Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen... (eBook)

Aphorismen und andere Sudeleien
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2017 | 1. Auflage
214 Seiten
Wallstein Verlag
978-3-8353-4073-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen... -  Georg Christoph Lichtenberg
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Zum 275. Geburtstag des Experimentalphysikers und Aphoristikers. Was Georg Christoph Lichtenberg, der berühmte Göttinger Experimentalphysiker, gedacht und beobachtet und auf einmalige Weise in seinen geheim gehaltenen, selbstironisch »Sudelbücher« genannten Notizheften formuliert hat, das gehört zu dem bedeutendsten Ertrag seiner Epoche. Der bucklige große Gelehrte und funkensprühende akademische Lehrer schrieb das Gesehene und Reflektierte 33 Jahre hindurch unnachahmlich und erstaunlich modern auf. Die Quintessenz eines Denkerlebens ist dieses versteckte Werk geworden, und ein wohl unauslesbares Buch der deutschen Literatur obendrein. Ulrich Joost versammelt Aphorismen, Satirisches und Parodistisches aus Lichtenbergs Sudelbüchern, Briefen und Aufsätzen zu einem Buch, das man mit auf eine einsame Insel nehmen sollte, von einem Schriftsteller, den man als Gesprächspartner beim Abendessen haben möchte.

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) war als Schriftsteller und Wissenschaftler tätig. Er war Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität Göttingen. Lichtenberg gilt als erster deutscher Professor für Experimentalphysik. Ulrich Joost, geb. 1951, Herausgeber von Lichtenbergs Werken und Briefwechsel; lehrt Neuere Deutsche Literaturgeschichte und allgemeine Literaturwissenschaft an der TU Darmstadt.

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) war als Schriftsteller und Wissenschaftler tätig. Er war Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität Göttingen. Lichtenberg gilt als erster deutscher Professor für Experimentalphysik. Ulrich Joost, geb. 1951, Herausgeber von Lichtenbergs Werken und Briefwechsel; lehrt Neuere Deutsche Literaturgeschichte und allgemeine Literaturwissenschaft an der TU Darmstadt.

II. »Pfennigs-Wahrheiten«


 

 

 

Ich träumte neulich an einem Morgen ich läge wachend im Bette und könnte keinen Atem bekommen, darauf erwachte ich ganz helle und spürte, dass ich nur ganzf mäßig Mangel nach meiner damaligen Lage daran hatte, einem bloß fühlenden Körper kommen böse Empfindungen allzeit größer vor, als einem der mit einer denkenden Seele verknüpft ist, wo selbst oft der Gedanke, dass die Empfindungen nichts zu bedeuten haben, oder dass man sich, wenn man nur wollte, davon befreien könnte, vieles vom Unangenehmen vermindert. Wir liegen öfters mit unserm Körper so, dass gedrückte Teile uns heftig schmerzen, allein, weil wir wissen, dass wir uns aus dieser Lage bringen könnten, wenn wir nur wollten, so empfinden wir wirklich sehr wenig. Dieses bestärkt eine Anmerkung, die ich unten gemacht habe, nämlich, dass man sich durch Drücken die Kopfschmerzen vermindern kann. [A 51 / 52]

 

Man muss sich die Menschen nach ihrer Art verbindlich machen nicht nach der unserigen. [KA 2 / 165]

 

Wenn er seinen Verstand gebrauchen sollte, so war es ihm als wenn jemand, der beständig seine rechte Hand gebraucht hat, etwas mit der linken tun soll. [B 1 / 1]

 

Jeder Mensch hat auch seine moralische backside, die er nicht ohne Not zeigt, und die er so lange als möglich mit den Hosen des guten Anstandes zudeckt. [B 74 / 78]

 

In dem Hause, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten hölzernen Treppe gelernt, und zugleich den Takt, in welchem sie jeder meiner Freunde, der zu mir wollte, schlug, und, ich muss gestehen, ich bebte allemal, wenn sie von einem Paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden.[B 75 / 79]

 

 

Charakter einer mir bekannten Person.

 

Ihr Körper ist so beschaffen, dass ihn auch ein schlechter Zeichner im Dunkeln besser zeichnen würde, und stünde es in ihrem Vermögen, ihn zu ändern, so würde sie manchen Teilen weniger Relief geben. Mit seiner Gesundheit ist dieser Mensch, ohnerachtet sie nicht die beste ist, doch noch immer so ziemlich zufrieden gewesen, er hat die Gabe, sich gesunde Tage zu Nutze zu machen, in einem hohen Grade. Seine Einbildungskraft, seine treuste Gefährtin verlässt ihn alsdann nie, er steht hinter dem Fenster den Kopf zwischen die zwo Hände gestützt, und wenn der Vorbeigehende nichts als den melancholischen Kopfhenker sieht, so tut er sich oft das stille Bekenntnis, dass er im Vergnügen wieder ausgeschweift hat. Er hat nur wenige Freunde, eigentlich ist sein Herz nur immer für einen Gegenwärtigen, aber für mehrere Abwesende offen, seine Gefälligkeit macht dass viele glauben er sei ihr Freund, er dient ihnen auch aus Ehrgeiz, Menschenliebe, aber nicht aus dem Trieb der ihn zum Dienst seiner eigentlichen Freunde treibt. Geliebt hat er nur ein oder zweimal, das eine Mal nicht unglücklich, das andere Mal aber glücklich, er gewann bloß durch Munterkeit und Leichtsinn ein gutes Herz, worüber er nun oft beide vergisst, wird aber Munterkeit und Leichtsinn beständig als Eigenschaften seiner Seele verehren, die ihm die vergnügtesten Stunden seines Lebens verschafft haben, und könnte er sich noch ein Leben und noch eine Seele wählen, so wüsste ich nicht ob er andere wählen würde, wenn er die seinigen noch einmal wieder haben könnte. Von der Religion hat er als Knabe schon sehr frei gedacht, nie aber eine Ehre darin gesucht ein Freigeist zu sein, aber auch keine darin, alles ohne Ausnahme zu glauben. Er kann mit Inbrunst beten und hat nie den 90ten Psalm ohne ein erhabenes, unbeschreibliches Gefühl lesen können. Ehe denn die Berge worden pp ist für ihn unendlich mehr als: Sing unsterbliche Seele pp. Er weiß nicht was er mehr hasst, junge Offiziers oder junge Prediger, mit keinen von beiden könnte er lange leben. Für Assembleen sind sein Körper und seine Kleider selten gut, und seine Gesinnungen selten …. genug gewesen. Höher als drei Gerichte des Mittags und zwei des Abends mit etwas Wein, und niedriger als täglich Kartoffeln, Äpfel, Brot und auch etwas Wein, hofft er nie zu kommen, in beiden Fällen würde er unglücklich sein, er ist noch allzeit krank geworden, wenn er einige Tage außer diesen Grenzen gelebt hat. Lesen und Schreiben ist für ihn so nötig als Essen und Trinken, er hofft es wird ihm nie an Büchern fehlen. An den Tod denkt er sehr oft und nie mit Abscheu, er wünscht dass er an alles mit so vieler Gelassenheit denken könnte, und hofft sein Schöpfer wird dereinst sanft ein Leben von ihm abfordern, von dem er zwar kein allzu ökonomischer, aber doch kein ruchloser Besitzer war. [B 77 / 81]

 

Ihr Unterrock war rot und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt. [B 212 / B 216]

 

Was mich allein angeht denke ich nur, was meine guten Freunde angeht sage ich ihnen, was nur ein kleines Publikum bekümmern kann schreibe ich, und was die Welt wissen soll wird gedruckt. Von einem Gedanken der mich angeht brauche [ich] nur ein Exemplar, eben so für den Freund und das kleine Publikum eben so viel, jedes auf eine Art gedruckt wie es sich für sie am besten schickt und am bequemsten ist, die Welt muss mehrere Exemplare haben, und so lassen wir drucken. Wäre es möglich auf irgend eine andere Art mit ihr zu sprechen, dass das Zurücknehmen noch mehr stattfände, so wäre es gewiss dem Druck vorzuziehen. [B 268 / 272]

 

Ein gewisser Freund den ich kannte pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, dass sich die Hausleute der obersten und der untersten Etage besser vertragen könnten. [B 339 / 344]

 

Professor Philosophiae extraordinariae. [B 380 / B 386]

 

Bei mir liegt das Herz dem Kopf wenigstens um einen ganzen Schuh näher als bei den übrigen Menschen, daher meine große Billigkeit. Die Entschlüsse können noch ganz warm ratifiziert werden. [C 19 / 20]

 

Er kann sich einen ganzen Tag in einer warmen Vorstellung sonnen. [C 36 / 38]

 

Es war ihm unmöglich die Wörter nicht in dem Besitz ihrer Bedeutungen zu stören. [C 156 / 158]

 

Bei einem Brief an einen guten Freund, der gut geschrieben sein soll, muss immer hauptsächlich der eine Gedanke durch das Ganze hervorsehen: Sie hatten nicht nötig gehabt sich zu bedanken. Im Jetzigen muss das Künftige schon verborgen liegen. Das heißt Plan. Ohne dieses ist nichts in der Welt gut. [C 193 / 195]

 

Herr Capitaine-Lieutenant von Hammerstein war sehr für den Unterricht durch Maschinen. Sein Haupt-Argument war beständig, dass es immer ein Glück wäre so früh als möglich seine Absicht zu erreichen. Er hatte fast keinen andern Beweis. Da aber die Untersuchung einer Sache, die Bemühung sie zu verstehen uns das Ding an sich besser von mehreren Seiten kennen lehrt, sich von der besten Seite an unser Gedanken-System anschließet, so ist gewiss für Leute die die Kräfte haben eine Zeichnung dem Modell vorzuziehen. Der allzu schnelle Zuwachs an Kenntnissen der mit zu wenigem eigenem Zutun erhalten wird ist nicht sehr fruchtbar, die Gelehrsamkeit kann auch ins Laub treiben ohne Früchte zu tragen. Man findet oft sehr seichte Köpfe, die zum Erstaunen viel wissen. Was man sich selbst erfinden muss lässt im Verstand die Bahn zurück die auch bei einer andern Gelegenheit gebraucht werden kann. [C 194 / 196]

 

Zwei auf einem Pferd bei einer Prügelei ein schönes Sinnbild für eine Staatsverfassung. [C 227 / 229]

 

Ich kann es wohl begreifen aber nicht anfassen und umgekehrt. [C 275 / 277]

 

Die Menschen können nicht sagen, wie sich eine Sache zugetragen sondern nur wie sie meinen, dass sie sich zugetragen hätte. [C 373 / 375]

 

Wenn ich dieses Buch nicht geschrieben hätte, so würde heute über 1000 Jahre abends zwischen 6 und 7 z.[um] E.[xempel] in mancher Stadt in Deutschland von ganzen andern Dingen gesprochen worden sein, als wirklich gesprochen werden wird. Hätte ich zu Vardöhus einen Kirschkern in die See geworfen, so hätte der Tropfen Seewasser...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2017
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Aphorismen
Schlagworte 18. Jahrhundert • Aphorismen • Aufsätze • Beobachtungen • Briefe • Denken • Editionen • Experimentalphysiker • Literatur • Notizheft • Parodie • Physik • Satire • sudelbuch
ISBN-10 3-8353-4073-5 / 3835340735
ISBN-13 978-3-8353-4073-2 / 9783835340732
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