Kretische Feindschaft (eBook)
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491093-2 (ISBN)
Nikos Milonás alias Frank D. Müller hat sich bereits im Alter von 17 Jahren bei seiner ersten Kreta-Reise in die Mittelmeerinsel verliebt. Aus einem kühlen norddeutschen Sommer kommend, war er überwältigt, als er vom Schiff aus die Küste sehen konnte und der intensive Duft von wildem Thymian übers Meer zu ihm herüberwehte. Seither verbringt er so viel Zeit wie möglich auf Kreta und hat Land und Leute fest ins Herz geschlossen. In seinem deutschen Leben wohnt der gebürtige Hamburger in München, arbeitet als Regieassistent und Dokumentarfilmer und ist (Co-)Autor diverser TV-Sendungen (u.a. »München 7«).
Nikos Milonás alias Frank D. Müller hat sich bereits im Alter von 17 Jahren bei seiner ersten Kreta-Reise in die Mittelmeerinsel verliebt. Aus einem kühlen norddeutschen Sommer kommend, war er überwältigt, als er vom Schiff aus die Küste sehen konnte und der intensive Duft von wildem Thymian übers Meer zu ihm herüberwehte. Seither verbringt er so viel Zeit wie möglich auf Kreta und hat Land und Leute fest ins Herz geschlossen. In seinem deutschen Leben wohnt der gebürtige Hamburger in München, arbeitet als Regieassistent und Dokumentarfilmer und ist (Co-)Autor diverser TV-Sendungen (u.a. »München 7«).
Ein unterhaltsames Buch mit viel Kreta-Flair, in dem alte Traditionen und modernes Leben aufeinandertreffen.
Mir gefällt besonders gut die Mischung aus einer sehr spannenden und bis zur letzten Seite unklaren Krimihandlung und Michalis Familiengeschichte.
2
Noch mit geschlossenen Augen spürte Michalis Charisteas, dass ein leichter, vom Hafen kommender Wind die Vorhänge am Fenster bewegte. Von unten aus der Taverne waren das Lachen seiner Mutter und die Rufe seines Bruders und seines Vaters zu hören, die sich jeden Morgen aufs Neue lautstark darüber unterhielten, was auf die Speisekarte kommen sollte.
Michalis war vor dem Klingeln des Weckers aufgewacht. Das kam nicht oft vor, nur an besonderen Tagen, und heute war der Tag, auf den er sich seit Wochen freute. Am Nachmittag würde Hannah landen, und wenn im Kommissariat nichts Ungewöhnliches passierte, dann würde er sich freinehmen und die Frau, die er seit zwei Monaten jeden Tag vermisste, am Flughafen von Chania abholen. Und im Kommissariat passierte im Moment nur selten etwas Ungewöhnliches.
Schon als Kind war Michalis morgens nie sofort aus dem Bett gesprungen, sondern hatte immer erst gelauscht, welche Geräusche vom Hafen kamen. Elena, seine Schwester, war schon zwölf Jahre alt, als Michalis in dieses Zimmer zog, und auch Sotiris war mit seinen zehn Jahren viel zu groß, um sein schmales Bett mit dem kleinen Brüderchen zu teilen. Also war mit Michalis ein winziges drittes Bett in das enge Kinderzimmer eingezogen und hatte bis zu Elenas Auszug verhindert, dass sich die Zimmertür ganz öffnen ließ.
Die Eltern hatten erwartet, dass vor allem Elena in den kleinen Michalis vernarrt sein würde, aber noch mehr war es sein Bruder Sotiris, der den Nachzügler Michalis liebte. Und so kroch Michalis oft nachts in das Bett seines großen Bruders, um besser schlafen zu können, und morgens, wenn sie eigentlich längst aufstehen mussten, versuchten sie zu erraten, wer draußen gerade mit seinem Boot am Hafen anlegte.
»Theokratis?«, hatte Michalis oft mit seiner hellen Kinderstimme geflüstert und Sotiris erwartungsvoll angesehen.
»Nein. Anastas«, hatte Sotiris dann mit Bestimmtheit geantwortet. Elena hatte dieses morgendliche Ritual ihrer Brüder meistens nur spöttisch belächelt.
Lange Zeit waren es nur diese beiden gewesen, Theokratis und Anastas, die so früh am Morgen mit ihren kleinen weiß-blauen Booten vom Meer zurück in den alten Fischerhafen fuhren. Die beiden hatten ihre Liegeplätze direkt vor der Fischtaverne, und mit ihnen wehte der Geruch von Salz, Meerestieren und Algen in die Häuser.
Der alte Theokratis hatte oft über Nacht einige Meeräschen und Calamari gefangen, und er trank morgens als Erstes mit dem Großvater von Michalis einen griechischen Mokka, seinen Elliniko. Erst danach knetete er seine Calamari so lange behutsam auf der Kaimauer, bis ihr Fleisch weich genug geworden war, um den Gästen serviert zu werden.
Anastas hingegen hatte früh das kleine Boot seines Vaters übernehmen müssen und brachte jeden Tag Touristen zu einem der Strände westlich von Chania. Auf ein Plakat, mit dem er am Hafen für seine Ausfahrten warb und das er ungelenk selbst gestaltet hatte, hatte er ein Foto mit Delphinen geklebt. Viele Urlauber fuhren nur deshalb mit ihm, weil sie hofften, auf der Fahrt durch die Bucht von Chania Delphine zu sehen. Tatsächlich aber hatte Anastas in seinem Leben erst ein Mal welche gesehen, und diese hatte er aus einer Illustrierten ausgeschnitten.
Michalis stand mit einem Lächeln auf, duschte und ging über die enge Holztreppe nach unten. Groß, wie er war, musste er auf der Treppe immer den Kopf ein wenig einziehen, und er fragte sich oft, ob die Menschen früher wirklich so viel kleiner gewesen waren. Wie alle Männer der Familie waren auch sein Vater und sein Großvater, die als Kinder ebenfalls in dem kleinen Zimmer im ersten Stock gewohnt hatten, nicht nur über einen Meter neunzig groß, sondern sie hatten auch wie Michalis volles, leicht gewelltes dunkles und später graues Haar und behielten es bis ins hohe Alter. Und wie alle Männer der Familie Charisteas trugen sie einen Vollbart, über den sie sich beim Nachdenken gern strichen.
Michalis wollte sich in der Küche der Taverne schnell selbst einen Elliniko machen, aber seine Mutter, die morgens sehr energisch war, weil sie alles für den Tag vorbereiten wollte, schob ihn lächelnd, aber entschlossen zur Seite. Er gab ihr einen Kuss und setzte sich draußen zu seinem Vater an einen der Holztische, die später von Einheimischen und Urlaubern bevölkert werden würden. Noch waren die großen Sonnenschirme zusammengeklappt, und viele der in hellem Blau und Gelb gestrichenen Holzstühle mit Bastgeflecht standen noch auf den Tischen.
Sein Vater hatte seine Füße auf die Streben eines Stuhls gestützt und saß mit angestrengtem Gesichtsausdruck vor seinem Tablet-PC, studierte Aktienkurse und kratzte sich den Bart. Seit er die Fischtaverne nicht mehr allein führte und mehr freie Zeit hatte, wollte er allen beweisen, dass er mit dieser Zeit auch etwas anfangen konnte. Deshalb hatte er sich vor einem Jahr von einem Yachtbesitzer aus Athen, der wochenlang jeden Abend ins Athena zum Essen gekommen war, davon überzeugen lassen, norwegische Staatsanleihen zu kaufen. Angeblich eine todsichere Sache, und tatsächlich verdiente der Vater damit wohl auch ein wenig Geld, aber es war nicht seine Welt. Seine kräftigen, braungebrannten Finger, mit denen er in seinem Leben bisher immer angepackt hatte, gehörten einfach nicht auf die Tastatur eines Computers.
»Und? Schon wieder gestiegen?« Michalis legte seine graue Lederjacke über die Stuhllehne und setzte sich. Sein Vater richtete sich auf und schob die Ärmel seines dunkelbraunen Hemdes hoch.
»4,2 Prozent! Seit letzter Woche!«, sagte er triumphierend.
»Nicht schlecht.«
»Irgendwann verdien ich damit mehr als du mit deinen Verbrechern«, sagte der Vater, lehnte sich zurück und blickte zum Leuchtturm am Ende der Hafenmole, auf dessen helle, einfarbige Steine die ersten warmen Strahlen der Morgensonne fielen.
»Ich verdiene immer das Gleiche. Ob es viele Verbrecher gibt oder wenig.«
»Ja! Solang er zahlt, der Staat.«
»Das Schlimmste ist doch vorbei«, erwiderte Michalis und wusste, wie froh vor allem seine Mutter war, dass die Finanzkrise den Tourismus auf Kreta nicht ruiniert hatte.
Der Vater musterte Michalis mit seinen braunen Augen, die sich seit einigen Jahren immer stärker von seinen grau werdenden Haaren abhoben.
»Ich trau denen aus Athen nicht«, erwiderte er.
Michalis verkniff es sich zu sagen, dass sein Vater sowieso niemandem traute, der nicht von Kreta kam. Und im Grunde traute er sogar auch nur denen, die direkt aus Chania stammten und die er seit Kindertagen kannte. Aber das sagte Michalis lieber nicht, sonst hätte es nur wieder Diskussionen gegeben.
Der Vater legte sein Tablet zur Seite und schaute zu Sotiris hinüber, der in fast dem gleichen braunen Hemd, wie es der Vater trug, aus dem Lagerraum kam und sich Notizen machte. Michalis kannte diesen etwas wehmütigen Blick seines Vaters. Früher hatte er all das, was jetzt Sotiris machte, selbst erledigt. Aber vor drei Jahren hatte er nach einem Autounfall zwei Monate im Krankenhaus gelegen, und Sotiris hatte in dieser Zeit das Athena, das seit über hundert Jahren in Familienbesitz war, allein geführt, und das sehr erfolgreich. Als der Vater wieder gesund war, waren er und Sotiris plötzlich gleichberechtigt, auch wenn der Vater das lange nicht zugeben wollte. Aber spätestens, als Sotiris behutsam begann, die Speisekarte und den Service gegen den Willen des Vaters nach und nach zu modernisieren, war nicht mehr zu übersehen, wer hier in Zukunft das Sagen haben würde. Zumal die Mutter eher zu ihrem Sohn hielt. Für Takis Charisteas, Familienoberhaupt und Wirt der Fischtaverne Athena, in der fast jeder Bewohner Chanias schon mal gegessen hatte, wie Takis gern behauptete, war das nicht einfach. Er kannte hier jeden, jeder kannte ihn – und plötzlich war er nicht mehr der Chef?
»Wann fährst du uns endlich mal im Polizeiauto zur Schule?« Sofia, Michalis’ jüngste Nichte, stellte ihre rosa Schultasche auf den Tisch und sah Michalis herausfordernd an.
»Du weißt, dass das nicht erlaubt ist.«
»Aber dann wissen alle, dass sie mich nicht ärgern dürfen. Weil sonst die Polizei kommt.«
Michalis lächelte. Sofia war mit ihren neun Jahren die frechste der Töchter seines Bruders, und sie wollte unbedingt Polizistin werden. Allerdings nur wie ihr Onkel bei der Kriminalpolizei, damit sie keine Uniform tragen musste. Uniformen fand sie blöd, vor allem bei Frauen. Die weißen Hemden, die Michalis meistens im Dienst trug, gefielen Sofia zwar auch nicht, aber Michalis hatte ihr versichert, dass er so ziemlich der einzige Kriminalpolizist in ganz Chania war, der solche Hemden trug.
Hinter Sofia tauchte Nicola auf, seine Schwägerin, die Frau von Sotiris und Mutter seiner drei Töchter. Eine tatkräftige, immer gutgekleidete Frau mit langen braunen Haaren, die genauso war, wie die Mutter von Michalis sich eine Schwiegertochter vorstellte.
»Sofia! Wir kommen zu spät!«, rief sie energisch.
»Aber morgen!« Sofia hob den Zeigefinger, als wollte sie Michalis drohen, gab ihrem Opa einen Kuss, grinste und rannte los, um vor ihrer Mutter am Auto zu sein.
Michalis’ Vater sah ihr nach.
»Sie mag dich.«
»Ich sie auch.«
»Du solltest selbst Kinder haben. Das würde auch deine Mutter freuen.«
Michalis verzog das Gesicht. Ob und wann Hannah und er Kinder bekommen würden, das ging nur sie beide etwas an. Zumal Sotiris drei Töchter hatte, und Elena, ihre Schwester, zwei Söhne....
Erscheint lt. Verlag | 17.4.2019 |
---|---|
Reihe/Serie | Michalis Charisteas Serie | Michalis Charisteas Serie |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Chania • Fehde • Ferienlektüre • Gil Ribeiro • Griechenland • Jean-Luc Bannalec • Kreta • Kreta-Krimi • Michalis Charisteas • Oliven • Rache • Urlaub • Urlaubskrimi |
ISBN-10 | 3-10-491093-6 / 3104910936 |
ISBN-13 | 978-3-10-491093-2 / 9783104910932 |
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