Das Siegel von Rapgar (eBook)

Roman

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2018 | 1. Auflage
592 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97965-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Siegel von Rapgar -  Alexey Pehov
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In der altehrwürdigen Stadt Rapgar geschehen rätselhafte Morde, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Als Till er'Cartya, Nachfahr einer alten Magierfamilie, zu Unrecht beschuldigt wird, ein Mitglied der Herrscherfamilie umgebracht zu haben, begibt er sich auf die Suche nach dem wahren Täter. Dabei begegnet er der geheimnisvollen Erin, die von finsteren Gestalten gejagt wird. Doch durch ihre Nachforschungen ziehen Till und Erin die Aufmerksamkeit der falschen Personen auf sich und stoßen zudem auf Hinweise, dass hinter den Morden eine Verschwörung steckt, die ganz Rapgar ins Verderben stürzen könnte ...

Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste phantastische Schriftsteller Russlands. »Die Chroniken von Siala« wurden zu millionenfach verkauften, mit mehreren Preisen ausgezeichneten Bestsellern. Zuletzt erschien seine epische Fantasyreihe »Die Beschwörer«. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, die ebenfalls Schriftstellerin ist, lebt Pehov in Moskau.

Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste phantastische Schriftsteller Russlands. "Die Chroniken von Siala" wurden zu millionenfach verkauften, mit mehreren Preisen ausgezeichneten Bestsellern. Zuletzt erschien seine epische Fantasyreihe "Die Beschwörer". Gemeinsam mit seiner Ehefrau, die ebenfalls Schriftstellerin ist, lebt Pehov in Moskau.

1


Eilzug No 9

»Mein Junge! Hättest du vielleicht die Güte, mir zu erklären, was du dir dabei nun schon wieder gedacht hast?«, meckerte Stephan los, kaum dass ich die Kutsche verlassen und dem Mann oben auf dem Bock zum Abschied ein kleines Trinkgeld zugesteckt hatte.

»Was ich mir wobei gedacht habe?«, stellte ich mich voller Genuss dumm, während ich dem Wagen nachsah, der über die malerische Lindenallee zurück in Richtung des hinter Hügeln verborgenen Autumnhill davonfuhr. »Etwa dabei, dem Kutscher eine Anerkennung in klingender Münze zukommen zu lassen?«

»Nein! Dabei, dass wir uns jetzt eine Viertelmeile lang die Hacken wundlaufen dürfen! Beim Alleinzigen! Das überstehen meine armen Füße niemals!«

»Darf ich dich daran erinnern, dass du überhaupt keine Füße hast«, flötete ich. »Und gegebenenfalls auch gar nichts mit ihnen anzufangen wüsstest.«

»Was bist du nur für ein Banause, so eine Meinung von mir und meinen Fähigkeiten zu haben!«, brauste Stephan auf. »Was aber deine Frage angeht, ob dieser sogenannte Kutscher eine Anerkennung in klingender Münze verdient – der Bursche ist ein Dieb. In gehobenen Kreisen drückt man einem Dieb keine Münze in die Hand, sondern jagt ihn mit einem Tritt in den Allerwertesten davon.«

»Du, mein alter Freund und Gefährte, solltest doch wohl am besten wissen, dass es in gehobenen Kreisen von Dieben nur so wimmelt!«

Mit einem unzufriedenen Murren erkannte er mir diesen Treffer zu.

»Dieser Kutscher«, fuhr er dann aber beharrlich fort, »hat gestern Abend, während ihr betrunkenen Stiesel in dem jungen Eichenwäldchen auf Waldschnepfenjagd gewesen seid, einen Roséschaumwein stibitzt.«

»Meine Güte, der arme Bursche wollte sich die Kehle ebenfalls ein wenig anfeuchten«, entgegnete ich. »Sei doch nicht derart kleinkariert und knauserig!«

Während ich meinen Weg fortsetzte, sog ich die frische Luft ein. Man sollte wirklich öfter hinaus ins Grüne. Die Natur bot dem Auge nun einmal mehr als die Straßen Rapgars.

»Wenn der arme Bursche tatsächlich nur etwas hätte trinken wollen, hätte ich ihn mit Freuden auf den Fluss in seiner Nähe hingewiesen«, giftete Stephan. »Du kannst einem dreckigen Dorfbengel doch nicht durchgehen lassen, dass er seinen Durst mit Schaumwein aus den besten Provinzen Chevilles stillt. Eine einzige Flasche davon kostet vierzig Farteigns! Vierzig Farteigns, das sind viertausend Zelinen! Wo kommen wir denn da hin?! Zu Zeiten deines seligen Urgroßvaters – möge er seinen Frieden in der Urlohe gefunden haben! – hat man solche Filous ordentlich verdroschen …«

»Und ihnen bei der Gelegenheit gleich auch noch die Haut vom Leibe abgezogen«, murmelte ich. Meine aufgeräumte Stimmung war wie weggeblasen. »Wir können von Glück sagen, dass wir nicht mehr in ganz so wüsten Zeiten leben. Die Welt braucht Frieden und Eintracht, Stephan.«

»Die Welt braucht Feuer und Eisenstangen«, ereiferte sich mein guter alter Spazierstock. »Ohne diese beiden Utensilien ist es nämlich schon bald aus mit deiner Welt.«

»Da spricht mal wieder die blutdürstige Dämonenseele aus dir«, tadelte ich ihn.

Was ich schon in der nächsten Sekunde bereute.

»Wir Amnes haben keine Seele. Im Übrigen habe ich dich schon wiederholt gebeten, mich nicht Dämon zu nennen. Das ist bestenfalls beleidigend, schlimmstenfalls noch mehr!«

»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich sofort, wollte ich es mir doch ersparen, mir die nächsten zwei Stunden weitschweifige Vorträge über den Charakter von Wesen aus der Urlohe anzuhören, die vermittels Magie in einen Gegenstand gezwängt worden waren.

»Wenn du erst einmal mein Alter erreicht hast, mein Junge …«

»Keine Sorge, das werde ich bestimmt nicht«, unterbrach ich ihn.

Nun war es an Stephan, sich auf die nicht vorhandene Zunge zu beißen.

»Ich frage mich immer noch«, wechselte er denn auch rasch das Thema, »ob es wirklich klug war, unsere ursprünglichen Pläne über Bord zu werfen. Wolltest du nicht eigentlich bis Ende der Woche in Autumnhill bleiben? Stattdessen haben wir kaum einen Tag dort verbracht und sind …«

»Die Sintreens werden das schon verstehen, obendrein habe ich mich bei ihnen für meinen überstürzten Aufbruch entschuldigt.«

»Ja – schriftlich! Der Anstand hätte jedoch verlangt, dass du das persönlich tust. So hat dein Aufbruch einer Flucht geglichen.«

Was sollte ich dazu sagen? Stephan hatte ja recht. Doch nachdem Clarissa mit ihren vermaledeiten Brüdern eingetroffen war, hatte ich es nicht eine Sekunde länger bei den Sintreens ausgehalten. Daran traf Clarissa im Grunde keine Schuld. Oder zumindest nicht die alleinige.

Die letzten anderthalb Jahre war ich dem falschen Glanz dieser höchsten Kreise Rapgars weitgehend ferngeblieben, hatte ich mir das ganze leere Geschwätz über das Wetter, Polo, Pferderennen und neu eröffnete Heilbäder erspart. Zur Strafe bedachten all die schönen Damen in ihren schwarzen Abendkleidern und die eleganten Herren in Smoking oder Frack meine bescheidene Person nun bestenfalls mit neugierigen Blicken, schlimmstenfalls jedoch mit Mitleid, Angst oder echter Verachtung. Auf Ersteres konnte ich getrost verzichten, Mittleres amüsierte mich ein wenig, Letzteres ließ mich völlig kalt. Dennoch mied ich die Zusammenkünfte dieser Herrschaften.

Mein alter Freund Dante begriff das beim besten Willen nicht, weshalb er ständig verlangte, ich solle mir Satisfaktion vom Leben holen, mich aber nicht wie ein Einsiedler zurückziehen.

»Genieße dein Leben, Till! Genieße es«, riet er mir gern, wenn er selbst in melancholischer Stimmung war.

Bei solchen Gelegenheiten verkniff ich mir stets grinsend die Bemerkung, Dante selbst verlasse seine vier Wände ja auch nicht gerade häufig und halte obendrein die Hälfte der adligen Herrschaften Rapgars für ausgemachte Grobiane. Ein echter Luxer wie er, so tönte mein Freund gern, würde in Anwesenheit dieser Pinsel unweigerlich aus der Haut fahren.

»Und ich«, hatte ich ihm einmal gestanden, »schlafe ein, wenn ich mir sämtliche Einzelheiten über den Kauf eines neuen Trabers anhören muss. Das Geschwätz über bevorstehende Bälle, die jüngsten Entwürfe der Schneider Chevilles oder den werten Herrn N., der die holde Dame N. in den Armen des elenden A. erwischt habe, weshalb am nächsten Freitag ein Duell anberaumt sei, ermüdet mich. Für sechs Jahre habe ich die Rapgarer Bühne gegen meinen Willen verlassen müssen – aber an diesen ach so geselligen Zusammenkünften hat sich nicht das Geringste geändert!«

Dante hatte daraufhin bloß geschnaubt, und unser Gespräch war damals erloschen wie die Flamme des Glaubens an den Alleinzigen im Herzen eines schwarzhäutigen Ogano …

Auf dem Weg zum Bahnhof sog ich die klare Landluft ein. Sie roch nach Herbstlaub, frischer Milch, gerösteten Kastanien und Nebel, der erst vor Kurzem in die bunten Wälder abgezogen war.

Schon als kleiner Junge hatte ich den Herbst gemocht. Trotz des Regens gab es für mich keine herrlichere Jahreszeit. Der Winter war mir zu kalt, der Frühling fegte mir zu heftig mit seiner steifen, vom Meer kommenden Brise durchs Land, der Sommer brachte mich mit seiner beklemmenden Hitze um. Im Herbst dagegen zeigte sich die Welt von ihrer schönsten Seite, wartete mit einem kristallklaren Himmel und einer atemberaubenden Farbenpracht aus Feuerrot, Gold, Orange, Gelb, Ocker und Zartblau auf.

Möglicherweise hielte diese Begeisterung keiner soliden Prüfung stand, möglicherweise hatten es mir leuchtende Farben auch erst angetan, seitdem mich die Burschen aus Squagen Chause in einer unglücklichen Frühlingsnacht vor nunmehr siebeneinhalb Jahren in ein recht graues Gemäuer verfrachtet hatten.

»Wir kommen zu spät«, nörgelte Stephan schon wieder.

Ohne innezuhalten, zog ich die an einer goldenen Kette befestigte Uhr aus der Tasche meiner Weste und ließ den mit einer aparten Gravur verzierten Deckel aufspringen.

»Falsch«, antwortete ich nach einem Blick auf die wie aus Feuer, Wasser und Luft geformten Zeiger. »Wir treffen sogar überpünktlich ein.«

»O nein, wir kommen zu spät. Wenn du nicht endlich einen Zahn zulegst, verpassen wir den Zug und müssen uns wieder in irgendeinem Wirtshaus die Zeit um die Ohren schlagen. Darf ich dich an das höchst fragwürdige Gebräu erinnern, das man in solchen Einrichtungen als Kaffee bezeichnet? Im Zug müssen wir uns dann mit allerlei Gesindel in einen Wagen zweiter Klasse zwängen, dessen Fenster nicht schließen, sodass in einem fort ekelhafter Qualm hereinweht!«

»Wir sind erst ein einziges Mal in einer solchen Situation gewesen, und das war vor zehn Jahren!«

»Dennoch erinnere ich mich daran nur zu gut, mein junger Freund, ich habe nämlich ein vorzügliches Gedächtnis! In dem ist jeder einzelne Tag der letzten fünfhundert Jahre aufbewahrt! Solange stehe ich nun nämlich schon im Dienste deiner Familie, erst bei deinem Urgroßvater, dann bei deinem Großvater und deinem Vater und nun bei dir.«

»Es werden wohl noch einige Tage hinzukommen«, murmelte ich, »denn ich habe nicht die Absicht, dich auf der Stelle in die Freiheit zu entlassen.«

»Darum habe ich ja auch gar nicht gebeten.«

Vermutlich war das nicht einmal gelogen. Einerseits konnte Stephan es gar nicht abwarten, in die Urlohe einzugehen und dort seinesgleichen, aber auch meine Vorfahren wiederzusehen, andererseits lauerte er nicht unbedingt auf meinen Tod –und nur er...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2018
Übersetzer Christiane Pöhlmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Buch • Bücher • eBook • Einzelband • Fantasy Bücher • Fantasy Krimi • Hara • Mordfall • Russische Fantasy • Schattenwanderer • Seelenfänger • siala • Verschwörung
ISBN-10 3-492-97965-3 / 3492979653
ISBN-13 978-3-492-97965-8 / 9783492979658
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