Puzzle im Wind -  Frieda Lindt

Puzzle im Wind (eBook)

Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
224 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7494-7746-3 (ISBN)
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Nachdem sein gewohntes Leben unerwartet aus den Fugen geraten ist, beschliesst Max, seine Stelle als Deutschlehrer aufzugeben und ein neues Leben in der Hauptstadt zu beginnen. Die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, und so lässt sich Max vorerst in einem Hotel nieder. Bei der Arbeitssuche hat er mehr Glück. Schon bald wird er als redaktioneller Mitarbeiter einer Zeitung eingestellt und kann so wenigstens unter der Woche seiner Einsamkeit in dieser fremden Stadt entfliehen. Und da rutscht buchstäblich die geheimnisvolle Lilith in sein Leben. Max kann sein Glück kaum fassen, denn Lilith scheint seine Gefühle zu erwidern. Alles könnte perfekt sein, wenn da nicht dieses blaue Männerhemd und Liliths kleine Geschenke wären.

Frieda Lindt unterrichtet Psychologie und Pädagogik an einem Gymnasium. Sie hat drei erwachsene Kinder und lebt in Bern und im Seeland.

Freitag, 18. Oktober 2019

Die erste Seite meines neuen Tagebuchs liegt blank vor mir. Ich schreibe gerne von Hand, meine Schrift gefällt mir. Doch wie beginnt man ein Tagebuch? Ich entscheide mich für den Entschluss, den ich letzte Nacht gefasst habe: Ich muss und will mich ändern.

Vorerst habe ich mich allerdings um praktische Dinge zu kümmern. Arbeit suchen. Eine günstige Wohnung, in der ich mich wohl fühle. Ich mache mir nichts vor, in der ersten Zeit in dieser fremden Stadt werde ich einsam sein. Doch im Vergleich zur Einsamkeit der letzten Monate wird diese Einsamkeit erträglich sein.

Ich schaue auf die Uhr. Mathilde sitzt zu dieser Zeit vermutlich am Frühstückstisch. Ob sie wohl auch heute ihr Ei genau vier Minuten gekocht, zwei Orangen ausgepresst und ihre Scheibe Brot mit dünn geschnittenem Käse belegt hat, jetzt, da ich weg bin? Meine Zahnbürste steht immer noch im Glas neben ihrer, meine Kleider hängen vollzählig im Schrank, auf meinem Arbeitstisch liegt ein aufgeschlagenes Buch. Alles ist wie immer. Nur ich bin weg.

Bald wird es läuten. Ursula wird der 1c einen Auftrag erteilen. Die Deutschstunden werden ausfallen, bis Ersatz für mich gefunden ist. Ich habe kein schlechtes Gewissen deswegen. Jetzt nicht mehr.

Samstag, 19. Oktober 2019

Den Rest des gestrigen Tages verbrachte ich vor dem Laptop. Günstige Wohnungen sind Mangelware in dieser Stadt. Überhaupt mache ich mir keine grossen Hoffnungen. Wer will schon einen arbeitslosen Lehrer als Mieter? Also hat die Suche nach Arbeit Vorrang. Unterrichten fällt vorerst weg. Ursula würde mir zwar sicher keinen Stein in den Weg legen und mich vorbehaltlos empfehlen. Doch ich kann und will nicht mehr als Lehrer arbeiten. Schon der Gedanke daran verursacht mir Übelkeit.

Ich durchforstete sämtliche Stellenangebote, wurde aber nicht fündig. Aufs Geld bin ich vorläufig nicht angewiesen, doch ich brauche etwas, um meine Tage zu füllen und einen Arbeitgeber, den ich bei meinen Wohnungsbewerbungen angeben kann. Sobald Ursula im Besitz meiner schriftlichen Kündigung war, rief sie mich an. Sie wolle mich freistellen, sagte sie. Bis zum Ende des ordentlichen Kündigungstermins Ende Semester werde ich also meinen Lohn weiterhin erhalten. Es ist mir sogar erlaubt, eine neue Arbeit anzunehmen. In diesem Fall wird mein Lehrergehalt um den neuen Lohn gekürzt. Mit anderen Worten: finanzielle Sorgen brauche ich mir keine zu machen und ich kann sogar ohne Lohneinbusse eine schlechter bezahlt Arbeit annehmen.

Das Ende der Beziehung mit Mathilde wird mich wohl noch eine Weile beschäftigen. Nach wie vor bin ich überzeugt, dass es für uns beide besser ist, wenn wir getrennte Wege gehen. Mathilde hat mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Eigenartigerweise hege ich deswegen keinen Groll gegen sie, im Gegenteil, ich bin ihr sogar dankbar. Abschiedsszenen verabscheue ich. Mathilde hat sie uns erspart. Da ich nicht möchte, dass sie sich Sorgen macht, habe ich ihr eine SMS geschrieben: Such nicht nach mir, es geht mir gut. Danke für alles und viel Glück. Danach schaltete ich das Handy wieder aus. Ich mag mit niemanden reden, mich niemandem erklären.

Ein ganzes Wochenende liegt vor mir und macht mir Angst. Die vergangenen Ereignisse lasten auf mir und quälen mich. So gut ich kann, verdränge ich sie. Doch wenn ich meinen Seelenfrieden wieder finden will, muss ich mich ihnen stellen. Auch wenn es mir schwer fällt. Ich will die kommenden Tage dazu nutzen, alles genau so aufzuschreiben, wie ich es erlebt habe.

August 2018 bis Oktober 2019

Als ich Mathilde zum ersten Mal so richtig wahrnahm, biss ich gerade in eine über dem Feuer kross gebratene Wurst. Ein paar Kolleginnen und Kollegen hatten sich zu einem sommerlichen Picknick am Ufer des kleinen Sees etwas außerhalb der Stadt verabredet. Ich hatte für genügend Wein und Bier gesorgt, Ralph war für das Fleisch verantwortlich und Rita, Martin und Mathilde brachten Salate und Brot mit. Als Neuling im Kollegium fühlte ich mich geehrt, überhaupt eingeladen worden zu sein. Wir hatten ein paar Decken ausgebreitet, um sicher vor Ameisen zu sein, was sich als trügerisch erwies. Kaum hatte ich es mir gemütlich gemacht, krabbelte so ein kleines rotes Biest über mein nacktes Bein, biss zu und spritzte seine Säure in die winzige Wunde. Brennender Schmerz schickte einen Schauer über meinen ganzen Rücken. Ich beförderte das lästige Tier mit einem Zweig von meiner Wade und beschwor es, ja nicht mehr zu mir zurückzukommen.

Ralph entkorkte fachmännisch die erste Flasche Weisswein und schenkte uns allen ein.

»Und, Max, was meist du zu unserem Haufen? Wie du siehst, kennen wir durchaus auch die schönen Seiten des Lebens ausserhalb der muffigen Schulstube.«

Ich lachte, bedacht darauf, einen guten Eindruck zu machen. »Es gibt Schlimmeres, als sich mit ein paar chronischen Besserwissern bei einem guten Glas Wein einen Sommernachmittag um die Ohren zu schlagen. Und das erst noch an einem solch idyllischen Ort. Einen besseren Einstand hätte ich mir nicht wünschen können!«

Vom See her ertönte fröhliches Gelächter und kurz darauf ein Platschen.

»Lass das«, protestierte Rita, »komm nur her, ich zeig’s dir!«

Martins Kopf tauchte aus dem Wasser auf. »Und was genau willst du mir zeigen?«

Rita stürzte sich auf ihn und drückte seinen Kopf unter Wasser. Martin befreite sich prustend und zog Rita zu sich hin. Es folgte ein Kuss, der meine Frage überflüssig machte, ob die beiden ein Paar seien.

Als alle wieder an Land und halbwegs trocken waren, schwärmten wir aus, um Holz für das Feuer zu suchen. Da der Sommer aussergewöhnlich heiss und trocken war, lag Brennmaterial nur so herum, und bald prasselte ein ansehnliches Feuer. Ralph beförderte aus seiner Schultertasche einen Stapel ökologisch unbedenklicher Teller und einen Haufen Plastikbesteck. Hungrig, wie ich war, griff ich beherzt zu und belud meinen Teller mit Salaten und zwei dicken Brotscheiben. Rita sass etwas abseits und schnitzte für jeden von uns einen Spiess. Ich nahm eine Bratwurstschnecke, steckte sie auf den Spiess und hielt ihn über das Feuer.

»Da scheint jemand aber mächtig Hunger zu haben. Oder hast du etwa noch nie eine Wurst gebraten, Max? Jedes Kind weiss doch, dass man sie über die Glut und nicht über das Feuer hält.«

Die anderen lachten, ich schwieg und zog meinen Spiess zurück. Eine passende Bemerkung fiel mir nicht ein. Das lag nicht nur an meiner mangelnden Schlagfertigkeit, sondern vor allem an der unverhohlenen Aggressivität, die in Martins Belehrung mitgeschwungen hatte, was offenbar den anderen entgangen war. Ich deutete sie als Kriegserklärung und lag damit richtig, wie sich später zeigen sollte.

Als sämtliche Würste vorschriftsgemäss über der entstandenen Glut brutzelten, liess ich meinen Blick über die versammelte Runde wandern. Ralph schien mir unkompliziert und gutmütig. In der Schule trug er eine Lesebrille mit dunklem Gestell, was ihm ein strengeres Aussehen verlieh, doch fragte ich mich nun, ob sie wohl bloss aus Fensterglas gefertigt war und einzig dem Zweck diente, ihm bei den Schülern Respekt zu verschaffen. Vor Rita musste ich mich in Acht nehmen, da sie und Martin ein Paar waren. Obwohl ich keine Ahnung hatte, weshalb Martin mir feindlich gesinnt war, konnte ich davon ausgehen, dass seine Abneigung mir gegenüber auch Ritas Meinung beeinflussen würde.

Die Würste waren inzwischen genussbereit. Ich legte meine Wurst auf den Teller und umwickelte ein Ende mit einer Papierserviette. Beim ersten Bissen blieb mein Blick an Mathilde haften, die sich bis jetzt noch kaum zu Wort gemeldet hatte. Auffallend waren ihre hohen Wangenknochen, die ihrem Gesicht ein slawisches Aussehen verliehen. Sie trug ihr volles hellbraunes Haar in Schulterlänge, was entweder etwas zu kurz oder zu lang war, jedenfalls steckte sie immer wieder eine Strähne hinter ihr rechtes Ohr, doch der Haarbüschel befreite sich regelmässig und fiel ihr wieder ins Gesicht. Eine zarte Sonnenbräune und ein paar winzig kleine Sommersprossen über dem Nasenrücken liessen darauf schliessen, dass sie sich gerne im Freien aufhielt. Wie ich später erfahren sollte, ist sie eine leidenschaftliche Joggerin, überhaupt bedeutet ihr Sport viel. Das erklärte auch ihren durchtrainierten Körper, der mir schon aufgefallen war, als sie aus dem Wasser stieg und sich auf ihr Badetuch zum Trocken hinlegte. Von ihr ging etwas Frisches, Sauberes aus, und ich ahnte bereits damals, dass sie eine Frau war, die sich Ziele vornahm und diese auch erreichte.

»Max, gib mir mal den Senf rüber.«

Ich reichte ihr die Tube und bemerkte, dass ihre Augen, die sie etwas zusammenkniff, weil die tief stehende Sonne sie blendete, grün waren. Grün mit goldenen Einsprengseln. Eine durchaus attraktive Mischung.

Als es langsam dunkel wurde und aufkommender Wind ein Gewitter ankündigte, schlug Ralph vor, den Abend bei ihm zuhause ausklingen zu lassen. Er habe ein...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7494-7746-9 / 3749477469
ISBN-13 978-3-7494-7746-3 / 9783749477463
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