Die rote Frau (eBook)

Ein Fall für August Emmerich - Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
416 Seiten
Limes Verlag
978-3-641-19290-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die rote Frau - Alex Beer
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August Emmerich ermittelt wieder!
Wien in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs: Als ein prominenter Politiker ermordet wird, kann sich Inspektor August Emmerich nicht an den Ermittlungen beteiligen, sondern soll sich stattdessen um eine Schauspielerin kümmern, die um ihr Leben fürchtet. Doch der Fall entpuppt sich als nicht so nebensächlich wie es scheint, und schon bald stecken Emmerich und sein Assistent mitten in einem perfiden Mordkomplott - und ihnen bleibt nicht viel Zeit, um die Fäden zu entwirren ...

Mord auf Wienerischem Pflaster - August Emmerich ermittelt:

Band 1: Der zweite Reiter
Band 2: Die rote Frau
Band 3: Der dunkle Bote
Band 4: Das schwarze Band

Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich erhielt zahlreiche Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) und wurde mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 sowie dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020 prämiert. Auch der Österreichische Krimipreis wurde der Autorin 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Felix Blom eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhundert ermittelt und für den sie mit dem silbernen Homer 2023 ausgezeichnet wurde.

2

»Bereust du es?« Rayonsinspektor August Emmerich schaute seinem Assistenten, der ihm gegenübersaß, in die Augen und massierte sein rechtes Knie. Eine Kriegsverletzung versteifte sein Bein immer mehr. Bald würde er gar nicht mehr in der Lage sein, es zu beugen, und die damit verbundenen Schmerzen wurden auch immer schlimmer.

»Dass ich Ihnen in die Abteilung ›Leib und Leben‹ gefolgt bin?«

»Du sollst meine Fragen nicht mit Gegenfragen beantworten.« Emmerich zündete sich eine selbst gedrehte Zigarette an, der einzige Luxus, den er sich derzeit leistete. »Sag schon: Bereust du es?«

Anstatt etwas zu entgegnen, ließ Ferdinand Winter seinen Blick durch das Zimmer wandern, das seit drei Monaten ihre Arbeitsstätte war. Während die lang gedienten Kriminalbeamten sich im Kommissariat an der Roßauer Lände zu zweit oder zu dritt ein Büro teilten, waren sie beide zu den Sekretärinnen und Amtsdienern in die Schreibstube gesetzt worden. Offiziell aufgrund von Platzmangel. Die inoffiziellen Gründe wollte niemand laut aussprechen.

Emmerich betrachtete die anderen Arbeitstische und die daran sitzenden Männer und Frauen, lauschte ihrem Gemurmel und dem Kratzen von harten Bleistiftminen auf billigem Papier und atmete tief ein. Die Luft war abgestanden, es stank nach drittklassigem Parfüm, Schweiß und Nikotin. »Antworte mir.«

Damals, einige Monate zuvor, als Winter ihm gegen seinen Willen als Assistent zugeteilt worden war, hatte er ihn aus mangelndem Respekt stets geduzt. Jetzt, da der Kleine sich längst als fähig erwiesen hatte und eine angemessenere Anrede absolut verdiente, war Emmerich schon so an die saloppe Ansprache gewöhnt, dass er die Unart fortführte.

Winter starrte zu Boden. Er war kein guter Lügner und würde nie einer sein. Es gab Dinge, die konnte man nicht lernen, die musste man im Blut haben, und die Kunst der Täuschung war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Im Gegenteil. »Niemand konnte ahnen, dass es so …« Seine Lider zuckten nervös, während er offenbar nach einer freundlichen Umschreibung suchte, »… so unangenehm werden würde.«

»Unangenehm …«, setzte Emmerich an. Sein Tonfall ließ nicht erkennen, ob es sich dabei um eine Frage oder eine Feststellung handelte. »Ich würde es eher als …«

»Pst!« Winter deutete mit einer Kopfbewegung verstohlen auf einen Punkt hinter Emmerich und zupfte nervös an seiner Armschlinge.

Seit einem schweren Unfall im November des vergangenen Jahres musste er den linken Arm ruhig halten. Wie lange das noch nötig war, stand in den Sternen. Der Polizeiarzt hatte ihm aufgetragen, die Knochen auf keinen Fall zu belasten, und Winter hielt sich genau an diese Anweisung.

Etwas zu genau für Emmerichs Geschmack. Entnervt fuhr er mit den Fingern durch sein ungekämmtes braunes Haar, drehte sich um und schaute direkt in das blasse Gesicht von Revierinspektor Peter Brühl, einem miesen Paragrafenreiter, der zwar im Rang höhergestellt, ihm jedoch an Lebenserfahrung weit unterlegen war.

Brühl knallte einen Stapel Papier auf den Schreibtisch, den Emmerich und Winter sich teilten – ein altes, abgenutztes Möbelstück, das in der hintersten Ecke des Büros stand, dort, wo die Strahlen der Deckenlampe nicht hinreichten, und wo es stets ein bisschen zog. »Berichte vom Fall Fürst. Die gehören abgetippt.«

»Es ist gleich fünf. Schichtende. Wir …«

»Anweisung von Oberinspektor Gonska«, erstickte Brühl Emmerichs Widerstand im Keim und strich mit der Hand über sein dichtes schwarz glänzendes Haar, das seitlich gescheitelt und mit Pomade geglättet war. »Es ist dringend. Beeilung, wenn ich bitten darf.« Als Emmerich nicht sofort reagierte, wandte er sich dem Mann am Nebentisch zu, schenkte ihm einen vielsagenden Blick und formte mit dem Mund ein Wort.

Leo Papousek, ein milchgesichtiger Speichellecker, der für die Postbearbeitung zuständig war, nickte wissend.

Brühl zuckte mit den Schultern und schickte sich an, den Raum zu verlassen, als Emmerich hochschnellte und sich vor ihm aufbaute. »Sagen Sie’s mir ins Gesicht!«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Der Revierinspektor grinste, stellte sich breitbeinig hin und spannte seine Muskeln an.

Emmerich trat einen Schritt vor, sodass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. »Sagen Sie es mir ins Gesicht.«

Brühl fuhr zurück, sein Grinsen erstarb. In dem Raum, der gerade noch von Alltagsgeräuschen erfüllt gewesen war, wurde es so still, dass man das Ticken der Standuhr im Nebenzimmer hören konnte. »Lassen Sie mich in Ruhe!«

»Glauben Sie eigentlich, ich wäre taub? Oder blöd? Glauben Sie, ich kriege nicht mit, wie Sie uns heimlich nennen?« Emmerich schüttelte den Kopf. »Sie glauben wohl, Sie wären etwas Besseres.«

Brühl versuchte, an Emmerich vorbeizugehen, doch dieser versperrte ihm den Weg. Schließlich verlor der Revierinspektor die Selbstbeherrschung. »Verdammt noch mal«, schnauzte er mit hochrotem Kopf, »ich bin etwas Besseres. Jeder in der Abteilung ist es. Wir haben uns harten, anspruchsvollen Eignungstests unterziehen müssen, die ein humpelnder Drogenabhängiger und ein jämmerliches Unfallopfer nie im Leben bestehen würden. Wir waren eine Eliteeinheit. Die Besten der Besten. Bis Horvat … Bis er …«

Tatsächlich hatten Emmerich und Winter die harten Prüfungen nicht absolvieren müssen, die die körperliche und geistige Tauglichkeit der Aspiranten maßen. Carl Horvat, der frühere Leiter der Abteilung, hatte die beiden ins Boot geholt, nachdem Emmerich, damals noch Polizeiagent, einen heiklen Fall gelöst hatte.

»Sagen Sie es endlich! Lassen Sie es raus!« Emmerich stand nun wieder so dicht vor Brühl, dass er dessen warmen, säuerlichen Atem riechen konnte.

»… bis er die Krüppelbrigade eingestellt hat.«

»Na also, war doch gar nicht so schwer.« Emmerich schnippte eine imaginäre Fluse von Brühls Jackett und trat zur Seite. »Ehemaliger Drogenabhängiger übrigens.« Er ging so gemütlich, als wäre nichts geschehen, zurück zu seinem Schreibtisch. »Ich bin sauber.« Leider, fügte er im Geiste hinzu.

In jedem einzelnen Augenblick der vergangenen vier Monate hatte er Verlangen nach der tröstlichen Wirkung des Rauschgifts gehabt. Er vermisste die wohlige Taubheit in seinem Bein und sehnte sich nach der sanften Stimme des Heroins, die ihm zuflüsterte, dass alles gut werden würde. Doch diese Stimme war verklungen. Er hatte einen schmerzhaften Entzug hinter sich, und wenn er seine Stelle behalten wollte, durfte er nicht rückfällig werden. Nur seine geliebten Zigaretten waren ihm geblieben und hie und da ein Gläschen Schnaps.

Noch immer war es im Büro stiller als beim Sonntagsgottesdienst. Erst als ein lautes »EMMERICH!« das Schweigen durchbrach, erfüllte von einem Augenblick auf den anderen wieder rege Betriebsamkeit den Raum. Oberinspektor Albrecht Gonska, der Leiter der Abteilung, stand in der offenen Tür und kniff die Augen zusammen. »Was soll der Aufstand?«

»Alles in bester Ordnung.« Emmerich wusste, dass es keinen Sinn machte, sich mit Gonska anzulegen. Er würde seine Situation dadurch nur weiter verschlimmern. Wobei … Konnte es überhaupt noch schlimmer kommen? Er und Winter saßen schließlich nicht nur im selben Raum wie die Sekretärinnen und Amtsdiener, nein, sie hatten auch dieselbe Arbeit zu tun.

Während die anderen Kriminalbeamten seit vier Tagen den spektakulären Mord an Richard Fürst, einem allseits beliebten Stadtrat, untersuchten, mussten er und Winter Kaffee kochen, Akten ordnen und Botengänge tätigen. Idiotenarbeit, weit unter ihrer Würde, und eine Verschwendung ihrer Fähigkeiten. Sein sehnlichster Wunsch, eines Tages der Abteilung »Leib und Leben« anzugehören, jener Spezialeinheit, die Morde und schwere Delikte gegen die körperliche Integrität untersuchte, hatte sich in seinen ganz persönlichen Albtraum verwandelt. Er war nicht dafür geschaffen, sich als Bürokraft zu verdingen. Er wollte Verbrecher jagen, und zwar nicht nur auf dem Papier.

Carl Horvat, jener Mann, der ihm trotz seiner Behinderung den Aufstieg ermöglicht hatte, war zum stellvertretenden Polizeidirektor befördert worden. Seit sein Nachfolger Gonska die Truppe übernommen hatte, sah die Zukunft düster aus für Emmerich und Winter.

Für die Krüppelbrigade.

Obwohl sie im vergangenen Jahr eine grausame Mordserie aufgeklärt hatten, sahen Gonska und seine Leute, anders als Horvat, in ihnen keine patenten Kriminalbeamten, sondern einen humpelnden Querulanten und einen verweichlichten Jungspund, die einfach nur Glück gehabt hatten. Beschädigte Ware, die nicht in die leistungsstarke Elitetruppe passte und die gerade mal gut genug für die Büroarbeit war. Laufburschen, Tippmamsells, Deppen vom Dienst.

Wenn kein Wunder geschah, würden sie für immer hier drinnen bei Papousek und den Vorzimmerdamen versauern.

»Worauf warten Sie dann noch?« Gonska, ein stattlicher Mann mit breiten Schultern und einem Kaiser-Franz-Joseph-Backenbart, richtete sich zu...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2018
Reihe/Serie Die Kriminalinspektor-Emmerich-Reihe
Die Kriminalinspektor-Emmerich-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Erster Weltkrieg • Friedrich Glauser Nominierung • Geschenk Weihnachten • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historischer Kriminalroman • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Leo-Perutz-Preis • Mordkomplott • Nachkriegszeit • Österreich • Volker Kutscher • Wien • Wien-Krimi
ISBN-10 3-641-19290-0 / 3641192900
ISBN-13 978-3-641-19290-7 / 9783641192907
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