Tutto Bene - Ein Lago-Maggiore-Krimi (eBook)
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402796-8 (ISBN)
Andrea Di Stefano ist das Pseudonym von Andreas Lebert und Stephan Lebert. Die beiden Brüder sind im Hauptberuf Journalisten. Wenn sie als Autoren-Duo zusammen Romane schreiben, schlüpfen sie nicht nur in ein anderes Leben, sondern auch unter andere Namen. Die Bestseller der Thriller-Trilogie »Der Regler« sowie »Die Siedlung der Toten« schrieben sie als Max Landorff, die Taschenbuch-Serie »Holly« als Anna Friedrich. Ihre Lago-Maggiore-Fälle kommen den beiden gefährlich nahe, nicht nur im Autorennamen: Sie verbringen seit über zehn Jahren viel Zeit an dem Gletschersee in den Alpen.
Andrea Di Stefano ist das Pseudonym von Andreas Lebert und Stephan Lebert. Die beiden Brüder sind im Hauptberuf Journalisten; wenn sie als Autoren-Duo zusammen Romane schreiben, schlüpfen sie nicht nur in ein anderes Leben, sondern auch unter andere Namen. Die Bestseller der Thriller-Trilogie »Der Regler« sowie »Die Siedlung der Toten« schrieben sie als Max Landorff, die Taschenbuch-Serie »Holly« als Anna Friedrich. Der erste Lago-Maggiore-Krimi kommt den beiden gefährlich nahe, nicht nur im Aurorennamen: Sie verbringen seit über zehn Jahren viel Zeit an dem Gletschersee in den Alpen.
Di Stefano wird weder pittoresk, noch übertreibt er es mit dem Kolorit.
Ein Kantersieg für das Ostufer. Ein guter Touri-Provinz-Krimi.
Neben der reinen Krimi-Spannung ist auch die Suche des Helden Lukas Albano Geier nach der Liebe faszinierend.
Die tolle Kulisse der [...] Landschaft des Lago Maggiore, die besonderen Charaktere des Krimis, eine spannende aber nicht blutrünstige Handlung, machen ihn zu etwas Besonderem.
6
Am Nachmittag ruft Lara an. Ich sehe ihren Namen auf dem Display. Die Relativitätstheorie der Sehnsucht. Zeit ist relativ. Was sind schon 25 Jahre?
»Willst du mich endlich heiraten?«, sage ich.
Sie lacht ihr helles Lachen, das klingt, als würde man Kieselsteine in der Hand hin und her bewegen.
»Komm mich besuchen, und wir reden drüber«, sagt sie.
»Hast du von dem Mord gehört?«
»Natürlich«, sagt sie.
»Weißt du etwas darüber?«
»Nein«, sagt sie.
»Ich glaube dir nicht. Deshalb heiratest du mich nicht, weil ich dich immer durchschaue.«
Kieselsteine.
»Ich muss dir etwas erzählen«, sagt sie. »Komm mich besuchen.«
Ich dusche, wasche die Haare und überlege, was ich anziehen soll. Weißes Hemd? Wirkt frisch und aufgeräumt. Schwarzes Hemd? Wirkt ernst und geheimnisvoll. T-Shirt? Wirkt lässig. Nicht rasieren? Wirkt abenteuerlich. Mensch, Lara, du machst mich zum Trottel. Schon immer, immer noch.
Der Suzuki gibt auf dem Weg nach unten komische Knackgeräusche an der Vorderachse von sich. Das sollte ich mal kontrollieren lassen.
Lara besitzt das schönste Hotel auf der Ostseite des Lago Maggiore, das Camin in Colmegna. Ein altes Haus, direkt am Wasser, an den Felsen geklebt gewissermaßen, unterhalb der Küstenstraße. Das Restaurant erstreckt sich über drei Ebenen, mit kleinen Bars, romantischen Mauernischen und einer großen Terrasse, über die eine gestreifte Markise gespannt ist. Im Garten schlängeln sich gepflasterte Wege durch Lavendelbeete, Palmen, Agaven und Tabakpflanzen. Die Hotelzimmer blicken von oben über das Anwesen und weit über den See bis auf die andere Seite zur Isola Bella.
Stets dieselbe Kellnercrew macht hier beste Stimmung bei reichen Schweizern, die zum Essen herkommen, bei deutschen Hotelgästen, die ein Wochenende gebucht haben, bei Italienern in Anzügen, die Business machen. Lara bietet alles an: Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Special Events. Im Sommer ist der Parkplatz bis auf den letzten Zentimeter zugestellt mit großen BMWs und Porsche Cayennes.
Ich parke den Suzuki an der Straße und betrete das Grundstück über den Kiesweg, der zur kleinen Bar am Wasser führt. Ich habe schwarze Jeans an und ein dunkelgrünes Hemd. Und ich habe mich dann doch rasiert. Wo ist das große Glas mit Schokolinsen, das immer auf einem Tisch neben der Bar stand? Für Kinder eigentlich. Für Kinder und mich. Heute aber nicht da.
Lara trägt einen weißen Leinenanzug, weiße Turnschuhe. Ihre blonden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie steht mit dem Rücken zu mir auf der Terrasse und erteilt einem Kellner Anweisungen. Ich sehe, wie sie auf den Garten deutet und mit ihren Händen die Szenerie malt, die sie dort heute Abend sehen will. Stehtische wahrscheinlich, weiß eingedeckt mit blitzenden Weingläsern in Habachtstellung und dem Grill vorn am Wasser. Irgendwie hat sie mich doch wahrgenommen, jedenfalls dreht sie sich nach einem letzten Nicken zum Kellner um und steuert lächelnd auf mich zu. Der Anzug ist weit geschnitten und bis oben zugeknöpft, ich sehe zwei große Silberreife von ihren Ohren hängen.
»Komm«, sagt sie nach den Begrüßungsküsschen, rechts, links, rechts. »Komm, wir fahren ein bisschen Boot, ich zeig dir was.« Sie nimmt mich an die Hand, und wir gehen eine kleine Treppe runter zum Wasser. Ein pakistanischer Angestellter in weißem Kittel wartet an einem winzigen Schlauchboot. Wir steigen ein, und er rudert uns zur Boje, wo Laras Motorboot festgemacht ist. Ihre Knie berühren meine. Einmal legt sie kurz ihren Kopf an meine Schulter. »Schön, dass du gekommen bist.«
Wir steigen in das große Motorboot, der Pakistani leider auch, er setzt sich ans Steuer.
»Du hast Angst vor mir«, sage ich zu Lara.
»Fändest du das gut?«, fragt sie.
Ich überlege.
»Nein«, sage ich.
Bis 40 PS darf man am Lago Maggiore auch ohne Führerschein Boot fahren. Touristen mieten sich solche Boote. Ich auch manchmal. Der Ton, mit dem dieser Motor anspringt, stellt gleich klar, dass hier eher ein paar hundert PS am Werke sind.
Wir sitzen im Heck nebeneinander auf weißen Ledersitzen und fahren zwanzig Minuten die Küste entlang. Vom Wasser aus sieht alles anders aus, vor allem die Häuser. Würden sie Selfies von sich machen, würden sie einen langen Teleskoparm benutzen und diese Perspektive wählen.
Vor dem Ort Caldé lässt Lara den Motor drosseln. Sie deutet auf ein großes Gebäude, eine ehemalige Villa, unterhalb einer alten Kapelle, die dort auf der Kuppe eines Felsens errichtet wurde, wahrscheinlich unter schrecklichen Mühen.
»Hier wohnt Leonardo jetzt«, sagt Lara. »Ich habe ihm in der residence einen Platz besorgt.«
»Er ist nicht mehr oben in Curiglia?«
»Er kann fast nicht mehr gehen, er ist alt, Lukas. Alt und allein. Warum bist du nie zu ihm gefahren?«
»Ich bin zu ihm gefahren.«
»Er sagt, seit Jahren schon nicht mehr.«
Das Boot schaukelt ein bisschen, leise klatscht das Wasser an die Außenwand. Laras Stimme ist klar, sie reiht die Worte in ihren Sätzen genau im richtigen Tempo aneinander, damit sie in der Luft einen Moment stehenbleiben können.
»Zu viele Erinnerungen dort oben in Curiglia«, sage ich.
»Wollen wir anlegen und ihn besuchen?«, fragt sie. Sie sieht mich an. Es ist eine echte Frage. Keine Aufforderung. Keine Tendenz ist herauszuhören, in welche Richtung die Antwort gehen sollte. Immer hat sie so gefragt. Jede Antwort ist möglich, mit jeder Antwort wird sie leben. Damals, als wir jung waren, hat mich das gestört, irritiert. Es wirkte auf mich, als wäre ihr alles gleichgültig, als würde sie immer nur beobachten, aus ziemlich weiter Ferne beobachten.
Willst du mit mir nach Lausanne gehen? Das hat sie mich gefragt, als sie siebzehn war. Eine echte Frage. Nein, habe ich gesagt, weil sie mich verletzt hatte. Und sie lebte mit meiner Antwort. Ein gutes Leben. Bis heute.
»Nein«, antworte ich auch jetzt. »Ich werde ihn allein besuchen. Ich will jetzt lieber mit dir Boot fahren.«
Lara gibt dem Pakistani ein Zeichen. Er weckt den Motor auf, wendet das Boot und steuert auf die Mitte des Sees zu. Der Fahrtwind lässt Laras Pferdeschwanz wehen und die Ohrringe baumeln.
»Leonardo hat eine Kiste für dich gepackt«, sagt sie laut, um das Motorengeräusch zu übertönen.
»Eine Kiste?«
»Ich habe sie bei mir im Camin, sie ist nicht groß. Passt gut in deinen Suzuki.«
»Erinnerungen«, sagt sie weiter. »Was sonst? Hauptsächlich Sachen von deiner Mutter. Ihr großer Strohhut ist dabei. Aber auch unsere Armbrust, weißt du noch?«
Natürlich weiß ich. Ich habe sie geschnitzt, gestrichen, bespannt, verleimt und verschraubt. Unter Leonardos Anleitung. Aber Lara war immer dabei, hat zugesehen und geholfen, manchmal ein Teil festgehalten, damit ich ein anderes Teil daran befestigen konnte. Und eine Katze hat auch immer zugesehen. Wie hieß sie noch?
Unsere hat Lara gesagt. Unsere Armbrust.
»Ich höre, die Straße am Ufer wird neu gemacht«, sage ich.
»Ja, das wird vielleicht ein Theater! Nur noch eine Fahrspur mit Baustellenampel für mindestens ein Jahr, direkt vor meiner Einfahrt.«
Das Boot fährt in einem Bogen um die Ruine der alten Wasserburg. Ein Kran rostet schon seit Jahren neben dem Turm vor sich hin. Zeuge eines gescheiterten Versuches, mal irgendwas aus der Ruine zu machen.
»Lara, was weißt du über die Tote im Hotel Centrale?«
»Sicher weniger als du«, sagt sie.
»Wie meinst du das?«
»Kennst du sie denn nicht?«
Sie sieht mich an. Jede Antwort ist möglich. Aber die Antwort ist auch eine Weiche, wie wir weiterreden. Ob wir weiterreden. Nach meinem Nein zu Lausanne haben wir nie wieder Pläne für die Zukunft gemacht. Und keine Zukunft gehabt.
»Doch, ich kenne sie«, antworte ich.
Ich brauche Vertraute in dieser Angelegenheit, fürchte ich.
Lara lächelt ihr kleinstes, kaum zu bemerkendes Lächeln. Meine Antwort war die richtige.
»Gibst du vielen Frauen deine Handynummer?«, fragt sie.
Auf der Rückfahrt erklärt sie mir, wer das Hotel Centrale gekauft hat und renovieren ließ, welche Pläne mit der Investition verbunden waren, wer das Ganze wie finanziert hat. Ich versuche mir die Namen und Firmennamen zu merken. In dem kleinen Schlauchboot auf dem Weg zum Ufer legt sie diesmal den Kopf nicht an meine Schulter.
Leonardos Kiste ist ein Umzugskarton. Wir laden sie auf die Rückbank des Suzuki. Ambrogios Paket von der Post wandert unter den Beifahrersitz.
»Ich muss dich noch um einen Gefallen bitten, Lukas«, sagt Lara.
Wir stehen neben dem Suzuki an der Straße. Es wird Abend, das Licht wechselt ins Gold.
Lara nimmt meine Hand und erklärt, dass sie in drei Tagen, also am Samstagabend, wieder einen ihrer Eventabende veranstaltet. Tanz in den Sommer, heißt er. Er ist schon ausgebucht mit weit über hundert Gästen. Junge Mädchen von der Ballettschule in Luino werden tanzen. Eines der Mädchen ist Laras Tochter.
»Ich habe meinen Gästen schon so oft sagen müssen, dass ich dich nicht zu einem kleinen Gastauftritt überreden kann«, sagt sie. »Aber das wäre jetzt die perfekte Gelegenheit. Nur ein einziger Song. Nur ›Tutto Bene‹. Mir zuliebe, Lukas. Bitte.«
Ich schaue sie an. Im Hintergrund nimmt ein Reisebus die sehr enge Kurve beim Hotel.
Tutto bene, my love, don’t worry
Tutto bene, my...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2020 |
---|---|
Reihe/Serie | Lukas Albano Geier | Lukas Albano Geier |
Zusatzinfo | 1 s/w-Abbildung |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adria • aktuelle bestseller • Al Bano • Bannalec • Boot • Der Regler • Dolce Vita • Donna Leon • Erinnerung • Espresso • Ferienkrimi • Ferienlektüre • frankreich-krimi • Gardasee • Gil Ribeiro • Hotel • Italien • Italien-Krimi • Italo-Hits • Jean-Luc Bannalec • Krimi • Krimi Bestseller 2021 • Krimi Neuerscheinung • Lombardei • Mord • München • Oberitalienische Seen • Piemont • Pierre Lagrange • Polizist • See • Sommer • Sommerhit • spannend • Spannende Unterhaltung • Tessin • Thriller • Thriller Bestseller • Unterhaltung • Urlaubs-Krimi |
ISBN-10 | 3-10-402796-X / 310402796X |
ISBN-13 | 978-3-10-402796-8 / 9783104027968 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,0 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich