd »Keine Sorge, ich lass das anschauen« hinzu.

Annelies schüttelt den Kopf.

»Kommt gar nicht in Frage. Sie bleiben schön hier.«

 

Nur ein Wimpernschlag, und ich stehe wieder am Klippenrand. Unter mir lauert das Wasser, bröckelt Gestein. Der Wind schiebt wie im Schnelldurchlauf graue Wolken über den Lavendelhimmel. Ich höre ihn flüstern, den Wind. Er flüstert: Du! Ich setze einen Fuß zurück, doch hinter mir hat sich Annelies aufgebaut, die schon die Arme nach vorne streckt, bereit, mich zu stoßen. Sie bleiben schön hier, wiederholt sie und bricht in ein garstiges Lachen aus. Ich zwinkere wild, zwinkere mich zurück in die Realität. Ich sitze immer noch im Büro der Tankstelle. Ich muss weg von hier, dringend.

Aber zuerst soll ich noch was essen, es seien noch Bratkartoffeln von gestern Abend übrig. Annelies lächelt; ich würge. Es ist der Gedanke, dass sie mich mit ihren Bratkartoffeln ablenken will, während sie heimlich doch noch die Polizei alarmiert. Die kommen und mich befragen würde. Die kommen, mich befragen und mitnehmen würde. Die mich einsperren würde in eine Zelle, in der es keine Pritsche gibt, nur eine durchgelegene, nackte Matratze. Ringsum starrende Wände aus Beton, auf dem rissigen Boden ein dünnes Bett aus gräulichem Zementstaub und abgeschälten Farbschuppen; Zementstaub und Farbpartikel auch unter meinen Fingernägeln.

Irgendetwas reißt in mir, ich brülle: »Lasst mich in Ruhe!«

Annelies zuckt zusammen, Timmy verschwindet eingeschüchtert hinter Herberts Beinen. Ich springe von meinem Stuhl auf, schnappe mir meine Handtasche – raus hier. Aus dem Büro, durch den Verkaufsraum, aus der Glastür, über den Tankstellenvorplatz zum...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Action & Abenteuer • Alexithymie • Anthropologie • Berlin • Bestseller • Deutschland • die macht des bösen • Gefühlskälte • internationale Bestsellerautorin • Jilliane Hoffman • Jussi Adler-Olsen • Karin Slaughter • Melanie Raabe • Mord • Ostdeutschland • Psychologie • Psychothriller • Serienmörder • spiegel bestseller • Spiegel-Bestseller-Autorin • Spreewald • Täter • Thriller • Thriller Berlin • Tote Mädchen
ISBN-10 3-423-43688-3 / 3423436883
ISBN-13 978-3-423-43688-5 / 9783423436885
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