Wer zweimal stirbt (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
576 Seiten
btb Verlag
978-3-641-21344-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer zweimal stirbt - Leif GW Persson
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Der junge Pfadfinder Edvin campt auf einer kleinen Schäreninsel, wo er und seine Kameraden Pilze sammeln. Ausgerüstet mit einem Körbchen findet er stattdessen einen halbvergrabenen Totenkopf im Wald. Obwohl er erst zehn Jahre alt ist, weiß er sofort, was zu tun ist: Er steckt den Schädel in eine Plastiktüte und türmt aus dem Pfadfinderlager zurück nach Stockholm geradewegs in die Wohnung seines Nachbars - dem berühmt berüchtigten Kommissar Evert Bäckström.

Evert Bäckström, irgendwo zwischen Mitte 40 und Mitte 50, klein, dick und durchaus nicht ganz auf der Höhe der Zeit, was Gleichberechtigung und politische Korrektheit angeht, ist als Kommissar bei der Polizei in Stockholm tätig. Sein Benehmen ist schlecht, sein Instinkt jedoch untrüglich. Er ist der Mann für die harten Fälle: Mord, bewaffneter Raubüberfall und so weiter. Am wenigsten scheut er dabei, sich selbst die Hände schmutzig zu machen.

Leif GW Persson gilt als Großmeister der skandinavischen Kriminalliteratur. Persson, der lange Zeit als Profiler im Polizeidienst tätig war, ist Professor der Kriminologie, Medienexperte und seit mittlerweile 30 Jahren einer der erfolgreichsten Krimiautoren Schwedens. Er wurde mehrfach mit dem Schwedischen Krimipreis ausgezeichnet, daneben erhielt er den Dänischen und den Finnischen Krimipreis. Seine Romane stehen regelmäßig auf Platz 1 der Bestsellerliste und verzeichnen Millionenauflagen.

4


Früher am Tag war Edvin mit seinen Pfadfinderkollegen beim Segeln gewesen, doch kurz nach dem Mittagessen hatte man ihm einen Spezialauftrag erteilt und ihn auf einer nahe gelegenen Insel abgesetzt, um Pfifferlinge, andere essbare Pilze oder sonst irgendetwas zu sammeln, das man verwenden konnte, um die Essenskosten für Edvin und seine Kollegen gering zu halten, ohne dass es sie umbringen würde.

Pilze hatte er keine gefunden, was Edvin, in Anbetracht des trockenen Wetters, das seit fast einem Monat herrschte, nicht sehr verwunderlich fand. Auch nichts anderes Essbares im Übrigen. Stattdessen hatte er eine völlig andere Art von Fund gemacht.

»Als ich ihn gesehen habe, dachte ich zuerst, es wäre ein großer Bovist.« Edvin nickte zu dem weißen Schädel hin, der zwischen ihnen auf dem Tisch lag. »Er war im Moos eingesunken, und nur die Stirn ragte heraus.«

»Was hast du dann gemacht?«, fragte Bäckström.

Etwas blass um die Nase bist du jedenfalls, dachte er.

»Na ja, ich bin draufgetreten. Wie man es bei Bovisten macht. Sodass er zerplatzt und staubt. Aber dann hab ich ja begriffen, was es war. Er lag außerdem genau vor dem Eingang zu einem Fuchsbau. Also hätte ich es vielleicht schon vorher kapieren müssen.«

Bäckström begnügte sich mit einem zustimmenden Nicken. Dann steckte er einen Stift in die Augenhöhle des Schädels und hielt ihn hoch, um ihn näher betrachten zu können, ohne Fingerabdrücke oder andere Spuren zu hinterlassen.

»Ich hab es genauso gemacht wie der Herr Kommissar. Um keine unnötigen Spuren zu hinterlassen«, sagte Edvin. »Ich hab ihn also nicht angefasst«, verdeutlichte er.

»Natürlich nicht. Wir sind ja Profis, du und ich. Nicht irgendwelche idiotischen Privatdetektive.«

Dieser Bursche hat’s drauf, dachte Bäckström, während er Edvins Fundstück untersuchte.

Es war ein menschlicher Schädel, dem der Unterkiefer fehlte, was oft der Fall war, sobald er eine Weile draußen in der Natur gelegen hatte. Ansonsten schien er in ausgezeichnetem Zustand zu sein. Weiß und ohne jegliche Gewebereste. Keine Werkzeugspuren, die durch Menschenhand zustande gekommen waren. Auch keine Abdrücke von Tierzähnen. Nur Spuren von Dingen, die mit Edvins Bericht zusammenpassten: Rückstände von Moos und Gras, ein längerer Halm, der sich zwischen den Vorderzähnen des Oberkiefers eingekeilt hatte, Erde an einer Seite. So weit nichts Merkwürdiges im Hinblick auf die Umstände, und im Lauf der letzten zweihundert Jahre hatten Generationen von schwedischen Archäologen Tausende ähnlicher Funde im Mälartal gemacht, die aus der Bronzezeit und früher stammten. Damit gab es auch keinen Grund für jemanden wie Bäckström, sich unnötig zu ereifern. Wäre da nicht das kleine, runde Loch in der rechten Schläfe gewesen, etwa in Höhe der Mittellinie der Augenhöhlen.

»Die Kugel liegt noch im Inneren des Schädels.« Edvin reichte Bäckström eine kleine Taschenlampe. »Ich hab sie klappern hören, als ich ihn hochgehoben habe. Also hab ich sie mir mit der Taschenlampe angeschaut.«

»Soso, das hast du also.« Bäckström kippte den Schädel vorsichtig in den richtigen Winkel und leuchtete in den Schädel hinein. Da lag sie, genau wie Edvin gesagt hatte.

Eine Bleikugel, ohne Ummantelung, vermutlich Kaliber .22. Ein Einschussloch mit scharfen und deutlichen Kanten, aber kein Austrittsloch. Die Kugel war platt gedrückt worden, sobald sie die Schläfe des Schädels durchdrungen hatte, und hatte einen doppelt so großen Durchmesser angenommen wie zuvor. Zu groß, um durch das Loch zu fallen, das sie verursacht hatte, und damit im Kopf des Menschen verblieben, den sie getötet hatte. Und ein guter Grund dafür, dass Edvins Fund auf Bäckströms Tisch gelandet war. Sogar auf seinem eigenen Sofatisch.

»Aha, ja.« Bäckström stellte den Schädel auf dem Tisch ab. »Was meinen wir also dazu? Nachdem es dein Fund ist, Edvin, schlage ich vor, du fängst an. Was fällt dir zu dem Totenschädel hier ein?«

Zuerst hatte Edvin nur genickt. Dann ein kleines schwarzes Notizbuch aus einer der kleinen Taschen geholt, die er an seinem Gürtel trug, samt einen Stift, den er aus der Brusttasche seines Hemds zog. Seine Brille zurechtgerückt und etwas diskret gesummt, eher für sich, wie es schien, bevor er schließlich das Wort ergriff.

»Danke, Herr Kommissar«, sagte Edvin. »Ich glaube, es ist eine Frau. Eine erwachsene Frau. Zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt. Also, als sie gestorben ist. Eigentlich bin ich mir da ganz sicher.«

»Wie kannst du dir so sicher sein?«

Dieser Junge übertreibt vielleicht ein bisschen, dachte Bäckström.

»Ich hab im Bus auf dem Weg hierher gegoogelt.« Edvin fiel es plötzlich schwer, seinen Eifer zu verbergen. Er hielt sein iPhone hoch, um seine Aussage zu bekräftigen.

»Ich will ja nicht nerven«, erwiderte Bäckström, »aber was macht dich so sicher?«

Alles, absolut alles, sprach Edvin zufolge dafür, dass es so war. Ein gut zusammengewachsener Schädel mit deutlichen Suturen. Genau wie bei einem Erwachsenen. Bleibende Zähne wie bei einem Erwachsenen. Keine Milchzähne, wie sie Kinder bis zu einem Alter von zirka 13 Jahren haben konnten. Definitiv ein erwachsener Mensch.

»Und warum meinst du, es ist eine Frau?«, fragte Bäckström.

»Tja, das liegt nicht in erster Linie an der Größe. Frauen haben zwar kleinere Köpfe als Männer, also im Durchschnitt, und dieser hier ist ja sehr klein, wenn er auf einem erwachsenen Mann gesessen haben soll. Aber es gibt ja große Unterschiede. Ich meine, auch zwischen Männern.«

Wie wahr, wie wahr, dachte Bäckström und nickte ermunternd.

»Es sind vor allem andere Dinge«, fuhr Edvin fort. »Senkrechte Stirn, runde Form. Männer haben oft eine eher nach hinten geneigte und etwas eckige Stirn. Ja, und dann wären da noch die Augenbrauenbögen. Bei uns sind sie oft markant, aber bei Frauen sind sie klein oder gar nicht vorhanden. Die Augenhöhlen sind bei Frauen runder, und wenn der Herr Kommissar sie sich genau anschaut, dann sieht man, dass die Oberkante der Augenhöhlen dünn und scharfkantig ist. Bei Männern ist sie wesentlich breiter und abgerundeter. Über das Kinn können wir ja leider nichts sagen, weil ihr der Unterkiefer fehlt.«

»Aber du bist ganz sicher?«

Was zum Geier sollen wir mit einem Nationalen Forensischen Zentrum, dachte Bäckström. Hunderte von Idioten, die herumlaufen und Däumchen drehen, obwohl man sie genauso gut durch seinen kleinen Edvin ersetzen könnte.

»Ja, ganz sicher.«

»Hast du noch mehr herausgefunden?«

»Ich glaube nicht, dass sie drogenabhängig oder kriminell war oder so was. Ich glaube, sie war ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ein pflichtbewusster Mensch, der ein gutes Leben geführt hat. Sie hat zum Beispiel weiße, völlig gesunde Zähne. Keine einzige Plombe. Keine Löcher, nicht einmal Zahnstein oder Karies. Sie hat auch keine verheilten früheren Verletzungen am Kopf. Als wenn jemand sie geschlagen hätte, oder ihr ein Unfall passiert wäre, meine ich.«

»All das hast du herausgefunden, während du im Bus gesessen und gegoogelt hast?«

»Ja. Ich war fast allein im Bus, ich hab mich ganz hinten hingesetzt, sodass niemand sehen konnte, dass ich mir den Schädel unter die Lupe genommen habe. Außerdem hat die Fahrt nach Kungsholmen über eine Stunde gedauert.«

Vorne im Bus sitzen irgendwelche erwachsenen Trottel und denken darüber nach, ob sie Pizza oder Pasta zu Abend essen und ob sie es noch vor Ladenschluss zum Systembolaget schaffen, dachte Bäckström. Während sie dort mit ihren kleingeistigen Grübeleien beschäftigt sind, sitzt der kleine Edvin ganz hinten, um in aller Ruhe ausgehend von eingehend geprüften wissenschaftlichen Fakten den Schädel zu inspizieren, den er ein paar Stunden zuvor gefunden hat. Genau wie ich es getan hätte, dachte er. Es gab also noch Hoffnung für die Menschheit. Obwohl sie im Namen der Gerechtigkeit schon seit langem hätte verloren sein müssen.

»Gibt es irgendetwas, was ich deiner Meinung nach zu fragen vergessen habe?«, fügte er hinzu.

Vielleicht eine Sache, meinte Edvin, aber das sei nichts, das er sicher wisse, sondern eher etwas, worüber er nachgedacht habe. Ein Gefühl, das er gehabt hatte.

»Was denn?«, fragte Bäckström.

»Ich hab den Eindruck, sie ist nicht in Schweden oder Europa geboren. Es ist kein Schädel von kaukasischem Typ, wie man in der Anthropologie sagt. Dass sie samischen Ursprungs ist, ist wohl auch nicht sehr wahrscheinlich.«

»Glaub ich auch«, stimmte Bäckström zu.

Die Häufigkeit von Lappen im Mälartal sprach stark dagegen, glücklicherweise, dachte er.

»Und woher kommt sie dann?«

»Ich hab das Gefühl, sie kommt aus Asien«, sagte Edvin. »Thailand, Vietnam, Philippinen, vielleicht sogar China oder Japan. Ferner Osten, nicht Mittlerer Osten. Aber das ist also eher ein Eindruck, den ich habe.«

»Ich glaube, dieser Teil des Rätsels wird sich lösen lassen«, meinte Bäckström. »Sobald wir ihre DNA untersucht haben.«

»Das Zahnmark.« Edvin nickte. »Bei ihren guten Zähnen sollte das funktionieren.«

»Ja.«

Was hatte ich eigentlich erwartet, dachte Bäckström.

»Bleibt die entscheidende Frage«, sagte Edvin, während er mit dem Stift etwas in sein Notizbuch kritzelte.

»Was meinst du?«

»Mord oder Selbstmord.«

»Ja, ich wollte dich gerade danach fragen«, erwiderte Bäckström, was eine glatte Lüge war, denn das Einzige, worüber er in den letzten Minuten ihres Gesprächs...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Reihe/Serie Die Bäckström-Serie
Die Bäckström-Serie
Übersetzer Julia Gschwilm
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Kan man dö två gånger?
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Backstrom TV Serie • Cilla und Rolf Börjlind • eBooks • Kommissar Bäckström • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinung 2020 • Krimis • Nordic Noir • Ragnar Jonasson • Schweden • Schwedenkrimi • Spannungsroman • Stockholm • Yrsa Sigurdardóttir
ISBN-10 3-641-21344-4 / 3641213444
ISBN-13 978-3-641-21344-2 / 9783641213442
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