Alif der Unsichtbare (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
528 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490505-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alif der Unsichtbare -  G. Willow Wilson
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ausgezeichnet mit dem World Fantasy Award als »Bester Roman des Jahres«. Alif, ein junger Hacker in einem arabischen Emirat, sieht es als seine Berufung an, seinen Klienten Anonymität und Schutz vor staatlicher Überwachung zu bieten, ganz gleich ob es sich dabei um Dissidenten oder Islamisten handelt. Doch als er selbst ins Fadenkreuz der Regierung gerät und sein Rechner gehackt wird, muss Alif sein bisheriges Leben hinter sich lassen und untertauchen. Dass ihm zudem ein uraltes Buch mit dem Titel »Tausendundein Tag« in die Hände gespielt wird, verkompliziert die Sache enorm. Denn sein Inhalt enthüllt die reale Existenz der Dschinn und scheint obendrein der Schlüssel zu einer neuen Informationstechnologie zu sein ... »Alif der Unsichtbare« widersetzt sich allen Genrekategorien: Dieser wundervolle Debütroman ist gleichermaßen Fantasy-Roman und dystopischer Techno-Thriller. Vor dem Hintergrund einer nicht näher bestimmten arabischen Großstadt erzählt er, was geschieht, wenn der Schleier zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt durchlässig wird.

G. Willow Wilson (* 1982) lebt als freie Autorin und Publizistin in Seattle. Sie hat mehrere Jahre in Ägypten gearbeitet und für US-Medien über den Nahen Osten berichtet. Die von ihr verfasste Comicserie »Ms. Marvel« wurde mit dem Hugo Award ausgezeichnet und ist ein »New York Times«-Bestseller.

G. Willow Wilson (* 1982) lebt als freie Autorin und Publizistin in Seattle. Sie hat mehrere Jahre in Ägypten gearbeitet und für US-Medien über den Nahen Osten berichtet. Die von ihr verfasste Comicserie »Ms. Marvel« wurde mit dem Hugo Award ausgezeichnet und ist ein »New York Times«-Bestseller.

Ein spannender Fantasy-Roman, der alles enthält.

Dieses übersprudelnde Märchen bietet Nervenkitzel, Schauermomente und – was noch viel bemerkenswerter ist – eine universelle Faszination.

ein sensationeller Roman.

Wilson kreuzt Fantasy und Science-Fiction, vereint das Beste beider Welten: der sichtbaren und der unsichtbare. […] Außerdem ist alles sehr farbenprächtig.

Dass der Thriller trotz dieser Fantasy-Elemente nicht ins Seichte abgleitet, liegt am zweiten Handlungsstrang: einem Aufstand [der] nicht in der virtuellen Welt stehen bleibt.

Inzwischen ist[die Autorin] mehr für ihre Comic-Reihe Ms. Marvel bekannt, was aber der Wucht ihres Debut-Romans keinen Abbruch tut.

​Das ist absolut plausibel, liest sich wie im Rausch [...]. Ein​e​ wilde, faszinierende Mischung!

Ein mitreißendes Amalgam aus Science Fiction und Fantasy … das aktuelle politische Themen mit übernatürlichen Gestalten aus Tausendundeiner Nacht kombiniert.

Kapitel Eins


Der Persische Golf

Alif saß auf dem Betonsims seines Zimmerfensters und badete in der heißen Septembersonne. Das Licht brach sich an seinen Wimpern. Wenn er durch sie hindurchsah, wurde die Welt zu einem verpixelten Fries aus Blau und Weiß. Starrte er zu lange so unkonzentriert vor sich hin, bekam er einen stechenden Schmerz in der Stirn, und dann senkte er den Blick, um zu beobachten, wie hinter seinen Augenlidern Schatten aufblühten. Neben seinem Fuß lag ein schlankes, in Chrom gefasstes Smartphone – ein Plagiat, aber ob es von China nach Westen oder von Amerika nach Osten gelangt war, wusste er nicht. An Handys pfuschte er nicht herum. Ein anderer Hacker hatte das Betriebssystem für ihn eingerichtet und die Verschlüsselung umgangen, die von irgendeinem Telekommunikationsgiganten installiert worden war, der das Monopol auf das Patent hatte. Es zeigte die vierzehn Nachrichten an, die er Intisar im Verlauf der letzten zwei Wochen geschickt hatte, mit der selbstauferlegten Obergrenze von einer pro Tag. Alle waren unbeantwortet geblieben.

Er betrachtete das Smartphone durch halbgeschlossene Augen. Wenn er jetzt einschlief, würde sie anrufen. Er würde, sobald das Telefon klingelte, mit einem Ruck aufwachen und es aus Versehen vom Sims in den kleinen Innenhof schleudern, und dann müsste er nach unten eilen und es zwischen den Jasminsträuchern suchen. Diese kleinen Missgeschicke könnten ein größeres Unglück verhindern: die Möglichkeit, dass sie gar nicht anrufen würde.

»Das Entropiegesetz«, sagte er zu dem Telefon. Es funkelte in der Sonne. Unter ihm flitzte die schwarzorange Katze, die im Innenhof schon Käfer jagte, so lange er denken konnte, über den glühend heißen Boden und hob dabei ihre rosa besohlten Pfoten an, um sie abzukühlen. Als er sie rief, gab sie ein gereiztes Maunzen von sich und schlich sich unter einen Jasminstrauch.

»Zu heiß für Katze oder Mensch«, sagte Alif. Er gähnte und schmeckte Metall. Die Luft war dick und ölig, wie der Atem einer großen Maschine. Sie griff die Lunge an, anstatt ihr Erleichterung zu verschaffen, und rief, im Zusammenspiel mit der Hitze, ein instinktives Gefühl der Beklemmung hervor. Intisar hatte ihm einmal erzählt, dass die Stadt ihre Einwohner hasse und versuche, sie zu ersticken. Sie – die Stadt – erinnere sich an eine Zeit, als reinere Gedanken noch reinere Luft erzeugten: die Regierungszeit von Scheich Abdel Sabbour, der so tapfer den Vormarsch der Europäer aufzuhalten versucht hatte; die Anfänge von Jamat Al Bashira, der großen Universität; und früher noch Pari-Nef, Onieri und Bes, wo im Sommer Hof gehalten wurde. Sie habe freundlichere Namen gehabt als den, den sie heute trägt. Von einem Dschinn-Heiligen islamisiert (so zumindest besagte es die Geschichte), liege sie am Scheideweg zwischen der irdischen Welt und dem Leeren Viertel, dem Reich der Ghule und Ifrit, die die Gestalt von Tieren annehmen können. Ohne den Segen des Dschinn-Heiligen, der unter der Moschee Al Bashira begraben liegt und der die Botschaft des Propheten gehört und geweint hatte, wäre die Stadt jetzt so vom Verborgenen Volk überrannt, wie sie es mit Touristen und Ölspekulanten war.

Man könnte fast meinen, dass du das glaubst, hatte Alif zu Intisar gesagt.

Natürlich glaube ich das, sagte Intisar, zumindest das Grabmal ist echt. Man kann es immer freitags besichtigen. Der Turban des Dschinn-Heiligen liegt obendrauf.

Das Sonnenlicht begann langsam im Westen zu verblassen, über einem Streifen Wüste jenseits des Neuen Viertels. Alif steckte sein Telefon ein und kletterte vom Sims zurück in sein Zimmer. Vielleicht würde er noch mal versuchen, sie zu erreichen, sobald es dunkel war. Intisar hatte es immer vorgezogen, dass sie sich nachts trafen. Die Gesellschaft hatte nichts dagegen, dass man die Regeln brach; sie verlangte nur, dass man sie zur Kenntnis nahm. Sich nachts zu treffen zeigte eine gewisse Geistesgegenwärtigkeit. Es legte nahe, dass man sich bewusst war, dass das, was man tat, gegen die herrschenden Gepflogenheiten verstieß und man keine Mühe scheute, sich dabei nicht erwischen zu lassen. Intisar, äußerst vornehm und beunruhigend mit ihrem schwarzen Haar und ihrer tiefen Taubenstimme, war so viel Diskretion wert.

Alif verstand ihr Bedürfnis nach Geheimhaltung. Er hatte so viel Zeit im Schutz seines Alias verbracht, einem einfachen Buchstaben im Alphabet, dass er sich mittlerweile nur noch als ein Alif betrachtete; eine gerade Linie, eine Wand. Sein richtiger Name konnte in seinen Ohren da nicht mithalten. Der Akt der Geheimhaltung war mächtiger geworden als das, was er verbarg. Da er sich dessen bewusst war, war er, sogar lange nachdem ihm der Aufwand lästig geworden war, Intisars Bedürfnis nachgekommen, ihre Beziehung geheim zu halten. Wenn heimliche Treffen ihre Liebe befeuerten, dann war das eben so. Er konnte noch ein oder zwei Stunden warten.

Der herbe Geruch von Rasam mit Reis wehte durchs offene Fenster. Bald würde er in die Küche hinuntergehen – er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Ein Klopfen auf der anderen Seite der Wand, genau hinter seinem Robert-Smith-Poster, ließ ihn auf dem Weg zur Tür innehalten. Genervt biss er sich auf die Lippen. Vielleicht gelang es ihm ja, unbemerkt vorbeizuschleichen. In dem Moment klopfte es jedoch schon wieder, eine präzise Abfolge: . Sie hatte also gehört, wie er vom Fenster heruntergeklettert war. Mit einem Seufzer pochte er zweimal gegen Robert Smiths körniges schwarzweißes Knie.

Dina war bereits auf dem Dach, als er dort ankam. Sie hatte sich dem Meer zugewandt, oder jedenfalls dem, was das Meer gewesen wäre, wenn es durch das Gewirr der Apartmenthäuser im Osten sichtbar gewesen wäre.

»Was willst du?«, fragte Alif.

Sie drehte sich um und neigte den Kopf, die Brauen in der schmalen Öffnung ihres Gesichtsschleiers zusammengezogen.

»Dir dein Buch zurückgeben«, sagte sie. »Was ist los mit dir?«

»Nichts.« Er gestikulierte verärgert. »Dann gib mir halt das Buch.«

Dina griff in ihr Gewand und zog eine ramponierte Ausgabe von Der goldene Kompass hervor.

»Willst du nicht wissen, was ich davon halte?«, fragte sie nach.

»Ist mir egal. Das Englisch war wahrscheinlich eh zu schwer für dich.«

»War es nicht. Ich habe jedes Wort verstanden. Dieses Buch …« Sie wedelte damit in der Luft herum. »… ist voll mit heidnischen Bildern. Es ist gefährlich.«

»Sei doch nicht so ignorant. Das sind Metaphern. Ich hab doch gesagt, dass du’s nicht verstehen würdest.«

»Metaphern sind gefährlich. Wenn man etwas bei einem falschen Namen nennt, verändert man es damit, und Metaphern sind nichts anderes als eine hochtrabende Art und Weise, etwas beim falschen Namen zu nennen.«

Alif riss ihr das Buch aus den Händen. Der Stoff raschelte, als Dina das Kinn senkte, und ihre Augen verschwanden unter ihren Wimpern. Obwohl Alif ihr Gesicht schon seit beinahe zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, wusste er, dass sie schmollte.

»Tut mir leid«, sagte er und presste sich das Buch an die Brust. »Ich fühl mich heute nicht so besonders.«

Dina schwieg. Alif blickte ihr ungeduldig über die Schulter: Auf einer Anhöhe über einer schäbigen Ansammlung von Wohnhäusern konnte er einen Teil des Alten Viertels flimmern sehen. Irgendwo dort war Intisar, wie eine Perle, die in eine der uralten Mollusken eingebettet war, nach denen die Ghataseen entlang der Strände suchten, die die alten Mauern säumten. Vielleicht schrieb sie an ihrer Diplomarbeit und grübelte über Büchern der frühen islamischen Literatur; vielleicht schwamm sie auch gerade im Sandsteinpool im Innenhof der Villa ihres Vaters. Vielleicht dachte sie an ihn.

»Ich wollte eigentlich nichts sagen«, sagte Dina.

Alif blinzelte. »Nichts sagen? Worüber?«

»Unser Dienstmädchen hat die Nachbarn gestern im Souk reden gehört. Sie sagen, dass deine Mutter noch immer heimlich eine Hindu ist. Sie haben behauptet, dass sie gesehen haben, wie sie Puja-Kerzen gekauft hat, in dem Geschäft in der Nasser Straße.«

Alif starrte sie an, und seine Kiefermuskeln arbeiteten. Dann drehte er sich unvermittelt um und ging über das staubige Dach, vorbei an den Satellitenschüsseln und Topfpflanzen, und blieb auch nicht stehen, als Dina ihn bei seinem richtigen Namen rief.

*

In der Küche stand seine Mutter neben dem Dienstmädchen und schnitt Frühlingszwiebeln. Ihr standen Schweißperlen auf dem Rücken, wo der Salwar Kamiz, den sie trug, die ersten paar Wirbel frei ließ.

»Mama.« Alif berührte sie an der Schulter.

»Was ist denn, Makan?« Ihr Messer hielt nicht inne, während sie sprach.

»Brauchst du irgendwas?«

»Was für eine Frage. Hast du gegessen?«

Alif setzte sich an den kleinen Küchentisch und schaute zu, wie das Dienstmädchen ihm wortlos einen Teller hinstellte.

»War das Dina, mit der du auf dem Dach geredet hast?«, fragte seine Mutter und schob den Berg Zwiebeln in eine Schüssel.

»Ja. Und?«

»Das solltest du sein lassen. Ihre Eltern werden sie bald verheiraten wollen. Gute Familien hören es sicher nicht gern, dass sie mit einem fremden Jungen herumlungert.«

Alif zog ein Gesicht. »Wer ist denn hier bitte fremd? Wir wohnen schon im selben blöden Doppelhaus, seit wir Kinder waren. Früher hat sie in meinem Zimmer gespielt.«

»Als ihr fünf Jahre alt wart! Jetzt ist sie eine Frau.«

»Wahrscheinlich hat sie immer noch dieselbe große...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2018
Übersetzer Julia Schmeink
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Arabisch • Arabischer Frühling • Cyberpunk • Debütroman • Die Stadt • Dschinn • dystopisch • Emirat • Fantasy • Hacker • Hugo Award • Informationstechnologie • Islam • Islamisten • Jinn • Magie • Ms Marvel • Tausendundeine Nacht • Technologie • techno-thriller • Urban Fantasy • USB-Stick • World Fantasy Award
ISBN-10 3-10-490505-3 / 3104905053
ISBN-13 978-3-10-490505-1 / 9783104905051
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich