Zyankali vom Weihnachtsmann (eBook)

Ein Fall für Nero Wolfe

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
139 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-19176-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zyankali vom Weihnachtsmann -  Rex Stout
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Eine Weihnachtsfeier voller ausgelassener Gäste, bis einer von ihnen ermordet wird. Ausgerechnet der Weihnachtsmann steht unter Verdacht. Keiner weiß, wer er gewesen ist. Er verschwindet spurlos. Nero Wolfe ermittelt. Aus gutem Grund. Denn wenn die Polizei schneller ist als er, wird es unangenehme Folgen für ihn haben. Rex Stout war einer der erfolgreichsten amerikanischen Krimiautoren des 20. Jahrhunderts. Die Neuübersetzung von Gunter Blank bietet dem deutschen Leser erstmals die Möglichkeit, den Autor ins einer ganzen literarischen Qualität zu entdecken. Mit einem Nachwort des Krimipreisträgers Franz Dobler.

Rex Stout (1886-1975) wurde berühmt durch seine Kriminalromane mit dem übergewichtigen Privatermittler Nero Wolfe. Zwischen 1933 und 1975 verfasste er 33 Romane und zahlreiche Erzählungen dieser Serie. Bevor er mit 46 Jahren seinen ersten Nero-Wolfe-Roman schrieb, war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Zeitlebens trat er für die Wahrung individueller Freiheitsrechte ein und war lange Vorsitzender des amerikanischen Schriftstellerverbands.

Rex Stout (1886-1975) wurde berühmt durch seine Kriminalromane mit dem übergewichtigen Privatermittler Nero Wolfe. Zwischen 1933 und 1975 verfasste er 33 Romane und zahlreiche Erzählungen dieser Serie. Bevor er mit 46 Jahren seinen ersten Nero-Wolfe-Roman schrieb, war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Zeitlebens trat er für die Wahrung individueller Freiheitsrechte ein und war lange Vorsitzender des amerikanischen Schriftstellerverbands.

Kapitel Zwei


Als ich mich am Freitagnachmittag um drei vor dem dreistöckigen Gebäude in den East Sixties aus dem Taxi schlängelte, schneite es. Wenn es anhielt, konnte New York sich auf schmutzig weiße Weihnachten freuen.

Seit ich vor zwei Tagen so reichlich für die Kosten meines Aufgebots entlohnt worden war, war die Stimmung im Hause Wolfe wenig festlich. Hätten wir einen Fall bearbeitet, wären häufige und ausführliche Gespräche unvermeidbar gewesen. Aber ohne einen solchen gab es nichts zu sagen; und genau das taten wir. Die Probezeit brachte unsere wahre Natur zum Vorschein. Bei Tisch etwa verhielt ich mich höflich und zurückhaltend, redete nur, wenn es nötig war, und zwar mit ruhiger, kultivierter Stimme. Wolfe dagegen blaffte oder bellte. Keiner von uns erwähnte den mir bevorstehenden Stand der ehelichen Glückseligkeit, geschweige denn die dafür erforderlichen Veränderungen, meine freitägliche Verabredung mit meiner Verlobten oder seinen Ausflug nach Long Island. Aber irgendwie musste er ihn arrangiert haben, denn pünktlich um 12:30 Uhr am Freitag fuhr eine schwarze Limousine vor, und Wolfe stemmte sich, mit hochgeschlagenem Kragen seines neuen grauen Mantels und tief ins Gesicht gezogener Krempe seines alten schwarzen Hutes, dem Schnee entgegen, stieg die Vortreppe hinab, wartete dräuend auf der untersten Stufe, bis der Chauffeur ihm die Tür aufhielt, überquerte den Gehweg und zwängte sich in den Wagen. Ich beobachtete dies vom Fenster meines Zimmers aus.

Ich gestehe, dass ich erleichtert war und mich besser fühlte. Er hatte zweifellos eine Lektion verdient, und ich bedauerte nicht, sie ihm erteilt zu haben, aber wenn er deshalb die Gelegenheit zu einem Tête-à-Tête mit dem besten Orchideenzüchter Englands verpasst hätte, hätte ich mir das bis in alle Ewigkeit anhören müssen. Ich ging hinunter in die Küche und aß mit Fritz zu Mittag, der über die Stimmung im Haus so aufgebracht war, dass er vergessen hatte, Zitronensaft zum Soufflé zu geben. Ich versuchte, ihn mit der Versicherung zu trösten, bis Weihnachten habe sich alles wieder eingerenkt, aber das gelang mir natürlich nicht, denn bis dahin waren es nur noch drei Tage.

Fast hätte ich eine Münze geworfen, um zu entscheiden, ob ich mir die neue Dinosaurier-Ausstellung im Naturgeschichtsmuseum anschauen sollte oder zu Bottweills Weihnachtsfeier gehen, aber ich war neugierig, wie Margot sich in Anbetracht unseres Aufgebots verhalten würde und auch, wie die anderen Bottweill-Angestellten damit umgingen. Ich war überrascht, dass sie es immerhin versuchten. Cherry Quon spielte dabei nur eine Nebenrolle, weil sie lediglich als Rezeptionistin fungierte, die Anrufe entgegennahm, aber ich hatte gesehen, wie ihre schwarzen Augen Pfeile auf Margot Dickey abschossen, die besser außer Reichweite blieb. Mir war aufgefallen, dass man sich hauptsächlich auf Margot verließ, um die potenziellen Kunden ins Boot zu locken, wo Bottweill sie umgarnte, während Alfred Kiernan sicherstellen musste, dass sie auf der gepunkteten Linie unterschrieben, bevor der Zauber verflogen war.

Das war natürlich nicht alles. Der Auftrag musste ausgeführt werden, was unter Bottweills Aufsicht von Emil Hatch im Atelier erledigt wurde. Außerdem waren Mittel von Nöten, um Materialien einzukaufen, die von einer gewissen Mrs. Perry Porter Jerome bereitgestellt wurden. Margot hatte mir erzählt, dass Mrs. Jerome zur Feier kommen und ihren Sohn Leo mitbringen würde, dem ich noch nie begegnet war. Laut Margot widmete Leo, der keinerlei Verbindung zum Bottweill’schen Unternehmen und auch zu keinem anderen unterhielt, seine gesamte Zeit zwei Aktivitäten: seiner Mutter genügend Geld aus den Rippen zu leiern, um seinem Leben als Junior-Playboy zu frönen, und den Cashflow an Bottweill zu unterbinden oder zumindest einzudämmen.

Das ergab ein ziemliches Durcheinander, eine interessante Zurschaustellung bockender und ausschlagender Zweibeiner, die mehr Unterhaltung versprach als die toten Dinosaurier, folglich nahm ich ein Taxi in die East Sixties.

Das Erdgeschoss des Gebäudes, einer ehemals extrabreiten Luxusvilla, beherbergte inzwischen einen Schönheitssalon. Im ersten Stock befand sich ein Immobilienmakler, im zweiten Kurt Bottweills Atelier und ganz oben sein Penthouse. Ich fuhr mit dem selbstfahrenden Aufzug hoch, öffnete die Tür zu seiner Edelabsteige und betrat die glänzende Blattgoldeleganz, die ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal kennengelernt hatte, als Bottweill Wolfe beauftragt hatte herauszufinden, wer sich seine Gobelins unter den Nagel gerissen hatte. Bei meinem ersten Besuch war ich zu dem Schluss gekommen, dass der einzige Unterschied zwischen Chrom-Moderne und Blattgold-Moderne in der Farbe bestand, und das dachte ich noch immer. Nur den Bruchteil eines Millimeters tief. Doch auf den Wänden, den Regalen und Möbeln verlieh er dem lichtdurchfluteten Penthouse eine ziemliche Anmutung, die die allesamt modernen Teppiche, Vorhänge und Gemälde noch verstärkten. Eine hübsche Hütte für einen blinden Millionär.

»Archie«, rief jemand. »Komm und hilf uns probieren.«

Es war Margot Dickey. In einer der hinteren Ecken befand sich eine mindestens drei Meter lange Blattgold verzierte Bar, wo Margot auf einem Blattgold verzierten Hocker saß. Cherry Quon und Alfred Kiernan saßen neben ihr, und hinter der Bar stand der Weihnachtsmann und schenkte Champagner aus. Es war ganz sicher eine modernistische Note, den Weihnachtsmann als Barkeeper zu beschäftigen, allerdings war an seinem Kostüm nichts Modernes. Es war völlig traditionell, Schnitt, Farbe, Größe, Maske, alles, abgesehen von der Hand, die die Champagnerflasche hielt, die war von einem weißen Handschuh umhüllt. Während ich den Raum auf dicken Teppichen durchquerte, dachte ich mir, das sei ein Touch Bottweill’scher Eleganz, und erst viel später merkte ich, wie sehr ich mich irrte.

Man wünschte mir frohe Weihnachten, und der Weihnachtsmann goss mir ein Glas Bubbelwasser ein. Das Glas war nicht mit Blattgold verziert. Ich war froh, dass ich gekommen war. Eine Blondine an einem Arm und eine Brünette am anderen verleiht einem Mann ein Gefühl des Wohlbehagens, zumal die beiden äußerst ansehnliche Exemplare ihrer Art waren – die hochgewachsene, schlanke Margot, die entspannt und kurvenreich auf ihrem Hocker thronte, und die kleine, mandeläugige Cherry Quon, die mir im Stehen bis zur Kragenspitze reichte und nun mit durchgedrücktem Rücken dasaß wie ein dicker, indes nicht steifer Strich. Ich fand, Cherry hätte nicht nur eine bemerkenswerte Statue abgegeben, weil sie hochgradig dekorativ wirkte, sie ließ darüber hinaus die zwischenmenschlichen Beziehungen in einem ganz neuen Licht erscheinen. Margot hatte mir erzählt, ihr Vater sei halb Chinese, halb Inder und ihre Mutter Holländerin.

Ich sagte, ich sei offensichtlich zu früh gekommen, aber Alfred Kiernan meinte Nein, die anderen seien unterwegs und würden jeden Moment eintreffen. Er fügte hinzu, dass es eine freudige Überraschung sei, mich zu sehen, da es sich eigentlich nur um ein kleines familiäres Zusammentreffen handele und er nicht gewusst habe, dass noch andere eingeladen waren. Kiernan, der den Titel eines Geschäftsführers trug, hatte eine bestimmte Richtung missfallen, die ich auf der Jagd nach den Gobelins eingeschlagen hatte, und das hatte sich nicht geändert, aber ein Ire auf einer Weihnachtsfeier findet alle toll. Mein Eindruck war, dass er sich tatsächlich freute, und so freute ich mich auch. Margot sagte, sie habe mich eingeladen, und Kiernan tätschelte ihren Arm und sagte, wenn sie es nicht getan hätte, hätte er es getan. Er war etwa in meinem Alter und auf eine füllige Weise attraktiv, der Typ Mann, der einer Königin oder der Frau des Präsidenten den Arm tätscheln kann, ohne dass sich eine Augenbraue hebt.

Er sagte, wir bräuchten eine neue Runde, und wandte sich an den Barkeeper. »Mr. Claus, wir probieren den Veuve Clicquot.« Und an uns gewandt: »Typisch Kurt, verschiedene Marken anzubieten. Niemals eintönig, unser Kurt.« Und zum Barkeeper: »Darf ich dich beim Vornamen nennen, Santy?«

»Gewiss, Sir«, sagte der Weihnachtsmann hinter seiner Maske mit einer dünnen Falsettstimme, die nicht zu seiner Statur passte. Als er die neue Flasche entkorkte, wurde zu seiner Linken eine Tür geöffnet, und zwei Männer traten ein. Einen von ihnen, Emil Hatch, kannte ich bereits. Als Bottweill Wolfe und mich über die Gobelins und seine Angestellten ins Benehmen setzte, hatte er Margot Dickey, seine Kontaktanbahnerin, Cherry Quon, seine Telefonistin, und Emil Hatch, seinen Lieblingstapisseur, hinzugeholt, und als ich Hatch kennenlernte, fand ich, dass er genauso aussah und sich auch so benahm. Er war kaum größer als Cherry Quon,...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2019
Übersetzer Gunter Blank
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Archie Goodwin • Buch • Detektiv • Gift • Klassiker • Krimi • Krimiklassiker • Kriminalroman • Mord • Nero Wolfe • New York • Privatermittler • USA • Weihnachten • Weihnachtskrimi • Zyankali
ISBN-10 3-608-19176-3 / 3608191763
ISBN-13 978-3-608-19176-9 / 9783608191769
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