Nowitschok: Tödliches Gift. Ein Kokoschansky-Krimi (eBook)
250 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-99074-077-4 (ISBN)
Bei einer Auktion vergessener Gepäcksstücke am Wiener Hauptbahnhof ersteigert ein älteres Ehepaar einen Trolley unbekannter Herkunft. Doch als sich die Frau ein paar Tropfen des darin befindlichen Parfums hinter die Ohren tupft, bricht sie leblos zusammen. Nowitschok - ein Gift, entwickelt von den Russen. Kokoschansky kommt bald dahinter, dass dieses Nowitschok für einen russischen Oligarchen bestimmt war. Nach und nach stellt sich heraus, dass es dabei auch um die Ölpipeline Nord Stream 2 geht. Plötzlich erscheinen mehrere Ereignisse der letzten Jahre in einem völlig neuen Licht. Kokoschansky gerät in einen fürchterlichen Strudel aus Korruption, undurchsichtigen Geschäften und dubiosen Machenschaften und kommt der Wahrheit viel zu nahe. Er ahnt nicht, dass ihn der Kreml längst im Visier hat.
Günther Zäuner, geboren 1957 in Wien; Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Zeitgeschichte, musikalische Ausbildung. Freier Schriftsteller, Sach-, Drehbuch- und Theaterautor, Dokumentarfilmer, Journalist, Gestalter von TV-Beiträgen und Dokumentationen; spezialisiert auf Organisierte Kriminalität, Drogen, Sektenunwesen, Rechtsextremismus, Terrorismus, Geheimdienste und Politik. Mitglied im österreichischen PEN-Club und im Österreichischen Schriftstellerverband. www.guenther-zaeuner.at www.kokoschansky.at
Kapitel 1
Samstag, 27. April 2019
Freitag beweist wieder einmal mehr, dass er nicht nur ein exzellenter Journalist, sondern auch ein wahrer Freund und verlässlicher Partner ist. Noch gestern hat er sich mit Ron Atkinson abgesprochen.
Der Neffe wird seinen Onkel vom Flughafen Schwechat abholen, zuerst ins Hotel bringen, und anschließend findet ein gemeinsames Familienessen in einem Restaurant statt. Danach, um 15 Uhr, das Treffen in der FNews-Redaktion. Somit bleibt ausreichend Zeit, dass Kokoschansky mit seinem Sohn das Technische Museum besuchen kann.
Onkel Brandon hegte die Absicht, alleine nach Wien zu reisen, aber es gelang ihm nicht. Seine Frau Maggie kaufte ihm keine seiner Ausreden ab und hatte bereits ihren Koffer gepackt.
Auch ehemalige Agenten Ihrer Majestät müssen manchmal klein beigeben, wenn zu Hause die Ehefrau als wahre Macht das Zepter schwingt.
In einer Mail hat Brandon Atkinson seinen Neffen bereits vorgewarnt, dass Tante Maggie mitkommen wird, jedoch unter keinen Umständen bei dem geplanten Treffen mit dabei sein wird.
Maggie denkt bis heute, dass ihr Mann ein hoher Beamter im britischen Innenministerium war, und hat von seiner einstigen Agententätigkeit nicht die geringste Ahnung, obwohl er in seinen besten Zeiten kaum zu Hause war, sich oft wochen- und monatelang in verschiedenen Ostblockländern aufhielt.
In der Familie gilt sie als schrullig, ist eine glühende Monarchistin und macht auch keinen Hehl daraus, dass sie so gerne adelig und am liebsten mit dem Hause Windsor verwandt wäre. Dass ausgerechnet Prinz Harry eine amerikanische Schauspielerin heiraten musste, wird sie ihm nie verzeihen. War doch Maggie bereits bei Diana und später bei Camilla schwer entrüstet.
Was den Hauptbahnhof betrifft, ergab sich in der Zwischenzeit absolut nichts Neues. Nachdem auch in der Nacht das Areal fieberhaft ergebnislos durchkämmt und durchsucht wurde, ist der Bahnhof in den frühen Morgenstunden wieder freigegeben worden. Langsam normalisiert sich die Lage wieder, aber die Bevölkerung bleibt weiterhin verunsichert.
Das Innenministerium versucht zwar zu beruhigen, doch mehr, als dass »in alle Richtungen ermittelt« wird, kommt dabei nicht raus. Die übliche Plattitüde, wenn die Polizei mit ihrem Latein vorerst am Ende ist.
Sämtliche beschlagnahmte Auktionsware wird auseinandergenommen und penibel untersucht. Die Festplatten der Laptops und Kameraspeicherkarten genau ausgewertet, doch bislang erfolglos.
Ausgenommen bei einem Computer, den ein besonderer Intelligenzbolzen vergessen hatte. Hier fanden sich umfangreiche Dateien mit kinderpornographischen Inhalten. Anhand des Mail-Accounts konnte der pädophile Besitzer sehr rasch ausgeforscht und festgenommen werden.
Da die Käufer einer ersteigerten Ware ihre persönlichen Daten angeben müssen, kann leicht einer nach dem anderen überprüft werden.
Im Forschungszentrum Seibersdorf unterziehen die Spezialisten die Kleidung der Opfer und ihre persönlichen Gegenstände unterschiedlichen Tests, ebenso wie den Trolley und dessen Inhalt. Der Koffer ist in sämtliche Einzelteile zerlegt worden auf der Suche nach einem Hinweis. Doch es ist noch zu früh, um verwertbare Spuren und Ergebnisse vorweisen zu können.
Nachdem der Musiker erfahren hatte, was los ist, schnappte er sich schweren Herzens seine ersteigerte E-Gitarre, fuhr zur nächstgelegenen Mülldeponie und warf das Instrument in einen der Container.
Seit gestern herrscht im Department für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wien Hochbetrieb. Die fünf Leichen liegen auf den Seziertischen, und ständig neue Untersuchungen, besonders auf chemischer Basis, finden statt. Noch sind die Pathologen ziemlich ratlos, einige vermuten Nowitschok. Doch letztendlich zählen nur einwandfreie, hieb- und stichfeste Beweise.
Die Medien schüren diesen Verdacht, dass es sich um Nowitschok handeln könnte. Nur FNews hält sich derzeit noch zurück.
Bislang kam noch keinerlei Reaktion der russischen Botschaft in Wien, auch der Kreml schweigt. Keinerlei Zurückweisung der Unterstellung, dass dieser Kampfstoff möglicherweise eine tödliche Rolle spielte, kein Protest oder Dementi.
Zusätzliches Öl ins Feuer gießt ein vorwitziger Reporter einer Gratiszeitung, indem er den chemischen Kampfstoff Sarin ins Spiel bringt, was natürlich für weitere Beunruhigung sorgt.
Ebenso wie Nowitschok ist Sarin farblos, fast geruchlos und eine relativ flüchtige Flüssigkeit. Sarin gehört zur Gruppe der Phosphonsäureester und ist ein altes, absolut tödliches Kampfmittel.
Es wurde bereits 1939 zufällig während einer Insektizidforschung vom deutschen Chemiker Gerhard Schrader von der IG Farben in Leverkusen entdeckt. Drei Jahre zuvor, 1936, gab es bereits Tabun, und 1944 folgte Soman.
Im Juli 1944 produzierten die Nazis dreißig Tonnen Sarin in geheimen Fabriken, die jedoch nie im Kampf eingesetzt wurden. Zwei große Anlagen für die Massenproduktion waren am Ende des Zweiten Weltkriegs in Bau.
In Dyhernfurth in Schlesien wurde vorwiegend Tabun hergestellt, da es leichter als Sarin zu synthetisieren war, aber Sarin war in seiner Wirkung besser. 1943 lag bereits der Beschluss vor, in Falkenhagen, in Brandenburg, ein weiteres Werk zu bauen.
1945 sicherte sich die Rote Armee die Sarin-Vorräte aus Dyhernfurth. Über den Spion Alexander Arbusow wussten die Russen bereits seit 1943 von Sarin und Tabun.
Im Kalten Krieg verfügten sowohl die Amerikaner wie auch die Sowjets über große Sarin-Bestände. Erst 2003 gaben die Briten zu, ebenfalls in einem geheimen Labor in Porton Down in Wiltshire 1953 mit dem Kampfstoff experimentiert zu haben. Dabei kam ein Soldat der Royal Air Force ums Leben.
Auch der chilenische Geheimdienst DINA unter Pinochets Diktatur setzte Sarin gegen die Opposition ein, das der Chemiker Eugenio Beríos produzierte.
Höchstwahrscheinlich war Sarin auch 1988 in Halabdscha schuld am Tod von rund fünftausend Kurden, als der Irak unter Saddam Hussein dieses Gift verwendete. Andere Experten sprachen auch davon, dass möglicherweise der chemische Kampfstoff VX eingesetzt wurde.
Weltweit bekannt wurde Sarin 1994 und 1995 durch die japanische Terror-Sekte Aum unter Führung von Shōkō Asahara in Matsumoto und Tokio, wo seine Anhänger in der U-Bahn diesen Kampfstoff zum Einsatz brachten. Damals gab es zwanzig Todesopfer und Hunderte Verletzte.
Ebenso in Syrien war Sarin ein erprobtes Kampfmittel. Im April 2013 konnte es bei Sarakeb an einer Frauenleiche eindeutig nachgewiesen werden. Der skrupellose Assad setzte Sarin und Chlorgas auch bei Angriffen in Ghuta, Chan Schaichun und Ltamenah ein.
Der Kollege hat sehr gut recherchiert, aber dadurch seinen Teil dazu beigetragen, die Angst noch mehr zu schüren. Jetzt geistert neben Nowitschok zusätzlich Sarin in den Köpfen herum.
14.30 Uhr
Kokoschansky trifft eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Gesprächstermin in der FNews-Redaktion ein. Nur er, Freitag und Ron Atkinson wissen, wer sie um fünfzehn Uhr besuchen wird. Ansonsten ist es das übliche Wochenendgeschäft, die Redaktion fährt nur mit halber Kraft, sofern nichts Außergewöhnliches geschehen ist.
Zwar fallen die Ereignisse im Hauptbahnhof in diese Kategorie, allerdings bringt es überhaupt nichts, derzeit auf den gleichen Zug wie alle anderen Medien aufzuspringen. Selbst die ausländische Berichterstattung kann momentan nur mit Spekulationen aufwarten.
Doch niemand kam bisher auf Kokoschanskys und Freitags Vermutung, dass es möglicherweise einen Zusammenhang mit dem in Wien weilenden ukrainischen Oligarchen geben könnte. Alle reiten nur auf Nowitschok in Verbindung mit Salisbury herum.
Dementsprechend dürr sind die Aussagen in verschiedenen Pressekonferenzen und Interviews. Es gibt derzeit keinerlei neue Erkenntnisse. Dafür ist es noch viel zu früh. Auch die unbekannte Substanz konnte bislang noch nicht eindeutig verifiziert werden.
Umso hektischer spielt es sich hinter den Kulissen ab. Das Innenministerium will schnellstmöglich brauchbare Ergebnisse präsentieren und setzt die ermittelnden Beamten schwer unter Druck. Der Minister selbst dreht permanent am Rad. Schließlich gilt es, seinen Ruf als »bester Innenminister in der Zweiten Republik« zu verteidigen, um sein übergroßes Ego zu befriedigen. Dieses Prädikat, verpasst von seinem Vizekanzler und Parteifreund, nimmt mehrheitlich im Land ohnehin kaum jemand ernst, der bei klarem Verstand ist.
Als Kokoschansky zur Türe hereinkommt, sitzt sein Partner bereits erwartungsvoll und gespannt im gemeinsamen Büro.
»Servus, Koko! Wie war’s im Technischen Museum?«, fragt er neugierig.
»Danke.«
»Danke? Wofür denn?«
»Dass du den Termin so hingebogen hast, dass ich meinem Sohnemann doch noch seinen Wunsch erfüllen konnte.«
»Jetzt mach mal halblang, Koko. Ist...
Erscheint lt. Verlag | 18.11.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-99074-077-6 / 3990740776 |
ISBN-13 | 978-3-99074-077-4 / 9783990740774 |
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