Die Reconquista (eBook)
130 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-74008-4 (ISBN)
Nikolas Jaspert lehrt als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg.
Cover 1
Titel 3
Zum Buch 2
Über den Autor 2
Impressum 4
Inhalt 5
1. al-Andalus: Die Iberische Halbinsel kommt untermuslimische Herrschaft (711–1031) 7
Vom ?abal ??riq (Gibraltar) bis zu den Pyrenäen 7
Ethnische und religiöse Vielfalt 9
2. Im Zeichen der Restauration (ca. 722–ca. 1035) 14
Reizbegriff «Reconquista» 14
Das Königreich Asturien: «Neogotismus»und der Vorstoß in die Meseta 17
Die Reiche des Nordens 20
Diplomatie und interreligiöse Heiratspolitik 22
3. Die Taifenreiche und ihre christlichen Nachbarn (1031–1085) 26
Tribute und Bündnisse 26
Religiöse Aufladung 29
Der Einfluss der Kirche und der «Proto-Kreuzzug» gegen Barbastro 34
4.«Reconquista» und Kreuzzug: Narrative und Praktiken 36
Die Iberische Halbinsel, ein neues Heiliges Land? 36
Pragmatik und religiöse Deutung 41
5. Wechselndes Kriegsglück (1085–1199) 46
Aufstieg und Fall der Almoraviden 46
Die Bewegung der Almohaden 51
6. Die Zeit der großen christlichen Eroberungen (1199–1260) 54
Der Sprung nach Süden 54
Gab es eine islamische «Reconquista»? 59
7. Grenzkriege und Grenzgesellschaften (ca.1260–1480) 62
Die Nasriden und ihre erfolgreiche Schaukelpolitik 62
Zwietracht unter den Christen 67
«HeißeGrenze» oder Zone des Austauschs? 69
Gefangenenloskauf 75
8. Mehr als der Cid: Akteure und Pragmatismus 81
Monarchen und Adel 81
Päpste, Bischöfe und Ritterorden 84
Festungen und Krieger 88
Seitenwechsel und Verträge 91
9. Das Leben unter der Herrschaft Andersgläubiger 96
Im Zeichen des Halbmonds 96
Unter dem Kreuz 97
Abgrenzungsbemühungen 101
Emigration – Immigration 103
10. Iberisches Ende und amerikanische Anfänge (1481–ca.1550) 107
Krieg um Granada 107
Erinnerungsgeschichte und Fortleben der«Reconquista»-Ideologie 110
Dank 115
Bibliographie 116
Synthesen 116
Die muslimische Eroberung und das Umayyadenreichvon Córdoba (711–1031) 116
Reizbegriff «Reconquista» 117
Christliche Eroberung im Zeichen der Restauration (722–1035) 117
Die Taifenreiche und ihre christlichen Nachbarn (1031–1085) 118
Religiöse Aufladung bei Christen und Muslimen 118
«Reconquista» und Kreuzzug: Narrative und Praktiken 119
Wechselndes Kriegsglück (1085–1199) 119
Die großen christlichen Eroberungen (1199–1260) 120
Gab es eine islamische «Reconquista»? 120
Grenzkriege im Spätmittelalter (ca. 1260–1482) 121
Grenzgesellschaften und ihre Herausforderungen 121
Mehr als der Cid: Akteure und Formen der Gewalt 122
Pragmatismus: Diplomatie und Bündnisse zwischen Muslimen und Christen 123
Besiegte, Unterworfene, Untertanen: Muslime, Juden und Christen unter der Herrschaft Andersgläubiger 123
Migration, Besiedlung, Vertreibung 124
Iberisches Ende und amerikanische Anfänge (1481–ca.1550) 125
Register 126
Karte 1: Christliche und muslimische Herrschaften vom 12. bis 14. Jahrhundert 129
Karte 2: Das Kalifat von Córdoba und die Entstehung der Taifenreiche (ca.1015–1031) 130
1. al-Andalus: Die Iberische Halbinsel kommt
unter muslimische Herrschaft (711–1031)
Vom Ğabal Ṭāriq (Gibraltar) bis zu den Pyrenäen
Im April 711 überquerte ein muslimischer, wahrscheinlich berberischer Heerführer namens Ṭāriq ibn Ziyād (gest. ca. 720) zusammen mit einer Streitmacht von einigen Tausend Reitern und Fußsoldaten die Meerenge, die Nordafrika von der Iberischen Halbinsel trennt. Damit griff er das Reich der Westgoten an. Der Ort, an dem Ṭāriq ibn Ziyād an Land ging, trägt noch heute seinen Namen, Gibraltar oder «Berg des Tariq» (arab. Ğabal Ṭāriq). Kurze Zeit später wurde seine Armee von der Streitmacht des westgotischen Königs Roderich gestellt. In der Schlacht, die zwischen dem 19. und 23. Juli 711 am Fluss Guadalete (arab. Wādī Lakku) ausgefochten wurde, fiel König Roderich, und sein Heer erlitt eine vernichtende Niederlage. Das Westgotenreich, das seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts die Iberische Halbinsel beherrscht und nachhaltig geprägt hatte, war besiegt.
Ṭāriq ibn Ziyād handelte nicht in eigener Sache. Er war von Mūsā ibn Nuṣayr (gest. 715) entsandt worden, der im Dienst der in Damaskus residierenden Kalifen aus dem Geschlecht der Umayyaden stand. Mūsā, als Gouverneur für die nordafrikanischen Gebiete zuständig, überquerte 712 persönlich zusammen mit seinen Söhnen und weiteren Kämpfern die Meerenge von Gibraltar. In den folgenden etwa acht Jahren unterwarf das vereinigte Heer alle christlichen Territorien der Iberischen Halbinsel bis an den Rand der Pyrenäen. Weitere umayyadische Heerführer konnten das islamische Herrschaftsgebiet sogar nach Südfrankreich ausdehnen, wurden jedoch in den Dreißigerjahren des 8. Jahrhunderts von den Franken über die Pyrenäen zurückgedrängt. Dieses Gebirge markierte fortan die Grenze zwischen dem christlichen, dem römisch-päpstlichen Kirchenritus folgenden «Lateineuropa» und den islamisch beherrschten Gebieten der Iberischen Halbinsel. Von den Muslimen wurde das ihnen unterstehende Territorium – vielleicht in Anlehnung an die Vandalen, die zu Beginn des 5. Jahrhunderts Südspanien beherrscht hatten – als «al-Andalus» bezeichnet.
Der fulminante Sieg der nordafrikanischen Invasoren im Frühjahr 711 und der rasche Zusammenbruch der westgotischen Herrschaft haben in der Geschichtswissenschaft immer wieder Fragen aufgeworfen: Wie konnte eine vergleichsweise kleine Streitmacht über das Heer des Westgotenreichs siegen? War dieses geschwächt, und wenn ja: wodurch?
Lateinische Quellen des 8. und arabische Texte des 9. Jahrhunderts, die von den Ereignissen berichten, liefern wenige Hintergrundinformationen. Im 13. Jahrhundert hingegen wusste ein christlicher Autor, Lucas von Tuy (gest. 1249), die vermeintlichen Schuldigen zu benennen: Juden seien es gewesen, welche den Eindringlingen in verräterischer Absicht die Königsstadt Toledo in die Hände gegeben hätten. Zwar wurden die jüdischen Gemeinden des Westgotenreichs in der Tat in den Jahren vor der muslimischen Eroberung massiv unterdrückt, doch liegen keine zeitgenössischen Hinweise vor, die auf eine Kollaboration deuten könnten, so verständlich diese auch gewesen sein möge. Eine andere Erklärung ist plausibler: Schon der anonyme Autor der sogenannten «Mozarabischen Chronik von 754» berichtet von inneren Streitigkeiten in der Führungsschicht des Westgotenreichs. Im Jahre 710 war König Witiza gestorben. Aus den Streitigkeiten um dessen Nachfolge ging der erwähnte Roderich als Sieger hervor, doch gab es auch eine Fraktion, welche die jungen Söhne des verstorbenen Königs favorisierte und aus diesem Grund von den Muslimen Nordafrikas Militärhilfe erbat. Arabische Quellen nennen auch einen geheimnisvollen, angeblich byzantinischen Grafen Julian, der die Verhandlungen mit Ṭāriq ibn Ziyād geführt und ihn zur Invasion eingeladen haben soll.
Die jüngere Geschichtsforschung hat eine Reihe weiterer Gründe für den muslimischen Erfolg ausgemacht: etwa den Schlachtentod König Roderichs, der das Reich führungslos zurückließ, oder die Inbesitznahme des Reichsschatzes durch die Muslime bei der Einnahme Toledos. Außerdem gingen die Eroberer geschickt vor: Sie sicherten lediglich vereinzelte städtische Vorposten militärisch und arrangierten sich gezielt mit lokalen Machthabern. Mit einigen Territorialherren schlossen sie Verträge, welche deren Herrschaft weitgehend intakt ließen, solange die muslimische Oberhoheit anerkannt wurde. Die Übereinkunft mit dem westgotischen Adeligen Theudemir (gest. ca. 743), der über ein ausgedehntes Gebiet an der südlichen Levanteküste um Orihuela gebot, illustriert dieses Vorgehen. Auf der Grundlage solcher Verträge konnten einzelne Familien insbesondere in den Städten ihre soziale Stellung behalten. Manche von ihnen konvertierten zum neuen Glauben und nahmen auch unter muslimischer Herrschaft Führungspositionen ein. Andere christliche Adelige zogen sich auf das Land zurück und gelangten erst nach mehreren Jahrzehnten zu einer Einigung mit den neuen Machthabern. Aus ihnen gingen teils einflussreiche, nunmehr islamisierte Geschlechter hervor wie etwa die wohl nach einem westgotischen Grafen Cassius benannten «Söhne des Qasī» (arab. Banū Qasī) im Nordosten der Iberischen Halbinsel.
Für die spätere, mittelalterliche Begründung der muslimischen Eroberung des 8. Jahrhunderts sollten sich indes nicht diese Verträge mit den Einheimischen als wirkmächtig erweisen, sondern vielmehr die Geschichten von Witiza und den jüdischen Verrätern. Sie wurden von Chronisten des hohen und späten Mittelalters aufgegriffen und dienten als Warnung davor, wie schnell sich das Glück wenden und ein Reich untergehen kann, wenn seine Einwohner uneins sind und sich versündigen. Allerdings dienten diese Narrative aber auch jenen christlichen Autoren des späteren Mittelalters als Argument, welche die Loyalität unterworfener Juden und Muslime infrage stellen sollten.
Ethnische und religiöse Vielfalt
Heutzutage wird der beispiellose Siegeszug des Islam im 7. und 8. Jahrhundert häufig unter dem Begriff der «islamischen Expansion» oder der «arabischen Expansion» gefasst. Doch ist das zutreffend? Wer genau waren die Männer, die 711 in der Schlacht am Guadalete kämpften und in der Folge die Iberische Halbinsel unter islamische Herrschaft brachten? Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass es sich weder um eine ethnisch noch religiös kohärente Streitmacht handelte und daher die vereinfachende Bezeichnung arabisch bzw. islamisch zumindest irreführend ist. Zum einen bildeten die sogenannten «Araber»– im engeren Sinne die Bewohner der arabischen Halbinsel, die wiederum zwischen Nord- und Südarabern zu scheiden sind – gar nicht die Mehrheit in der Armee der Invasoren, bestand doch das Aufgebot größtenteils aus unterworfenen und erst kurz zuvor zum Islam konvertierten Berbern, bei denen wiederum unterschiedliche Stämme zu unterscheiden sind (vor allem Ṣanhāğa- und Zanāta-Berber). Zum anderen dürften keineswegs alle Krieger Muslime gewesen sein. Dazu war die Islamisierung des Maghreb zu Beginn des 8. Jahrhunderts noch nicht hinreichend fortgeschritten, und die neuen Herren zeigten ohnehin kein besonderes Interesse, die Unterworfenen zu missionieren. Dass die Eroberung aber von Beginn an im Zeichen des Islam erfolgte, belegen nicht nur die geschriebenen Texte, sondern auch die ersten Münzprägungen der Sieger.
Vor allem die ethnische Heterogenität der Eroberer, die noch anstieg, als zur Mitte des 8. Jahrhunderts infolge innerer Unruhen weitere muslimische Truppen aus Syrien nach al-Andalus kamen, sollte Folgen zeitigen. Zu dieser Vielfalt trugen außerdem die islamisierten Sklaven aus Mittel- und Ostmitteleuropa bei, die vor allem im 9. und 10. Jahrhundert in großen Mengen gekauft und ins Land gebracht wurden. Manche von ihnen wurden bei Hofe eingesetzt und erscheinen als sogenannte Ṣaqāliba (Slawen) in den arabischen Quellen.
Aus nord- und südarabischen, berberischen, syrischen und slawischen Muslimen sowie aus ehemaligen Christen und Juden setzte sich also die islamische Bevölkerung in al-Andalus zusammen. Die zum Islam übergetretenen Christen werden in den arabischen Quellen als muwalladūn (span. muladíes) bezeichnet. Mit der Zeit dürften diese Konvertierten und ihre Nachfahren die Mehrheit der muslimischen Gesellschaft ausgemacht haben.
Die Gründe für ihren Religionswechsel sind im Einzelfall kaum zu greifen und ohnehin selten auf einen Faktor zu reduzieren. Neben denen, die aus...
Erscheint lt. Verlag | 19.9.2019 |
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Reihe/Serie | Beck'sche Reihe | Beck'sche Reihe |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Literatur ► Historische Romane | |
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Schlagworte | Al Andalus • Christentum • Diplomatie • Geschichte • Iberische Halbinsel • Islam • Katholizismus • Krieg • Mauren • Politik • Portugal • Reconquista • Religion • Spanien |
ISBN-10 | 3-406-74008-1 / 3406740081 |
ISBN-13 | 978-3-406-74008-4 / 9783406740084 |
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