Todesreigen (eBook)
576 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-16315-0 (ISBN)
Nachdem eine Reihe von Kollegen auf brutale Art Selbstmord begangen haben, wird Sabine Nemez - Kommissarin und Ausbilderin beim BKA - misstrauisch. Vieles weist auf eine jahrzehntealte Verschwörung und deren von Rache getriebenes Opfer hin. Sabine bittet ihren ehemaligen Kollegen, den vom Dienst suspendierten Profiler Maarten S. Sneijder, um Hilfe. Doch der verweigert die Zusammenarbeit, mit der dringenden Warnung, die Finger von dem Fall zu lassen. Dann verschwindet Sabine spurlos, und Sneijder greift selbst ein. Womit er nicht nur einem hasserfüllten Mörder in die Quere kommt, sondern auch seinen einstigen Freunden und Kollegen, die alles tun würden, um die Sünden ihrer Vergangenheit endgültig auzulöschen ...
Der vierte Fall für Sneijder und Nemez.
Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Grillenberg in Niederösterreich. Mit seinen bereits mehrfach preisgekrönten und teilweise verfilmten Romanen steht er regelmäßig auf der Bestsellerliste.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 39/2017) — Platz 5
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 38/2017) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 37/2017) — Platz 2
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 36/2017) — Platz 1
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 35/2017) — Platz 5
PROLOG
Die Autobahn verlor sich jenseits der Scheinwerferkegel in der Dunkelheit und lag vor Benno Marx wie eine endlose Gerade.
Vier Uhr früh! Die Morgendämmerung setzte bereits zögerlich ein. In etwas mehr als einer Stunde würde die Sonne aufgehen. Diesmal ging die Reise nach Hamburg. Benno Marx würde die nächsten vier Stunden durchfahren, erst danach auf einem LKW-Rastplatz halten und die erste Pause einlegen. Genau dreißig Minuten. Danach ging es weiter, und bis dahin würde er nur ein oder zwei Becher Kaffee aus der Thermoskanne trinken und es sich verkneifen, aufs Klo zu gehen. So wie immer.
Er fuhr konstant achtzig. Der Motor röhrte, und die Fotos von seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern, die im Rahmen des Rückspiegels steckten, wackelten bei jeder Bodenwelle, über die der Truck donnerte. Er war voll beladen. Mit der Zugmaschine und dem Aufleger war er mit dreißig Tonnen unterwegs. Benno war bereits in aller Herrgottsfrühe beim Kühltank der Molkerei gewesen, denn je früher er in Hamburg ankam, umso besser. Den Tankwagen mit Milch abliefern, danach einen neuen Anhänger mit Lebensmitteln ankoppeln und zurück nach Frankfurt. Immerhin würde er dieses Wochenende seine Kinder sehen. Die beiden Mädchen hatten ihm verraten, dass sie später ebenfalls LKW-Fahrer werden wollten, weil sie so gern Joghurt und Müsli aßen. Diese Flausen würde er ihnen noch austreiben. Der Job war alles andere als erstrebenswert, aber er konnte eben nichts anderes.
Benno schaltete das Radio ein. Die Verkehrsnachrichten liefen. Aber es war immer das Gleiche – wenn der Sprecher mal einen Stau meldete, war meist keine Zeit mehr, um darauf zu reagieren. Da vertraute er besser auf CB-Funk.
Benno blickte hoch. Das Gerät hing in der Halterung, und das Kabel tanzte hin und her. Es schwieg. Ein gutes Zeichen. Sollte er über Funk nachfragen, ob ein anderer Fahrer auf der Strecke war? Um diese Zeit? Schon möglich.
»… kommen wir nun zu den Verkehrsmeldungen im Raum Frankfurt. Auf dem Abschnitt zwischen Frankfurt und Butzbach kommt Ihnen auf der A5 in Fahrtrichtung Norden ein Falschfahrer entgegen. Fahren Sie in beiden Richtungen vorsichtig und überholen Sie nicht.«
Das war seine Strecke! Benno lief ein Schauder über den Rücken. In den sieben Jahren als LKW-Fahrer war ihm noch nie ein Geisterfahrer begegnet. Er stierte geradeaus, konnte aber nichts erkennen. Einige PKWs überholten ihn und rasten mit hoher Geschwindigkeit Richtung Norden.
»He, ihr Idioten!«, schimpfte er. »Hört ihr denn keine Nachrichten?«
Er betätigte die Lichthupe, doch die Fahrer blieben auf dem Gaspedal und preschten davon.
Benno sah in den Seitenspiegel. Langsam erwachte die Autobahn zum Leben. Immer mehr PKWs fuhren auf die Straße auf. Entweder Reiselustige, die noch keine schulpflichtigen Kinder hatten und in den Norden fuhren, oder Frühaufsteher auf dem Weg zur Arbeit.
»Scheiße!« Hastig griff er zum Funkgerät. »Hier spricht Benno, fahre einen weißen Scania. Bin auf Kanal sechs. Hört ihr mich, Kollegen? Bin auf der A5 nach Norden Richtung Butzbach unterwegs. Soeben kam eine Geisterfahrermeldung im Radio. Ist jemand auf meiner Strecke?«
Es knackte. Dann hörte er eine tiefe, brummige Stimme. »Hier Oskar, fahre einen blauen MAN. Kanal sechs rauscht, geh auf Kanal neunzehn.«
Benno schaltete auf Kanal neunzehn. »Hörst du mich jetzt besser?«
»Ja, wo bist du?«
»Habe gerade das Nordwestkreuz Frankfurt hinter mir.« Benno sah auf sein Navi und gab den genauen Kilometerstand durch.
»Bin etwa drei Kilometer vor dir und gerade an der Raststätte Taunusblick vorbeigefahren«, antwortete Oskar. »Sind ziemlich viele Familien unterwegs.«
»Ich sehe es«, bestätigte Benno.
»Bis jetzt ist mir der Wagen noch nicht begegnet. Blockade?«
Eine kalte Gänsehaut überzog Bennos Unterarme. Er umklammerte das knirschende Leder des Lenkrads. Blockade! Jahrelang hatte er sich vor diesem Moment gefürchtet. Aber wer sollte es sonst machen, wenn nicht Oskar und er? Zumindest waren er und sein Wagen voll versichert.
»Klar«, antwortete er mit trockener Kehle.
»Gut, vielleicht ist es auch nur einer, der versehentlich falsch aufgefahren ist und schon längst auf dem Standstreifen steht.«
»Und wenn nicht?«
»Dann stoppen wir ihn.« Oskar klang, als hätte er bereits Erfahrung mit Verrückten, die absichtlich falsch auffuhren. »Tritt aufs Gas, Kumpel. Ich fahre langsamer. In vier Minuten sehen wir uns. Over and out.«
»Over and out«, flüsterte Benno. Dieser Teil der Autobahn war dreispurig. Nur zwei LKWs waren zu wenig. Er starrte auf das Funkgerät. Der Lautsprecher schwieg.
Instinktiv hatte Benno bereits beschleunigt. Nun fuhr er knapp unter hundert, wechselte auf die zweite Spur und überholte einen Citroën mit Wohnwagen. Durch die Scheibe sah er, dass auf der Rückbank zwei Kinder schliefen. Wenigstens würde der Verrückte nicht in dieses Auto krachen und das Leben der Familie zerstören.
Einige Hundert Meter vor sich sah er das Hinweisschild auf die Raststätte, die Oskar gerade eben passiert hatte. Dort müssten doch noch mehr LKW-Fahrer sein. Er griff wieder zum Funkgerät, als gerade auf Kanal 19 eine Meldung durchkam.
»Benno, Oskar, hier spricht Kathie. Habe euer Gespräch gehört. Fahre einen schwarzen Mack. Braucht ihr noch eine Dritte? Bin auf der Taunusblick-Raststätte und fahre gerade auf.«
»Herzlich willkommen, Kathie. Die Luft riecht nach Metall, Öl und Benzin«, rief Oskar.
»Nichts Neues für mich.«
»Morgen Kathie«, sagte Benno. Dieses coole Gerede soll in Wahrheit doch nur eure Nerven beruhigen. »Ich fahre gerade auf die Raststätte zu.« Er blickte durch die Scheibe der Fahrerseite. Das Restaurant und der dahinterliegende Aussichtsturm mit dem Glasfahrstuhl waren hell beleuchtet, lagen aber auf der anderen Fahrbahnseite. Allerdings führte eine Brücke über die Autobahn. Und darauf sah er einen metallicschwarzen US-Truck mit Festbeleuchtung, eine siebeneinhalb Tonnen schwere Zugmaschine ohne Aufleger, die beschleunigte und soeben über die Zufahrt auf die Autobahn raste.
Benno betätigte die Lichthupe. »Ich sehe dich«, gab er durch.
»Ich sehe dich, Kumpel!«, rief Kathie. »Mach Platz!« Sie betätigte das Hupenhorn ihres Trucks. Der Mack dröhnte zweimal wie ein Kreuzfahrtschiff, das aus dem Hafen auslief.
Benno blieb auf der mittleren Spur. Vor ihm fuhr Kathie, kam auf dem Zubringer immer näher heran und rollte auf die rechte Spur. Ihr schwarzer Truck hatte deutlich mehr PS unter der Haube als seiner.
»Willkommen im Team«, krächzte Benno. Mit einem Mal wurde ihm schlecht.
»Na, wenn das kein freudiger Empfang ist.« Es klang zynisch.
Benno erreichte nun ihre Höhe, nahm etwas Gas weg, und kurz darauf fuhren sie nebeneinander her. Gleichzeitig hatten sie dieselbe Idee gehabt und schalteten ihre Warnblinkanlagen ein. Trotzdem hupten hinter ihnen einige Fahrer und blendeten auf.
»Die Arschgeigen sollen überholen, die können gerne unseren Job übernehmen«, schimpfte Kathie.
Benno sah durch seine Beifahrerseite in Kathies Kabine. Soviel er im Licht ihrer Armaturen erkennen konnte, hatte sie kurzes, dunkles Haar, trug eine schwarze Schirmkappe, passend zur Farbe ihres Trucks, und hatte ein Tattoo am Hals.
»Ist das dein Truck?«, fragte Benno.
»Yep.«
»Und trotzdem machst du bei der Blockade mit?«
»Aus Erfahrung weiß ich, dass Geisterfahrer die mittlere Spur bevorzugen – bin also aus dem Schneider.«
»Kann ich bestätigen«, mischte sich Oskar in das Gespräch.
»Wo bist du?«, fragte Kathie.
Es knackte im Funkgerät. Oskar nannte ihnen seine Position.
Benno blickte auf die Uhr. Seit seinem ersten Funkkontakt mit Oskar waren vier Minuten vergangen. Sie mussten ihn jeden Moment einholen.
»Seid mal still!«, rief Kathie.
Soeben wurde die Falschfahrermeldung im Radio wiederholt.
»Keine Entwarnung – fahren Sie weiterhin in beiden Richtungen vorsichtig.«
Kurz darauf drang wieder ein Song aus dem Radio. Stairway to Heaven.
»Idioten«, fluchte Benno und drehte das Radio leiser, damit er den Refrain nicht hörte.
»Ich sehe euch im Seitenspiegel«, meldete sich Oskar schließlich über Funk. »Macht mir ein Plätzchen frei. Ich lasse mich zurückfallen.«
Benno sah die Bremslichter eines Trucks vor sich. Der LKW wechselte auf die dritte Spur. Wie Oskar gesagt hatte: ein blauer MAN. Der Motorwagen zog noch einen Jumboanhänger.
»Was hast du geladen?«, fragte Benno.
»Baumaschinen.«
Insgesamt war das Gefährt bestimmt achtzehn Meter lang, und Benno schätzte es auf ein Gesamtgewicht von vierzig Tonnen. Kathie und er beschleunigten, und nach wenigen Hundert Metern hatten sie Oskar erreicht.
Nun fuhren sie nebeneinander. Das Dröhnen der Motoren klang jetzt doppelt so laut wie vorher. Im Seitenspiegel sah Benno, dass sich hinter ihnen bereits eine Wagenkolonne gebildet hatte. Die meisten hatten wohl begriffen, was sie planten, doch einige Klugscheißer hupten und blinkten sie trotzdem an.
»Kümmert euch nicht darum«, erklärte Oskar.
Benno sah in sein Führerhaus hinüber. Oskar saß in seinem Truck etwas höher als er. Er war etwa sechzig Jahre alt, hatte einen grauen...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2017 |
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Reihe/Serie | Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez | Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | BKA • eBooks • Erpressung • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalpsychologe • Kriminalromane • Krimis • Maarten S. Sneijder • Österreichischen Krimipreis 202 • Profiler • Rache • Reihe Serie • Sabine Nemez • Sommerbuch 2020 • Sommerlektüre • Thriller • Urlaub • verdächtiger Selbstmord • Wiesbaden |
ISBN-10 | 3-641-16315-3 / 3641163153 |
ISBN-13 | 978-3-641-16315-0 / 9783641163150 |
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