Die Farben von Peking -  Agnieszka Pickl

Die Farben von Peking (eBook)

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2017 | 1. Auflage
308 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7448-6033-8 (ISBN)
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Die künstlerisch begabte Victoria kommt mit der Transsibirischen Eisenbahn in den 80er Jahren mit ihren Eltern in Peking an. Dort trifft sie viele ausländische junge Leute in ihrem Alter, schließt Freundschaften und lernt andere, interessante Kulturen kennen. Dieser kulturelle Cocktail öffnet ihr die Augen für die Welt, verleiht ihr Flügel. Sie fängt an, die chinesische Sprache zu studieren und erlebt die erste Liebe, die plötzlich und überraschend kommt. Die Liebe auf den ersten Blick, die sich in ein faszinierendes Gefühl und ungeahnte Kreativität verwandelt. Durch Zufall trifft sie auf einen bekannten chinesischen Maler und Kalligraphie Meister, der sie von ihrem größten Traum überzeugt - eine berühmte Malerin zu werden. Ihr Aufenthalt in Peking wird zu einem großen, bunten Regenbogen, voll von Kulturen aus der ganzen Welt und interessanten Erlebnissen, bis unerwartete Ereignisse eintreten ...

Agnieszka Pickl, wie die Heldin aus - Die Farben von Peking - wuchs auch die Autorin in Peking auf. Dort hat sie ihr Studium der Sinologie erfolgreich abgeschlossen und arbeitete in namhaften, internationalen Unternehmen in China. Insgesamt verbrachte sie viele Jahre in China und Asien. Ihre Leidenschaft war schon immer Schreiben, Lesen, Reisen und andere Kulturen kennenlernen. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Bayern, Deutschland.

Herbst in Peking


Es war später Nachmittag, als die Transsibirische Eisenbahn in Peking ankam. Aus dem offenen Fenster flatterte ein schneeweißer Spitzenvorhang und Victoria sah die überfüllten Straßen von Peking mit ihren tausenden Fahrrädern und sie konnte den Duft von gerösteten Kastanien, Sesam und noch etwas anderem riechen, vielleicht den Duft der heißen Straßen? Ich meine den Geruch von Sesamöl und tausenden Gewürzen, Knoblauch und süßsauren Paradiesäpfeln Tang Hu Lu, die mit karamellisiertem Zucker überzogen sind. Die leicht orangefarbene Sonne hatte sich langsam auf den Sonnenuntergang vorbereitet und beleuchtete die Stadt mit goldenen Strahlen. Der Herbst in Peking begrüßte ausländische Besucher mit einem wolkenlosen blauen Himmel und der Wärme der Sonne. Obwohl der Tag sich wie ein Sommertag anfühlte, konnte man in der Luft bereits den kommenden Herbst spüren. Victoria atmete immer wieder tief die Luft ein, öffnete und schloss ihre Augen. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie jetzt wirklich ein Teil dieser exotischen Stadt war. Sie war glücklich und dachte, dass sie eines Tages diesen Moment in einem Bild festhalten würde. Sie wusste, dass sie diesen glücklichen Moment mit Farben einfangen konnte. Welche Farben würde sie verwenden? Rot? Gold? Sicherlich ihre Lieblingsfarben Blau und Gelb.

Ihr Bild würde glücklich und traurig zugleich sein, wie das kommende Ende des Sommers. Sie würde Pekings graue Hu Tongs (die engen Gassen im alten Peking) vergoldet vom Sonnenlicht malen, schimmernde goldene Strahlen über chinesischen Dächern. Ovale Dächer, welche mit gewellten Kanten ihre Bewohner vor bösen Geistern schützen. Ach ja, und sicher würde sie auch diesen unglaublichen, extrem blauen, wolkenlosen „Peking-Himmel“ malen. Ein sauberer, stahlblauer Himmel, der fast jeden Tag in drei der vier Jahreszeiten (nur im Sommer ist in Peking Regenzeit) die Einwohner von Peking zwingt, ständig zu blinzeln. Jetzt blinzelte sie und die Strahlen der Sonne der chinesischen Hauptstadt hüllten sie ein und erzeugten auf ihrem Gesicht eine wohlige Wärme. Sie hatte lange auf diesen Moment gewartet und er erwies sich als genauso bezaubernd wie erwartet. Sie fühlte Erleichterung nach der langen Zugfahrt und die Aufregung, einen neuen Ort zu entdecken und ein neues Leben zu beginnen.

„Gibt es ein traumhafteres Land für irgendjemanden? Ein Land, wo wir uns instinktiv glücklich fühlen, gleich, wenn wir dort ankommen?“, dachte sie. Diese unbekannten Gefühle hatten sie ein wenig überrascht.

"Vielleicht ist es einfach die Sehnsucht nach dem Anderssein? Nach Exotik? Oder vielleicht sind wir auch geborene Nomaden, so wie die Mongolen? Bei Reisen um die Welt entdecken wir plötzlich, dass wir uns auf alle neuen Bedingungen einstellen wollen und können? Vielleicht sind wir wie ein freier Vogel, Reisende und Entdecker von Geburt an? Wenn wir in unserem Land der Träume ankommen, dann und erst dann verstehen wir das unbewusst. Wählen wir unseren eigenen „glücklichsten Ort auf der Erde“, fragen wir uns, wo wir leben möchten und suchen nach Zeichen am Himmel, die zeigen, dass er hier ist. Wieso fühlen wir uns sofort, nachdem wir an diesem Ort ankommen, irgendwie zu Hause? Und dass wir uns an alle Bedingungen und jede Kultur anpassen können. Ein seltsames Gefühl? Unsinn? Vielleicht stimmt das? Wir sind Bürger der Welt! Die ganze Welt ist unser Platz, wir sind Reisende.“ Victoria schrieb in ihrem Kopf ein unsichtbares Tagebuch.

Sie entschied sich für China, weil? Weil es am anderen Ende der Welt war? Weil sie dort als kleine Prinzessin mit hellem lockigem Haar und blauen Augen aufgewachsen war? Weil die Chinesen einfach dastanden und sie anstarrten und versuchten, die goldenen Locken zu berühren? Was sie sehr verärgerte. Als Teenager hatte sie Polen verlassen – die Heimat im Kriegsrecht, voll von harter Realität. Ab jetzt war sie eine Weltbürgerin und ein wenig Chinesin geworden. Zurückgekehrt an ihren alten, geliebten Ort, der wirklich am meisten von der Geschichte ihrer Eltern erzählen konnte. Sie träumte von diesem Ort nicht nur, weil sie dort aufgewachsen war. China - ein großes unentdecktes Land, in dem man so viel erleben und kennenlernen konnte. Sie wartete auf ihre Abenteuer und neue Herausforderungen.

Es war Ende der 80er Jahre. Die Polin sah aus wie ein schüchterner Backfisch - ein dünnes, zierliches Mädchen mit langem, braunem, lockigem Haar und einer sommersprossigen Nase. Ihre tiefblauen Augen strahlten mit den Millionen von Geheimnissen um die Wette und hielten in ihren Tiefen viele Träume versteckt. Die Augen aus Osteuropa - ausdrucksstark und intensiv in der Farbe wie ein glänzender rauer See oder vielmehr wie blaue Kornblumen an einem reifen, goldgelben Weizenfeld. Sie hatte die hellbraunen Locken einer jungen Italienerin, wie eine Freundin von Victorias Mutter einmal sagte. Es war etwas Orientalisches an ihr und etwas zwischen einem Kind und einer Frau. Sie war einfach sehr schön.

Eine Woche mit dem Zug von Warschau über Moskau, Sibirien, die Mongolei nach Peking bestand nun nur noch aus einem Augenblick. Aber der Beginn dieser langen Reise über zwei Kontinente und hunderte von neuen Orten erschien ihr wie eine Ewigkeit her.

Die am Bahnhof in Moskau angebrachten chinesischen Wagons begrüßten die Reisenden mit Luxus. Sessel aus Kirschholz, die mit Samt ausgekleidet waren, und Vorhänge, die mit schneeweißer, gestärkter Spitze verziert waren, die Teppiche im selben, weichen Farbton gehalten wie die Möbel. Überall konnte man den angenehmen Duft von Jasmintee riechen, welcher sich in den bunten, dunkelroten Thermoskannen befand, die mit chinesischen Motiven von Blumen, Fischen oder Vögeln bemalt waren.

In den fast gefüllten Wagons begrüßten lächelnde Chinesen die Reisenden geduldig und fragten sie nach ihrem Namen und der Abteilnummer. Dann zeigten sie mittels Gesten, wo sich die jeweiligen Abteile befanden.

„Ni hao!", grüßte Victoria auf Chinesisch und stieg gleichzeitig in den Luxuswagon.

„Ni hao!", sagten freundlich lächelnde chinesische Stewards in ordentlich gebügelten, dunkelblauen Uniformen. Es hatte ihnen scheinbar gefehlt, dass jemand die Begrüßungsworte auf Chinesisch sprach.

Gleich danach wurde duftender Jasmintee serviert. Die Stewards gossen das duftende Getränk für die Reisenden in weißblaue Porzellantassen, die einen Deckel hatten, damit der Tee noch ziehen konnte und länger heiß blieb. Vor dem Tee wurden den Reisenden noch dampfende, feuchte, schneeweiße Tücher mit Bambuszangen gereicht, damit sie sich Gesicht und Hände erfrischen konnten.

Victoria und ihre Eltern hatten zwei Doppelkabinen, die in der Mitte mit einen kleinen Bad verbunden waren. Das Bad war mit goldenen Wasserhähnen und genau gleichen, goldfarben gerahmten Spiegeln ausgestattet. Jedes Abteil erster Klasse bestand aus zwei Etagenbetten, einem Sessel und einem Tisch. Alle zwei Tage wechselten die chinesischen Stewards die fast unverändert frisch riechende Bettwäsche. In der Tat, sofort nach dem Umsteigen in Moskau von dem alten polnischen Zug in die luxuriöse Transsibirische Eisenbahn hatte sich das junge Mädchen schon fast wie in China gefühlt.

Ihr Bauch schmerzte vor Aufregung. Sie vergaß, was in den letzten Monaten und Jahren war – die Zerrissenheit, Mobbing in der Schule oder die Kälte am frühen Morgen in Warschau.

Eines Tages in der Schule war sie in einer Pause zur Toilette gegangen. Nachdem sie zurückgekehrt war, hatte sie ihre Tasche nicht mehr gefunden. Vergeblich suchte sie im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof. Neben dem Klassenzimmer standen mehrere Schüler und beobachteten mit grinsenden Gesichtern Victorias vergebliche Suche. Niemand war bereit, ihr zu helfen. Später stellte sich heraus, dass es diese Jungs waren, die ihre Tasche in der Männertoilette versteckt hatten rein zufällig hatte ihr Lehrer am Ende des Schultages Victorias Tasche gefunden. Das Mädchen kam oft traurig nach Hause und zu Hause erledigte sie die Hausaufgaben mit einem Gesicht, das von Tränen geschwollen war.

Nach einer Weile gab es einen lauten Pfiff der Lokomotive und der Zug ruckelte leicht. Erst nach ein paar langsamen, lange andauernden Augenblicken bewegte sich der Zug und fuhr rhythmisch los. Auf dem Bahnsteig standen Russen, die mit ihren Händen zum Abschied winkten. So verließen sie den Moskauer Bahnhof.

Victoria sah, wie dieses monumentale, für eine Vielzahl an Personen ausgelegte dunkle Gebäude des Bahnhofs langsam verschwand. Sie lächelte in sich hinein. Sie spürte, dass Peking in der Nähe war. Jedoch war Peking noch weit weg und auf sie wartete eine lange Reise bis zum asiatischen Kontinent, aber in dem Luxus eines eigenen, bordeauxroten Abteils, das nach Jasmin duftete. Jetzt dachte sie nur noch an Peking und fühlte sich schon fast wie ein Teil der Stadt. In ihren Gedanken verwandelte sie sich in einen Vogel und flog schnell - einen Wimpernschlag lang - tausende von Kilometern. Sie flog über Kontinente und beobachtete von oben die blau-braun-grünen Landschaften der Felder, Flüsse,...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7448-6033-7 / 3744860337
ISBN-13 978-3-7448-6033-8 / 9783744860338
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